Städtebau & Quartiersentwicklung
Strategien für altersgerechtes und bezahlbares Wohnen: Wohnen im Alter
Text: Dr. Joëlle Zimmerli & Johanna Sadiki | Foto (Header): © ESZEKGLASNER – STOCK.ADOBE.COM
Wie können Wohnungsunternehmen zur Versorgung älterer Menschen mit bezahlbarem und barrierefreiem Wohnraum beitragen? Dieser Frage ist das vom BBSR Zukunft Bau geförderte Forschungsprojekt „Ältere Menschen auf dem Mietwohnungsmarkt – Handlungsfelder für Wohnungsunternehmen“ nachgegangen.
Auszug aus:
QUARTIER
Ausgabe 6.2024
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Das Forschungsprojekt wurde von der TU Berlin mit dem Fachgebiet Planungs- und Bauökonomie/Immobilienwirtschaft, dem sozialwissenschaftlichen Planungsbüro Zimraum GmbH und der Hochschule für Wirtschaft Zürich umgesetzt. Kern des Projekts waren eine breit angelegte Befragung von mehr als 200 Wohnungsmarktteilnehmenden in Deutschland und in der Schweiz als Vergleichsmarkt sowie Fokusgruppengespräche mit einer älteren Mieterschaft. Untersucht wurden Handlungsmöglichkeiten in der Vermarktung, in der Vermietung, im Portfolio- und im Mietermanagement. Die Handlungsmöglichkeiten sollten aufzeigen, wie Wohnungsunternehmen älteren Menschen den Verbleib in der bestehenden Wohnung oder den Umzug in eine altersgerechte Wohnung unmittelbar, mit einem kurz- oder mittelfristigen Ansatz oder präventiv vereinfachen können.
Stayer und Mover als Zielgruppen
Eine Annahme der Studie war, dass sich Wohnungsunternehmen auf eine heterogene Zielgruppe älterer Menschen mit diversen Anforderungen, Präferenzen und Wünschen einstellen müssen. Ein wichtiges Zielgruppenmerkmal ist die Umzugsbereitschaft: Die einen möchten möglichst lange in der jetzigen Mietwohnung bleiben. Die anderen sind offen, in eine altersgerechte Wohnung umzuziehen. Die Studie unterscheidet deshalb zwischen Stayern und Movern.
Mover haben eine höhere Umzugsbereitschaft. Sie sind mehrheitlich unter 80 Jahre alt, und Frauen kommen in dieser Gruppe häufiger vor als Männer. Wohnungsunternehmen können Mover innerhalb ihrer Mieterschaft identifizieren und ihnen passende Wohnungsangebote zum Umziehen machen. Stayer wollen i.d.R. nicht mehr umziehen. Sie sind mehrheitlich über 80 Jahre alt. Zu dieser Gruppe gehören viele Mieter mit niedrigerem sozioökonomischen Status. Diese Zielgruppe können Wohnungsunternehmen darin unterstützen, die Wohnung veränderten Bedürfnissen anzupassen.
Maßnahmen mit unterschiedlichem Wirkungszeitraum
Die Studie hat Maßnahmen mit unterschiedlichem Wirkungszeitraum untersucht.
UNMITTELBARE WIRKUNG
Ansätze mit unmittelbarer Wirkung auf die Wohnsituation älterer Menschen können tendenziell mit wenig personellem und/oder finanziellem Aufwand realisiert werden. Dazu gehört u. a. der Abbau von Hürden beim Zugang zu Wohnraum und die Anpassung von Außenanlagen.
