Recht & Steuern
Rechtliche Rahmenbedingungen und Hürden bei Umnutzung: Von Büro und Fabrik zu Wohnen
Text: Felix Machts | Foto (Header): © SVEN H – stock.adobe.com
Können Büro- oder alte Fabrikgebäude, landwirtschaftliche Gebäude wie ein Kuh- oder Schweinestall, Dachböden oder Ladenflächen zu Wohnraum werden? Der große Bedarf an Wohnraum in Deutschland verlangt nach kreativen Konzepten. Für die erfolgreiche Umsetzung derartiger Projekte sind jedoch bestimmte rechtliche Rahmenbedingungen zu beachten und auch Hürden zu meistern.
Auszug aus:
QUARTIER
Ausgabe 3.2023
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Gerade vor dem Hintergrund mangelnden Wohnraums in Deutschland können Umnutzungen ein Weg sein, um mehr Wohnraum zu schaffen [1]. Umnutzungen können den Vorteil eines rascheren Baubeginns haben und dass wesentliche Bestandteile des bestehenden Gebäudes weiter genutzt werden. Auch der Trend zum Homeoffice beschleunigt die Verfügbarkeit von Büroräumen, die zu Wohnungen umgewandelt werden könnten. Neue Nutzungskonzepte machen aber für viele Bestandsimmobilien die Änderung bisheriger Nutzungen erforderlich. Dabei sind besonders die notwendigen energetischen Sanierungen als wirtschaftliche Herausforderung in die Planung einzubeziehen.
Der derzeit am häufigsten relevante Fall einer Umnutzung dürfte die geplante Nutzung bisheriger Gewerbeflächen als Wohnraum sein. Jedenfalls in Teilen soll einer Immobilie eine neue, andere Zweckbestimmung gegeben werden. Auch der Ausbau eines Dachgeschosses zur wohnlichen Nutzung stellt in der Regel eine maßgebliche Änderung der Funktion des Nutzungszwecks dar, durch welche eine Umnutzung mit zu beantragender Nutzungsänderung erfolgt [2].
Neben der Umwandlung hin zu mehr Wohnnutzung, die in diesem Beitrag schwerpunktmäßig beleuchtet wird, gibt es natürlich auch eine Vielzahl anderer Umnutzungen, zu deren Umsetzung teilweise noch größere Herausforderungen bewältigt werden müssen. Aufgrund der derzeitigen politischen Zielbestimmung, mehr Wohnraum zu schaffen, stellt die Umnutzung von Wohnraum hin zur gewerblichen Nutzung, bspw. zum Beherbergungsbetrieb oder zu gemischter Wohn-Ferien-Nutzung, zur Nutzung als Boarding-House, in der Regel ein noch schwierigeres Unterfangen dar, als die Umwandlung von Gewerbeflächen zu Wohnraum. Dabei ist in der Regel auch von einer Umnutzung auszugehen, wenn die Umwandlung einer „Vergnügungsstätte Diskothek“ in eine „Vergnügungsstätte Spielhalle“ [3], gewerblicher Räume hin zu freiberuflicher Nutzung [4] und von Betriebswohnungen in allgemeine Wohnungen [5] erfolgen soll. Auch ist eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung anzunehmen, wenn in einem Ladengeschäft Sportwetten betrieben werden sollen, da Wettbüros als Vergnügungsstätten anderen baurechtlichen Vorschriften unterliegen [6].
Die Umnutzung eines Gebäudes macht im Regelfall die Genehmigung einer Nutzungsänderung erforderlich. Damit einhergehen können Umbaumaßnahmen, welche die bisherige Bausubstanz der neuen Nutzung anpassen. Bei der Änderung einer baulichen Anlage ist das Gesamtvorhaben in seiner durch die Erweiterung geänderten Gestalt zu prüfen; Vergleichbares gilt bei einer Nutzungsänderung: Auch hier muss die bauliche Anlage in ihrer geänderten Funktion als Einheit geprüft werden [7].
Entscheidend für die Frage, ob für eine neue Nutzung Genehmigungen eingeholt werden müssen, ist insbesondere, ob für die neue Nutzung andere öffentlich- rechtliche Vorgaben gelten. Diese können insbesondere brandschutzrechtlicher Art sein oder ggf. vorgeschriebene öffentliche Stellplätze betreffen. Bedarf das Vorhaben der Umnutzung einer Baugenehmigung oder einer denkmalrechtlichen Erlaubnis? Gilt vielleicht eine Erhaltungssatzung oder betrifft die Maßnahme das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum? Entspricht das Vorhaben den Festsetzungen des Bebauungsplans (Bauplanungsrecht) und den bauordnungsrechtlichen Vorgaben (Brandschutz, Abstandsflächen etc.)?
