Aufstockung in Holzbauweise: Neues Wohnraumpotenzial

Aufstockung in Holzbauweise: Neues Wohnraumpotenzial

Realisierte Objekte

Aufstockung in Holzbauweise: Neues Wohnraumpotenzial

Text: Eva Mittner | Foto (Header): © Holzbau Wörndl

In Altstadtgebieten gibt es seit Jahren Aufschwung und mehr Mieter auf weniger verfügbarem Wohnraum. Bestandsgebäude müssen energetisch saniert und ertüchtigt werden. Bestens dafür geeignet ist der flexible Baustoff Holz. Im Rosenheimer Ortsteil Fürstätt wurden mehrere vierstöckige Bauten mit Holz-Elementen um ein fünftes Geschoss erhöht. Geplant wurde das Bauvorhaben vom Architekturbüro QuestArchitekten.

Auszug aus:

Verantwortlich für die anspruchsvolle Holzbau-Aufstockung ist die ZimmerMeisterHaus-Manufaktur Wörndl aus Eggstätt. Die Experten haben viel Erfahrung in der Aufstockung von Bestandsbauten in Holzbauweise. Dennoch waren die energetische Sanierung und Aufstockung dreier Wohngebäude in der Finsterwalder Straße 15 – 31 in Rosenheim keine kleine Aufgabe. Die Häuser blieben während der Bauarbeiten bewohnt.

Die vierstöckigen Gebäudeblöcke stammen aus den 1960er-Jahren und liegen auf einem Grundstück mit einer Fläche von 2.700 m² aus dem Bestand der WIB Wohnimmobilien GmbH & Co. KG mit Sitz in Bamberg.

Bestandsbauten

Pro Block, der jeweils aus drei Häusern besteht, befanden sich auf jeder Etage sechs Wohnungen – zwei Wohnungen pro Haus. Alle Wohnhäuser waren jeweils unterkellert, in den Kellergeschossen befanden sich die Abstell- und Technikräume. Die zentrale Heizungsanlage für die drei Blöcke befand sich im Block A. Alle drei Häuser wiesen ein nichtausgebautes Dachgeschoss mit einem Satteldach auf. Jedes Haus wurde mittels eines eigenen Treppenhauses erschlossen, das vom Keller bis in das Dachgeschoss reicht. Energetisch waren diese Gebäude auf dem Stand der 1960er-Jahre.

Der Bauherr beabsichtigte die energetische Sanierung der nicht mehr zeitgemäß gedämmten Bestandsgebäude, insbesondere in den Bereichen Fassade, Fenster und Dach. Besonders wichtig war es den Verantwortlichen zudem, eine erhebliche Aufwertung der Wohnqualität und Wohnungsgrößen zu erreichen. Das Ergebnis punktet mit vielen sinnvollen  Verbesserungen: Beispielsweise hat man die bestehenden auskragenden Balkon-Betonböden entfernt und erheblich größere vorgesetzte Balkone aus Metall montiert. Drei Aufzüge wurden angebaut und weitere drei neue Wohngebäude errichtet. Die Freiflächen wurden wesentlich attraktiver gestaltet.

Foto: Holzbau Wörndl

Spannender Aufbau – in Rosenheim konnte man während der Bauphase die „fliegenden“ Bauelemente beobachten.
Foto: Holzbau Wörndl

Vorfertigung

Der Hauptteil der Zusammenbauten einschließlich der Dachfenster erfolgte in der Produktionshalle. Dies benötigte eine präzise Planung, exakte Vorproduktion und schließlich eine geraume Anzahl bestens ausgebildeter Holzfachexperten, die ein Stockwerk präzise, qualitätsbewusst, schnell und sicher aufbauen können. „Wir haben bei diesem Bauvorhaben bewusst längere Produktionszeiten in der Halle geplant, um die Bauzeiten vor Ort auf ein Minimum zu begrenzen“, berichtet Zimmermeister und Gutachter Franz Wörndl.