Ältere Menschen haben aufgrund der Geschwindigkeit im Vermietungsprozess, insbesondere in angespannten Märkten, Schwierigkeiten, sich im Bewerbungsprozess durchzusetzen. Wohnungsunternehmen können sie im Bewerbungsprozess unterstützen, indem sie die Anforderungen an die Wohnungsvergabe anpassen, beispielsweise mit einem Pass, der die prioritäre Vergabe von preisgünstigen altersgerechten Wohnungen an sozioökonomisch schwächere ältere Menschen ermöglicht. Dazu müssen allerdings auch Kommunikationsmaßnahmen ergriffen werden, mit denen ältere Menschen auf die freien Wohnungen aufmerksam gemacht werden. Gerade auf Wohnungsmärkten mit hohem Nachfragedruck ist der Anreiz von Wohnungsunternehmen allerdings gering, diesen Mehraufwand umzusetzen. Gut gestaltete Außenanlagen können die Wohnqualität älterer Bewohner erhöhen und zu nachbarschaftlichen Kontakten beitragen. Wenn Aufwertungen geplant sind, können Wohnungsunternehmen die Bedürfnisse älterer Menschen mit partizipativen Methoden erheben und in der Umsetzung berücksichtigen. Wohnungsunternehmen können ihren personellen Aufwand reduzieren, indem sie Dienstleister mit der Umsetzung von Beteiligungsmaßnahmen oder die Bespielung von Außenräumen, wie beispielsweise Gemeinschaftsgärtnern, beauftragen. Vielerorts können Wohnungsunternehmen auf aktive Stadtteilorganisationen oder Fördertöpfe der Kommunen für Nachbarschaftsangebote zurückgreifen.
KURZ- ODER MITTELFRISTIGE WIRKUNG
Diverse Maßnahmen haben entweder eine kurz oder längerfristige Wirkung, je nachdem, was der Auslöser für die Umsetzung der Maßnahme ist und wie gezielt ältere Menschen mit der Maßnahme angesprochen werden. Dazu zählen etwa der Abbau von Barrieren in Wohnungen, die Vermietung von barrierearmen und barrierefreien Neubauwohnungen, eigene Baustandards oder die Bereitstellung von Generationenwohnen.
Erfolgt der Abbau von Hürden in Wohnungen auf Initiative einer Mieterin oder eines Mieters, zeigt der Umbau unmittelbar Wirkung für die betroffene Person. Dies erfordert von den Wohnungsunternehmen, dass sie der Mieterschaft Möglichkeiten für Anpassungen aktiv kommunizieren und sie bei der Umsetzung baulicher Maßnahmen unterstützen. Externe Dienstleister können die Begleitung und Umsetzung im Auftrag der Wohnungsunternehmen durchführen. Die Kommunikation und die Bewilligung des Umbaus bleiben in der Verantwortung der Unternehmen.
Wohnungsunternehmen können sich auch dazu entscheiden, altersgerechte Anpassungen im Rahmen von Mieterwechseln oder Erneuerungsvorhaben umzusetzen, unabhängig vom Alter der Mieter. In diesem Fall wirkt die Maßnahme erst längerfristig – bis der oder die nächste Mietende einen Bedarf danach hat.
Wohnungsunternehmen können ältere Menschen mit neu erstellten barrierearmen und barrierefreien Wohnungen versorgen. Diese Maßnahme wirkt unmittelbar, wenn solche Wohnungen auch an ältere Personen vermietet werden. Dazu braucht es Vermarktungs- und Vermietungsmaßnahmen, die auf das Erreichen dieser Zielgruppe ausgerichtet werden. Dieses Potenzial bleibt heute noch zu häufig ungenutzt.
Mit eigenen Baustandards können sich Wohnungsunternehmen auf die spezifischen Bedürfnisse ihrer älteren Zielgruppen konzentrieren. Oftmals reichen barrierearme Wohnungen zum Wohnen bis ins hohe Alter aus. Werden kostenintensive Maßnahmen, die eine verhältnismäßig geringe Wirkung haben, eingespart, profitieren ältere Mieter von tieferen Mietpreisen. Andere Wohnungsunternehmen setzen möglicherweise eine Priorität bei einer besonders altersgerechten Wohnungsausstattung, weil dies von ihrer Kundschaft erwartet wird.
Viele ältere Menschen wünschen sich ein altersgemischtes Wohnumfeld. Um diesem Bedürfnis nachzukommen, können Wohnungsunternehmen bspw. Generationenwohnen als spezielle Wohnform anbieten. Generationenwohnen zeichnet sich durch eine bewusste Altersmischung bei der Mieterschaft sowie die Unterstützung von nachbarschaftlichen Kontakten durch ein Siedlungsmanagement aus. Wohnungsunternehmen können qualifiziertes Personal für das Siedlungsmanagement entweder selbst aufbauen oder über Dienstleister bereitstellen. Die Möglichkeit eines aktiven Generationenwohnens kann für ältere Menschen ein Anreiz sein, von einer meist zu großen Familienwohnung in eine altersgerechte, kleinere Wohnung umzuziehen.
