Recht & Steuern
Digitale Bauwerksmodelle: Chancen für kostengünstiges und rezyklierbares Bauen
Text: Günter Jösch und Jakob Przyblyo | Foto (Header): © WRIGHTSTUDIO – stock.adobe.com
Kostengünstig und ressourcenschonend – mit diesen beiden Überbegriffen können die Forderungen des Bundes zum derzeitigen Wohnungsbau zusammengefasst werden. Im Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Finanzen zum Gesetzesentwurf zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsneubaus vom 29. August 2018 heißt es, dass insbesondere Nachhaltigkeitsaspekte von Bedeutung seien, wenn Maßnahmen – hier Förderung des Wohnungsbaus – wirtschaftlich erfolgreich sowie ökologisch und sozial verträglich gestaltet werden und so den sozialen Zusammenhang stärken. Der Einsatz von BIM im seriellen Wohnungsbau bietet hierfür großes Potenzial.
Auszug aus:
QUARTIER
Ausgabe 2.2021
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Die Errichtung von Modulgebäuden aus vorgefertigten Raumzellen beschreibt eine Form des seriellen Bauens, bei der die dreidimensionalen, bis zu 94 % werkseitig vorgefertigten Module vor Ort in kurzer Zeit zusammengesetzt und mit den Medienanschlüssen verbunden werden. Bei der werkseitigen Vorfertigung werden insbesondere viele Nachhaltigkeitsaspekte erfüllt.
Es gibt eine ausgeklügelte Materialverwendung, sodass im Grunde keine oder nur minimale Abfallprodukte entstehen. Durch Phasenüberschneidungen durch die Raumsystemfertigung im Werk sowie vor Ort die Herstellung von Zuwegungen, Gründungen und Medienanschlüssen ist im Optimalfall eine Zeitersparnis von bis 70 % mit einer kürzeren Vorfinanzierungszeit und einem schnelleren Kapitalrückfluss gegeben. Neben den Baukosten nach DIN 276 machen die Aufwendungen für beispielsweise die Unterhaltung oder das Facility Management einen hohen Anteil bei der Kostenbetrachtung über den kompletten Lebenszyklus aus. Diese Aufwendungen lassen sich durch einen digitalen Zwilling in Form einer BIM-basierten Planung enorm senken. Gerade während der Nutzungsdauer lassen sich damit weitere Einsparungen erzielen, indem man das Gebäude „kennt“ und mühselige Bestandsaufnahmen für Sanierungen oder Modernisierungen entfallen. Auch wenn ein Gebäude auf Basis der VDI 6199 Bauwerksinspektionen regelmäßig gecheckt wird, so ist dies mit BIM wesentlich inhalts- und kosteneffizienter.
Ein weiterer Pluspunkt einer BIM-gestützten Planung zeigt sich bei dem Wunsch, das Gebäude durch Aufstockung oder Anbauten zu erweitern. Ohne Bestandsaufnahme kann auf die vorliegende Planung zurückgegriffen werden, mit der Sicherheit, dass diese dem Ist-Zustand entspricht.
BIM impliziert die Grundlage für die digitale Transformation der Baubranche und richtet sich an alle Gewerke über den gesamten Gebäudelebenszyklus. Dabei ist BIM kein Tool, sondern vielmehr eine partnerschaftliche Arbeitsmethode, die Tools bzw. digitale Gebäudemodelle gemeinschaftlich zur Nutzung vorsieht und Synergien aus der Zusammenarbeit fördert. Die partnerschaftlichen Aspekte sind auf vielen Ebenen erlebbar: Auf Softwareebene findet z. B. die Integration durch die Verknüpfung von Kostendatenbanken mit Mengen aus digitalen Bauwerksmodellen statt. Im Projektteam spricht BIM die interdisziplinäre Interaktion im laufenden Projekt an und verlangt nach entsprechenden Festlegungen für Schnittstellen, Rollen und mehr. Mit BIM werden Unternehmen aber auch stärker motiviert, Partnerschaften zu schließen und gemeinsam Synergien zu erbringen. Die BIM-Methode wird gewöhnlich in vier Parameter untergliedert. Dazu gehören die Kompetenz der Mitarbeiter, die Technologie wie Software und Daten, Prozesse und Rahmenbedingungen sowie Richtlinien für die Zusammenarbeit. Für eine erfolgreiche BIM-Anwendung sind alle Bereiche gleichermaßen von Belang.
