Gemischt genutztes Quartier mit Werkswohnungen in München: Quartier M

Gemischt genutztes Quartier mit Werkswohnungen in München: Quartier M

Realisierte Objekte

Gemischt genutztes Quartier mit Werkswohnungen in München: Quartier M

Text: Christoph Mörkl | Foto (Header): © SUPERBLOCK

Im Münchner Stadtteil Moosach haben die Stadtwerke München im „Quartier M“ 120 Wohnungen für ihre Angestellten errichtet. Die weitere städtebauliche Entwicklung des Areals soll im Endausbau ca. 600 Wohnungen, zwei Kindertagesstätten und eine Grundschulem umfassen und ein neuer Lebensraum für ca. 1.350 Menschen sein.

Auszug aus:

Der Stadtteil Moosach, im Nordwesten von München gelegen, ist ein Gebiet mit einer für die europäische Stadt typischen Entwicklung. Über die Jahrhunderte entwickelte sich die ursprüngliche Landgemeinde, die 1913 in München eingegliedert wurde, von einem agrarisch geprägten Dorf zu einem städtischen Wohngebiet. Den größten Entwicklungsschritt in diesem Prozess leistete die Industrialisierung. So wurde in Moosach 1906 ein Gaswerk erbaut, das bis 1975 in Betrieb war. Eine verstärkte Siedlungsentwicklung setzte nach dem Zweiten Weltkrieg ein.

Von vor dem Krieg ist nur ein größeres Wohngebäude erwähnenswert. Die Borstei, entstanden in den Jahren 1924 bis 1930, ist ein Wohnquartier, das vom Bauunternehmer Bernhard Borst errichtet wurde. Das aus mehreren Höfen gebildete Gesamtensemble sollte nach seinen Worten „das Schöne des Einfamilienhauses mit dem Praktischen der Etagenwohnung“ verbinden.

Die Sommerolympiade 1972 brachte einen weiteren Entwicklungsschub. Größere Wohnbauten wurden errichtet, und das damals größte Shoppingcen­er der Welt, das Olympiaeinkaufszentrum, entstand an der Hanauer Straße. Die Erweiterung der Münchner U-Bahn, die großflächige Umstrukturierung der Gewerbeflächen und die fortlaufende Nachverdichtung verändern das Viertel weiterhin

Ehemaliges Gaswerksgelände

Moosach ist heute durch Wohnbauten unterschiedlichen Maßstabs geprägt, den Neubauten rund um den Bahnhof Moosach und den großflächigen Entwicklungen der Stadtwerke München (SWM) am Gelände des ehemaligen Gaswerks. Im Gesamten ergibt sich das Bild eines außerhalb des Stadtzentrums gelegenen Viertels, das durch eine heterogene Bebauungsstruktur, ein geringes kulturelles Angebot und großmaßstäbliche Einkaufsmöglichkeiten definiert wird.

Das Areal des ehemaligen Gaswerks Moosach, das heute durch die SWM genutzt wird, erstreckte sich zwischen Hanauer Straße, Georg-Brauchle-Ring und der Borstei. 1992 erfolgte der Abriss der bisherigen Anlagen. Mit dem Bau der neuen SWM-Zentrale und dem sog. M-Campus entwickelte sich das Areal an der Dachauer Straße in den vergangenen Jahren zu einem attraktiven, neuen Technologie- und Verwaltungsstandort.

Als vorerst letzter Teil dieser Entwicklung wurden 2014 zwei Wettbewerbe ausgelobt, die das Gebiet an der Hanauer Straße zwischen Georg-Brauch­le-Ring und Dachauer Straße zum Inhalt hatten. Der erste Wettbewerb suchte planerische Lösungen für den Busbetriebshof der Stadtwerke, der Abstell-, Werkstatt- und Betriebshallen für 200 Fahrzeuge beinhaltete sowie ein sechsstöckiges Bürogebäude vorsah (Hybrid M). Gefordert war außerdem die Gestaltung einer südlich an den Busbetriebshof angrenzenden Grünfläche, welche eine wichtige Vernetzungsfunktion im Gesamtquartier hat. Diesen Wettbewerb gewann JSWD gemeinsam mit dem Büro LAND Germany als Planer für die Freianlagen. Die seitens JSWD vorgeschlagene Mantelbebauung bildet eine klare, räumliche Kante zu den beiden Hauptverkehrsachsen Georg-Brauchle-Ring und Ha­nau­er Straße hin. Der dadurch entstehende Winkelbau umschließt in seinem Inneren die Busgarage und dient zudem als Schallschutz für die weitere Entwicklung des südlich anschließenden Grundstücks.

