Kosten & Finanzierung
Wohnraumlüftung: Wirtschaftlichkeit zentraler und dezentraler Systeme
Text: ??? | Foto (Header): © PHOTO 5000 – stock.adobe.com
Ob zum Feuchteschutz oder für eine gute Luftqualität: Wohnraumlüftungstechnik ist gerade bei Mehrfamilienhäusern mittlerweile Standard. Doch bei welchen Voraussetzungen eignen sich welche Systeme und wie verhält es sich mit den Kosten?
Auszug aus:
QUARTIER
Ausgabe 1.2018
Jetzt abonnieren
Diese Ausgabe als Einzelheft bestellen
Im Wohnungsneubau oder bei der Sanierung eines Objekts müssen sich Planer und Ausführende Gedanken über die Art der Lüftung machen. Zu diesem Zweck hat die DIN 1946, Teil 6 [1], die Erstellung eines Lüftungskonzepts definiert. Dieses kann mithilfe eines kostenlosen Tools, z. B. des Bundesverbands für Wohnungslüftung (abrufbar unter www.wohnungslueftung-ev.de/produkt/planungstool-lueftungskonzept) erstellt werden. Die Lösungen reichen von manuellen bis zu mechanischen Systemen. Je nach System können die unterschiedlichen Lösungen neben der benötigten Lüftung (zum Feuchteschutz) für eine verbesserte Luftqualität sorgen.
Aufgrund der in der Regel höheren Bewohnerzahl und der unterschiedlichen Nutzergruppen bei geringerer Wohnfläche ist eine Lüftung im Mehrfamilienhaus von noch größerer Bedeutung als im Einfamilienhaus. Die Vor- und Nachteile abzuwägen und sich für ein geeignetes Lüftungssystem zu entscheiden, ist häufig nicht einfach.
Bei der Wahl des geeigneten mechanischen Lüftungssystems für Mehrfamilienhäuser wird zwischen zentralen Anlagen für das gesamte Gebäude und dezentralen Anlagen je Wohneinheit unterschieden. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, Luft in Wohnungen einzubringen und auszutauschen: durch freie Lüftung als Fensteroder Quer- bzw. Schachtlüftung oder durch mechanische Lüftungssysteme. Zu Letzteren zählen Abluftanlagen mit bzw. ohne Wärmerückgewinnung und Zu- und Abluftanlagen mit Wärmerückgewinnung. Auch Kombinationen der unterschiedlichen Lüftungssysteme sind am Markt zu finden.
Die freie Lüftung erfolgt durch Schächte bzw. definierte Außendurchlässe in der Fassade oder im Fenster oder durch das manuelle Öffnen und Schließen von Öffnungen in der Fassade. Diese Art der Lüftung ist in der Regel auch für den sommerlichen Wärmeschutz notwendig. Bei der manuellen Fensterlüftung erfolgt entweder eine Querlüftung, welche durch das Öffnen gegenüberliegender Fenster erfolgt, oder eine Stoßlüftung. Eine Schachtlüftung ohne Ventilatorunterstützung ist nur noch im Altbau zu finden und soll meistens innen liegende Badezimmer entlüften. Sie bewirkt zwar einen gewissen Luftwechsel, ist jedoch für die gezielte Abfuhr der Feuchte ungeeignet. Soll eine Lüftung auch bei Abwesenheit der Bewohner erfolgen, muss auf eine motorische Fensterlüftung zurückgegriffen werden. Diese Systeme können die Lüftungsöffnung oder das Fenster nach Bedarf über Sensoren steuern, wodurch eine gezielte Lüftungsstrategie aufgebaut werden kann.
Bei den Zu- und Abluftanlagen mit Wärmerückgewinnung gibt es beim Mehrfamilienhaus folgende Möglichkeiten: zentrale Lüftung, dezentrale wohnungsweise Lüftung (ein Gerät pro Wohnung), Raumkombinationen aus jeweils zwei Räumen mit einem Außenwandgerät sowie die Einzelraumlüftung (jeweils nur ein Raum pro Außenwandgerät).
