EU-Gebäuderichtlinie: Auswirkungen auf die Planung von Ladeinfrastruktur

EU-Gebäuderichtlinie: Auswirkungen auf die Planung von Ladeinfrastruktur

Recht & Steuern

EU-Gebäuderichtlinie: Auswirkungen auf die Planung von Ladeinfrastruktur

Text: Ines Coenen | Foto (Header): © elektronik-zeit – stock.adobe.com

Mit der Novellierung der EU-Gebäuderichtlinie ergeben sich strengere Vorgaben für Neubauten, aber auch für Bestandsgebäude. Anders als der Name vermuten lässt, enthält die Richtlinie nicht nur Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden, sondern auch verschärfte Pflichten zur Errichtung von Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge. Worauf müssen sich Projektentwickler, Planer und Gebäudeeigentümer künftig einstellen?

Auszug aus:

Mit der EU-Gebäuderichtlinie (EU) 2024/ 1275 („EPBD“ – „Energy Per formance of Buildings Directive“) verfolgt der europäische Gesetzgeber u. a. das Ziel, dass mehr Ladepunkte zur Verfügung stehen und so der Hochlauf der Elektromobilität gefördert wird. Ladeinfrastruktur im Gebäudebereich kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Denn dort, wo Elektrofahrzeuge längere Zeit abgestellt werden, kann deren Speicherleistung für die Stabilisierung des Stromnetzes herangezogen werden. Im Jahr 2018 wurden erstmals Pflichten zur Errichtung von Ladeinfrastruktur in die EU-Gebäuderichtlinie integriert. Mit der am 28.05.2024 in Kraft getretenen Novelle wurden diese Pflichten verschärft, um den Ausbau von Ladeinfrastruktur weiter voranzutreiben. Aufgrund ihrer Rechtsnatur als europäische Richtlinie gilt die EPBD nicht unmittelbar gegenüber den betroffenen Gebäudeeigentümern, sondern muss zunächst in das deutsche Recht umgesetzt werden. Ein entsprechendes nationales Umsetzungsgesetz steht bislang noch aus.

Derzeitige Pflichten zur Errichtung von Ladeinfrastruktur

Die EU-Gebäuderichtlinie enthielt bereits vor der Novellierung Pflichten in Bezug auf die Errichtung von Ladeinfrastruktur. Diese Pflichten hat der deutsche Gesetzgeber durch das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz („GEIG“) in nationales Recht überführt. Das GEIG trat im März 2021 in Kraft und differenziert zwischen Wohn- und Nichtwohngebäuden sowie Neubauten und Bestandsgebäuden. Je nach Gebäudekategorie gelten dabei unterschiedliche Pflichten. Mit Blick auf den Bestandsschutz von Gebäuden sind die Regelungen für bestehende Gebäude deutlich weniger umfangreich als für Neubauten. So ist etwa bei neuen Wohngebäuden jeder Stellplatz mit Leitungsinfrastruktur auszustatten, sofern das Gebäude über mehr als fünf Stellplätze verfügt. Hingegen wird bei bestehenden Wohngebäuden eine Nachrüstung der Stellplätze mit Leitungsinfrastruktur nur dann erforderlich, wenn das Gebäude über mehr als zehn Stellplätze verfügt und größere Renovierungen an dem Gebäude vorgenommen werden. Leitungsinfrastruktur meint in beiden Fällen lediglich die Leitungsführung, also die Verlegung von Leerrohren o. Ä., nicht aber die Vorverkabelung oder die Anbringung eines Ladepunkts. Dies soll die spätere Installation von Ladepunkten einfacher und günstiger machen.

Die Regelungen des GEIG zu Nichtwohngebäuden sind ähnlich aufgebaut. Allerdings gelten andere Schwellenwerte bei der Anzahl der Stellplätze und auch Art bzw. Umfang der geforderten Installationen weichen etwas ab. So ist bei Nichtwohngebäuden nur ein Teil der Stellplätze mit Leitungsinfrastruktur auszurüsten, im Gegenzug aber zusätzlich ein Ladepunkt anzubringen. Eine weitere Besonderheit bei Nichtwohngebäuden ist, dass bei bestehenden Nichtwohngebäuden mit mehr als 20 Stellplätzen bis zum 01.01.2025 ein Ladepunkt zu errichten ist, auch wenn keine Renovierungsarbeiten an dem Gebäude stattfinden. Für bestehende Wohngebäude besteht eine solche Nachrüstpflicht nicht.