1 | Im Schnitt sind die angrenzenden Busabstellflächen erkennbar.
ABBILDUNG: SUPERBLOCK

2 | Grundriss 1. OG
ABBILDUNG: SUPERBLOCK

Quartier M

Diese weitere städtebauliche Entwicklung soll im Endausbau ca. 600 Wohnungen, zwei Kindertagesstätten und eine Grundschule umfassen und ein neuer Lebensraum für ca. 1.350 Menschen sein. Das zugehörige Wettbewerbsprojekt wurde ebenfalls 2014 seitens der SWM in einem kombinierten Wettbewerbsverfahren ausgelobt. Das Verfahren bestand aus einem städtebaulichen und landschaftsplanerischen Ideenteil sowie einen ca. 120 Wohnungen umfassenden Realisierungsteil.

Den Realisierungsteil konnte unser Büro für sich entscheiden, während der städtebauliche Ideenteil vom Büro Meili, Peter & Partner gewonnen wurde. Die im Ideenteil projektierten Wohnungen sind Teil des Werkswohnungsprogramms der SWM. Dieses sieht vor, durch die Vermietung von leistbarem Wohnraum an Mitarbeiter der Stadtwerke München zusätzliche Anreize zu schaffen, um so das Unternehmen als Arbeitgeber noch attraktiver zu machen.

Unser Projektteam, bestehend aus SUPERBLOCK Architekten und YEWO landscapes, versuchte, mit seinen Erfahrungen aus dem geförderten Wohnbau in Wien die komplexen Bedingungen des Ortes auf ebenso komplexe Art zu lösen.

Städtebaulich vervollständigt unser Konzept den nach Süden offenen Winkelbau des Busbetriebshofs Hybrid M und schließt ihn seiner Großmaßstäblichkeit entsprechend mit einem achtgeschossigen Riegelbau nach Süden ab. So entsteht ein nach Osten offener Hof, der gleichzeitig zur Hälfte die Abstellhalle der Busgarage umschließt und dadurch zu einem großen Ganzen wird – dem Quartier M.

Betrachtet man heute das Luftbild des noch nicht fertiggestellten Gesamtareals, so wird der Entwurfsgedanke sofort augenscheinlich. Der Wohnbau Hanauer Straße bildet sowohl den Auftakt für das südlich gelegene Wohnquartier als auch den Abschluss der Gewerbe- und Betriebshofflächen im Norden. Das bauliche Erscheinungsbild des Nord-Süd orientierten Riegels an der Brandwand zum Busbetriebshof ist durch die Auffächerung des Baukörpers in einen vorgeschobenen, dreigeschossigen Sockel und einen darübergesetzten fünfgeschossigen Laubengangriegel geprägt. Die damit erreichte Höhenstrukturierung stellt auch den Maßstab zu der im Süden an der Hanauer Straße gelegenen Lehr­kolonie her.

Diese Doppelhäuser wurden 1919, direkt neben dem städtischen Gaswerk durch die Bayrische Landessiedlung, die Lehrkolonie Moosach, erbaut: Die Häuser als Einfamilien-Kleinhausbauten im Landhausstil dienten als Versuchsbauten zur Erprobung von Ersatzbaustoffen. Die Bauten stehen heute unter Denkmalschutz, und die sensible, maßstäbliche Reaktion auf den Bestand ist ein weiterer Schwerpunkt unserer Entwurfsstrategie.

