Grüner Wohnhof am Prenzlauer Berg: BIGyard

Grüner Wohnhof am Prenzlauer Berg: BIGyard

Städtebau & Quartiersentwicklung

Grüner Wohnhof am Prenzlauer Berg: BIGyard

Text: Susanne Friedburg | Foto (Header): © flashpics – stock.adobe.com

Der Traum vom Wohnen mit Garten mitten in der Großstadt Berlin wurde in dem Baugruppenprojekt BIGyard in Berlin-Prenzlauer Berg verwirklicht. 45 Wohneinheiten unterschiedlicher Wohnungstypen wurden auf dem innerstädtischen Grundstück im urban stark verdichteten Gründerzeitviertel realisiert. Intensive Überlegungen zur Raumbildung, den Nutzungsansprüchen und den Spielangeboten trugen wesentlich zum Erfolg des Projekts bei.

Auszug aus:

Die Wohnanlage, die von zanderroth Architekten geplant wurde, besteht aus einer straßenbegleitenden Reihe von 23 Townhäusern und einem dahinterliegenden 7-geschossigen Riegel mit zehn Gartenhaus- und zwölf Penthousewohnungen. Von Beginn an geplant und in dem Projekttitel BIGYard programmatisch verankert, bildet der 1.200 m² große und von allen gemeinschaftlich genutzte Innenhof das zentrale Rückgrat der insgesamt 45 Wohneinheiten.

Der englische Begriff „yard“ bedeutet in der Übersetzung nicht nur Hof – in Anlehnung an die Typologie der umgebenden Blockbebauung mit ihren Hinterhöfen und der baulichen Raumsituation passend gewählt –, sondern lässt sich auch mit „Garten“ übersetzen. Das Bild eines Gartens wurde so dann auch das tragende, übergeordnete Thema für die Freiraumgestaltung und Leitbild für alle gestalterischen Entscheidungen. Ziel war die Anlage eines arkadischen Gartens, der sowohl für die rund 60 Kinder als auch für die Erwachsenen als selbstverständlicher Teil ihres Lebensortes täglich genutzt werden kann.

Räumliche Gegebenheiten

Mit einer Länge von ca. 95 m, aber nur einer Breite von 12 m und als intensive Dachbegrünung auf der darunterliegenden Tiefgarage gelegen, sind die räumlichen Gegebenheiten eine planerische Herausforderung. Den hohen Anforderungen an den eigentlich kleinen Gartenhof im Spannungsfeld von Privatsphäre, Ruhebedürfnis, Nutzungsdruck und Unterhalt konnte mit einem klaren räumlichen Konzept und spielerischem Einsatz gestalterischer Mittel begegnet werden.

Schnitt durch die 4-geschossigen Townhäuser und die dahinter liegenden 7-geschossigen Riegel
ZEICHNUNG: HERRBURG LA

Blick in den Innenhof mit seinem klaren
räumlichen Konzept

FOTO: MICHAEL FESER

Erschließung und Zonierung

Die im Hinterhaus gelegenen Penthouse- und Gartenhauswohnungen werden über den gemeinsamen Innenhof erschlossen. Mit der Anlage eines netzartigen Wegebandes aus trapezförmigen Betonplatten wurde eine Zonierung in private Randbereiche und eine gemeinschaftliche Mitte vorgenommen. Das Erschließungsband ist nicht nur Zuwegung, sondern dient auch als Rennstrecke für Endlosrunden mit Bobby-Cars, Rollern und Inlinern. Die Trapezform als auch die Oberflächenausführung – rutschhemmend in den Erschließungswegen, geräuscharm in den Spielbändern – wurden eigens für dieses Projekt entwickelt. Die befestigten Flächen sind auf das notwendige Minimum beschränkt, um den Hof nicht steinern wirken zu lassen.

