Im Gespräch mit Peter Theissing: Kreislaufwirtschaft bei Mauerwerk

Im Gespräch mit Peter Theissing: Kreislaufwirtschaft bei Mauerwerk

Im Gespräch mit Peter Theissing

Kreislaufwirtschaft bei Mauerwerk

Text: Julia Ciriacy-Wantrup | Foto (Header): © KAI NIELSEN / KS-ORIGINAL

Im Gespräch mit Peter Theissing: Kreislaufwirtschaft bei Mauerwerk

Foto: KS-ORGINAL

Alle müssen ihren Beitrag leisten, um das ehrgeizige Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 zu erreichen. Auch für den Bausektor gilt, verantwortungsvollen Klima- und Umweltschutz zu betreiben und seine Emissionen zu verringern. Wie das konkret im Mauerwerksbau aussehen kann, besprechen wir mit Peter Theissing, Geschäftsführer der KS-Original GmbH.

Auszug aus:

Herr Theissing, welchen Stellenwert nimmt die Kreislaufwirtschaft als Teillösung für einen klimaneutralen Gebäudebestand ein?

Die Ressourceneinsparung ist der größte Hebel auf dem Weg zur Klimaneutralität. Und den höchsten Stellenwert hat dabei die Bereitstellung von Kreislaufstrukturen. Für uns als Baustoffhersteller gilt es deshalb, nicht nur neue Produktionsprozesse, sondern auch Geschäftsmodelle für die Gewinnung und den Handel von Sekundärrohstoffen und wiederverwendbaren Materialien zu entwickeln. Wichtig ist für uns, diese Strukturen regional bereitzustellen, sodass die CO₂-Einsparungen nicht durch Emissionen wie z. B. Materialtransporte gemindert oder gar konterkariert werden.

Mit einem mobilen Brecher werden die Kalksandsteine zerkleinert.
FOTO: ZAPFWERKE GMBH & CO. KG

Wie fügt sich der KS-Kreislaufstein, den Sie entwickelt haben, in dieses Bild ein?

Wir haben bereits jahrzehntelange Erfahrung in der abfallfreien Produktion: Reststoffe werden als Zuschlagstoff in den Produktionsprozess zurückgeführt. Dieses Prinzip haben wir uns für den KSKreislaufstein zunutze gemacht. Die beim Rückbau gewonnenen Kalksandsteine werden recycelt und, wie bei der abfallfreien Produktion, dem herkömmlichen Prozess hinzugefügt. Aktuell beträgt der Anteil des Recyclingmaterials 15 bis 20 % und soll langfristig erhöht werden. Der Vorteil ist, dass wir den Verbrauch neuer Ressourcen wie Kalk und Sand reduzieren können und gleichzeitig unabhängiger von Materialströmen werden. Denn das Recyclingmaterial, das da ist, kann auch genutzt werden. Übrigens ist der Kalksandstein durch seine Zusammensetzung auch in der Lage, CO₂ aus der Atmosphäre aufzunehmen und dauerhaft zu binden. Das gilt natürlich auch für die Recyclingmaterialien.

Sie sind Mitglied im natureplus e. V. und nach Concular nun Partner von madaster, der Plattform für Bestandserhalt, nachhaltige Planung und Industrial ReUse. Wie kam es zu Ihrer Beteiligung?

Um die Bauwende zu schaffen, brauchen wir nicht nur die allseits geforderte Geschwindigkeit. Vor allem brauchen wir Allianzen sämtlicher beteiligter Disziplinen zum Wissensund Erfahrungsaustausch und natürlich, um Transformationsprozesse gemeinsam voranzutreiben, wie z. B. die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft. In diesem Sinne betrachten wir unsere Mitgliedschaften vor allem als Kooperationen und – wie Sie es schon richtig nennen – Beteiligung. Durch natureplus e. V. unterstützen wir die Aufklärungsarbeit über zukunftsfähiges Bauen mit nachhaltigen Materialien. Über Concular erhalten wir Informationen zu Projekten, bei denen Kalksandsteinmauerwerk rückgebaut wird, sowie Hilfestellung bei der Etablierung der besagten Kreislaufstrukturen. Durch die Kooperation mit Madaster wiederum tragen wir zur Vereinfachung des Bestandserhalts und zur Umsetzung der Kreislaufwirtschaft in der Baubranche bei.

Sie arbeiten bei Pilotprojekten zum Rückbau in Nürnberg, Dortmund und Osnabrück mit. Welche Herausforderungen begegnen Ihnen dabei? Könnten Sie eventuell einige Beispiele herausgreifen?