Die Gebäudemodelle bestehen aus einzelnen Elementen, den BIM-Objekten, die nicht nur geometrische 3D-Informationen beinhalten, sondern auch Attribute, die Qualitäten wie Materialeigenschaften sowie Brandschutzklassen beschreiben können. Das BIM-Modell wird für zahlreiche sogenannte „BIM-Anwendungen“ oder auch „BIM-Anwendungsfälle“ genutzt. Einige, wie z. B. die Modellierung oder Modellprüfungen, sind für BIM-Projekte fundamental und stets anzutreffen. Andere sind eher disziplinspezifisch und werden lediglich gelegentlich angewendet, wie das Anbinden von AVA-Datenbanken oder die Optimierung der Baustellenlogistik (4D), die als Live-Statusreport mit Soll-Ist-Abgleich verbunden mit der Baustelle stattfindet. Im Modulbau kann eine Vielzahl von BIM-Anwendungsfällen realisiert werden. Konfiguratoren, basierend auf Verfahren wie Generative Design, errechnen viele Varianten und schlagen die ideale Anordnung der Module beispielsweise für ein Grundstück vor. Der Übergang zu produzierenden Maschinen kann mit mehr Informationen angereichert und die Datenqualität mittels Modellprüfungen gesichert werden.
Auch zahlreiche andere Aspekte aus dem BIM-Bereich sind zu adressieren. Von großem Vorteil ist die Möglichkeit, viele Daten, wie z. B. Stücklisten, zentral in einer „Single Source of Truth“ vorzuhalten, anstatt in vielen Excel-Tabellen. Im Betrieb bietet BIM eine profunde Dokumentationsgrundlage, sodass im Fall einer plötzlichen Reparatur entsprechende Daten vorliegen, Entscheidungen zügig getroffen und entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden können. Ein Rückbau ohne die entsprechenden Gebäudeinformationen aus dem BIM-Modell ist sehr schwer möglich.
Der Modulbauer ist aber auch von seiner Umgebung abhängig und vor allem in der Planung häufig Teil des Projektteams. Die Koordinations- und Abstimmungsprozesse mit dem Architekten oder der TGA können mithilfe von 3D-Modellen transparent geführt werden. Er hat zudem die Möglichkeit, Vorlagedateien mit seinen Rastergrößen zu erstellen und vorzuschlagen. Die Arbeitsqualität des Architekten bei Bauantragsstellung kann so im höheren Maß sichergestellt werden. Dieser Aspekt ist in der Praxis nicht unbedeutend, da sich viele Architekten im Umgang mit den Anforderungen aus dem Modularen Bauen heute noch schwertun.
Bauen mit vorgefertigten Raumsystemen
Während zunächst Industrie und Gewerbe, die kommunalen und sozialen Institutionen die Vorteile des Bauens mit vorgefertigten Raumsystemen für ihre Büro- und Verwaltungsgebäude, Krankenhäuser, Schulen, Labore oder Studentenwohnheime erkannten, findet diese Bauweise nun zunehmend ihre Anhänger auch und besonders im Geschosswohnungsbau. Denn die Gründe liegen auf der Hand: Kostensicherheit, kurze Bauzeiten, viel Gestaltungsspielraum und flexible Nutzbarkeit. Ob es Sinn ergibt, ein Gebäude über 60, 70 oder 80 Jahre mit Instandhaltungs‑, Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen am Leben zu halten, ist zweifelsfrei zu diskutieren. Sollte deshalb eine deutlich kürzere Nutzungsdauer von 20 bis 30 Jahren in Betracht gezogen werden? Nur wenige Gebäude entsprechen nach 20 Jahren noch dem dann vorherrschenden Zeitgeist; die technische und bauphysikalische Ausstattung ist schon lange nicht mehr up to date und den Vorgaben entsprechend. Modulgebäude lassen sich leicht zurückbauen und wieder in das Herstellerwerk transportieren, während parallel hierzu, ein neues, allen architektonischen, technischen und bauphysikalischen Anforderungen erfüllendes Gebäude produziert und zeitnah auf dem Grundstück errichtet werden könnte. Während der Errichtung des neuen Gebäudes könnte das Zurückgebaute im Werk rezykliert werden. Neue Abschreibungsmodelle mit wesentlich kürzeren und wirtschaftlich interessanten Abschreibungszeiten würden Investoren einen Anreiz bieten, den vielseits geforderten kostengünstigen Wohnraum zu realisieren.
