Wohnraumgestaltung: Intelligente Raumkonzepte für kompaktes Wohnen

Wohnraumgestaltung: Intelligente Raumkonzepte für kompaktes Wohnen

Titelthema

Wohnraumgestaltung: Intelligente Raumkonzepte für kompaktes Wohnen

Text: Gisbert Schwarzhoff | Foto (Header): © WSG/PETER HINSCHLAEGER

„Ja, das möchste: Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse, vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße; mit schöner Aussicht, ländlich-mondän. Vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn – aber abends zum Kino hast du’s nicht weit. Das ganz schlicht, voller Bescheidenheit.“

Auszug aus:

So beschrieb schon der deutsche Journalist und Schriftsteller Kurt Tucholsky in seinem Gedicht „Das Ideal“ den Traum vom Wohnen. Das war im Jahr 1927, also vor mehr als 90 Jahren, und viel hat sich an dieser Idealvorstellung nicht verändert. Doch was bleibt, wenn dieses Bild auf das Machbare und Finanzierbare reduziert wird? Und wie kann das überhaupt gehen?

Die Düsseldorfer Wohnungs- und Siedlungs GmbH (WSG) hat an einigen Beispielen gezeigt, dass es auf diese Fragen durchaus Antworten gibt. Da sie neben frei finanziertem Wohnraum immer auch auf eine Mischung verschiedener öffentlicher Fördermaßnahmen setzt, steht am Anfang jeder Überlegung die Prämisse: Um bezahlbar zu bleiben, muss der Traum vom Wohnen kompakt sein. Und das braucht intelligente Raumkonzepte.

Bedürfnisse erkennen und verstehen

Was aber bedeutet in diesem Zusammenhang der Begriff „intelligent“ überhaupt? Wird es im heutigen Sprachgebrauch als Synonym für große geistige Begabung verstanden, leitet sich der lateinische Wortursprung „intellegens“ vom Verb „intellegre“ – erkennen/verstehen, aber auch: zwischen etwas wählen – ab. Ein intelligentes Raumkonzept erkennt und versteht demnach die Bedürfnisse seiner Zielgruppe und wählt aus den verschiedenen Möglichkeiten zur Befriedigung die Maßnahmen aus, die im vorgegebenen Rahmen machbar sind.

Das Konzept von gutem Wohnen hört auch nicht an der Wohnungstür auf, sondern muss viel weiter gedacht werden. Ein intelligentes Raumkonzept muss deshalb auch das Umfeld mit einbeziehen und sollte eine selbstständige Haushaltsführung für alle Personengruppen, wie Familien, Singles, Senioren und Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung, ermöglichen.

Veränderten Gewohnheiten Rechnung tragen

Die neuen Konzepte müssen sich den veränderten Lebensgewohnheiten und Rahmenbedingungen anpassen: Besonders in den Großstädten sind die Menschen mobil, wechseln ihre Behausung häufiger. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Anzahl der Ein-Personen-Haushalte stetig zunimmt, quer durch alle Altersschichten. Günstiger, kompakter Wohnraum wird also dringend benötigt. Eine Situation, wie man sie unter anderem schon in den 70er-Jahren vorfand, und auf die die Antwort damals „serielles Bauen“ hieß. Modulare Neubauten, die der Wohnungsnot schnell und günstig Abhilfe schaffen, tauchen auch heute wieder auf den Schreibtischen mancher Planer auf. Ganz wichtig ist dabei allerdings zu beachten, dass aus solchen Projekten keine sozialen Brennpunkte entstehen.