Ein Bauantrag ist nicht erforderlich, wenn die bauliche Anlage von vornherein genehmigungsfrei hätte errichtet werden dürfen (vgl. bspw. § 62 LBauO NRW) oder ein anderes Verfahren die Baugenehmigung miteinschließt (vgl. bspw. § 61 LBauO NRW) [8].
Von einer Nutzungsänderung (§ 29 BauGB) ist auszugehen, wenn „die jeder Nutzung eigene tatsächliche Variationsbreite überschritten wird“ [9] und „wenn durch die Aufnahme dieser veränderten Nutzung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können“ [10]; wenn „der neuen Nutzung unter städtebaulichen Gesichtspunkten also eine andere Qualität zukommt“ [11].
Liegt ein Gebäude im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, so ergibt sich grundsätzlich aus dem Bebauungsplan, was genehmigungsfähig ist und was nicht. Ein Blick in die aktuelle Baugenehmigung zeigt, welche Nutzungsart für das Gebäude festgelegt worden ist (bspw. Einzelhandel, Gaststätte oder Wohnen). Umbau und Umnutzung können ggf. unter Auflagen genehmigt werden.
Gute Aussichten für die Genehmigung einer Nutzungsänderung bestehen insbesondere dann, wenn sich das Gebäude in einem Dorf- oder Mischgebiet befindet. Durch das Baulandmobilisierungsgesetz, welches zahlreiche Vorschriften des BauGB und der BauNVO geändert hat, sind vielfältige Erleichterungen des Wohnungsbaus beschlossen worden. So stellen die Vorgaben für GFZ, GRZ und BMZ nunmehr keine Obergrenzen, sondern nur noch Orientierungswerte dar (§ 17 BauNVO). Für Befreiungen von Festsetzungen eines Bebauungsplans werden als Belang des Allgemeinwohls nun auch ausdrücklich „Wohnbedürfnisse der Bevölkerung“ angeführt (§ 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB); Befreiungen können unter Umständen großzügiger erteilt werden.
Eine Nutzungsänderung ist ein baurechtliches Vorhaben i. S. d. §§ 29 ff. BauGB. Sie bedarf i. d. R. einer nach der jeweiligen Landesbauordnung zu erteilenden neuen Baugenehmigung. Demgegenüber ist eine bauliche Veränderung eine bautechnische Veränderung einer bestehenden baulichen Anlage. Hierzu zählt beispielsweise die Beseitigung einer Dachgaube oder der Anbau eines Wintergartens. Dabei kann ein neues, selbstständiges Baugenehmigungsverfahren erforderlich sein. Die jeweils einschlägige Landesbauordnung kann verfahrensfreie Vorhaben und Änderungen zulassen – beispielsweise eine nachträgliche Wärmedämmung (vgl. § 61 Abs. 1 Nr. 11 BauO Berlin; nicht bei Hochhäusern).
Auch kleinere Änderungen, welche die Identität des Vorhabens nicht grundsätzlich infrage stellen, bedürfen einer Nachtragsgenehmigung [12]. Handelt es sich nur um „nicht wesentliche Änderungen“ eines noch nicht begonnenen, jedenfalls noch nicht abgeschlossenen Vorhabens in Bezug auf die Ursprungsgenehmigung, spricht man von einer Tekturgenehmigung. Der ursprüngliche Genehmigungsbescheid gilt weiter und wird nur ergänzt bzw. geändert. Die Tekturgenehmigung ist ein unselbstständiger Bestandteil der für das Vorhaben erteilten Baugenehmigung. Nachbarrechte dürfen nicht betroffen sein [13].
Im Allgemeinen setzt eine Umnutzung einen Antrag des Bauherrn auf Erteilung einer Baugenehmigung zur Änderung der Nutzung voraus. Die Nutzungsänderung darf insbesondere nicht im Widerspruch zu den einschlägigen Festsetzungen des Bebauungsplans bzw. den einschlägigen bauplanungsrechtlichen Regelungen stehen. Ist die Erschließung gesichert und erfüllt das Vorhaben insbesondere auch die Anforderungen für den Wärme- und Schallschutz, ist von einem qualifizierten Verfasser eine Bauvorlage zu erstellen. Die konkreten Voraussetzungen (insbesondere: Lageplan, Bauzeichnungen, Wohn- und Nutzflächenberechnung, ggf. Stellplatznachweis – vgl. bspw. § 68 LBauO NRW, Betriebsbeschreibung, etwaige Gutachten, z. B. zum Brand- und Immissionsschutz und Energieausweise) ergeben sich in der Regel aus den einschlägigen behördlichen Antragsformularen. Auch denkmalschutzrechtliche Aspekte können relevant sein.