BIM ist in zahlreichen Ländern wie Norwegen, den Niederlanden, aber auch in den USA, Südkorea oder Australien als Standard für die Projektabwicklung etabliert. Auftraggeber fordern hier BIM-basierte Mehrwerte und BIM-Modelle als Abgabeleistung. In Deutschland gab es mit dem BIM-Stufenplan des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) 2015 einen wichtigen Ruck und den Auftakt der BIM-Einführung. Zu den Vorreitern zählen in Deutschland die Deutsche Bahn und DEGES, die die ersten BIM-Projekte des Bundes aufgenommen haben und nun durchführen. Mittlerweile führen viele öffentliche Verwaltungen BIM ein. Städte wie Hamburg besitzen eigene Arbeitsgruppen und Maßnahmen zur Einführung. In NRW gehört BIM zum Koalitionsvertrag. Dieses Jahr werden durch das „Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen“ wichtige Leitfäden und Hilfen für Kommunen veröffentlicht. Auch der private Sektor bewegt sich in Richtung BIM. Dazu gehört vor allem der Industriebau. Doch eine flächendeckende Einführung kann in Deutschland derzeit nicht festgestellt werden. Hintergrund ist, dass beispielsweise eine klare Strategie des Bundes nicht wahrzunehmen ist. Viele Maßnahmen verpuffen. Aber auch Unternehmen tun sich mit der BIM-Einführung schwer. BIM wird in Deutschland verstärkt als projektbezogene Technologie und weniger als Teil der Digitalisierung verstanden. Erste Unterstützung kommt u. a. vonseiten der Normung.
Auf internationaler Ebene existieren bereits einige Normen. Sie sind veröffentlicht oder befinden sich in der Entwicklung und Abstimmung. Besonders wichtig ist die ISO DIN EN 19650 [1]. Der Grund für ihre hohe Bedeutung ist, dass europaweit Europäische Normen durch die Mitgliedstaaten des Europäischen Komitees für Normung (CEN) in nationale Normen zu übernehmen sind. In Deutschland entsteht durch den VDI (Verein Deutscher Ingenieure) die Richtlinienreihe 2552 „Building Information Modeling“. Dabei handelt es sich um einen Richtliniensatz mit mehreren Blättern. Auch hier ist ein großer Teil bereits publiziert. Ein weiterer Teil ist noch im Aufbau [2]. An dieser Stelle sollen die wichtigsten Blätter explizit erwähnt werden: Blatt 4 „Building Information Modeling – Anforderungen an den Datenaustausch“ fokussiert sich auf den Datenaustausch mittels standardisierter Schnittstellen und beschreibt entsprechende Verfahren beim Aufbau von BIM-Modellen. Blatt 9 „Klassifikationssysteme“ erläutert für alle an Planung, Bau, Betrieb und Rückbau beteiligten Parteien den Aufbau und die Anwendung von Klassifikationssystemen für digitale Bauwerksinformationsmodelle. Blatt 11 Informationsaustauschanforderungen“ adaptiert und entwickelt auf Grundlage existierender BIM-Datenaustauschstandards praktikable Methoden zur Definition von Austauschanforderungen, die auch softwaretechnisch umsetzbar sind.
Handlungsvorschlag zur BIM-Einführung
Wie kann nun die BIM-Einführung in der Praxis explizit vonstatten gehen? In der Praxis werden Softwareanwendungen und Schnittstellen gewöhnlich relativ zügig erlernt. Die Einführung der BIM-Methode mit all ihren Facetten im gesamten Unternehmen ist jedoch etwas umfangreicher. Dazu zählen die Zieldefinition für BIM und Budgetbereitstellung durch das Management, die Einbindung des Marketings, der IT, der Personalabteilung für den Aufbau entsprechender Verantwortlichkeiten im Unternehmen sowie weitere Maßnahmen. Am Ende ist ein umfassender Einführungsprozess notwendig, um BIM im Unternehmen zu etablieren. Ideal aufgenommen, beginnt er bei allen Unternehmen in kleinen Schritten und mit einem Konzept zur BIM-Einführung. Ein idealtypischer Einführungsprozess zu Beginn wird in der Grafik oben rechts dargestellt.
