Wohnanlage in Berlin: Neues Wohnen am Ufer der Panke

Wohnanlage in Berlin: Neues Wohnen am Ufer der Panke

Kosten & Finanzierung

Wohnanlage in Berlin: Neues Wohnen am Ufer der Panke

Text: Marlen Böhme | Foto (Header): © WERNER HUTHMACHER

Flüsse in Berlin? Den meisten fallen dazu Spree, Landwehrkanal oder Havel ein. Auf 20 km Länge verläuft durchs Berliner Stadtgebiet jedoch noch ein kleineres Fließgewässer, das von einem idyllischen Fahrradweg begleitet ist, die Panke. Die dort entstandenen UFERHÖFE sind von der Vergabe innerhalb eines Generalübernehmerverfahrens bis hin zur Befragung der Mieter zu ihrer Zufriedenheit ein besonderes Projekt.

Auszug aus:

Jahr 2016 Bündnisse mit mehreren Partnern geschlossen, unter anderem das Bündnis für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten zwischen Senat und den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Mittelfristig wird ein Bestand von 400.000 Wohnungen bei den sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften angestrebt. Inzwischen sind Teile dieser Verpflichtung durch das Berliner Wohnraumversorgungsgesetz (WoVG) gesetzlich normiert. Grundlagen sind zum einen konstruktiver Art, beispielsweise zur energieeffizienten Bauweise. Zum anderen beinhalten sie vor dem Hintergrund rasch und kontinuierlich steigender Baukosten ambitionierte Mietpreisbindungen der Sozialwohnungen. Auch Wohnungs- und Raumgrößen sowie Ausstattungsanforderungen sind vorgegeben. Die statisch-dynamische Schere der Rahmenbedingungen erfordert neue Wege in der Umsetzung von baulichen Vorhaben. Doch was bedeutet zeitgemäßes Bauen heute?

Die neue Wohnbebauung vervollständigt den Bestand zum städtischen Block.
GRAFIK: DMSW/ARNOLD UND GLADISCH ARCHITEKTEN

Was bestimmt Qualität und Kosten?

Eine Besonderheit des Projekts war die Vergabe innerhalb eines ausgelobten Generalübernehmerverfahrens. Die beauftragte Baufirma, die märkische ingenieur bau gmbh (mib), hat im Rahmen eines Wettbewerbs das schlüsselfertige Projekt zum Festpreis angeboten. Die vertragliche Bindung umfasste fixierte

Kosten und Termine sowie die beteiligten Objekt- und Fachplaner als Nachunternehmer der mib. Mit dieser Vergabeform werden Zuständigkeiten gebündelt, die den Auftraggeber entlasten. Die Architekten übernehmen hierbei die entwurfsrelevanten Leistungsphasen der HOAI und die Bauüberwachung hinsichtlich gestalterischer Vorgaben. Die vergabe- und baubezogenen Anteile erbringt die Baufirma selbst. Im Gegensatz zu Einzelvergaben durch den Auftraggeber wird so eine klare Zuständigkeit des beauftragten Bauunternehmens für seine Nachunternehmer erreicht. Im Fall der UFERHÖFE ermöglichte zudem die bereits erprobte Zusammenarbeit beider Architekturbüros, dass mit doppelter Energie innerhalb einer ambitioniert kurzen Planungs- und Bauzeit 180 Wohnungen fertiggestellt werden konnten.

Vor allem junge Familien und Studenten, aber auch Senioren haben in den UFERHÖFEN seit gut zwei Jahren ihr neues Zuhause. Wie bei allen landeseigenen Wohnbaumaßnahmen ist ein Teil der Wohnungen sozial gefördert. Dies erfordert intelligente Lösungen, die ein kostengünstiges und möglichst nachhaltiges Mietangebot auf kompakt gehaltener Wohnfläche ermöglichen. Ausstattungsstandards sind hier niedriger angesetzt als bei den frei vermieteten Wohnungen. Neben dem Tüfteln an ausgefeilten Grundrissen geht es den Architekten jedoch innerhalb des engen finanziellen Rahmens auch um die Abbildung ihres gestalterischen Anspruchs. Mit steigendem Druck auf den Wohnungsmarkt werden diese Spielräume zum Eintrag eines individuellen Charakters in eine Wohnanlage immer kleiner. Materialentscheidungen werden mit der zu erwartenden architektonischen Qualität unter Berücksichtigung der Kosten abgeglichen und im Hinblick auf Nachhaltigkeit diskutiert.