Dezentrale Anordnung der Geräte
Bei dezentralen Lüftungsanlagen sind weitere Differenzierungen möglich. Sie können für einzelne Räume, Raumverbunde, Wohnungen und Etagen vorgesehen werden. Je Anlage fallen zwei nach außen führende Leitungen an. Diese sind bei mehrgeschossigen Häusern unter Berücksichtigung kurzer Leitungen zwischen Gerät und Gebäudehülle über die Fassade zu führen. Je nach Grundriss und Konzeption kann auch eine andere Lösung in Betracht kommen, wie etwa die Führung über das Dach. In der Regel führt das zu höheren Kosten in der Ausführung, die auf Anforderungen des Brandschutzes zurückzuführen sind. Für den Nutzer bietet sich der Vorteil, dass die Steuerung der variablen Luftmengen direkt über das Lüftungsgerät erfolgt. Es fallen nur die in der Wohneinheit benötigten und dort erfassten Stromverbräuche an. Das gilt auch für den Filterwechsel und die Wartung des Geräts.
Wohnungsweise angeordnete Einzelraumgeräte
Am Markt verfügbar sind Geräte mit alternierender Betriebsweise, bei denen sich Zu- und Abluftbetrieb abwechseln und auch kleine Geräte mit Gegenstromwärmerückgewinnung. Diese sind auch mit einem Zweiraumanschluss erhältlich. Dabei wird das Gerät in der Außenwand des Zuluftraums installiert und saugt leitungsgeführt aus dem daneben liegenden Abluftraum die Fortluft ab. Eine Kaskadierung über mehrere Räume ist bei beiden Gerätebauarten möglich. Es sind in der Regel keine Brandschutzmaßnahmen erforderlich.
Zentrale Lüftungsanlagen versorgen ein gesamtes Mehrfamilienwohnhaus und sind an einer zentralen Stelle positioniert, z. B. im Keller oder Dachgeschoss. Die Luftverteilung erfolgt horizontal durch ein Kanalnetz und vertikal über die Geschosse.
Die Leitungen für die Fort- bzw. Außenluft, die nach außen geführt werden müssen, fallen bei einer zentralen Anlage nur einmal an, wodurch nur zwei Durchdringungen der Gebäudehülle entstehen. Der Aufwand für das Kanalnetz der Zu- und Abluft, das für die Luftzu- bzw. -abfuhr in den Wohnungen sorgt, ist bei einer zentralen Anlage höher. Hier müssen brandschutzrelevante Bauteile, wie die Geschossdecke, durchquert werden. Dazu werden Brandschutzklappen vorgesehen, die einer jährlichen Funktionskontrolle unterzogen werden müssen. Die Rauchübertragung von Wohnung zu Wohnung ist dabei zu verhindern. Für die Verteilung der Luftmengen empfiehlt es sich, für jede Wohnung variable Konstantvolumenstromregler einzubauen, die die vom Nutzer veränderbaren Luftaustauschmengen ermöglichen. Die Steuerung der Anlage wird zentral gelöst, wodurch es einen höheren Verkabelungsaufwand gibt.
Das Abluftgerät befindet sich im Dachboden oder auf dem Flachdach. Die Ablufträume (Küche, Bad, WC) werden durch Abluftelemente, die an die durch die Geschosse verlegte Sammelleitung angeschlossen sind, abgesaugt. Die Außenluft strömt durch die Außenwanddurchlässe in die Zulufträume nach. Eine Wärmerückgewinnung ist durch eine separate Abluftwärmepumpe möglich und ergänzt die Warmwasser- oder Heizwasserbereitung. Die Auslegung kann nach DIN 1946-6 und/oder DIN 18017-3 [2] erfolgen. Für brandschutztechnische Lösungen muss die Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Lüftungsanlagen (M-LüAR, Abschnitt 7 [3]) berücksichtigt werden. Zu den Ablufträumen können Flachkanäle in der Isolierung auf den Außenwänden verlegt werden. Die Wärmerückgewinnung bei diesen Anlagensystemen erfolgt durch eine Luft-Wasser-Wärmepumpe. Diese nutzt die Wärme der Abluft für das Trinkwarmwasser oder als Heizungswasser in den jeweiligen Speichern.