Raumbildung und Dezentralisierung

Eine Topographie aus sanft geschwungenen Hügeln untergliedert den Hof in einzelne, kleinere Gartenräume. Somit werden auch die für Baumpflanzungen notwendigen Aufbaustärken erreicht, und es ist gleichzeitig für mehr Intimität gesorgt. Ein System unterschiedlicher dezentraler Nutzungsangebote wird gleichmäßig über die so entstandenen Kleinräume verteilt, um Konfliktpotenziale zu reduzieren und die intensiven Nutzungsansprüche zu entzerren.

Bepflanzung

Das Bild eines großen Gartens wurde vor allem mit der Vegetation in den schmalen Raum übertragen. Die klare Gliederung in die unterschiedlichen Bereiche und die vorgenommene Pflanzenauswahl schaffen einen sehr ruhigen, gärtnerischen Charakter. Gleditschie und Eberesche haben sich als stabile Solitäre auf der Tiefgarage bewährt und wurden als transparenter Filter für allzu nahe Sichtkontakte – insbesondere auch für die über der Hofebene liegenden Geschosse – eingesetzt. Im Zusammenspiel mit der Topographie verstärken sie die Kleinräumigkeit und brechen visuell die Länge des Hofraums.

In den privaten Randbereichen wurden Bepflanzungen gezielt als Puffer zu den gemeinschaftlichen Bereichen angelegt. So erhalten die Gartenhäuser einen vorgelagerten, bodendeckenden Pflanzteppich aus überwiegend immergrünen Gräsern und Solitärgehölzen. Typische Gartensträucher wie Zwergflieder und Hortensien mit maximalen Wuchshöhen von 1,50 m schaffen soziale Distanz, ohne die anliegenden Wohnräume zu verschatten.

Spielangebote

Die Spielmöglichkeiten stehen dabei im Vordergrund, handelt es sich bei den Bewohnern doch überwiegend um junge Familien mit Kindern. Das Konzept naturnah gestalteter Spielräume sowie Nutzungsflexibilität und Aneignungsmöglichkeiten waren Inspirationsquellen und Parameter für die Entwicklung des Spielangebots. So finden sich über den Garten verteilt mehrere informelle Sandspielbereiche, die von den Eltern aus dem Haus gut im Blick zu behalten sind und die elementare Erfahrungen des Buddelns und Bauens ermöglichen. Ein bildhauerisch bearbeiteter Brunnentrog mit Wasserspeier erweitert die Spielmöglichkeit zum Matschen und Planschen.

Ein System aus geschälten, gegabelten Robinienstämmen ist ein Angebot zur Selbstaneignung: Sie können für Hängematten, Volleyballnetze oder Girlanden oder einfach zum Klettern genutzt werden. Polygonale Sitzpodeste werden durch Sprungfedern oder Höhenverschiebung gleichzeitig zu Spielmöglichkeiten erweitert.

Artifizielle Elemente wie das Baumhaus und die Holzpodeste schaffen ein verbindendes gestalterisches Bild und so auch den emotionalen Bezug der Bewohner zu ihrem Garten. Das Baumhaus z. B. schwebt an schmalen Stämmen in 1,50 m Höhe wie ein abstrahierter Kokon aus polygonalen Schichtholzwänden, die archaische Wohntypologie des Iglus oder Zelts zitierend. Lackiert in drei Graustufen, verstärkt die Licht- und Schattenwirkung den skulpturalen Effekt. Flächenbündige Fenster sind Lichtquelle und versteckter Ausguck- Spot. Spielgerätenormen wurden subtil umgesetzt: Die Lage der Öffnung und die niedrige Einstiegsplattform erübrigen den Fallschutzbelag. Die Positionierung direkt neben einem neuen Baum ermöglicht eine private Nische wie im Familiengarten.