Die thermisch nicht getrennten betonierten Balkonkragplatten wurden entfernt und durch neue Balkone ersetzt, die mittels Stahlstützen-Konstruktion vor die Fassade gestellt sind. Innerhalb der bestehenden Wohnungen erfolgten keine Baumaßnahmen. Die Wohnungseingangstüren im Block A wurden jedoch alle erneuert und entsprechen nun den neuesten Sicherheitsstandards.

Die thermisch nicht getrennten betonierten Balkonkragplatten wurden entfernt und durch neue Balkone ersetzt, die mittels Stahlstützen-Konstruktion vor die Fassade gestellt sind.
Foto: Holzbau Wörndl

Schnitt C – C Block A
Abbildung: QUESTARCHITEKTEN

Aufstockung

Besonders spannend gestalteten sich jeweils die Tage der Aufstockung. Bevor die produzierten Bauelemente überhaupt verarbeitet werden konnten, musste zunächst das bestehende Dach entfernt werden. Damit auch dieses Vorhaben in zügiger Weise erfolgen konnte, hob man das Bestandsdach in Elementen herunter – Stück für Stück kamen die zerteilten Dachteile in großen Elementen per Kran über die Frontfassade nach unten.

„Trotz des hohen Vorfertigungsgrades war für die Arbeiten trockenes Wetter notwendig. Das kann man leider nicht vorbestellen“, erläutert Franz Wörndl. „Wir mussten uns Verschiedenes einfallen lassen, um das Gebäude vor eindringender Feuchtigkeit zu schützen. Schließlich haben wir nach der Abnahme des alten Daches auf die offene Betondecke eine Teichfolie aufgebracht. Eine recht ungewöhnliche, aber praktikable Lösung, wenn es während der Aufbauzeit plötzlich regnet.“

Alle Abläufe gestalteten sich anders als bei herkömmlichen Bauvorhaben, da man die Mieter und Eigentümer stets über die einzelnen Schritte informiert hat, um die Abläufe für die Bewohner erträglich zu gestalten und um störungsfrei arbeiten zu können. „Kommunikation ist alles“, sagt Franz Wörndl. „Deshalb haben wir während der Aufstockungsphase immer offen mit den Bewohnern kommuniziert und berichtet, was wir machen und wie lange es dauert.“

Grundriss Dachgeschoss (4. OG)
Abbildung: QUESTARCHITEKTEN

Pro Block wurde jeweils im mittleren Haus ein Aufzug angebaut.
Foto: Holzbau Wörndl

Neue Dachform

Die ungedämmten Dachstühle und die sanierungsbedürftige Dacheindeckung musste man gänzlich erneuern. Im Zuge dessen hat man auch die gesamte Dachform geändert und in den Dachgeschossen die zusätzlichen Wohnungen geschaffen. Neu hinzu kamen je drei Wohnungen pro Block, insgesamt neun Wohneinheiten.

Die neuen Dachaufbauten mit der neuen Dachform zeigen sich in neuer optischer Ausrichtung und verweisen auf die Entstehungszeit der Bauten. Bei der umfassenden Bewertung des Gebäudebestands und der bestehenden Dächer ergaben sich nach heutigem Baurecht – genauer nach aktuellem Art. 6 BayBO – bei den Abstandsflächen der Gebäude problematische Abstandsflächenüberschreitungen.

Durch den Rückbau der Dachstühle sowie des Kniestocks und durch die Neuerrichtung der Dachkonstruktionen in der in den Planungen vorgeschlagenen Form konnte man diese Überschreitungen der Abstandsflächen erheblich reduzieren. Die neue Dachform ist ein Pfettendach mit 45 Grad steilen Traufseiten, deren Spitze durch ein abgeflachtes Schrägdach ersetzt wurde. Durch die freie Dachform ergeben sich Vorteile bei der Bewertung der Abstandsflächen und hinsichtlich der größeren Raumhöhen im Traufbereich.

Leistungsfähiger Decken- und Wandaufbau

Als Decken- bzw. Bodenaufbau wurden in den aufgestockten Geschossen 14 mm starke Lärchendielen verlegt. Diese sind mit einem natürlich biologischen Kleber auf dem 6 cm hohen Betonestrich befestigt. Darunter befindet sich eine 3 cm starke Mineralfasertrittschalldämmung.