Je nach Fassade unterscheiden sich die Lüftungsgeräte in horizontale bzw. vertikale Brüstungsgeräte, Deckengeräte und Unterflurgeräte. Brüstungsgeräte gibt es für den Einbau auf oder vor der Brüstung. Sie lassen sich sowohl unterhalb, als auch seitlich von Fenstern montieren. Deckengeräte werden in die Zwischendecke eingebaut, Unterflurgeräte an die Fassade angrenzend im Doppel- oder Hohlraumboden. Die Geräte können autark betrieben oder mit einer zentralen Gebäudeleittechnik kombiniert werden.
Bei energetischen Sanierungen wird immer öfter moderne Lüftungstechnik nachgerüstet. Dabei können dezentrale Systeme vorteilhaft sein und bilden manchmal sogar die einzige Lösung. Eine weitere Möglichkeit ist eine Abluftanlage, die im Zuge einer Strangsanierung eingebaut wird. Ein wichtiges Kriterium ist der Installationsaufwand und die daraus resultierende Leerstandszeit der Wohnungen. Je nach System ist ein Einbau auch in bewohnten Wohnungen möglich.
Da sich die Ansprüche und die Akzeptanz von Mietern deutlich von denen der Eigentümer unterscheiden, sollten bei der Planung folgende Punkte besonders berücksichtigt werden:
Beeinflussbarkeit der Luftqualität und der Nutzersteuerung.
Die Akzeptanz der Lüftungsanlage wird von Mietern infrage gestellt, wenn in der Heizperiode zusätzliches Fensteröffnen erforderlich ist. Die (Nutzer-) Anlagensteuerung erfolgt durch Ist-Anzeigen und wird durch Sensoren optimiert.
Geräusche.
Rohrleitungen sind bei einer Sanierung im Regelfall nicht vollständig austauschbar. Eine kleinere Dimensionierung der Leitungen zur Erhöhung des Volumenstroms kommt aufgrund von akustischen und energetischen Gründen eventuell nicht infrage.
Feuchteschutz.
Zu hohe wie auch zu niedrige Luftfeuchte ist – unter Einhaltung der anderen Schutzziele – zu vermeiden. Zudem muss die Belegung bekannt sein. Schon die „Überbelegung“ durch eine Person könnte eine ergänzende Fensterlüftung durch die Bewohner erfordern.
Hygiene.
Lüftungsgeräte und das Leitungssystem müssen revisionierbar und reinigbar geplant und installiert werden.
Thermischer Komfort.
Um Zugerscheinungen zu vermeiden, muss die Zuluft eine gewisse Mindesttemperatur in Abhängigkeit von der Raumlufttemperatur aufweisen und die Zulufteinrichtungen müssen richtig angeordnet sein. Der sommerliche Wärmeschutz kann mit Lüftungssystemen positiv beeinflusst werden.
Vor- und Nachteile der Systeme
Bei einem zentralen Gerät für ein Mehrfamilienhaus kommt es zu geringeren Stromkosten, geringem Wartungsaufwand, und die Zugänglichkeit für Filterwechsel ist so gut wie immer gegeben. Jedoch sind die Brandschutzmaßnahmen in der Investition und auch im Betrieb nicht unerheblich. Vorteilhaft bei dezentralen Geräten ist die nutzerabhängige Abrechnung der Stromkosten. Je nach Installation kann auch eine Wartung von außerhalb der Wohnung ermöglicht werden. Der Filterwechsel kann in der Verantwortung des Nutzers liegen, aber auch über Wartungsverträge an Installationsbetriebe übergeben werden.
Abluftanlagen stellen durch eine einfache Einbringung eine kostengünstige ventilatorgestützte, nutzerunabhängige Lösung dar, ob zentral oder dezentral angeordnet. Die Wärmerückgewinnung ist über Wärmepumpen integrierbar, jedoch mit einem Kostenaufwand verbunden. Zu- und Abluftanlagen mit Wärmerückgewinnung verbessern das Ergebnis des Gebäude-Energiepasses durch die ständige Energieeinsparung bei den Nebenkosten. Der Wohn- und Vermarktungswert steigt dadurch.
Einzelraumgeräte können nur in Außenwänden mit einer oder zwei Kernbohrungen platziert werden. Dafür können sie in der Funktionsweise zusammengeschaltet werden. Hier besteht geringer Installationsaufwand bei geringstem Raumbedarf. Der Ventilator befindet sich dabei jedoch systembedingt im Raum und kann als störend empfunden werden. Auch der Außenschall kann je nach Umgebung seinen Weg durch das Gerät finden. Möglichkeiten der Filterung der Luft sind bauartbedingt limitiert. Für Einzelraumgeräte sind mehrere Gerätewartungen erforderlich.