Im Norden ergänzt einer der drei neuen Baukörper den Blockrand.
FOTO: WERNER HUTHMACHER

In dem U-förmigen Baukörper sollten so viele kleine Wohnungen wie möglich untergebracht werden.
FOTO: WERNER HUTHMACHER

Gestaltung zwischen Vorgaben und Anspruch

Helle Putzfassaden, Öffnungen, Loggien und Balkone führen zu einem klaren äußeren Erscheinungsbild der UFERHÖFE. Eine robuste Hülle zu bauen, mit Mauerwerk aus natürlich basierten Wärmedämmziegeln, war den Architekten auch bei diesem Projekt wichtig. Neben mit robustem Klinker gestalteten Erdgeschossbereichen verbindet eine feine horizontale Gliederung die hellen Fassaden. Architektonische Gestaltung mit einfachsten Mitteln: hier ein durchlaufender Versatz im Mauerwerksmaß, dort fein perforierte Balkonbrüstungen, die eine flirrende optische Leichtigkeit erzeugen. Kommt man die Uferstraße entlang, betritt man zuerst ein Areal mit Spielplatz und Hochbeeten für Urban Gardening. Gleich einem kleinen dörflichen Anger sind diesem Areal die Hauseingänge zugewandt. Inseln mit heimischen Gehölzen und Stauden gliedern die Freianlagen. Den Bewohnern bietet sich hier ein Angebot an Möglichkeiten für Begegnung und Kommunikation. Am Spielplatz lernen sich Eltern kennen, hier kann Nachbarschaft beginnen.

Die Idee des miteinander Wohnens baulich zu gestalten, setzten sich Architekten und Landschaftsarchitekten gemeinsam zum Ziel. So ließ sich die GESOBAU auch vom Konzept des Urban Gardening überzeugen. Die hölzernen Boxen im Hof können durch die Mieter selbst gemeinschaftlich bepflanzt werden. Sie werden interessierten Bewohnern auf Anfrage zum Gärtnern überlassen. Noch ist dies ein Experiment.

GRAFIK: DMSW/ARNOLD UND GLADISCH ARCHITEKTEN

Wie wohnt es sich eigentlich in den UFERHÖFEN?

Vor gut zwei Jahren wurden die Wohnungen übergeben. Nun wollten die Architekten wissen: Sind alle umgesetzten Ideen aufgegangen? Und fragten die Bewohner. Basierend auf einem vorab übermittelten Fragebogen wurden Einzelinterviews mit einer jungen Familie und Studenten geführt. Diese ergaben eine hohe Zufriedenheit der Befragten mit den jeweiligen Wohnungen. Insbesondere Größe, Belichtung, Raumaufteilung, das Vorhandensein von Balkon oder Terrasse sowie die offene Küche werden unvermittelt anerkannt. Moderne Ausstattungsmerkmale wie glatt gespachtelte Wände, eine Fußbodenheizung, bodentiefe Fenster und die barrierefreie Erschließung über den Aufzug zählen für die Mieter zu den eindeutigen Vorteilen des Wohnens im Neubau. Hierbei genießt die eigene Wohnung die höchste Wertschätzung, gefolgt von der Gesamtwohnanlage und den gestalteten Gemeinschaftsbereichen im Hof. Auch Alltägliches, wie die Standorte für Müll und Fahrräder, wird als wichtiger Punkt benannt und für durchdacht und angenehm alltagstauglich befunden.

Der Erdgeschossbereich ist mit robustem Klinker gestaltet und die Fassaden verbindet eine feine horizontale Gliederung.
FOTO: WERNER HUTHMACHER

Auch in den Innenräumen bemühen sich die Architekten um gestalterische Qualität im Rahmen des engen Budgets.
FOTO: WERNER HUTHMACHER

Doch was unterscheidet das Wohnen hier im ruhigeren Teil des wilden Wedding vom gediegenen Altbau in Friedrichshain? Bei den Gründen für den Einzug in die UFERHÖFE punktet die Architektur gegenüber dem im Umbruch befindlichen Stadtteil, sagen die Bewohner. Die Familie brauchte wegen des erwarteten Babys dringend eine gemeinsame Wohnung. Die GESOBAU konnte ihnen helfen: 3 Zimmer plus Balkon mit Blick auf den Spielplatz. Die Studenten hingegen wohnen abgewandt vom Hof in kleinen nebeneinanderliegenden Apartments. Vor den bodentiefen Fenstern nutzen sie gemeinsam die durchgängige Terrasse im Erdgeschoss des Seitenflügels und finden es klasse. Inmitten hoher baulicher Dichte leistet die gestalterische Qualität offenkundig einen wesentlichen Beitrag zur Zufriedenheit. Dies ist umso bedeutender, als der Privatraum der eigenen Wohnung für die Befragten nach wie vor die zentrale Rolle für Erholung und auch Freizeitgestaltung spielt.