Die Randbereiche (rosa) dienen der privaten Nutzung, in der Mitte trifft sich die Gemeinschaft.
ZEICHNUNG: HERRBURG LA

Mitwachsen

Das Spielkonzept wurde auf ein Mitwachsen der Spielangebote mit den Kindern ausgelegt. Die zumeist jungen Familien haben jetzt Kinder im Alter von bis zu fünf Jahren. Diese Kinder werden zusammen im Hof aufwachsen. Die Ansprüche an den Hof werden sich ändern. Heute kann man an Stämme Schaukeln, Girlanden und Sonnensegel knüpfen. Später können Hängematten oder ein Volleyballnetz eingehängt werden. Dieser altersunabhängige Ansatz mit einer variablen „Spielinfrastruktur“ und einem festen Raumgerüst, aber auch die sich entwickelnde Bepflanzung werden die Gestaltung des Hofs in den kommenden Jahren verändern und weiterentwickeln.

Schon jetzt nutzen auch die Erwachsenen den Garten für Gemeinschaftsaktivitäten. So gibt es im Sommer regelmäßig ein Open-Air-Kino an einer der Brandwände zwischen den beiden Wohnzeilen und gemeinschaftliche Hoffeste. Es geht aber nicht alles: Fahrradfahren und Fußballspielen sind in dem schmalen Innenbereich nicht möglich. Katzen müssen draußen bleiben. Und Grillen mit Kohle ist auch tabu. Die Regeln des gemeinschaftlichen Lebens wurden im laufenden Prozess diskutiert und in einer Hausordnung vereinbart.

Die Spielbereiche sind von den Eltern aus dem Haus gut im Blick zu behalten.
FOTO: MICHAEL FESER

Durch die niedrige Einstiegsplattform beim
Baumhaus ist kein Fallschutzbelag notwendig.

FOTO: HERRBURG LA

Fazit

Das Wohnensemble BIGyard ist ein typisches Berliner Baugruppen-Projekt. Familien mit kleinen Kindern schaffen sich in der Berliner Innenstadt Wohn- und Lebensräume mit viel Grün, und das zu finanziell tragbaren Konditionen. Durch einen intensiven, frühzeitig abgestimmten Planungsprozess zwischen Architekt und Landschaftsarchitekt konnten Synergien genutzt werden. So blieb das Baubudget mit 238.000 Euro brutto für den Garten unter dem im Vorfeld abgesteckten Rahmen. Mit einem Quadratmeterpreis von 198 Euro konnte damit die logistisch sehr aufwendige Bauausführung auf dem baulich geschlossenen Obergeschoss der Tiefgarage realisiert werden. Die noch junge Baugemeinschaft in der Zelterstraße ist nicht zuletzt durch ihr Bekenntnis zum gemeinschaftlichen Wohnen zusammengewachsen und trägt diese Idee auch nach außen. Sie sieht sich als aktiver Partner im Kiez. Vor Kurzem organisierte man gemeinsam mit der benachbarten Diakonie ein Straßenfest. Dabei wurden Spenden für die ortsansässige Sozialstation gesammelt. Die soziale Einbindung und Akzeptanz des Projekts ist gelungen und schafft neue spannende Impulse im Kiez.

Die Autorin


Susanne Friedburg
MA (Hons) Land Arch

Studium in Schottland und den Niederlanden

2003 Gründung von herrburg Landschaftsarchitekten mit Mareike Schönherr

2008 Markus Schönherr wird Mitinhaber.

2013 Deutscher Landschaftsarchitekturpreis, Sonderpreis Wohnumfeld für das Projekt BIGyard, Berlin

Seit 2018 akademische Mitarbeiterin im Fachgebiet Stadtplanung und Raumgestaltung an der BTU Cottbus-Senftenberg

Mehr aus dieser Ausgabe

Alle Inhalte 3 Monate probelesen!

Mit Q+ erhalten Sie sofort Zugriff auf:

✔ alle Beiträge vergangenen Ausgaben
✔ alle Beiträge zukünftiger Ausgaben

Jetzt 3 Monate testen!

nur 3 /Monat
(zzgl. MwSt.)

Jetzt testen

Sie haben bereits einen Zugang?

Icon