Strengere Anforderungen infolge der Novelle

Bei der Novellierung der EU-Gebäuderichtlinie ist der europäische Gesetzgeber der bisherigen Systematik treu geblieben. So wird auch weiterhin zwischen Wohn- und Nichtwohngebäuden sowie Neubau und Bestand unterschieden. Im Vergleich zur vorherigen Fassung der Richtlinie werden die Stellplatzschwellenwerte jedoch abgesenkt, sodass insgesamt mehr Gebäude betroffen sein werden. Zudem muss ein größerer Anteil der Stellplätze mit umfassenderer Infrastruktur ausgestattet werden.

Vorausgesetzt die jeweiligen Stellplatzschwellenwerte sind überschritten, gilt künftig Folgendes: In neuen sowie einer größeren Renovierung unterzogenen Gebäuden sind mindestens 50% der Stellplätze mit Vorverkabelung auszustatten. Dies gilt sowohl für Wohn- als auch für Nichtwohngebäude. Die Vorverkabelung geht über die bloße Verlegung von Leerrohren hinaus und umfasst alle Maßnahmen, die erforderlich sind, um die Errichtung von Ladepunkten zu ermöglichen, einschließlich der Datenübertragung, Kabel und Kabelwege und – soweit erforderlich – auch Stromzähler. Der Teil der Stellplätze, der nicht mit Vorverkabelung ausgestattet wird, ist mit Leerrohren zu versehen. Darüber hinaus genügt in (neuen bzw. einer größeren Renovierung unterzogenen) Nichtwohngebäuden künftig nicht mehr die Errichtung von pauschal einem Ladepunkt, sondern es ist jeder fünfte und in Bürogebäuden sogar jeder zweite Stellplatz mit einem Ladepunkt zu versehen. Zudem ist bei neuen Wohngebäuden künftig mindestens ein Ladepunkt zu errichten.

Auch die Anforderungen an Bestandsgebäude mit mehr als 20 Stellplätzen steigen. Unabhängig von etwaigen Renovierungsarbeiten ist in solchen Nichtwohngebäuden bis zum 01.01.2027 mindestens jeder zehnte Stellplatz mit einem Ladepunkt auszurüsten oder die Hälfte der Stellplätze mit Leerrohren zu versehen. Für bestehende Wohngebäude, an denen keine Renovierungsarbeiten durchgeführt werden, wird es – zumindest nach den europäischen Vorgaben – auch weiterhin keine Nachrüstpflicht geben.

Nächste Schritte

Nun liegt es am deutschen Gesetzgeber, die Pflichten aus der Richtlinie so in nationales Recht umzusetzen, dass sie spätestens am 29.05.2026 bzw. – hinsichtlich der Pflichten für bestehende Nichtwohngebäude – bis Anfang 2027 greifen. Dies wird wohl über eine Anpassung des GEIG erfolgen. Die Mitgliedstaaten können die EU-Gebäuderichtlinie überobligatorisch umsetzen, d. h., sie können auch strengere Regelungen als die Richtlinie vorsehen, etwa Schwellenwerte weiter absenken oder die Installation von mehr Ladepunkten verlangen. Es bleibt abzuwarten, ob der deutsche Gesetzgeber hiervon Gebrauch macht. Auch wenn die verschärften Pflichten erst nach deren Umsetzung in nationales Recht gelten, ist es für alle Beteiligten ratsam, sich bereits jetzt mit den anstehenden Änderungen zu befassen. Nur so bleibt genug Zeit für die Planung, Finanzierung und Umsetzung. In jedem Fall ist sehr sorgfältig zu prüfen, in welche Gebäudekategorie das jeweilige Gebäude fällt und welche konkreten Maßnahmen erforderlich sind.

Die Autorin


Ines Coenen
Ines Coenen ist als Rechtsanwältin bei der Noerr PartGmbB in München tätig. Ein Beratungsschwerpunkt stellt die Beratung nationaler und internationaler Mandanten bei der Umsetzung von Ladeinfrastruktur-Projekten dar. Daneben begleitet sie Projektentwicklungen und Immobilientransaktionen in Bezug auf öffentlich-rechtliche Fragestellungen.
www.noerr.com

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