Vorgehängte hinterlüftete Fassaden: Maßtoleranzen und Maßangaben

Vorgehängte hinterlüftete Fassaden: Maßtoleranzen und Maßangaben

Recht & Steuern

Vorgehängte hinterlüftete Fassaden: Maßtoleranzen und Maßangaben

Text: Prof. Dr.-Ing. Peter Schmidt | Foto (Header): © doji1989 – stock.adobe.com

Im September 2023 ist die neue VOB/C erschienen. Die aktuellen Änderungen betreffen auch die Vorgaben für vorgehängte hinterlüftete Fassaden, die speziell in DIN 18351 zusammengefasst sind. Welche gewerkespezifischen Maßtoleranzen und Maßangaben zu beachten sind, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Auszug aus:

Die Anforderungen an vorgehängte hinterlüftete Fassaden sind im Wesentlichen in der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) Teil C in den „Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen“ (ATV) in der ATV DIN 18351 beschrieben. Im Folgenden werden die Inhalte der ATV und/oder der ergänzenden Regelungen auszugsweise unter dem Gesichtspunkt von Ausführungstoleranzen und Materialmindestdicken und Abmessungen dargestellt.

Relevante Normen sind ATV DIN 18351 „Vorgehängte Hinterlüftete Fassaden“ sowie ATV DIN 18516-1 „Außenwandbekleidungen, hinterlüftet – Teil 1: Anforderungen, Prüfgrundsätze“.

Toleranzen sind im Rahmen der in DIN 18202 angegebenen Größen zulässig. Werden erhöhte Anforderungen an die Ebenheit und Maßhaltigkeit der Materialien gewünscht, so sind die entsprechenden Maßnahmen besondere Maßnahmen und als solche gemäß ATV DIN 18351, Abschnitt 3.1.4, gesondert zu vereinbaren.

Die ATV DIN 18351 gilt für hinterlüftete Bekleidungen an Bauteilen im Außen- und Innenbereich, z. B. an Wänden, Stützen, Unterseiten von Durchfahrten, Decken, Attiken und dergleichen.

Bauwerksmaße

Bei Grenzabweichungen gilt für Maße die folgende Tabelle (nach DIN 18202, Tab. 1).

Winkelabweichungen

Die Grenzwerte für Winkelabweichungen sind in folgender Tabelle zusammengefasst (nach DIN 18202, Tab. 2).

Ebenheitsabweichungen

Für Fassadenarbeiten gelten i. d. R. unabhängig von dem Material der Fassadenbekleidung die Forderungen aus der DIN 18202 an die Ebenheit der Oberflächen. Werden erhöhte Anforderungen an die Ebenheit gewünscht, so sind diese „Besondere Leistungen“ und als solche auch auszuschreiben (ATV DIN 18351, 3.1.4).

Grenzwerte für Ebenheitsabweichungen sind in DIN 18202, 5.4 geregelt und in folgender Tabelle dargestellt (Auszug aus DIN 18202, