Recht & Steuern
Stärkung der genossenschaftlichen Rechtsform: Gesetzesentwurf
Text: Frido Kent | Foto (Header): © vichie81 – stock.adobe.com
Kurz vor dem Ende der vergangenen Wahlperiode hat die alte Bundesregierung einen Gesetzesentwurf für die „Stärkung der genossenschaftlichen Rechtsform“ in den Bundestag eingebracht. Mit der Novelle soll die Rechtsform der Genossenschaft moderner und attraktiver gemacht und zugleich gegen unseriöse Geschäftsmodelle vorgegangen werden. Ein Überblick zu den wichtigsten geplanten Änderungen des Genossenschaftsrechts und Ausblick auf die Zukunft des Entwurfs.
Auszug aus:
QUARTIER
Ausgabe 2.2025
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Genossenschaften finden in der öffentlichen Wahrnehmung kaum statt. Und doch sind sie ein großer Player in Gesellschaft und Wirtschaft: Deutschlandweit bekannte Unternehmen wie BayWa, DATEV oder die Edeka-Gruppe sind genossenschaftlich organisiert oder werden indirekt über Genossenschaften gesteuert. Mit ihren bundesweit 23,5 Mio. Mitgliedern zählen Genossenschaften zugleich zu den mitgliederstärksten Rechtsformen in Deutschland. Auch rechtlich führen Genossenschaften eher ein Schattendasein. Spezialisierte Berater für Genossenschaften gibt es wenige. In Sachen Gesetzgebung und Rechtsprechung macht die Genossenschaft selten von sich reden. Die letzte umfassende Reform des Genossenschaftsrechts liegt bald acht Jahre zurück. Kein Vergleich zu den Rechtsformen der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und der Aktiengesellschaft (AG), deren gesetzlicher Rahmen einer laufenden Anpassung durch den Gesetzgeber und Auslegung durch die Rechtsprechung erfahren.
Mit dem aktuellen Entwurf des „Gesetzes zur Stärkung der genossenschaftlichen Rechtsform“ (BT-Drucksache 20/14501) will der Gesetzgeber die eingetragene Genossenschaft jetzt in das digitale Zeitalter holen und insgesamt attraktiver machen. Durch eine Stärkung der Rolle der Prüfungsverbände soll zudem gegen vereinzelte unseriöse Gesellschaften vorgegangen werden, die unlängst auch im Bereich der Wohnungsgenossenschaften ihr Unwesen getrieben haben. Ob der Entwurf so auch Gesetz wird, ist wegen der vorgezogenen Bundestagswahlen aber derzeit offen.
Lang erwartete Digitalisierung der Genossenschaft
Ein zentrales Anliegen des Entwurfs ist die Anpassung des Genossenschaftsrechts an den digitalen Fortschritt. War für eine Vielzahl von Handlungen und Erklärungen in der Genossenschaft bis vor Kurzem noch die strenge Schriftform, d. h. die handschriftliche Unterzeichnung eines Dokuments erforderlich, reicht künftig in vielen Fällen die Textform, z. B. in Form einer E‑Mail. Hier wurde bereits in zentralen Bereichen des Genossenschaftsgesetzes, wie Beitritt und
Kündigung von Mitgliedern, die Textform eingeführt. Der aktuelle Gesetzesentwurf komplettiert diese Entwicklung und macht die (digitale) Textform zur Regel im genossenschaftlichen Betrieb. Nur für den Ausschluss eines Mitglieds aus der der Genossenschaft und den Prüfbericht des Prüfverbands soll es bei der bisherigen Schriftform verbleiben.
Auch die Versammlungen in der Genossenschaft sollen mit dem Gesetzesentwurf weiter digitalisiert werden. Die Sitzungen von Vorstand und Aufsichtsrats sollen nun ebenso wie General- und Vertreterversammlungen auch virtuell, hybrid oder gestreckt erfolgen können. Mitglieder können Versammlungen per Livestream beiwohnen und insbesondere auch im digitalen Wege abstimmen. Auch die Gründungsversammlung soll nunmehr vollständig oder hybrid digital erfolgen, was dann eine rein digitale Gründung der Genossenschaft möglich machen würde.
