Gemeinschaftliches Wohnen in Hamburg: Wohnvielfalt im Quartier

Gemeinschaftliches Wohnen in Hamburg: Wohnvielfalt im Quartier

Realisierte Objekte

Gemeinschaftliches Wohnen in Hamburg: Wohnvielfalt im Quartier

Text: Franz Sumnitsch | Foto (Header): © HERTHA HURNAUS

Inmitten der HafenCity, direkt am gepflegten Grasbrookpark, hat BBK-3 einen international beachteten Wohnbau errichtet. Vom leistbaren Wohnraum, über eine individuelle Baugruppe und freifinanzierte Wohnungen bis hin zum Gemeinschaftsraum bündelt das Bauwerk alles, was eine lebendige Stadtgestaltung ausmacht. Der skulpturale Baukörper ist ein klares Statement für ein soziales Miteinander und gegen das Luxuswohnen, für das die Hamburger HafenCity lange Zeit stand.

Auszug aus:

Lange wurde in der Hamburger HafenCity das Thema Wohnen dem freien Markt überlassen. Mit dem Prinzip der Gewinnmaximierung beim Verkauf der eigenen Grundstücke hatte sich die HafenCity kräftig an der allgemeinen Verteuerung der Baugründe beteiligt. Erst vor einigen Jahren begann die Stadt, geförderten Wohnbau zu ermöglichen. Eines der ersten Projekte aus dieser Zeitenwende wurde vom Architekturbüro BKK-3 (Wien/Hamburg) geplant.

Der großvolumige Bau mit 136 Wohnungen für unterschiedliche Bevölkerungsschichten setzt ein starkes Zeichen für mehr Vielfalt in der Stadt. Eine Vielfalt, die auch Abbild der gesellschaftlichen und politischen Veränderung in der Hansestadt ist, die sich nun bemüht, möglichst nahe an den Bewohnern der Stadt zu sein. BKK-3 konnten mit ihrer Erfahrung im Wiener Wohnbau und genossenschaftlichen Wohnprojekten der Idee der „Wohnvielfalt“ eine funktionierende Struktur und ein einprägsames Gesicht verleihen.

Die Wohnvielfalt am Grasbrookpark ist einer der ersten geförderten Wohnbauten in der Hamburger HafenCity. Dieser Block, der in einem vielschichtigen Planungsprozess entstanden ist, ist deshalb möglich geworden, weil die Stadt Hamburg von der früher üblichen Höchstpreisvergabe abgerückt ist. Da die Hafen-City zuvor stark kritisiert wurde, das Thema Wohnen nur den Investoren zu überlassen, führte dies zu einem Umdenken bei der Stadt. Nun waren auch Konzeptverfahren erlaubt. Eine Bietergemeinschaft war angetreten, um mit ihrer Idee eines gemeinschaftlichen Wohnens einen Gegenpol zum reinen Luxuswohnen zu schaffen. Entstanden ist eine skulpturale Großform, die das Quartier mit seiner bunten Nutzungsvielfalt bereichert.

Lage in der HafenCity
ABBILDUNG: BKK-3

Die Wohnvielfalt ist eine der ersten geförderten Wohnprojekte in der Hamburger HafenCity und liegt direkt am Grasbrookpark.
FOTO: HERTHA HURNAUS

Hintergrund

Um in der HafenCity ein Grundstück zu bekommen, musste man sich mit einem Konzept bewerben. Die Bietergemeinschaft, bestehend aus der Hamburger Wohnbaugenossenschaft Hansa, der Grundstücksgesellschaft Roggenbuck GbR und der vom Architekten Christian Mörker betreuten Baugruppe, bewarb sich gemeinsam für das Grundstück am Grasbrookpark mit dem Konzept der „Wohnvielfalt“. Darin skizzierten sie einen Wohnbau, der unterschiedlich teure Wohnungen vereint und damit verschiedene Bevölkerungsschichten anspricht. In der Zwischenzeit hatte die Stadt bei der Vergabe der Grundstücke das Maximalpreisverfahren fallen gelassen. Mit einem neu eingeführten Punktesystem, das den  reis mit 30 % berücksichtigt und das Konzept (etwa Sozialwohnungsbau) mit 70 % bewertete, konnte die Bietergemeinschaft die Stadt überzeugen und bekam den Zuschlag. Es ist damit eines der ersten fertiggestellten Projekte, bei denen die Stadt die Anhandgabe von Grundstücken auch an gemeinnützige Bedingungen knüpfte.