Dabei ist zunächst die Entscheidung durch das Management zu treffen, ob und wann BIM eingeführt werden soll. Ist eine Entscheidung pro BIM getroffen, ist zunächst ein BIM-Einführungsplan zu erstellen. Dieses Konzept legt den eigenen Fokus für die BIM-Anwendung, die Schritte der Einführung und weitere wichtige Parameter fest. Dazu gehören auch Verantwortlichkeiten, aber ebenso erste Projektdokumente (z. B. Pflichten- und Lastenhefte für BIM). Die Tabelle auf Seite 55 zeigt den beispielhaften Aufbau eines solchen Konzepts. Im Nachgang beginnen die Vorbereitung und die Anwendung im ersten Pilotprojekt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich das modulare Bauen zunehmend durchsetzt. Es bietet bei einer Vielzahl von Gebäudetypen wichtige Vorteile, ist zeitgemäß und vielfältig einsetzbar, offeriert Antworten auf eine Reihe heutiger Herausforderungen. BIM schafft dazu ergänzend zahlreiche weitere Möglichkeiten. Betreffend BIM befindet sich die gesamte Branche und auch der Modulbau jedoch noch in einem langen Einführungsprozess. Alle Beteiligten stehen zahlreichen Herausforderungen gegenüber. Die ersten Schritte sind einzuleiten und Strukturen aufzubauen.
Beispielinhalte BIM-Einführungsplan
Vision
- Individuelle BIM-Definition und Kernbotschaft
- BIM-Erklärung
Festlegungen zur Einführung
- BIM-Ziele, Anwendungsfälle und Mehrwerte
- Handlungsfelder/Priorisierung Einführungsplan
- Stufen und Aufgaben der Einführung in Meilensteinen
- BIM-Verantwortlichkeiten, Aufgaben und Rollen
- Kommunikation
- Kostenplanung der Einführung
- Einbindung Funktionen (IT, Marketing, … )
- BIM-Musterdokumente Projektanwendung
BIM-Ziele festlegen
Häufig beginnen die Beteiligten direkt mit einem Projekt, was nur in Sonderfällen zu empfehlen ist und gelingt. Hintergrund ist, dass die Ziele für BIM noch nicht geklärt sind. Auch sind entsprechende Vorkehrungen wie Verantwortlichkeiten oder die Einbindung der IT zu treffen, um aus dem Projekt mehr als nur ein „Experiment“ zu machen. Vielmehr können dann erste Erfahrungen bestätigt werden und als Muster für weitere Schritte dienen. Wie zuvor bemerkt, sind die Hindernisse für eine BIM-Implementierung in der Praxis weniger BIM-bezogen, als eher der Unwissenheit geschuldet. So gehört auch eine überhöhte Erwartungshaltung bei geringer Erfahrung dazu. Vor allem bei größeren Unternehmen führt das in der Regel zu Schwierigkeiten. Häufig ist der Einführungsprozess neu aufzusetzen. Aber auch für Unternehmen, die bereits die ersten Schritte durchlaufen haben, ist ein „Restart“ immer wieder zu empfehlen. Fast immer schleichen sich mit der Zeit unmerklich interne Zwänge und Fehler ein, die die Effizienz bremsen oder das Projekt auch zum Erliegen bringen, da BIM nur mit großem Aufwand umgesetzt werden kann. Für Beginner empfiehlt sich im ersten Schritt sicherlich ein Meeting oder Workshop in Begleitung mit einem BIM-Berater. Hier werden die beiden ersten, zentralen Fragen adressiert:
- Wollen wir BIM einführen?
- Wenn ja, wie sind der Beginn und Einführungsprozess grundsätzlich zu gestalten?
Berater verfügen häufig über bereits vorbereitete Vorlagen für die Entscheidungsfindung. Die Erfahrung aus anderen Projekten kann hier genutzt werden.
Literatur und Links
[1] DIN EN ISO 19650-1:2019-08 Organisation und Digitalisierung von Informationen zu Bauwerken und Ingenieurleistungen, einschließlich Bauwerksinformationsmodellierung (BIM) – Informationsmanagement mit BIM – Teil 1: Begriffe und Grundsätze
[2] www.vdi.de/richtlinien/unsere-richtlinienhighlights/vdi-2552
Die Autoren
Dipl.-Wirtsch.-Ing. Günter Jösch
Günter Jösch ist Gremiumsmitglied mehrerer VDI Richtlinienprojekte zu den Themen des vorgefertigten, modularen und wirtschaftlichen Bauens sowie Beirat der VDI-Gesellschaft Bauen und Gebäudetechnik.
Dipl.-Ing. MAS CAAD (ETH) Jakob Przyblyo
Jakob Przybylo ist strategischer BIM-Berater und unterstützt Unternehmen vorrangig bei der ganzheitliche Gestaltung von BIM im Unternehmen, der Anpassung alter und Entwicklung neuer Geschäftsprozesse.