Die größte Herausforderung sind im Grunde die noch nicht etablierten Prozesse im Markt. Das bedeutet, dass die Wiederverwertung oder Wiederverwendung von Baustoffen aus einem Rückbau derzeit noch stark durch eine ideologische Überzeugung des Bauherrn und des Industriepartners getrieben ist. Denn der zeitliche und ökonomische Aufwand ist beträchtlich. Das beginnt bei der Stichprobenahme und der anschließenden labortechnischen Untersuchung der Bestandsmaterialien. Der Rückbau muss dann exakt ausgeschrieben werden, um sortenreines Material zu gewinnen. Eine weitere Herausforderung ist das Abfallwirtschaftsgesetz, nach dem Abrissmaterialien nicht wirklich als Sekundärrohstoff, sondern eben als Abfall bewertet werden. Um das sortenreine RC-Material auf Werksgeländen zwischenlagern zu können, müssen deshalb, trotz geprüfter Schadstofffreiheit, entsprechende Genehmigungen eingeholt werden, was den Prozess extrem kompliziert macht.

Worauf muss schon bei der Ausschreibung geachtet werden, um später einen reibungslosen Rückbau sicherstellen zu können?

Aktuell wird nur nach mineralischem Bauschutt getrennt. Das heißt, am Ende landen Beton, Ziegel und Porenbeton zusammen mit dem Kalksandstein auf einem Haufen. Wir brauchen aber sortenreines Kalksandstein-Recyclingmaterial, was entsprechend in der Ausschreibung beschrieben und durch das Abrissunternehmen berücksichtigt werden muss. Auch Anhaftungen, beispielsweise von sulfathaltigen Gipsputzen oder ölhaltigen Bitumen, würden zur Unbrauchbarkeit des Materials führen. Zur Reduktion der Transportkapazitäten und der Produktionszeit wäre es von Vorteil, auch das Kleinbrechen des Materials – im Idealfall auf eine Sandkörnung von zwei bis fünf Millimetern – durch das Abrissunternehmen auf der Baustelle auszuschreiben. Und wie eingangs bereits erwähnt, sollte auch die Regionalität berücksichtigt werden, damit das Recyclingmaterial nicht quer durch die Republik geschickt wird.

Welche Rolle spielen der funktionsgetrennte Aufbau und auch technische Komponenten wie die Trenn- und Sortiertechnik?

Die Funktionstrennung in eine tragende und eine dämmende Schicht sowie die Fassade als Witterungsschicht ermöglicht die bauphysikalische, technische sowie gestalterische Wandoptimierung ohne Zielkonflikte. Damit ist sie ein echter USP der KS-Bauweise, auch im Sinne der Kreislaufwirtschaft. Denn der funktionsgetrennte Wandaufbau ermöglicht die einfache Separierung der einzelnen Schichten. Die Fassade kann abgetragen, die Dämmschicht mit einer Baggerschaufel abgekratzt werden. Übrig bleibt das rückzubauende KS-Mauerwerk. Von daher spielt die Funktionstrennung eine grundlegende Rolle, da die Trennbarkeit den gesamten Prozess vereinfacht. Hinzu kommt, dass Kalksandstein ein homogenes Material ist. Also kein Verbundbaustoff, der zu Deponiemüll wird. Das erleichtert die Sortierbarkeit und die Aufbereitung noch auf der Baustelle.

Was müsste passieren, damit wiederverwendete oder recycelte Materialien und das zirkuläre Bauen noch mehr Verbreitung finden?

Es braucht zunächst mal einen gesetzlichen Rahmen, der die Gewinnung von Sekundärrohstoffen und somit das Urban Mining vereinfacht. Die neuen Geschäftsmodelle, die ich zuvor im Zusammenhang mit der Baustoffindustrie erwähnte, müssen auch von Abrissunternehmen etabliert werden. Denn letztendlich verschieben sich die Wertschöpfungsketten: Abriss, Teilrückbau und Umnutzungsanpassungen sind Gewinnungsstätten für Sekundärrohstoffe, die an uns verkauft werden können. Damit nicht jeder Rückbau zum Pilotprojekt wird, müssen außerdem Prozesse und Netzwerke weiterentwickelt werden. Auf diese Weise kann die Kreislaufwirtschaft im Bauwesen eine echte Demokratisierung erfahren, die die Wiederverwendung und -verwertung wirtschaftlich darstellbar macht und dementsprechend keine Ideologiefrage mehr für Bauherren und Industrie ist.

Das Gespräch führte Julia Ciriacy-Wantrup.

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