Energie, Technik & Baustoffe
Elektromobilität: Auswahl von Ladetechnik-Systemen
Text: Alhard von Nordenskjöld | Foto (Header): © WELLNHOFER DESIGNS – stock.adobe.com
Tausende Tiefgaragen und andere private Stellflächen sollen in den kommenden Jahren mit Ladetechnik für E-Autos ausgestattet werden. Zahlreiche Firmen haben dafür auch bereits im Grundsatz geeignete Technik entwickelt, mindestens 70 sind am deutschen Markt aktiv. Doch welche Kriterien gibt es für die Auswahl und welche Risiken bestehen in Bezug auf die Autonomie des Käufers?
Auszug aus:
QUARTIER
Ausgabe 6.2021
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Die begrenzte elektrische Anschlussleistung der Grundstücke auf oder neben denen sich die Parkflächen befinden, zwingt in so gut wie jedem Fall dazu, dass die Ladetechnik einem sog. dynamischen Lademanagement unterliegt. Die Gesamtleistung der Ladepunkte wird dabei permanent so gesenkt und erhöht, dass der bestehende Anschluss an das öffentliche Netz nie überlastet ist. Alle anderen ungeregelten Verbraucher auf dem Grundstück behalten also Priorität. Eine Voraussetzung für das dynamische Lademanagement ist ein Echtzeit-Messwert der Leistung am Grundstücksanschluss.
Hat der betreffende Grundstückanschluss eine Leistungsreserve, ist auch eine einfachere Form, das sog. statische Lademanagement möglich. Dabei werden die Ladepunkte so geregelt, dass die Ladetechnik in Summe stets nur die genannte Leistungsreserve nutzt. Wird eine Tiefgarage oder sonstige Parkfläche aus mehreren Anschlüssen bzw. bestehenden Gebäuden heraus versorgt, benötigt jede dieser Versorgungen ein eigenes Lademanagement, wobei eine Mischung aus dynamischen und statischen Systemen denkbar ist.
Auch die Regelung der einzelnen Ladeboxen kann auf zwei Arten geschehen. Die meisten Ladetechnik-Anbieter nutzen die im Typ-2-Ladestandard vorgesehene Option, dass die Ladegeräte in den Fahrzeugen von den Ladeboxen ein Signal erhalten, auf welche Ladeleistung sie maximal regeln dürfen. Die entsprechende Signal-Leitung ist in jedem Typ-2-Ladekabel vorhanden. Die Ladeboxen ihrerseits erhalten ein Signal vom Lademanagement, welches Leistungslimit einzuhalten ist, und senden ihrerseits einen Messwert zurück, wie viel Ladeleistung vom Fahrzeug aktuell gezogen wird. Aus dem Messwert am Hausanschluss und den Messwerten in den Ladeboxen errechnet das Lademanagement, ob die Fahrzeuge im aktuellen Moment hoch– oder herunterregeln müssen.
Die zweite Art der Leistungsregelung besteht darin, die Ladeboxen nur getaktet zu betreiben, sobald sie in Summe zu viel Leistung abrufen. Der dafür erforderliche Ein-/Aus-Schaltkontakt ist bei sehr vielen Ladeboxen vorhanden, aber nicht bei allen. Diese Art der Regelung ist deutlich weniger verbreitet. Für die Logik bei der Taktung bestehen Varianten wie z. B. „first come, first serve“ oder „Mindestmenge für alle“.
Stromzählung unabhängig vom Lastmanagement
Unabhängig von der Art des Lademanagements und sowohl bei der Ladebox-Regelung als auch bei der Ladebox-Taktung, kann die Stromzählung grundsätzlich auf drei Arten geschehen:
- Vorhandene Wohnungszähler können genutzt werden, sofern ausschließlich die Hausbewohner in der betreffenden Tiefgarage parken.
- Zusätzliche Tarifzähler werden dann zumindest für externe Stellplatznutzer ergänzend erforderlich.
- Ein zentraler Tarifzähler versorgt die gesamte Ladetechnik.
Im Fall eines zentralen Tarifzählers bestehen eine technische und eine administrative Zusatzanforderung, die solche Systeme grundsätzlich komplexer macht: Die einzelnen Ladeboxen müssen den Stromverbrauch messen und die Verbräuche müssen mit dem zentralen Zähler verrechnet werden.
Abhängigkeiten vom Hersteller oder Dienstleister
Die beschriebenen Systeme können in mehrfacher Hinsicht abhängig sein vom Hersteller oder Dienstleister. Eine Übersicht zu den verschiedenen Teilbereichen zeigt die Aufstellung unten.