Insgesamt dürften die geplanten Anpassungen im genossenschaftlichen Tagesgeschäft tatsächlich zu einer erheblichen Entlastung für Vorstände, Aufsichtsräte und Mitglieder führen (Stichwort „papierloses Büro“). Insbesondere mit der Digitalisierung von Versammlungen und Abstimmungen geht die Genossenschaft einen wichtigen Schritt in Richtung digitales Zeitalter.
Erleichtertes Gründungsverfahren
Ein ganzes Bündel an Maßnahmen schnürt der Gesetzesentwurf unter dem Oberbegriff „Steigerung der Attraktivität der genossenschaftlichen Rechtsform“ zusammen. Hervorzuheben sind hier insbesondere die geplanten Erleichterungen für das Gründungsverfahren der Genossenschaft. Bislang gestaltet sich der Gründungsprozess bei Genossenschaften oftmals wesentlich länger als bei den Kapitalgesellschaften AG und GmbH bei einem vergleichbar formalisierten Gründungsverfahren. Hier will der Gesetzgeber nun Abhilfe schaffen.
Der Entwurf sieht u. a. vor, dass die Genossenschaften in Gründung sich künftig einfacher über die für sie zuständigen Prüfungsverbände informieren können sollen. Um Genossenschaften die Suche und Kontaktaufnahme mit dem für sie passenden Prüfungsverband zu erleichtern, werden die online verfügbaren Informationen im Register der Wirtschaftsprüferkammer für genossenschaftliche Prüfungsverbände erweitert und Prüfungsverbände verpflichtet, ihre Kontaktdaten dort zu hinterlegen.
Auch die erforderliche Mitwirkung von Prüfverbänden und Registergerichten am Gründungsprozess soll effizienter gestaltet werden. Die Gesetzesnovelle sieht u. a. vor, dass mittels Rechtsverordnung nachträglich ein einheitlicher Standard für Gründungsgutachten der Prüfverbände eingeführt werden kann. Für die Registergerichte wird eine regelmäßige Frist von 20 Tagen zwischen Anmeldung der Gründung und Eintragung eingeführt. Bei Fristüberschreitung wird die Genossenschaft zwar nicht automatisch eingetragen, das Registergericht ist aber jedenfalls verpflichtet, den Antragstellern die Gründe für die Verzögerung darzulegen.
Mit Blick auf die seit Langem rückläufige Zahl der Neugründungen von Genossenschaften sind die Erleichterung des Gründungsverfahren, insbesondere im Zusammenspiel mit den bereits beleuchteten Digitalisierungsmaßnahmen, durchaus sinnvoll. Genossenschaftsgründer sollten künftig nicht mehr von undurchsichtigen Gründungsprozessen abgeschreckt, sondern durch effiziente und transparente Abläufe zur Gründung ermutigt werden.
Maßnahmen gegen missbräuchliche Verwendung
Als drittes Ziel hat sich der Gesetzesentwurf die Bekämpfung des Missbrauchs der genossenschaftlichen Rechtsform auf die Fahne geschrieben. Auch wenn, wie der Entwurf einleitend klarstellt, es „nur einige wenige unseriöse Genossenschaften gibt, während die ganz große Mehrheit der Genossenschaften seriös ist“, sah sich der Gesetzgeber veranlasst, gegen unlautere Genossenschaften vorzugehen. Anlass dürften die als Wohnungsgenossenschaften auftretenden Kapitalsammelstellen gewesen sein, die Mitglieder unlängst mit unrealistischen Renditeerwartungen locken wollten. Skandalfälle um Genossenschaften wie die Eventus, Grundwerte oder Genogen hatten in der jüngeren Vergangenheit hier für Negativschlagzeilen gesorgt.
