Recht & Steuern
Mobilisierung von baureifen Grundstücken: Grundsteuer-Reform für mehr Bauland
Text: Prof. Dr. Ralf Jahn | Foto (Header): © FOCUS FINDER – stock.adobe.com
Nach zähem politischen Ringen kann das Gesetzespaket zur Reform der Grundsteuer wie geplant in Kraft treten: Ab 2025 wird dann in den Bundesländern die Grundsteuer nach neuen Regeln erhoben. Teil des Reformpakets ist neben einem neuen Bewertungsrecht auch die Baulandmobilisierung baureifer Grundstücke mittels einer neuen Grundsteuer C. Welche rechtlichen Anforderungen sind hierbei zu beachten?
Auszug aus:
QUARTIER
Ausgabe 1.2020
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Mit einem jährlichen Aufkommen von rund 14 Mrd. Euro stellt die Grundsteuer (Grundsteuer A für land- und forstwirtschaftliche Grundstücke; Grundsteuer B für Wohn- und Gewerbegrundstücke) neben der Gewerbesteuer die wichtigste kommunale Finanzierungsquelle dar. Diese stand allerdings auf der Kippe: Denn das Bundesverfassungsgericht [1] hat im April 2018 entschieden, dass das bisherige Bewertungsrecht verfassungswidrig ist und der Gesetzgeber deshalb bis zum 31.12.2019 ein neues Gesetz erlassen muss. Für die Umsetzung neuer Bewertungsverfahren wurde eine Übergangsfrist bis Ende 2024 eingeräumt.
Nach dem von den Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und SPD am 25.06.2019 beschlossenen Gesetzentwurf besteht das Reformpaket zur Änderung der Grundsteuer aus drei Bestandteilen:
Das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes [2] war erforderlich, um dem Bund ausdrücklich die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Grundsteuer zu übertragen, ohne dass für deren Ausübung die Voraussetzung des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen müssen. Um den Ländern die Befugnis zu umfassenden abweichenden landesrechtlichen Regelungen zu ermöglichen, wird diesen für die Grundsteuer das Recht zur abweichenden Regelung nach Art. 72 Abs. 3 GG eingeräumt [3]. Diese „Länderöffnungsklausel“ war insbesondere ein Petitum des Landes Bayern, um aufgrund der Immobilität des Steuerobjekts und des bereits in der Verfassung vorhandenen Hebesatzrechts die Steuerautonomie der Länder dadurch zu stärken, dass sie abweichende Bewertungsregeln erlassen können. Durch Ergänzung des Art. 105 Abs. 2 GG wird die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis für den Bund festgeschrieben und die Abweichungsbefugnis der Länder durch Aufnahme der Grundsteuer in den Katalog des Art. 72 Abs. 3 Nr. 7 GG begründet.
Änderung des Grundsteuer- und Bewertungsrechts
Mit dem Grundsteuer-Reformgesetz (GrStRefG) [4] ändert sich insbesondere die Bewertung der Grundstücke. Hauptfeststellungszeitpunkt zur Ermittlung der Grundsteuerwerte nach neuen Bewertungsregeln soll der 01.01.2022 sein, die neuen Grundsteuerwerte sollen dann ab dem Jahr 2025 Anwendung finden. Hierfür müssen in den nächsten Jahren rund 36 Mio. Grundstücke in Deutschland neu bewertet werden. Die Bewertung erfolgt grundsätzlich nach einem wertabhängigen Modell [5]: Bei einem unbebauten Grundstück ist hierfür der Wert maßgeblich, der durch unabhängige Gutachterausschüsse ermittelt wird. Ist das Grundstück hingegen bebaut, werden bei der Berechnung der Steuer auch Erträge wie Mieten und Pachten berücksichtigt. Um das Verfahren zu vereinfachen, wird für Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietgrundstücke und Wohnungseigentum ein vorgegebener durchschnittlicher Soll-Ertrag in Form einer Netto-Kaltmiete je m2 in Abhängigkeit von der Lage des Grundstücks angenommen.