Windgeschützte Buchten bieten einen weiten Blick über Hamburg.
FOTO: HERTHA HURNAUS

Grundriss 1. OG
ABBILDUNG: BKK-3

Grundriss 2. OG
ABBILDUNG: BKK-3

Dachgeschoss
ABBILDUNG: BKK-3

Städtebauliches Konzept

Nur zehn Gehminuten von der Elbphilharmonie entfernt, ankert die „Wohnvielfalt“, ein Wohnbau mit dunkler Klinkerfassade und weiß gehaltenen Balkonen. Über einem gemeinsamen Sockelgeschoss mit Kindergarten, diversen Einzelhandelsflächen, Anlieferung und Zufahrt zu der Tiefgarage erhebt sich der sechsgeschossige Wohnbau mit seinen 136 Wohnungen. Ein Drittel der Wohnungen ist im Eigentum einer Baugruppe, ein knappes Drittel sind preisgedämpfte (11,10 €/m²) sowie geförderte Wohnungen (6,30 €/m² bzw. 8,50 €/m²), und ein Drittel der Wohnungen wird zu marktüblichen Preisen vermietet. Die Wohnungen waren sehr gefragt, da hier geförderter und preisgedämpfter Wohnraum zur Verfügung stehen. Und das an einem äußerst attraktiven Standort innerhalb der HafenCity. Denn die städtebauliche Lage ist wohl einzigartig. Vor der Haustür liegt der Grasbrookpark mit einem Kinderspielplatz und gleich daneben eine U-Bahnstation. Die langgestreckte Front des Neubaus definiert die Grenze des Parks. Es gibt also ein direktes Visavis von Wohnbau und Park.

Eine eingeschnittene Treppe führt von der Straße auf das 6 m hohe Hofniveau.
FOTO: HERTHA HURNAUS

Die Blockrandbebauung mit den drei präzise gesetzten Einschnitten ermöglicht eine vielfältige Nutzung.
ABBILDUNG: BKK-3

Die Architekten nahmen in ihrem Entwurf besondere Rücksicht auf Belichtung und Ausblicke.
ABBILDUNG: BKK-3

Die Architekten erkannten bald, wie wichtig guter Städtebau ist, damit die Architektur zum positiven Imagegewinn der HafenCity beitragen kann. Die Wohnvielfalt reagiert mit einer städtebaulich starken Geste und einer geschickten Abstufung von öffentlichen Freiräumen über halböffentliche hin zu privaten. Zum Park hin öffnet sich der Innenhof mit einem besonders breiten Einschnitt. Eine dazu seitlich versetzte Treppe führt von der Straße auf das 6 m hohe Hofniveau. Der Innenhof ist als halböffentlicher Raum konzipiert, neben dem Gemeinschaftsraum sind hier auch Ateliers angesiedelt.

Dabei waren die Vorgaben, d. h. die geforderte Dichte auf dem langen und doch schlanken Grundstück nicht einfach zu erfüllen. Das Grundstück, das es zu bebauen galt, ist 115 m lang und gerade mal 33 m breit. Um allen Wohnungen gleichermaßen eine gute Belichtung und interessante Ausblicke zu gewähren, haben die Architekten eine Blockrandbebauung mit drei präzise gesetzten Einschnitten entworfen. So wird aus der Großform ein differenzierter, skulpturaler Baukörper, der die inhaltliche Vielfalt gut widerspiegelt. Der Innenhof, um den sich alle Wohnungen gruppieren, liegt über dem Sockelgeschoss und ist über zwei Freitreppen von der Straße aus zu erreichen.

Die Gefahr von schlechter Belichtung der Wohnungen und unangenehmen Windverhältnissen gerade in der HafenCity war den Architekten bewusst. Sie analysierten die Licht- und Windverhältnisse genau und nahmen mit ihrem Entwurf besondere Rücksicht auf Belichtung und Ausblicke, indem sie die Widmung nicht voll ausnutzten.

Das Gebäude hat an der Südseite zum Grasbrookpark einen Einschnitt, der die Wohnungen und die Kommunikationsebene im ersten Obergeschoss aufwertet. Indem der Vordertrakt dadurch weniger Schatten wirft ist eine bessere Belichtung der rückwärtigen Baukörper gelungen. Die Freiflächen sind nach Süden orientiert und haben dadurch ein besseres Mikroklima. Der größere Baukörperabstand sorgt für mehr Großzügigkeit und garantiert sogar Wintersonne im hinteren Bereich. Im Innenhof sind die Baukörper weiß verputzt, während sie nach außen mit dunklen Klinkern verkleidet sind. Hier heben sich die weißen Balkone deutlich vom dunklen Hintergrund ab. Die Einschnitte und Faltungen, die sich unter anderem aus den beengten Grundstücksverhältnissen ergeben haben, geben dem Wohnbau eine einprägsame Gestalt. Alle Herausforderungen, die sich durch die städtebauliche Situation und die funktionale Durchmischung ergeben, scheint der Baukörper in Wohlgefallen aufzulösen.

Die Baukörper sind im Innenhof weiß verputzt, nach außen sind sie mit dunklen Klinkern verkleidet.
FOTO: HERTHA HURNAUS

Längsschnitt
ABBILDUNG: BKK-3

Der über dem Erdgeschoss liegende Innenhof ist das Herzstück des Wohnkomplexes.
FOTO: HERTHA HURNAUS

Wiener Wohnbauexpertise

Für das gelungene Miteinander von unterschiedlichen Bewohnergruppen ist das zufällige sowie das bewusste Zusammentreffen in öffentlichen und halböffentlichen Räumen, im Innen- und Außenraum äußerst wichtig. Im Wiener Wohnbau gibt es eine lange Tradition von Gemeinschaftsflächen und Gemeinschaftsräumen gesammelt. BKK-3 hat einige der interessantesten Wiener Wohnbauten errichtet und viel Erfahrung im genossenschaftlichen Bauen gesammelt. Diese Expertise haben die Architekten hier eingebracht und damit der Idee einer Wohnvielfalt eine funktionierende Struktur und ein einprägsames Gesicht verliehen.