Auch die Wände wurden in bewährter Holzrahmenbaukonstruktion errichtet. Der Wandaufbau beginnt von außen nach innen mit einer hinterlüfteten Fassadenverkleidung, anschließend hat man eine Holzwerkstoffplatte aufgebracht, ergänzt durch ein 280 mm starkes Riegelwerk. Dazwischen wurde die Mineralfaserdämmung (Flammpunkt 1.000 °C) verlegt, auf der Innenseite schließt die Wand ebenfalls mit einer Holzwerkstoffplatte ab. Darauf kam noch die Installationsebene mit Lattung und eine Gipskartonplatte als innere sichtbare Verkleidung.

Schnitt B-B Bestand Block B
Abbildung: QUESTARCHITEKTEN

Der neu geschaffene Wohnraum bietet viel Licht und Raum.
Foto: WIB

Niedrigenergiehaus-Standard erreicht

Block A befindet sich noch immer im Bestand der Bauherren WIB aus Bamberg. Der in diesem Block nun erreichte Niedrigenergiehaus-Standard wurde durch besonders gute Materialwahl realisiert. „Wir haben hier viel Wert auf eine besonders starke Dämmung der Wände und Fenster gelegt“, sagt Klaus Wenske, Prokurist der WIB Wohn-Immobilien Bayern Grundbesitzgesellschaft mbH & Co. KG.

Alle Fassaden erhielten eine außenseitig aufgebrachte Wärmedämmung aus Polyurethanschaum 16 cm. Die Blöcke sind fernwärmeversorgt und wurden mittels zusätzlicher Wärmedämmung der Fassaden und Austausch der Fenster energetisch ertüchtigt.

Werterhalt und Vorteile für die Bewohner

Um eine barrierefreie und zudem auch die gewünschte seniorengerechte Erschließung realisieren zu können, wurde pro Block jeweils im mittleren Haus ein Aufzug angebaut, um zwei Dachwohnungen zu erschließen. Die dritte Dachgeschosswohnung wird zukünftig über den Kopfbau mit dem Aufzug erreichbar sein. Insgesamt erhielten nun 24 Bestandsmieter einen Lift.

Um die Wohnqualität auf Dauer zu erhöhen und laufende Betriebskosten nachhaltig zu senken, prüft die Gesellschaft WIB Wohnimmobilien Bayern bei Wohnanlagen des eigenen Bestands regelmäßig den energetischen Modernisierungsbedarf und setzt Renovierungsmaßnahmen möglichst schnell und mieterfreundlich um. „Wir wollen immer einen möglichst niedrigen Energiestandard erreichen, damit wir die Zuschüsse der KfW-Förderung erhalten können. Diese mindern erheblich die umlegbaren Modernisierungskosten – was sich positiv auf die Miethöhe auswirkt“, berichtet Klaus Wenske. „Eine nächste energetische Modernisierung in Rosenheim ist geplant, zwei weitere in Coburg. Wir wollen durch den Holzbau ein besonderes Raumgefühl für unsere Mieter schaffen. Gleichzeitig sind uns natürlich wirtschaftliche Aspekte wichtig – aber auch, ein Zeichen zu setzen, dass wir mit modernen und natürlichen Materialien bauen und umbauen.

Die intelligente Neustrukturierung der Gebäude in der Innenstadt Rosenheims zeigt, dass es sich gelohnt hat. Das Gebäude-Ensemble hat den Schritt in gesundes und zukunftsorientiertes Bauen und Wohnen geschafft.

Projektdetails


Projektbeschreibung
Energetische Sanierung zum Niedrigenergiehaus-Standard und Aufstockung von drei bestehenden Wohngebäuden
Einbau von Dachfenstern
Anbau von 3 Aufzügen
Architekten
Quest Architekten GbR, Innaustraße 11, Rosenheim
www.questarchitekten.de
Ausführungsplanung
Plan & Vision Sonnenhaus GmbH, Schwabachstraße 3 a, Neunkirchen am Brand
www.plan-vision.de
Bauherr
WIB Wohnimmobilien Bayern Grundbesitzgesellschaft mbH & Co. KG, Bamberg
www.wib-wohn-immobilien.de
Holzbau
ZimmerMeisterHaus-Manufaktur Holzbau Wörndl, Eggstätt
www.holzbau-woerndl.de
www.zmh.com