Anstelle dieses wertabhängigen Modells können sich die Bundesländer aber auch dafür entscheiden, die Grundsteuer nach einem wertunabhängigen Modell zu berechnen. Dieses weniger aufwendige Bewertungsverfahren wird durch die Grundgesetzänderung möglich, die eine entsprechende Länderöffnungsklausel vorsieht. Das Land Bayern hat bereits angekündigt, allein die Fläche für die Wertbestimmung der Immobilie heranzuziehen. Ein entsprechender Gesetzentwurf auf Landesebene ist für das erste Halbjahr 2020 angekündigt. Die grundsätzliche Struktur der Grundsteuer bleibt allerdings auch in Zukunft erhalten und wird in einem dreistufigen Verfahren durch die Bewertung der Grundstücke, die Multiplikation der Grundstückswerte mit einer Steuermesszahl und die Anwendung des Hebesatzes der Kommune ermittelt. Während einer Übergangsphase bis 2025 bleibt nun Zeit, um die notwendigen Daten neu zu erheben, insbesondere die Grundstücke nach den neuen Spielregeln zu bewerten. Bis Ende 2024 darf deshalb das derzeit geltende Recht angewendet werden.
Einführung einer Grundsteuer C
Durch das Gesetz zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung [6] wird den Kommunen erstmals ermöglicht, einen erhöhten, einheitlichen Hebesatz auf baureife Grundstücke festzulegen (sogenannte neue Grundsteuer C). Durch diese Änderung soll ein finanzieller Anreiz geschaffen werden, die baureifen Grundstücke einer sachgerechten und sinnvollen Nutzung durch Bebauung zuzuführen und diese damit einem reinen Spekulationsmarkt zu entziehen.
Zielsetzung der neuen Grundsteuer C ist es, einen „finanziellen Anreiz“ (besser: eine grundsteuerliche Mehrbelastung) zu schaffen, um baureife Grundstücke schneller einer sachgerechten und sinnvollen Nutzung durch Bebauung zuzuführen. Das Recht der Baubehörden, entsprechende Baugebote zu verfügen, bleibt hiervon unberührt. Die neue Grundsteuer C soll nach dem Willen des Gesetzgebers auf Grundstücke beschränkt werden, die der Grundsteuerpflicht unterliegen und innerhalb oder außerhalb eines Plangebiets trotz Baureife nicht baulich genutzt werden [7]. Während der ursprüngliche Regierungsentwurf für eine Grundsteuer C mit Rücksicht auf den erheblichen Wohnungsmangel in Ballungsgebieten noch vom Tatbestandsmerkmal eines „besonderen Wohnraumbedarfs“ geprägt war [8], geht der Gesetzesbeschluss des Bundestages vom 18.10.2019 [9] nunmehr in § 25 Abs. 5 GrStG n. F. von einer Erweiterung des Anwendungsbereichs aus. Hiernach kann die Gemeinde „aus städtebaulichen Gründen“ baureife Grundstücke als besondere Grundstücksgruppe innerhalb der umgebauten Grundstücke (§ 246 BewG n. F.) bestimmen und für diese Grundstücksgruppe baureifer Grundstücke einen gesonderten Hebesatz festsetzen (§ 25 Abs. 5 Satz 1 GrStG n. F.). Das bedeutet im Einzelnen:
Baureife Grundstücke sind nach dem Gesetzeswortlaut unbebaute Grundstücke, die nach Lage, Form und Größe und ihrem sonstigen tatsächlichen Zustand sowie nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften sofort bebaut werden könnten. Eine erforderliche, aber noch nicht erteilte Baugenehmigung sowie zivilrechtliche Gründe, die einer sofortigen Bebauung entgegenstehen, sind unbeachtlich.
Erfordernis städtebaulicher Gründe
§ 25 Abs. 5 S. 4 GrStG n. F. zählt beispielhaft „städtebauliche Gründe“ auf, die Voraussetzung für die Einführung einer gesonderten Grundsteuer C sind. Hiernach kommen als städtebauliche Gründe insbesondere die Deckung eines erhöhten Bedarfs an Wohn- und Arbeitsstätten sowie Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen (z. B. übergeordnete Gemeinschaftsbedarfseinrichtungen wie Krankenhäuser, Forschungseinrichtungen, Hochschulen, Kindertagesstätten, Jugendfreizeitstätten oder Grundschulen), die Nachverdichtung bestehender Siedlungsstrukturen oder die Stärkung der Innenentwicklung in Betracht.