Lizenz oder Miete
Das Funktionieren des Ladetechnik-Systems kann von der Zahlung einer Lizenz bzw. Miete an den Hersteller abhängig sein, selbst wenn die regelnde Software nicht auf dem Hersteller-Server läuft. Das vor Ort installierte Lademanagement – ein Controller, ein lokaler Rechner oder eine Masterbox – ist nur aktiv, solange es regelmäßig online eine Freigabe vom Hersteller erhält.
Lademanagement
Auch falls keine Lizenz zu zahlen ist, können Lademanagement-Systeme von einer Online-Verbindung zum Server des Herstellers abhängig sein, meist mit dem Argument, dass Updates aufgespielt werden sollen. Eine gesteigerte Form der Abhängigkeit wäre gegeben, wenn die Regel-Software auf dem Server des Herstellers betrieben wird. Eine zu schwache oder ausgefallene Internetverbindung führt dann zu einem Ausfall der Regelung und einem „gesicherten Betrieb“, der aber letztlich nur in einer Abschaltung der Ladetechnik bestehen kann, wenn das Risiko des Fallens der Hauptabsicherung des Grundstücks ausgeschlossen werden soll. Eine mit dem Hersteller vereinbarte Online-Aufspielung von Updates kann im Übrigen vom Eigentümer im Einzelfall unerwünscht sein und unnötigerweise dem Grundsatz widersprechen: „Never touch a running system.“
Verbrauchsdaten
Eine Verbrauchsdaten-Erfassung wird nur bei Systemen mit zentralem Stromzähler benötigt, sie ist dann allerdings zwingend erforderlich für den Betrieb der Ladetechnik. Ist nur dem Hersteller oder einem Dienstleister die Auslesung der Daten in ein sog. Backend möglich, entsteht eine Abhängigkeit. Die Abhängigkeit ist noch größer, wenn die Daten nicht lokal beim Eigentümer gespeichert sind, sondern ausschließlich auf dem Server des Herstellers oder Dienstleisters. In diesem Fall kann auch der Wechsel des Backend-Betreibers unter Umständen scheitern bzw. von der Bereitschaft und den Konditionen des Server-Betreibers abhängig sein.
System-Konfiguration
Die System-Konfiguration erfolgt bei der Inbetriebnahme des Ladetechnik-Systems sinnvollerweise durch den Hersteller oder das Installationsunternehmen, das die Ladetechnik vom Hersteller erworben hat und mit der Installation auch die Gewähr für dessen Funktion übernimmt. Diese Gewährleistung verjährt allerdings, und der Eigentümer der Technik will oder muss unter Umständen für spätere Ausbauschritte der Ladetechnik ein anderes Unternehmen beauftragen. Dafür braucht er uneingeschränkten Zugriff auf alle Konfigurationsebenen, ggf. einschließlich der Programmcodes.
Dokumentation
Eine lückenlose Dokumentation, einschließlich der Bedienung der Konfiguration, wird von manchen Ladetechnik-Herstellern verweigert, meist mit dem Hinweis auf Know-how-Schutz. Auch dies kann bei Ausbauschritten oder Reparaturen zur Falle für den Eigentümer werden.
Mögliche Abhängigkeiten und Risiken bei Ladetechnik-Systemen
Abhängigkeit: | gesteigerte Form: | Risiko für Ladetechnik-Eigentümer | |
Lizenz/Miete | regelmäßige Gebühr | Erhöhungen nicht ausgeschlossen | Ewigkeitskosten mit unbekannter Steigerung |
Lade-Management | System funktioniert nur online | Regel-Software läuft auf Hersteller-Server |
|
Verbrauchs-Daten | nur durch Hersteller auslesbar | nur auf Hersteller-Server gespeichert | |
System-Konfiguration | nur durch Hersteller | nur über den Hersteller-Server | |
Dokumentation | Nicht vollständig | Fehlt komplett | Hersteller bestimmt Kosten für Reparaturen |
Abbildung: ALHARD V. NORDENSKJÖLD
Risiken für die Ladetechnik-Käufer
Für die Käufer von Ladetechnik können Risiken entstehen, die sich addieren, je mehr Abhängigkeiten der Hersteller eingebaut hat.
Mögliche finanzielle Risiken:
- Lizenz- oder Mietzahlungen fallen auf ewig an und mit unbekannter Steigerung, weil mit dem Kauf kein Enddatum bestimmt wurde.