Direkte Anbindungen ins Grüne gibt es mit dem Spazierweg an der Panke und zu nahegelegenen Erholungsflächen wie dem Humboldthain und dem Volkspark Rehberge. Auch die Nähe zur City, zur Arbeit, von Schulen, Kindergärten und Einkaufsmöglichkeiten sowie Haltepunkte des öffentlichen Nahverkehrs sind den Mietern wichtig. Doch wie kann man das Heimelig-Atmosphärische im Quartier, die urbane Qualität vor der Haustür, im Rahmen der Projektentwicklung fördern? Eine größere Lücke im städtischen Raum zu schließen benötigt erkennbar mehr als eine bloße Bebauung mit Wohnungen.

Mieterzufriedenheit kann künftig ähnlich entscheidend für die Zukunftsfähigkeit einer Wohnimmobilie werden wie wirtschaftliche Kriterien oder Umweltzertifikate. Eine Erhebung kann Architekten und Planern hilfreiche Tipps geben: Was hat sich bewährt? Haben wir nicht nur an alle Vorschriften, sondern auch an die Bedürfnisse aller Bewohnergruppen gedacht? Berücksichtigen wir z. B. tatsächlich genügend die Anforderungen an Aufenthaltsflächen im Freien für Ältere? Wie sieht die Wohnung der Zukunft aus? Müssen Planungsteams gemeinsam mit den Auftraggebern Anforderungen zukunftsweisend modifizieren? Und wie kann man tatsächlich einen atmosphärischen Ort entwickeln? Neben diesen weiterführenden Überlegungen bleibt die interessante Erfahrung aus den Gesprächen, dass die Mieter die überlegten Eigenschaften und Angebote tatsächlich schätzen.

Perforierte Brüstungen verleihen den Balkonen Leichtigkeit.
FOTO: WERNER HUTHMACHER

Im Hof stehen den Bewohnern Hochbeete zum Bepflanzen zur Verfügung.
FOTO: WERNER HUTHMACHER

Grundriss Regelgeschoss
GRAFIK: DMSW/ARNOLD UND GLADISCH ARCHITEKTEN

Projektdetails


Standort
Bornemannstraße 15, 13357 Berlin
Anzahl der Wohnungen
180 Wohneinheiten, davon 57 WE gemäß Förderprogramm der Berliner SenSW
Bauherr
GESOBAU AG
Anzahl der Stellplätze
61 Pkw-Stellplätze in 2 Tiefgaragen, 188 Fahrradstellplätze
Architekten
Arge Arnold und Gladisch Architekten
DMSW Architekten
Wohnungsgrößen
37 m² – 119 m², 1,5 – 4,5 Zimmer
Landschaftsarchitekten
k1 Landschaftsarchitekten
Wohnfläche
11.700 m²
Baufirma
mib märkische ingenieur bau gmbh
Bruttogrundfläche
18.000 m²
Zeitraum
11/2014 – 3/2017
Projektteam
Petra Kracht, Lyuba Dicheva, Sandra Swierkowski, Kinga Krawczyk, Susanne Ebert, Jenny Möller, Katja Wemhöner
Bausumme
19,8 Mio Euro (KG 300 + 400 brutto)

Die Autorin


Marlen Böhme
Arnold und Gladisch Architekten

Die Architekten
Arnold und Gladisch Architekten ist ein 1996 von Frank Arnold und Mathias Gladisch in Berlin gegründetes Architekturbüro mit einem langjährigen Erfahrungsspektrum von Wohnungsbau bis zu Sicherheitlichem Bauen. DMSW sind aus der Bürogemeinschaft der Architekten Julia Dahlhaus, Michael Müller und Philipp Wehage mit der Landschaftsarchitektin Maria Simons entstanden. Seit 2004 arbeiten sie an Lösungen zu Aufgaben des gebauten Raumes. Ihr Schwerpunkt liegt im Neubau von Wohngebäuden.

Seit 2014 entwickeln beide Büros größere kommunale Wohnungsbauprojekte in Arbeitsgemeinschaft.

www.arnoldundgladisch.de
www.dmsw.de

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