3 | Der nordseitige Laubengang dient zur Erschließung
FOTO: SUPERBLOCK

Wohngebäude und Garage

Der breite Sockel des Neubaus enthält im direkten Anschluss an den Betriebshof eine oberirdische, in das Volumen des Sockels integrierte, zweigeschossige Garage. So war es möglich, trotz der hohen Grundwassersituation am Standort kostengünstige und zudem teilweise belichtbare Autoabstellfläche zu errichten.

Das äußere Erscheinungsbild des Wohnhauses ist durch die Weiterführung der Höhengliederung, der Materialität und der Farbfamilie des Hybrid M in Form einer durchgehenden Loggienzone geprägt. Diese bietet allen Wohnungen einen privaten Freiraum und ermöglicht die Verwendung der gleichen Materialien, wobei der Werkswohnungsbau mit strengeren ökonomischen Rahmenbedingungen das Auslangen finden musste. So sind z. B. die Aluminiumteile nicht eloxiert, sondern lediglich pulverbeschichtet ausgeführt.

Die mäandrierenden Loggien erhalten als Sonnen-, Sicht-, Wind- und Schallschutz bewegliche Schiebeläden aus Lochblech. Dadurch entsteht ein bewegtes Fassadenbild, das zum einen die Plastizität der Glasfassade des Busbetriebshofs aufnimmt und zum anderen als identitätsstiftendes Element des Gebäudes fungiert. In den schallbelasteten Bereichen wurde die Schiebeläden-Fassade um einen zusätzlichen Layer, der aus faltbaren Glaspaneelen besteht, ergänzt.

Die Erschließung des Gebäudes erfolgt über eine zweigeschossige Eingangshalle. Die auf dem Sockel gelagerten oberen Geschosse sind durch einen auß enliegenden Laubengang zugänglich, der sich zwischen den drei natürlich belichteten Treppenhäusern aufspannt.

4 | Die zweigeschossige Eingangshalle ist freundlich gestaltet.
FOTO: SUPERBLOCK

5 | Blick über den Dachgarten des dreigeschossigen Sockelbaukörpers
FOTO: SUPERBLOCK

Nutzungsmischung

Die Wohnungen sind den unterschiedlichen Wohnbedürfnissen der zukünftigen Mieter/-innen entsprechend vielfältig geplant. Dadurch entstehen drei Typologien: Laubengang-Wohnungen, Ost-West-Flügel-Wohnungen und Sockel-Wohnungen. Damit wird ein breites Spektrum an Wohnungen von großzügig geschnitten bis kompakt, von Klein- bis Familienwohnungen abgedeckt. Die Sockelwohnungen etwa sind als Maisonette-Typen konzipiert, wodurch die Bewohner reihenhausähnliche Wohnsituationen vorfinden.

Sowohl im Erdgeschoss, als auch im 1. Obergeschoss sind gut sichtbare Gewerbe- und Büroflächen situiert. Im 2. Obergeschoss stehen 20 natürlich belichtete und belüftete Atelierflächen für flexible Nutzung zur Verfügung. Das dadurch geschaffene Zusatzangebot soll dabei helfen, das Gebäude als wichtigen Stadtbaustein im neuen Quartier zu verankern.

Die mäandrierenden Loggien erhalten als Sonnen-, Sicht-, Wind- und Schallschutz bewegliche Schiebeläden aus Lochblech. Dadurch entsteht ein bewegtes Fassadenbild, das zum einen die Plastizität der Glasfassade des Busbetriebshofs aufnimmt und zum anderen als identitätsstiftendes Element des Gebäudes fungiert. In den schallbelasteten Bereichen wurde die Schiebeläden-Fassade um einen zusätzlichen Layer, der aus faltbaren Glaspaneelen besteht, ergänzt.

Die Erschließung des Gebäudes erfolgt über eine zweigeschossige Eingangshalle. Die auf dem Sockel gelagerten oberen Geschosse sind durch einen auß enliegenden Laubengang zugänglich, der sich zwischen den drei natürlich belichteten Treppenhäusern aufspannt.