Zum Schutz des Dachs bei schlechter Witterung wurde ein Notdach (Gewebefolie) aufgebracht.
Foto: Holzbau Wörndl

Holzbau Wörndl
Wörndl Holzbau wurde 1990 in Eggstätt von Franz Wörndl gegründet und überzeugt seither ununterbrochen mit anspruchsvollen Zimmerer-Leistungen. Die Stärke des Unternehmens ist Qualität im Holzbau bis ins kleinste Detail. Aus einem anfangs Drei-Mann-Betrieb hat Franz Wörndl die Firma zu einem modernen Unternehmen mit derzeit 28 Mitarbeitern entwickelt. Zentraler Erfolgsfaktor des familiengeführten Betriebs ist Holzbau-Technik auf dem neuesten Stand – kombiniert mit herausragendem Service und überzeugenden Handwerksleistungen.

Das Unternehmen baut nachhaltige Ein- und Mehrfamilienhäuser, An- und Aufbauten, mehrgeschossige Gebäude und Gewerbebauten. Hinzu kommen Modernisierungs- und Sanierungsprojekte für private oder gewerbliche Auftraggeber.

Wörndl Holzbau ist ein Vorreiter in der Region und überzeugt von der Planung bis zur Fertigstellung und schließlich mit schlüsselfertiger Ausführung. Bei der Zertifizierung der Bau-Innung wurde das Unternehmen bereits mehrfach für besondere Leistungen in den Bereichen Fortbildung und Kundenzufriedenheit mit den höchstmöglichen 5 Sternen ausgezeichnet.

WIB Wohn-Immobilien Bayern
Die WIB Wohn-Immobilien Bayern mit Sitz in Bamberg wurde 2009 als GmbH & Co. KG durch den Gesellschafter-Geschäftsführer Matthias Wenske gegründet. Prokurist und Justitiar ist Klaus Wenske. Nach dem Ankauf der ersten Wohnimmobile im Jahr 2010 konnte der Bestand an Immobilien kontinuierlich ausgebaut werden.

Gemeinsam mit den Partnerunternehmen gp-Grund Projekt GmbH, hgi HAUS-GRUND Immobilien-Service GmbH und BGW Bayerische Gesellschaft für Wohneigentum will das Unternehmen weiter expandieren und erhaltenswerten Wohnraum sichern.

QuestArchitekten
Das von drei Inhabern geführte Team der Büros QuestArchitekten hat es sich zur Aufgaben gemacht, Räume zu schaffen, in welchen Menschen sich wohlfühlen, weil diese ihren persönlichen Bedürfnissen und ästhetischen Ansprüchen gerecht werden.

Gegründet wurde das Architekturbüro 2003. 2011 firmierte das Büro zu einer GbR mit zwischenzeitlich drei Gesellschaftern um: Thomas Gerhager, Martina Leibold und Katja Neumann. Das Büro belegt mit seinen Architekten, Innenarchitekten und Bauingenieuren mittlerweile ein komplettes saniertes Bauernhaus, welches idyllisch in Stephanskirchen in der Hofau am Stadtrand von Rosenheim liegt.

Die individuellen Schwerpunkte und Kenntnisse des Architekturbüros zielen auf ein breites Leistungsspektrum in den Bereichen Architektur, Innenarchitektur und Brandschutzplanung. Das Team, welches ausschließlich aus erfahrenen Architekten, Innenarchitekten und Bauingenieuren besteht, zeichnet sich aus durch jahrzehntelange Erfahrung in Entwurf, Planung bis Bauleitung. Dabei stehen Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit immer im Fokus.

Die Autorin


Eva Mittner
Freie Journalistin
Eva Mittner ist Autorin und lebt im Raum München. Nach Festanstellungen als Redakteurin und Pressesprecherin schreibt sie freiberuflich für verschiedene Architekturmedien. Sie hat sich zudem auf Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für Architekten und Ingenieure spezialisiert.

Eva.Mittner@gmx.de
www.architektur-journalismus.com

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