Wohnungsweise Geräte können in Abstellräumen installiert werden und nehmen bei Deckenmontagen nur geringen Raum in Anspruch. Luftleitungen werden meist in abgehangenen Flurdecken verteilt und sind deshalb auch bei Sanierungen einsetzbar. Zu- und Abluftelemente können optimal für eine einwandfreie Raumdurchströmung positioniert werden. Die Geräte sind für alle Grundrisse geeignet und für alle Lüftungsstufen nach DIN 1946 möglich. Sie bieten höchsten Komfort und Effizienz, dafür ist ein revisionierbares Luftverteilsystem erforderlich.
Grundsätzlich sollte für jedes Objekt individuell entschieden werden, welches System verwendet wird und eine Fachplanung erstellt werden. Alle technischen Voraussetzungen und Schwerpunkte der Investoren müssen berücksichtigt werden. Die Entscheidung, welches System zur Ausführung kommt, sollte beim Neubau frühzeitig erfolgen, um diese Hand in Hand mit der architektonischen Gestaltung vornehmen zu können. Baukosten können so minimiert werden, z. B. durch die Einlage der Lüftungsleitungen in die Decken. Im Sanierungsfall kann hingegen die vorhandene Architektur entscheidend sein. Der Platzbedarf für die Geräte und die Anzahl der Fassadendurchdringungen sind dabei zu berücksichtigen. Eine Automatisierung der Anlagen schließt außerdem falsche Nutzereinwirkung aus. Zur optimalen Nutzung der Lüftung ist eine Einweisung und Bedienungsanleitung unerlässlich. Das gilt insbesondere für Systeme, die einen Bewohnereingriff erfordern. Ansonsten kann es durch Fehlbedienungen trotz Lüftungsanlage zu Schimmelbildung kommen.
Kostenvergleich
Der gezeigte Vergleich beruht auf Kostenschätzungen für die Komponenten in der Planungsphase der Objekte:
Bauvorhaben: Wohnung mit ca. 70 m²
Lüftungssystem | Kosten |
Abluftgerät ohne Wärmerückgewinnung wohnungsweise, anteilige Kosten für Brandschutz | ca. 2.130 € |
Zu- und Abluftgerät mit Wärmerückgewinnung Einzelraumgeräte | ca. 2.500 € |
Zu- und Abluftgerät mit Wärmerückgewinnung wohnungsweise | ca. 4.100 € |
Je größer die Anzahl der Wohnungen in einem Gebäude ist, umso geringer wird der Preisunterschied. Der rationelle Einbau und die Baustellenlogistik können die Kosten zudem verringern.
Bundesverband für Wohnungslüftung
Der Bundesverband für Wohnungslüftung kümmert sich ausschließlich um die Wohnungslüftung und verwandte Bereiche. Dabei betreut er alle an der Wohnungslüftung Beteiligten: vom Verordnungsgeber und Hersteller über Energieberater, Baubiologen, Architekten und Fachplaner bis hin zu Sachverständigen und Installationsfirmen.
www.wohnungslueftung-ev.de
Quellen/Literatur
[1] DIN 1946-6:2009-05 Raumlufttechnik – Teil 6: Lüftung von Wohnungen – Allgemeine Anforderungen, Anforderungen zur Bemessung, Ausführung und Kennzeichnung, Übergabe/Übernahme (Abnahme) und Instandhaltung; Beuth Verlag, Berlin
[2] DIN 18017-3:2009-09 Lüftung von Bädern und Toilettenräumen ohne Außenfenster – Teil 3: Lüftung mit Ventilatoren; Beuth Verlag, Berlin
[3] Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Lüftungsanlagen (M-LüAR) Fassung 2015; Hrsg.: Deutsches Institut für Bautechnik
Der Autor
Dipl.-Ing. (VDI) Carsten Dittmar
Carsten Dittmar ist Vorstandsmitglied des Bundesverbandes für Wohnungslüftung.
www.wohnungslueftung-ev.de