Landschaftsplanerisches Konzept

Neben den wohnungsvorgelagerten, privaten Außenflächen befindet sich im 3. Obergeschoss – am Sockel des niedrigen Gebäudeteils – ein weitläufiger Freiraum, der als gemeinschaftliche Grünfläche ein zusätzliches Angebot und dadurch eine zusätzliche Qualität mit sich bringt.

Das Verweben der umgebenden Grünräume und der städtischen Bebauung ist das übergeordnete Motiv des landschaftsplanerischen Konzepts. Die Bebauungsstruktur ermöglicht diese Durchlässigkeit und mit einer zurückhaltenden Einfachheit die Inszenierung des öffentlichen Raumes. Der Grünraum verändert sich in Richtung Hanauer Straße von Wiesen- über Staudenflächen hin zu Feldern mit wassergebundener Wegedecke und Baumreihen. Der „Grüneffekt“ entwickelt sich somit vom bodennahen zum dachartigen Element. In Gegenrichtung entwickeln sich befestigte Möglichkeitsfelder in Richtung Wiese und verschränken somit beide Elemente: die gebaute der Stadt und die naturnahen Freiräume.

Das Freiraumkonzept von YEWO landscapes unterstützt fast selbstverständlich den konzeptionellen Ansatz des Gebäudes. Die geplanten Wege vernetzen und spannen ein dreidimensionales Netz in und um den Baukörper, das an Kreuzungspunkten alltägliche Begegnungen ermöglicht und zudem Räume und Orte des Verweilens und Zusammentreffens anbietet. Auf die räumliche Trennung zwischen öffentlichen-halböffentlichen und privaten Räumen wird durch Bepflanzung und Wegeführung Rücksicht genommen. Vor allem am Dachgarten des dreigeschossigen Sockelbaukörpers wird dies durch die qualitativ hochwertig gestalteten Freiraumpufferzonen deutlich.

Leistbar und zeitgemäß

Die Leistbarkeit der Wohnungen steht trotz der hohen architektonischen Qualität immer im Vordergrund. Das Projekt stellt dadurch ein wesentliches Angebot im angespannten Münchner Wohnungsmarkt dar.

Das Thema Werkswohnungsbau ist als wesentlicher Beitrag der SWM zu einer modernen Arbeitskultur zu sehen, der zudem in der Lage ist, einen über das Projekt hinausgehenden positiven Beitrag für das Gesamtquartier zu leisten.

Der fertiggestellte Wohnbau der SWM kann vielleicht nicht viel zur Erweiterung des kulturellen Angebots in Moosach beitragen. Gewiss aber ist das Haus ein Abbild einer zeitgemäßen Baukultur, die den Menschen in den Vordergrund rückt und, ähnlich wie die Borstei es vor 100 Jahren versuchte, das Schöne des Einfamilienhauses mit dem Praktischen der Etagenwohnung zu verbinden

Projektdetails


Bauherr
SWM Stadtwerke München GmbH
Fertigstellung
08/2022
Anzahl der Wohnungen
118
Wohnfläche insgesamt
8.950 m²
Bauweise
Massivbauweise
Primärenergiebedarf
9,91 kWh/(m²*a)
Spez. Transmissionswärmeverlust
0,447 W/m²k
Endenergiebedarf
59,86 kWh/(m²*a)
Energieversorgung
Fernwärme
 

Der Autor


Christoph Mörkl
SUPERBLOCK wurde 2003 von Christoph und Verena Mörkl gegründet, seit 2006 beteiligt sich ein eingesessenes Team von engagierten Mitarbeitern an der wachsenden Zahl von Projekten, die Großteils in Österreich und Deutschland angesiedelt sind.

Vorwiegende Bearbeitungsfelder sind der geförderte, aber auch der frei finanzierte Wohnbau, zudem die Planung von Betreuungs- und Sozialeinrichtungen, Innenarchitektur sowie das Bauen im Bestand. Weitere Arbeitsfelder sind die Erarbeitung städtebaulicher Entwicklungsstrategien sowie die Erstellung von Bebauungsstudien, städtebaulichen Konzepten und theoretischen Studien zu Themen der Stadtentwicklung und Wohnbauproduktion.
www.superblock.at

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