Den wenigen unseriösen Genossenschaften sollen nun besonders die Prüfungsverbände Einhalt gebieten. In den Gründungsgutachten der Verbände soll daher künftig ausdrücklich Stellung dazu genommen werden, ob und welchen Förderzweck die Genossenschaft verfolgt. Die reine Kapitalanlage ist dabei, wie der Entwurf ausdrücklich klarstellt, kein zulässiger Förderzweck. Kommt ein Gründungsgutachten zu dem Ergebnis, dass ein unzulässiger Förderzweck vorliegt, sind Registergerichte dann verpflichtet, Eintragungen in das Genossenschaftsregister abzulehnen. Steht zu befürchten, dass eine Genossenschaft zum Nachteil ihrer Mitglieder agieren wird, sollen die Prüfungsverbände sich zudem direkt mit einer entsprechenden Warnung an die Mitglieder wenden können und sind im Fall unerlaubter Finanzgeschäfte auch verpflichtet, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht einzuschalten.
Reglementierung von investierenden Mitgliedern
Zuletzt sieht die Gesetzesnovelle eine weitere Regulierung von sog. „investierenden Mitgliedern“ vor. Investierende Mitglieder können Genossenschaften als reine Kapitalgeber beitreten, ohne selbst die Förderleistung in Anspruch nehmen zu können oder zu wollen. Schon nach geltendem Recht muss daher eine Genossenschaft investierende Mitglieder in ihrer Satzung ausdrücklich zulassen. Ohne eine entsprechende Öffnungsklausel ist ein Beitritt investierender Mitglieder unzulässig. Der Gesetzesentwurf geht diesen Weg weiter und erlaubt es Genossenschaften, neben der Zulassung von investierenden Mitgliedern zugleich eine Höchstgrenze für investierende Mitglieder in der Genossenschaft einzuführen. Auch im Vorstand erlaubt der Gesetzesentwurf es jetzt ausdrücklich, investierende Mitglieder auszuschließen oder zahlenmäßig zu beschränken. Speziell für Wohnungsgenossenschaften sieht der Entwurf außerdem vor, dass die Förderleistung – die Nutzung der Wohnung – nicht von investierenden Mitgliedern in Anspruch genommen werden kann. Damit soll die genossenschaftsrechtliche Anerkennung solchen – zumeist steuerlich motivierten – Geschäftsmodellen versagt werden, bei denen Wohnungsmieter zu investierenden Mitgliedern der Genossenschaft gemacht werden, um den Anschein eines zulässigen Förderzwecks zu erwecken.
Mit dem Entwurf des „Gesetzes zur Stärkung der genossenschaftlichen Rechtsform“ erhält die Genossenschaft als Rechtsform ein lang erwartetes Update. Die Digitalisierung der internen Abläufe und die damit verbundene Abkehr von der herkömmlichen Schriftform lassen spürbare Verbesserungen für die Praxis erwarten. Auch die stärkere Einbindung der Prüfungsverbände und der vorgegebene Fokus auf den Förderzweck der Genossenschaften sind unter dem Gesichtspunkt der effektiven Bekämpfung von unseriösen Geschäftsmodellen ausdrücklich zu begrüßen.
Aufgrund der vorgezogenen Bundestagswahlen im Frühjahr 2025 ist der weitere Weg des Gesetzesentwurfs derzeit noch nicht abzusehen. Mit der Konstituierung des neuen Bundestags Ende März 2025 gilt der Entwurf aufgrund des Diskontinuitätsgrundsatzes zunächst als erledigt und hat damit ein vorläufiges Ende gefunden. Da die Parteien der genossenschaftlichen Rechtsform aber auf Bundes- wie Landesebene fraktionsübergreifend durchaus positiv gegenüberstehen, ist zu erwarten, dass der insgesamt gelungene Gesetzesentwurf in jedenfalls ähnlicher Form auch Eingang in den neuen Bundestag finden wird.
Der Autor
Frido Kent
Frido Kent ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht bei ROSE & PARTNER in Berlin. Er ist unter anderem auf die Beratung von Vorständen und Aufsichtsräten im Genossenschaftsrecht spezialisiert.
www.rosepartner.de