Im Gespräch mit ASP Architekten
Rosenstein für Stuttgart
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Dicht, gemischt, bezahlbar und nachhaltig – das sind die Schlagworte für den neuen Stadtteil Rosenstein, der nach der Inbetriebnahme von Stuttgart 21 auf dem ehemaligen Gleisvorfeld entstehen wird. Wir sprechen mit Cem Arat und Markus Weismann (links im Bild und stehend, gemeinsam mit Jochen Köber von Koeber Landschaftsarchitektur) von asp Architekten über das Projekt.
Auszug aus:
QUARTIER
Ausgabe 3.2020
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Herzlichen Glückwunsch, Sie wurden gemeinsam mit Koeber Landschaftsarchitektur beim städtebaulichen Wettbewerb „Rosenstein – Ideen für den neuen Stadtteil“ für Ihren Entwurf mit dem 1. Preis ausgezeichnet. Welches sind die aus Ihrer Sicht wichtigsten Eckpunkte, die den neuen Stadtteil ausmachen?
Cem Arat: Nicht ohne Grund haben wir den Entwurf mit urban, resilient und radikal grün überschrieben. Zentral in der Innenstadt gelegene Entwicklungsflächen sind wertvoll und bergen ein riesiges Potenzial. An sie werden gleichzeitig viele, teilweise gegensätzliche, Erwartungen gestellt. Einerseits soll das Gebiet sehr dicht bebaut werden, eine starke Nutzungsmischung und eine hohe soziale Dichte aufweisen. Andererseits fordern wir mit „radikal grün“, dass sich das Bild unserer Städte durch einen anderen Umgang mit den Freiflächen zukünftig wandelt. Eine Stadt wie Stuttgart, in Kessellage mit extremen Hitzeinseln im Sommer, wird sich stark verändern müssen.
Markus Weismann: Urbane Qualitäten werden sich mit landschaftlichen Qualitäten überlagern müssen, wenn wir die Themen Klimaanpassung, Artenschutz und Wasserhaushalt ernst nehmen wollen. Zugleich müssen in einer dichten Stadt die Aufenthaltsqualität, aber auch die vielfältigen Angebote der Freiflächen hoch sein. Deshalb haben wir in der Zusammenarbeit von Koeber Landschaftsarchitektur und asp Architekten die klassischen Rollenbilder von Stadtplaner, Architekt und Landschaftsarchitekt aufgehoben. Städtebau und Freiraum werden in einem intensiven Diskussionsprozess gemeinsam entwickelt. Aus unserer Sicht passt der im angelsächsischen Raum neu gebildete Begriff „landscapeurbanism“ sehr gut für unsere Arbeitsweise, die den Lebensraum Stadt ganzheitlich denken will.
Das Preisgericht hat die Vernetzung der vier neuen Quartiere mit den umgebenden Strukturen sowie die Einbindung des Bestands als besonders gelungen hervorgehoben. Wie betten sich diese in die Umgebung ein?
MW: Das Rosenstein-Quartier wird die eigentliche Innenstadt von Stuttgart Richtung Neckar nahezu verdoppeln. Das Gebiet kann daher nicht als solitäres Quartier verstanden werden, sondern muss auf der gesamtstädtischen Ebene funktionieren. Ausgangspunkt unseres Entwurfs war einerseits die Körnung denkmalgeschützter Strukturen in der Umgebung und gleichzeitig übergeordnete, bisher unterbrochene Verbindungen zwischen den Stadtbezirken Ost und Nord. Neben Fragen der multimodalen Erschließung haben wir zudem historische Beziehungen wieder in Wert gesetzt. Das heißt aber nicht, dass wir damit ein konservatives Stadtbild verfolgen. Hinsichtlich Vielfalt, Erschließung, Energiekonzept, Nutzungsmischung und Typologien sowie mit der urbanen Qualität des Alt und Neu verbindenden zentralen „Gleisbogenparks“ bieten wir für aktuelle und für zukünftige Anforderungen Lösungen an.
Sie arbeiten im Büro maßstabsübergreifend. Wie gehen Sie dabei vor und wie kam Ihnen das bei der Planung zugute?
CA: Maßstabsübergreifendes Planen ist für uns ein Werkzeug, um nachhaltig auf die zunehmend widersprüchlichen Anforderungen in den Aufgabenstellungen reagieren zu können. Wir stellen fest, dass in jedem Fachbereich die Anforderungen nach oben geschraubt werden und dass die eigentliche Herausforderung darin besteht, diese je nach Ort und Aufgabe spezifisch auszubalancieren. Auf jeder Maßstabsebene versuchen wir, Lösungen zu finden, die in einem robusten Rahmen den Beteiligten genug Spielraum für Eigeninitiative lassen. Dabei denken wir immer vom Großen ins Kleine, von der übergeordneten prozessualen Ebene bis in die Detailplanung, als auch anders herum. Wir versuchen, sowohl den Gesamtzusammenhang im Blick zu behalten als auch den einzelnen Menschen. Wie orientieren sich die zukünftigen Bewohner im Quartier? Welche Angebote und Qualtäten sind für sie wichtig? Indem wir Fragen stellen, mit zahlreichen Akteuren und Beteiligten sprechen, entwickeln wir Lösungen.
Sie bezeichnen sich selbst als Urbanisten – wie spiegelt sich das in Ihrer Arbeit wider?
MW: „Das Außen des Hauses ist das Innen der Stadt“, das ist einer unserer Leitsätze. Als asp Architekten arbeiten wir mit einer Geschäftsführerin und vier Geschäftsführern sowie einem internationalen Team bestehend aus rund 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus 15 Ländern. Ganz gleich, ob wir innovative Quartiers- und Mobilitätskonzepte entwickeln, neue, flexible Arbeitswelten schaffen, gemeinschaftliche Wohnformen entwerfen oder modulare Bauweisen für Sporthallen erforschen: Uns verbinden unsere sich ergänzenden Blickwinkel auf ein Projekt. Wir sind bewusst kein reines Planungs- oder Hochbaubüro, sondern bearbeiten unsere Projekte in interdisziplinären Teams.
Wie geht es mit dem Rosenstein-Quartier jetzt weiter?
CA: Seit Anfang des Jahres sind wir mit der Erstellung eines Rahmenplans beauftragt. Dieser soll bis Anfang nächsten Jahres erarbeitet werden. Momentan befinden wir uns in „Intergralen Planungsgruppen“ mit unterschiedlichen Ämtern auf einer Vielzahl von Ebenen. Zudem beschäftigt uns intensiv der Spagat zwischen festgeschriebener städtebaulicher Qualität und der Offenheit gegenüber zukünftigen Entwicklungen. Aufgrund seiner Größe und Lage wird das Rosenstein-Viertel in den nächsten beiden Jahrzehnten von strategischer Bedeutung für Stuttgart und die Region werden. Ein verantwortungsvolles und zeitgemäßes Konzept muss Planung, Steuerung und Projektkommunikation als inhaltlich miteinander verknüpfte Stränge betrachten, städtebauliche Qualitäten festschreiben, Anpassbarkeit ermöglichen und Innovation fördern.