- Hersteller/Dienstleister bestimmen über die Kosten für die Verbrauchsdaten-Abrechnung, weil der Käufer keine Hoheit über die Daten hat.
- Der Hersteller bestimmt über die Reparaturkosten, weil dem Käufer keine Dokumentation vorliegt.
- Der Hersteller verändert technische Voraussetzungen und zwingt den Käufer zu Nachrüstungen.
Mögliche funktionale Risiken:
- Der Hersteller stellt den Produkt-Support ein, und dem Käufer liegt die Dokumentation nicht vor.
- Die Ladetechnik als Ganzes geht außer Betrieb, weil der Hersteller gekauft oder insolvent wird.
- Die Internetverbindung fällt aus oder der Hersteller wird Opfer einer Hacking-Attacke.
- Der Hersteller vollzieht online ein Update, das zu Funktionseinschränkungen oder Ausfall führt.
Konsequenz: autonome Ladetechnik
Die Konsequenz beim Einkauf von Ladetechnik ist naheliegend und nicht nur bei Immobilien, sondern bei allen Einkäufen eine bewährte Vorgabe: Technische Systeme sollten durch den Käufer zunächst autonom nutzbar sein. Unterstützende externe Systeme – heute meist online – sind zulässig und oft auch hilfreich, dürfen aber die Autonomie nicht gefährden.
Ladetechnik-Anbieter, die Autonomie gewährleisten
EASY Energiedienste hat über mehrere Jahre Informationen über Ladetechnik-Systeme gesammelt und mittlerweile über 70 am deutschen Markt tätige Unternehmen identifiziert, die Systeme mit Lademanagement anbieten. Die Entwicklung auf diesem Markt hat in den vergangenen Monaten noch einmal an Dynamik gewonnen, und es kamen zahlreiche Anbieter hinzu.
Von den bisher geprüften Herstellern erfüllen etwa die Hälfte die Kriterien, die eine Autonomie des Käufers gewährleisten und zu diesen zählen: Alfen, cFos, ChargeX, ebee, Enel-X, eniysyst, Erfurt Automation, EnerCharge, Flotte-Laden, Heidelberg, Hardy Barth, Hummel, KEBA, Mennekes, openWB, Pion, RTB Kormo, Scapo, Schneider Electric, Waltherwerke.
Der Autor möchte alle Käufer von Ladetechnik ermuntern, diese wie jede andere Haustechnik als langfristige Investition in sein Gebäude zu begreifen. Zur Nachhaltigkeit gehört dabei auch, dass er bei Bedarf volle Kontrolle über das gesamte System und alle seine Komponenten hat. Dazu zählen neben der Hard- und Software auch der Betrieb. Auf allen drei Ebenen sollte er mit dem Erwerb der Technik nicht in unnötige Abhängigkeiten geraten.
Zwei Formen von Lademanagement
Abbildung: ALHARD V. NORDENSKJÖLD
Erläuterungen zum Beispiel
Wohngebäude (schwarz gestrichelt): Gezeigt ist der vom BDEW ermittelte durchschnittliche Leistungsverlauf von Wohngebäuden mit seiner Lastspitze in den Abendstunden (ca. 18 Uhr).
Laden ungesteuert (rot): Gezeigt ist ein Leistungsbedarf, der sich ergeben würde, wenn allen heimkehrenden Fahrzeugen ihre individuelle Ladeleistung in voller Höhe zur Verfügung gestellt würde.
Statisches Lademanagement (hellblau): Gezeigt ist der Leistungsverlauf am Hausanschluss, wenn im Gebäude – unabhängig von den Wohnungen – 24 h eine fixe zusätzliche Leistung für die Ladetechnik zur Verfügung steht, im Beispiel 30 kW.
Dynamisches Lademanagement (grün): Gezeigt ist der Leistungsverlauf am Hausanschluss, wenn der jeweils aktuelle Bedarf im Gebäude (schwarze Strichlinie) mittels Messung ermittelt und die Ladetechnik geregelt wird, um die bisherige Maximallast im Gebäude nie zu überschreiten.
Der Autor
Alhard von Nordenskjöld
Berater für Elektromobilität
Studium des Maschinenbaus
12 Jahre Produkt-Entwicklung, Konstruktion und Planung von Biogas- und Kläranlagen
12 Jahre Projekt-Entwicklung und Umsetzung von EE-Anlagen (erneuerbare Energien)
2 Jahre Forschungsvorhaben Leicht-E-Fahrzeug-Entwicklung (ACM)
Seit 2018 Berater für Elektro-Mobilität mit Zertifikat der HWK München
easy-energiedienste.de