Bei der WSG setzt man lieber auf individuelle Konzepte, die den Gegebenheiten des Standorts Rechnung tragen. Das funktioniert bei neuen Wohnanlagen ebenso gut wie bei der Renovierung von Altbestand, wie z. B. die erfolgreichen Weiterentwicklungen der 50er-Jahre-Bestandsquartiere Klanggarten (Köln-Porz), Spicker Hof (Dortmund-Dorstfeld) und das NordWohnQuartier (Düsseldorf-Unterrath) belegen. Bei all ihren Bemühungen sieht sich die WSG in einer sozialen Verantwortung gegenüber ihren Kunden. Deshalb wird bei der Belegung von Quartieren aktiv auf vielfältige Mieterschichten und auf Integration und Inklusion gesetzt. Das gelingt unter anderem durch eine ausgewogene Balance zwischen Wirtschaftlichkeit und Sozialverträglichkeit. Frei finanzierter Wohnraum wird immer ergänzt durch öffentlich gefördertes Wohnen, wobei auch hier die Förderwege A und B kombiniert werden. Dadurch wird einer zu homogenen Mieterschaft vorgebeugt und sowohl Gentrifizierung als auch die Entstehung neuer sozialer Brennpunkte an einem Standort vermieden.

Viel Leben auf weniger Raum

Intelligente Raumkonzepte sind ganzheitlich und nachhaltig. Bei der Planung, beschränkt man sich nicht nur auf die Gestaltung von Grundrissen, sondern schließt das komplette Wohnumfeld mit ein. Zwei wichtige Aspekte sind jeder Maßnahme gemein: Inklusion, soziales Miteinander und Mehr-Generationen-Verträglichkeit müssen mitgedacht werden. Und, ebenso wichtig: Der Außenbereich wird als Erweiterung des eigentlichen Wohnraums verstanden, sodass hier für bestimmte Bedürfnisse zusätzlicher Platz entsteht.

Alte Raumgrenzen auflösen, neue Rückzugsräume schaffen

Funktionsgrenzen werden bei offenen Wohn- und Lebensräumen aufgelöst, Lebensbereiche zusammengelegt. So gehört z. B. das klassische Esszimmer der Vergangenheit an, Koch- und Wohnbereich verschmelzen miteinander. Das kommt dem Kommunikationsbedürfnis und veränderten Lebensgewohnheiten der Menschen entgegen. Diese Auflösung von Raumgrenzen spart einerseits Wohnfläche, führt andererseits aber dazu, dass der zur Verfügung stehende Raum trotzdem als offen und großzügig empfunden wird. Gleichzeitig bedeuten weniger Türen und Wände auch weniger Hindernisse, wovon Menschen im Rollstuhl oder mit Gehbehinderung profitieren. Überhaupt ist Schwellenfreiheit ein wichtiger Baustein jedes Konzepts: Breite Flure und Durchgänge sorgen für optimale Mobilität innerhalb der eigenen vier Wände – egal, ob für Menschen mit Behinderung, Familien mit Kleinkindern und viel Bewegungsdrang oder Mieter, die in ihrer Wohnung alt werden und irgendwann auf eine Gehhilfe angewiesen sind.

Alt hilft Jung und umkehrt. Im Dortmunder Spicker Hof fühlen sich die Bewohner sichtlich wohl. Die
richtige Mietermischung ist bei der WSG ein wichtiger Teil des Gesamtkonzepts.

FOTO: WSG

Im Kirschblüten Carré in Hürth wird auf eine Tür zwischen Wohn-Essbereich und Flur verzichtet. Der Kochbereich ist
integriert, wird aber optisch durch die unterschiedliche Fußbodengestaltung abgetrennt.

FOTO: WSG/MICHAEL WOLFF

Türen werden infrage gestellt und kommen nur dort zum Einsatz, wo sie wirklich benötigt werden. Das sorgt für mehr Licht und vergrößert den vorhandenen Raum optisch.

Wie genau die Bewohner den ihnen zur Verfügung stehenden Raum nutzen, bleibt ihnen überlassen. Die offene Innenarchitektur gibt viele Freiheiten. Entscheidend für die Aufteilung sind die individuellen Wohnbedürfnisse der Nutzer.