Bei (genehmigungspflichtigen) Umnutzungen ohne Genehmigung kann die zuständige Bauaufsichtsbehörde eine Nutzungsuntersagung aussprechen und zusätzlich ein Bußgeld verhängen. Auch kann eine Abrissverfügung drohen. Daneben sind insbesondere haftungs- und versicherungsrechtliche Risiken in den Blick zu nehmen.
Für den Umbau von Nicht-Wohngebäuden zu Wohnraum stellen KfW und BAFA Förderkredite und Zuschüsse zur Verfügung. Gefördert wird z. B. der Umbau von Gebäuden wie Bürogebäuden, Scheunen oder Lagerhallen zu Wohnraum (Effizienzhaus, KfW Kredit 261). Auch einzelne Sanierungsmaßnahmen können gefördert werden [14].
Die Schaffung von Wohnraum und der Umweltschutz, die Förderung erneuerbarer Energien bzw. die Einschränkung der Nutzung fossiler Energien können sich ergänzen und miteinander harmonieren. So ist eine Umnutzung in der Regel umweltfreundlicher als Abriss und Neubau eines Gebäudes. Auch können Stadtbild und ggf. Denkmalschutz gewahrt werden. Vor diesem Hintergrund ist bei Umnutzungen oftmals mit behördlichem Entgegenkommen und einer schnelleren Bearbeitung zu rechnen. Sie stehen jedoch in verschiedener Hinsicht auch im Konflikt miteinander. Energetische Sanierungen können wirtschaftlich herausfordern. Fällt der Bestandsschutz weg, so sind die aktuellen Anforderungen im Hinblick auf Brandschutz, Wärmedämmung und Emissionen einzuhalten.
Im Sinne der Wohnraumschaffung wären weitere Erleichterungen wie die Senkung der Anforderungen an klimafreundliches Bauen und die Erhöhung staatlicher Förderungen wünschenswert. Ob Ersteres zu erwarten ist, dürfte in Anbetracht der aktuellen politischen Schwerpunktsetzungen eher fraglich sein; Zweiteres ist „im Fluss“. Hier lohnt es sich, aktuelle Fördermöglichkeiten im Blick zu behalten.
Literatur
[1] Siehe dazu auch: www.deutschlandfunk.de/bezahlbarer-wohnraum-deutschland-100.html.
[2] Vgl. BVerwG NVwZ-RR 1997, 519, 520; BeckOK BauGB/Krämer, BauGB § 29 Rn. 8-13.
[3] Vgl. BVerwG NVwZ 1991, 264.
[4] Vgl. BVerwG NVwZ 1994, 274.
[5] Vgl. VG Karlsruhe (4. Kammer), Beschluss vom 13.06.2016 – 4 K 817/16, BeckRS 2016, 48422 und auch BVerwG, Urteil vom 27.05.1983 – Az. 4 C 67.78, LSK 1984, 390135.
[6] Vgl. VGH Kassel: Baurechtliche Zulässigkeit eines Sportwettenbüros, KommJur 2007 Heft 6, 226.
[7] BeckOK BauGB/Krämer, BauGB § 29 Rn. 12; vgl. u. a. BVerwG: Nr. 206 VerwRspr 1975, 942; BVerwG: Nutzungsänderung bei Gebäuden im Außenbereich, NVwZ-RR 1989, 340.
[8] Hilfreich können hier regionale Ratgeber sein, siehe bspw. www.ihk.de/koeln/hauptnavigation/wirtschaftsstandort/bauvorhaben-und-nutzungsaenderung-5120622.
[9] Vgl. VGH Mannheim (Senat), Beschluss vom 09.04.2014 – 8 S 1528/1, BeckRS 2014, 50495; OVG Koblenz, Urteil vom 0.06.2013 – 1 A 11230/12.OVG, BeckRS 2013, 53655.
[10] BVerwG: Bodenrechtliche Relevanzbaulicher Anlagen (hier: Dachgauben), NVwZ 1994, 1010.
[11] BeckOK BauGB/Krämer, BauGB § 29 Rn. 11 mit weiteren Nachweisen.
[12] OVG Schleswig BeckRS 2017, 110516.
[13] Zur Tekturgenehmigung ausführlich: Seckel: Tekturgenehmigung – Muss man bauen, was genehmigt wurde? NJW-Spezial 2023, 44.
[14] www.kfw.de/inlandsfoerderung/Unternehmen/Wohnwirtschaft/Produktfinder/; www.bafa.de/DE/Energie/Heizen_mit_Erneuerbaren_Energien/Foerderprogramm_im_Ueberblick/foerderprogramm_im_ueberblick_node.html.
Der Autor
Felix Machts
Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Felix Machts ist in der in Hamburg-Blankenese ansässigen Kanzlei Hauenschild, Schütt, Wünsche & Machts tätig und spezialisiert auf das Baurecht sowie das Recht der Schulen in freier Trägerschaft.
www.rechtsanwaelte-blankenese.de