Soziale Nachhaltigkeit

Neben der Durchmischung des Wohnungsangebots bestand von Beginn an auch der Wunsch, die Bildung einer Hausgemeinschaft durch entsprechende räumliche Angebote zu unterstützen. Herzstück des Wohnbaus ist der über dem Erdgeschoss liegende Innenhof. Hier können die Bewohner sich treffen, miteinander reden und einander kennenlernen. Zusätzlich sorgen auf dieser Ebene ein Gemeinschaftsraum sowie
Ateliers und Büroräume, die von den Bewohnern angemietet werden können, für regelmäßige Frequenz und Lebendigkeit des halböffentlichen Freiraums.

Von den Bewohnern hört man, dass der Gemeinschaftsraum inzwischen gut angenommen wird. Hier treffen sich Elterngruppen, hier finden Partys statt, sogar eine Kochgruppe hat sich formiert, die sich wöchentlich von einem Profikoch unterrichten lässt. Genau so hatten sich
die Projektinitiatoren das gewünscht und damit eine lebendige Hausgemeinschaft unterstützt. Mit den Architekten standen sie beharrlich hinter der Idee, das soziale Gemeinwohl in den Vordergrund zu stellen, und haben diese Idee konsequent und nachhaltig umgesetzt. Nachhaltig ist übrigens auch die Bauweise: Der Bau hat das höchste Umweltzeichen der Hafen-City, den Gold Standard, erhalten.

Projektdetails


Bauherr
Grundstücksgesellschaft Roggenbuck GbR
Hansa Baugenossenschaft eG
Baugemeinschaft „Am Grasbrookpark GmbH&Co.KG“
Nutzfläche Gewerbe
2.400 m² mit Einzelhandel
und Kindergarten
Architekten
BKK-3 Architektur ZT-GmbH
Projektleitung: Franz Sumnitsch, Norman Jargstorff, Jan Nieswand
1. Preis internationaler Architekturwettbewerb 2012
Leistungsphasen Vorentwurf, Entwurf, Genehmigungsplanung, Leitdetails, künstlerische Oberleitung
Ausführungsplanung: Mevius Mörker
Architekten, Hamburg
Nutzfläche Wohnen
12.000 m²
136 Wohnungen, davon 31 gefördert und 25 preisgedämpft sowie Ateliers
Planungsstart
Oktober 2012
Freiraumplanung
Karin Standler
Baubeginn
November 2015
Statik, Bauphysik
ISS
Ingenieurgesellschaft
Sander & Schneider PartmbB
Fertigstellung
Mai 2018
Schallschutz
Lärmkontor GmbH
Grundstücksfläche
3.800 m²
Brandschutz
IBP
Ingenieurgesellschaft für Brandschutzplanung mbH
BGF
24.500 m²
TGA
m+p Consulting

Philosophie
BKK-3 baut für Menschen sozial, nachhaltig und vielfältig. Das erklärte Ziel unserer Architektur ist der Blick in die Zukunft und die Verantwortung, die mit einer Generationen übergreifenden Planung verbunden ist.

BKK-3 baut mit Menschen mitbestimmend, interaktiv und mit Spaß. Die Wohnzufriedenheit in unseren Objekten ist überdurchschnittlich hoch und basiert auf dem Verständnis der tatsächlichen Nutzerbedürfnisse.

BKK-3 baut für die Stadt kompakt, prägend und inspirierend. Wir planen die Stadt der kurzen Wege mit sinnvollen Nutzungsinhalten und innovativen Ideen für die städtebauliche Gestaltung.

Der Autor


Franz Sumnitsch
BKK-3 ist ein Wiener Architekturbüro, das 1999 von Franz Sumnitsch gegründet wurde und das seit 2012 mit der BKK-3 NJN Planungsgesellschaft mbH eine Hamburger Dependance hat (Norman Jargstorff). Seit Jahrzehnten realisieren sie zahlreiche Wohnbauten, die mit vielen Architekturpreisen ausgezeichnet wurden. Ihr bekanntestes Projekt ist die Sargfabrik in Wien Penzing, ein aus der alternativen Wohnbewegung der 1980er-Jahre hervorgegangenes gemeinschaftliches Wohnprojekt, das mit 220 Genossenschaftlern zugleich das größte Europas war. Die Sargfabrik ist nach wie vor ein äußerst beliebter Wohnort und mit seinen vielen Gemeinschaftseinrichtungen zu einem unverzichtbaren Treffpunkt für das umgebende Quartier geworden.

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