Realisierte Objekte
Energieeffiziente Lüftungstechnik: Abdichtung von Lüftungsleitungen
Text: Dr. Tina Weinberger, Jürgen Arzt & Jörg Mez | Foto (Header): © Aeroseal Austria GmbH
Im Jahr 2001 wurden im Wiener Gemeindebezirk Simmering vier ehemalige Leuchtgasspeicher als nachhaltig energieeffiziente Veranstaltungs-, Wohn- und Geschäftsgebäude eröffnet. Auf einer Fläche von rund 220.000 m² vereint das als „Gasometer City“ benannte Areal eine Mischung aus Wohnen, Arbeiten, Entertainment und Einkaufen. Bei der Beseitigung von Leckagen im Luftleitungssystem setzten die Betreiber auf ein Verfahren, bei dem Dichtstoff mit dem Luftstrom in die Leitungen eingebracht wird.
Auszug aus:
Seit über 100 Jahren gehören die 1896 bis 1899 erbauten Gasometer in Wien mit rund 60 m Durchmesser und 70 m Höhe zum Wahrzeichen des elften Gemeindebezirks Simmering. Lange Jahre wurde in ihnen das aus der Kohlevergasung stammende Stadtgas gespeichert, welches ab 1899 zunächst für die Straßenbeleuchtung öffentlicher Straßen, ab 1910 auch zum Kochen und Heizen in privaten Haushalten benutzt wurde. Nach der Umstellung von Stadtgas auf Erdgas wurden die 1981 unter Denkmalschutz gestellten Gasometer 1984 stillgelegt. Wenig später engagierte sich die Gemeinde Wien als Eigentümerin der Gasometer für deren Umnutzung und Revitalisierung. Zwischen 1999 und 2001 erfolgte der Umbau – erhalten blieben nur die Dachstühle und die Ziegelaußenmauern. Das Ergebnis ist ein eigenständiges Quartier im Quartier, welches schon von Weitem durch die vier Gasometer A, B, C und D erkennbar ist.
Vier Gasometer – vier Bauformen
Gasometer A wurde vom französischen Architekten Jean Nouvel gestaltet und beinhaltet neun einzelne Gebäude, die sich ringförmig an die Hüllmauer anschmiegen. Auf acht Etagen befinden sich aufgeteilt in Zweierblöcke rund 120 Wohnungen. Die unteren drei Etagen sind von Büros, Geschäften, einem Einkaufszentrum sowie einer Tiefgarage belegt. Der ursprüngliche Charme der Gasometerfassade – hohe Fenster für viel Sonnenlicht – ist in den breiten Spalten zwischen den neun Einzelgebäuden zu erkennen. Das Wiener Architektenduo Coop Himmelb(l)au plante Gasometer B als 18-stöckiges Wohngebäude mit 254 Wohnungen, einer 1.400 m² großen Veranstaltungshalle für 4.200 Besucher und einem Studentenwohnheim mit 247 Plätzen. Kreisförmig angeordnet, liegen die Gebäude an der Außenwand des Gasometers an und lassen in der Mitte einen lichtdurchfluteten Kreis von etwa 20 m Durchmesser frei. Nachhaltigkeit, Natur und maximalen Wohnkomfort verspricht Gasometer C vom Wiener Architekten Manfred Wehdorn. Beginnend auf einer Höhe von 32 m, sind in diesem verteilt auf sechs Stockwerke ringförmig 92 Wohnungen untergebracht. Von oben nach unten abgestuft sorgen bepflanzte Terrassen und Laubengänge für den Eindruck einer grünen Oase sowie ausreichend Licht in allen Wohnungen. Gasometer D wurde von Wilhelm Holzbauer mit einem im Zentrum stehenden Wohnturm geplant. Der Wohnturm hat die Grundform eines Kreises, der drei rechteckige Arme aufweist und über 119 Wohnungen mit kleinem Garten oder Loggia sowie drei Büroetagen und Grünflächen zwischen den Armen verfügt. Ein Skywalk verbindet die Gasometer C und D miteinander und führt über die berühmte Wiener Guglgasse zu einem dem Quartier angehörigen Entertainmentcenter.
Um die Wohn-, Arbeits-, Veranstaltungs- und Entertainmentbereiche im Gasometer-Quartier zuverlässig und energieeffizient mit frischer Luft zu versorgen und je nach Nutzung einen ausreichenden Luftwechsel garantieren zu können, werden Lüftungsanlagen eingesetzt. Mithilfe leistungsstarker Ventilatoren versorgen sie das gesamte Areal über weitverzweigte Luftleitungssysteme mit Frischluft. Absauganlagen sorgen im gleichen System für eine zuverlässige Abfuhr schlechter Luft – im Brandfall auch giftiger Abgase. 2019 wurde bei einer regelmäßig alle zwei Jahre durchzuführenden Revision der Brandrauchgasanlagen im Gasometer C festgestellt, dass der erforderliche Luftmengenwert deutlich unterschritten wird. Die Ursache: Leckagen in den verzinkten Lüftungskanälen. Um diese zu beseitigen, beauftragte der Betreiber der Gasometer, die Firma Gesiba, speziell geschulte Bergsteiger, die Meter für Meter von außen mittels Sichtkontrolle die Leckagen lokalisieren und dann in einem zweiten Schritt beseitigen sollten. Das unerfreuliche Ergebnis: Trotz eines erheblichen Zeit- und Kostenaufwands konnten die Bergsteiger die Leckagen in der Brandrauchgasanlage nicht finden und damit auch nicht beseitigen.