Beschränkung des besonderen Hebesatzes auf Gemeindegebietsteil
Nach § 25 Abs. 5 Satz 5 GrStG n. F. muss die Gemeinde den gesonderten, höheren Hebesatz auf einen bestimmten Gemeindeteil beschränken, wenn nur für diesen Gemeindeteil die städtebaulichen Gründe vorliegen. Der Gemeindeteil mit einer höheren Grundsteuer C muss mindestens 10 % des gesamten Gemeindegebiets umfassen, ferner müssen im Gemeindeteil mehrere baureife Grundstücke belegen sein. Die Festsetzung eines gesonderten (höheren) Hebesatzes durch Einführung einer Grundsteuer C ist optional, für die Kommune also nicht verpflichtend. Entschließt sich die Kommune allerdings zu diesem Schritt, sind besondere weitere Voraussetzungen zu beachten:
Hat eine Gemeinde eine Grundstücksgruppe baureifer Grundstücke für die Erhebung einer Grundsteuer C bestimmt, muss der Hebesatz für diese Grundstücke im entsprechenden Gemeindeteil einheitlich und höher sein als der einheitliche Hebesatz für die übrigen, in der Gemeinde liegenden Grundstücke (§ 25 Abs. 5 Satz 9 GrStG n. F.). Das bedeutet: Entschließt sich die Gemeinde zur Einführung einer Grundsteuer C, muss der Hebesatz höher sein als bei der Grundsteuer A und bei der Grundsteuer B. Hiermit soll ein besonderer Druck auf den Grundstückseigentümer ausgeübt werden, baureife Grundstücke auch zeitnah zu bebauen.
Die baureifen Grundstücke und deren Lage im Gemeindegebiet, auf das sich der gesonderte Hebesatz der Grundsteuer C bezieht, sind nach den Verhältnissen zu Beginn des Kalenderjahres von der Gemeinde zu bestimmen, in einer Karte nachzuweisen und im Wege einer Allgemeinverfügung öffentlich bekannt zu geben (§ 25 Abs. 5 Satz 7 GrStG n. F.). In der Allgemeinverfügung muss die Gemeinde auch die „städtebaulichen Gründe“ nachvollziehbar darlegen, ferner die Wahl des Gemeindegebiets, auf das sich der gesonderte Hebesatz beziehen soll, begründen.
Das neue Grundsteueränderungsgesetz zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung ist erstmals bei der Hauptveranlagung der Grundsteuer auf den 01.01.2025 anzuwenden (Art. 2 des Gesetzes). Ein Entschließungsantrag des Landes Berlin, die Einführung der neuen Grundsteuer C bereits ab dem Jahr 2022 einzuführen [10], fand im Bundesrat keine Mehrheit.
Mit der neuen Grundsteuer C steht den Kommunen ab dem 01.01.2025 ein zusätzliches steuerliches Lenkungsinstrument zur Verfügung, um baureife Grundstücke schneller einer Bebauung zuzuführen. Das ist angesichts des fortbestehenden Mangels an bezahlbarem Wohnraum zu begrüßen. Allerdings knüpft das neue Gesetz die Einführung einer höheren Grundsteuer zur Baulandmobilisierung an strenge Voraussetzungen, die in vielen Kommunen dazu führen könnte, dass dieses Besteuerungsinstrument verpufft. Erst recht entsteht selbst bei Einführung einer Grundsteuer C kein „Bauzwang“ für Grundstückseigentümer. Die Höherbesteuerung baureifer Grundstücke muss deshalb schon empfindlich und spürbar sein, wenn sie das beabsichtigte Ziel erreichen und Grundstückseigentümer zur Bebauung animieren soll.
Quellen/Literatur
[1] BVerfG vom 10.04.2018 – 1 BvL 11/14, BVerfGE 148, 147; NJW 2018, 1451.
[2] Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 15.11.2019, BGBl. I S. 1546.
[3] Siehe dazu BT-Drs. 19/11084; BR-Drs. 499/19.
[4] GrStRefG vom 26.11.2019, BGBl. I S. 1794.
[5] Einzelheiten siehe unter BT-Drs. 19/11085, 14138 und 14158.
[6] Vom 30.11.2019, BGBl. I S. 1875; siehe dazu BT-Drs. 19/11086; BR-Drs. 503/19.
[7] BR-Drs. 503/19 vom 08.11.2019.
[8] BT-Drs. 19/11086 und 19/13456.
[9] BT-Drs. 19/14139.
[10] BR-Drs. 503/1/19.
Der Autor
Prof. Dr. Ralf Jahn
Hauptgeschäftsführer der IHK Würzburg-Schweinfurt. Honorarprofessor für Verwaltungsrecht und öffentliches Wirtschaftsrecht an der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg.
ralf.jahn@wuerzburg.ihk.de