Die Wiederentdeckung des halben Zimmers

Doch wo bleibt bei so viel Offenheit und Transparenz Platz für Privates? Denn der Mensch braucht neben Geselligkeit auch Rückzugsräume, oder, wie Kurt Tucholsky schreibt, eben beides – Einsamkeit und Hummelsgesumm. Eine Raumform, die auf den ersten Blick dem Trend nach viel Fläche und offenem Wohnen völlig entgegenzulaufen scheint, stellt auf den zweiten Blick aber eine wunderbare Ergänzung dar: das „halbe Zimmer“. Im März 1951 erstmalig offiziell eingeführt und im Jahr 1983 wieder zurückgenommen, wurden unter diesem Begriff laut der damals geltenden DIN 283 Zimmer mit einer Grundfläche von 6 bis 10 m² verstanden. Warum also jetzt diese Kehrtwende? Das halbe Zimmer ist multifunktional und wird bei den Mietern nachgefragt. Dieser Kundenwunsch ist eigentlich nicht förderungskonform. In besonders sorgfältig und qualitätsvoll geplanten Projekten wird aber schon einmal eine Ausnahme gemacht. Denn die halben Zimmer entstehen nicht durch ein Mehr an Fläche, sondern durch eine geschickte Größenreduzierung der anderen Räume und Optimierung des Grundrisses. Das führt dazu, dass die Mieten trotz eines zusätzlichen Zimmers nicht gleich höher werden. Auch hier gilt wieder: Wie dieses Raumangebot genutzt wird, bleibt ganz den Bewohnern überlassen. Ob Arbeitszimmer, Schlafplatz für die Enkel oder Zuflucht bei schnarchendem Ehepartner — Nutzungsmöglichkeiten im Alltag gibt es viele.

Ein großzügiger Wohn-Essbereich mit offener Küche und einem halben Zimmer – so sieht intelligentes Wohnen
auf nur 66 m² im Kölner Klanggarten aus.

ABBILDUNG: WSG

Wohnraum erweitern

Ist der Innenraum begrenzt, kann das Außengelände zur Erweiterung der eigenen vier Wände werden. Eine durchdachte Gestaltung schafft hier weitere Rückzugs‑, aber auch Versammlungsräume für die Bewohner des Quartiers. Außenräume sind nicht als Abstandsgrün zu verstehen. Vielmehr sollen die Bewohner hier gemeinsam Zeit verbringen. Bänke unter Bäumen oder umsäumt von Hecken machen private, eher zurückgezogene Momente möglich. Dabei gestatten sie den Blick auf das Leben in der Nachbarschaft: mal auf offene Rasenflächen für Spiele und Picknicks, mal auf Spiel- und Sportanlagen mit Geräten zum Toben und Trainieren für Jung und Alt. Ein Boule-Platz bspw. kann als Treffpunkt von Bewohnern jeglichen Alters genutzt werden. Solche Orte fördern das soziale Miteinander im Quartier, damit die Menschen einander vertraut werden. Das ist mindestens genauso wichtig wie gut gestalteter Lebensraum in den eigenen vier Wänden.

Doch es geht noch weiter: Neben guten Konzepten für das Außengelände bietet die WSG in ihren Quartieren immer häufiger auch Räumlichkeiten zur gemeinschaftlichen Nutzung an, wie die Gemeinschaftsräume im Klanggarten oder im Dortmunder Spicker Hof (dort heißt er „Spick In“). Neben den privaten Wohnzimmern sind hier wichtige Treffpunkte für das komplette Quartier entstanden, in denen mal verschiedenste Kurse, von Handarbeit bis Gedächtnistraining, stattfinden, mal Geburtstag gefeiert wird oder sich die Nachbarschaft zum Fußballgucken verabredet. Nicht immer werden solche Projekte allein in Eigenregie umgesetzt. Beim NordWohnQuartier in Düsseldorf kooperiert man mit dem DRK Zentrum plus, und beim Krefelder Glockenspitz arbeitet man mit den Schwestern des Roten Kreuzes zusammen.