LANGFRISTIGE/PRÄVENTIVE ANSÄTZE
Langfristige Ansätze benötigen nicht unbedingt mehr personellen oder finanziellen Aufwand, die positiven Effekte der Maßnahmen zeigen sich allerdings erst auf längere Sicht. Dazu zählen z.B. die Sensibilisierung für das Wohnen im Alter, Nachbarschaftsangebote oder Ansprechpartner im Wohnungsunternehmen.
Eine regelmäßige Kommunikation hilft Wohnungsunternehmen, Bedürfnisse älterer Mieter frühzeitig zu erkennen und präventiv auf altersgerechte Wohnmöglichkeiten aufmerksam zu machen. Besonders wichtig für ältere Menschen ist die persönliche oder telefonische Erreichbarkeit von Ansprechpartnern. Dazu braucht es in den Wohnungsunternehmen eine Kommunikationsund Informationspolitik, die auf die Bedürfnisse von älteren Menschen ausgerichtet ist. Nachbarschaftsangebote wie Gemeinschaftsgärten oder Nachbarschaftstreffs können dazu beitragen, ältere Mieter in nachbarschaftliche Netzwerke einzubeziehen. Die soziale Einbindung kann dazu beitragen, dass ältere Menschen ihren Wohnalltag länger selbst organisieren können. Dazu braucht es Wohnungsunternehmen, die solche Angebote entweder selbst oder über (eingemietete) Dienstleistungsunternehmen bereitstellen. Da soziale Dienstleister häufig keine Marktmieten für Erdgeschossflächen bezahlen können, braucht es die Bereitschaft der Unternehmen, Flächen zu einem reduzierten Preis zu vermieten.
Wohnungsunternehmen nehmen ältere Menschen als Zielgruppe wahr, die Wahrnehmung ist im kommunalen Bereich und bei Genossenschaften allerdings ausgeprägter als bei privatwirtschaftlichen Unternehmen. Letztere haben weiteren Sensibilisierungsbedarf.
Die präsentierten Ansätze zeigen, dass Wohnungsunternehmen eine Vielzahl an Möglichkeiten haben, älteren Menschen mit mehr oder weniger Aufwand ein altersgerechtes Wohnumfeld zu bieten. Weil viele Maßnahmen erst mittel- bis längerfristig wirken und i.d.R. kein unmittelbarer Handlungsdruck zur Umsetzung von Maßnahme vorhanden ist, hängt das Engagement stark von der Eigeninitiative der Unternehmen ab. Darunter leidet insbesondere die Wohnraumversorgung von sozioökonomisch schwachen älteren Menschen auf angespannten Wohnungsmärkten: Wohnungsunternehmen haben kaum einen Anreiz, die wenigen vorhandenen bezahlbaren Wohnungen mit einem erhöhten Aufwand an diese Zielgruppen zu vermieten. Um eine nachhaltige Versorgung von älteren Menschen mit bezahlbarem Wohnraum sicherzustellen, ist ein explizites Bekenntnis und eine Verpflichtung der Entscheidungsträger in den Unternehmen, aber auch in der Politik notwendig.
Die Autorinnen
Dr. Joëlle Zimmerli
Dr. Joëlle Zimmerli ist promovierte Soziologin und Geschäftsführerin der Zimraum GmbH, einem sozialwissenschaftlichen Planungs- und Entwicklungsbüro. Ihre Schwerpunkte liegen in der Evaluation und Studienreihen zu Demografie, Wohnformen und sozialer Mischung.
www.zimraum.ch
Johanna Sadiki
Johanna Sadiki ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin an der TU Berlin, Fachgebiet Planungs- und Bauökonomie/Immobilienwirtschaft. Ihre Schwerpunkte liegen in nachhaltiger Stadt- und Quartiersentwicklung, ökonomischer Bestandssanierung, Wohn und Energiequalität, Demografie und Klimawandel.
www.tu.berlin/pbi