Als alternative Lösung bot sich das Aeroseal-Verfahren an. Anwendbar bei neuen als auch Lüftungs- und RLT-Anlagen im Bestand lassen sich mit dem Aeroseal-Verfahren Luftleitungssysteme zuverlässig von innen heraus und ohne vorherige Suche der Leckagen abdichten. Bis zu einem Durchmesser oder einer Spaltbreite von 15 mm werden Undichtigkeiten durch das Einbringen eines den Anforderungen der VDI 6022 entsprechenden hygienisch unbedenklichen Dichtstoffs dauerhaft beseitigt. In der Regel ist dafür kein Eingriff in die Bausubstanz nötig, die Anlage kann mit Ausnahme des Abdichtungsprozesses ungestört genutzt werden, der Personalaufwand beschränkt sich meist auf ein bis zwei Personen und die Amortisationszeiten liegen durchschnittlich bei nur ein bis fünf Jahren.
Kleine Teilchen mit großer Wirkung
Um in einem ersten Schritt die Leckagemengen zu bestimmen, mussten die Brandgasventilatoren vom Lüftungsstrang abgetrennt und im unteren Steigschacht eine Trennplatte zwischen Hauptstrang und selbstluftführenden Promatschächten eingebaut werden. Die daraufhin durchgeführte Dichtheitsmessung zeigte, dass allein im Hauptstrang rund 104,4 l/s Luft verloren gehen. Eine zweite Messung ohne Trennplatten im Schacht sowie elektrisch verschlossenen Brandrauchsteuerklappen führte zu einer Leckagemenge von rund 2.000 l/s. Sprich etwa 7.200m³/h Luft, die von den Ventilatoren gefördert und bezahlt werden müssen, aber niemals dort ankommen, wo sie gebraucht werden. Um dies zu ändern, musste das Abdichtungsgerät (das auch der Leckagemessung dient) über einen Folienschlauch mit dem undichten Luftleitungssystem verbunden werden. Anschließend wurde der Dichtstoff mithilfe von Druck und Wärme in mikroskopisch kleine Teilchen (4 µm) zerstäubt und zusammen mit dem Luftstrom in den knapp 490 m² umfassenden Lüftungsstrang eingebracht. Da an Ritzen, Spalten und Löchern lokal der Druck absinkt, wird die mit Dichtstoff beladene Luft in Richtung der Leckagen abgelenkt und durchströmt die Undichtigkeiten von innen nach außen. Dabei lagern sich kleinste Mengen des Dichtstoffs an den Rändern der Leckagen ab und verschließen diese nach und nach dauerhaft. In der Theorie und auch in der Praxis. So konnte nach nur einem Arbeitsgang die Leckagemenge in Gasometer C auf nur 16,5 l/s reduziert werden.
Weiterer Vorteil: Da sich der Dichtstoff auf der intakten Oberfläche nur in den ersten 2 m im Folienschlauch und in unmittelbarer Umgebung des Einlasses ablagert und diese nach der Demontage des Abdichtungsgeräts leicht zu reinigen sind, konnte die gesamte Abdichtung innerhalb von nur sechs Stunden erledigt werden. In dieser Zeit konnten die Bewohner und Besucher von Gasometer C das gesamte Quartier wie gewohnt nutzen und ein Eingriff in die denkmalgeschützte Bausubstanz war nicht nötig. Die nach Herstellerangaben rund 30 Jahre andauernde verbesserte Dichtheit bringt Sicherheit durch hygienische Innenraumluftbedingungen, senkt die Betriebskosten, erhöht die Energieeffizienz und passt damit perfekt zum „nachhaltig-grünen“ Charakter von Gasometer C. Aspekte, die so überzeugend sind, dass die Abdichtung von Luftleitungssystemen mit dem Aeroseal-Verfahren im Rahmen der Bundesförderung effiziente Gebäude als Einzelmaßnahme (BEG EM) förderbar ist, wenn das Luftleitungsnetz nach der Abdichtung mindestens der Dichtheitsklasse B (bzw. ATC 4) entspricht1 (nach DIN Euronorm 1507:2006-07, DIN Euronorm 15727:2010-10 oder DIN Euronorm 12237:2003-07 bzw. ATC4 gemäß DIN EN 16798-3).
Quelle
[1] www.bundesanzeiger.de/pub/de/amtliche-veroeffentlichung – zuletzt eingesehen am 04.07.2023.
Die Autoren
Dr. Tina Weinberger
Fachjournalistin und promovierte Ingenieurin
Jürgen Arzt
Geschäftsführer der Aeroseal Austria GmbH
Jörg Mez
Geschäftsführer der Mez-Technik GmbH