Mehr Mobilität, drinnen und draußen

„Im Stall: Zwei Ponys, vier Vollbluthengste, acht Autos, Motorrad“: Auch was das Thema Mobilität angeht, hat Kurt Tucholsky den Finger in die Wunde der Begehrlichkeiten gelegt. Selbst wenn die zwei Ponys heute nicht mehr unbedingt zur Grundausstattung gehören: Mobilität ist ein Grundbedürfnis des Menschen und muss bei jeder Lebensraumgestaltung mit bedacht werden. Bei der WSG wird auch hier kompakt und sparsam agiert, maximal 70 % der Einstellplatzquote werden realisiert. Wichtig ist dabei immer eine gute Anbindung an den ÖPNV. Und auch das Thema E-Mobilität beschäftigt die Quartiersplaner schon jetzt. Sie sehen sich mit einem veränderten Mobilitätsverhalten konfrontiert, in dem das eigene Automobil nicht mehr Statussymbol ist, sondern der funktionale Aspekt überwiegt. Das öffnet Türen für alternative Konzepte, wie z. B. Car-Sharing-Angebote exklusiv für die eigenen Quartiersbewohner, die dann plötzlich keine Notwendigkeit mehr sehen, ein eigenes Fahrzeug zu besitzen. Stattdessen greifen sie auf eines der E-Autos zurück, die in der quartierseigenen Tiefgarage stehen. Gezahlt wird nur bei tatsächlicher Nutzung. So sparen die Mieter Kosten, und die Wohnbaugesellschaft spart Raum. Selbstverständlich sind für die Fahrzeuge fertig installierte Wallboxen in ausreichender Anzahl verfügbar.

Sichere Abstellplätze für Fahrräder sorgen dafür, dass diese aus Wohnungs- und Hausfluren verschwinden. Gleiches gilt für Rollatoren und Kinderwagen, die zu einem günstigen Mietpreis in
Abstellboxen untergebracht werden können. So lagern die sperrigen Gegenstände außerhalb der eigenen Wohnung trocken, sicher und leicht erreichbar.

Auf dem Boule-Platz im Spicker Hof trifft sich die Nachbarschaft – mal zum Spielen, mal zum Klönen.
FOTO: WSG

Gut geplant wird das Außengelände zum zweiten Kinderzimmer: Hier macht Spielen richtig Spaß!
FOTO: WSG

Kompakt, intelligent und öffentlich gefördert

Doch lassen sich solche Konzepte auch öffentlich gefördert umsetzen? Die Antwort lautet: Ja! Alle Projekte, auch die im frei finanzierten Wohnungsbau, orientieren sich bei der WSG an den Richtlinien der Förderprogramme des Landes NRW. Denn nicht nur Wohnungsgrößen und -zuschnitte, sondern auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen lassen ausreichend Spielräume für eine Projektumsetzung mit hoher Qualität. Bei der Mieterstruktur vertraut man der eigenen Belegungspolitik, die durch die Mischung unterschiedlicher Förderansätze A und B sowohl Geringverdienern, als auch den sogenannten Besserverdienern im selben Quartier eine Heimat bietet und so für eine gesunde soziale Durchmischung und gutes nachbarschaftliches Klima sorgt.

Die Richtlinien im öffentlich geförderten Wohnungsbau in NRW sind so flexibel und offen, dass mit kreativen Ideen sehr viel machbar ist. Für gute Lebensqualität sind neben der Architektur auch noch ganz andere Faktoren ausschlaggebend, nämlich die sozialen, zwischenmenschlichen in der Nachbarschaft. Mehr als gute Angebote und Rahmenbedingungen schaffen kann man hier nicht. Denn leben müssen die Menschen selber — das hat auch Kurt Tucholsky erkannt:

„Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten. Daß einer alles hat: das ist selten.“

Der Autor


Dipl.-Ing. Gisbert Schwarzhoff
Gisbert Schwarzhoff ist Geschäftsführer der WSG Wohnungs- und Siedlungs-GmbH in Düsseldorf, Tochtergesellschaft des Sozialverbandes VdK NRW und der VBW Bochum sowie Geschäftsführer der WSG Dienstleister GmbH. Der studierte Architekt und Städtebauer fühlt sich seit jeher einer sozial ausgewogenen Wohnungspolitik verpflichtet und pflegt daher eine enge
Kooperation mit unterschiedlichen Wohlfahrts- und Sozialverbänden. Besondere Schwerpunkte bei allen Bauprojekten der WSG sind die Berücksichtigung der demografischen Entwicklung
und die Förderung von Inklusion in unserer Gesellschaft.

www.wsg-wohnen.de

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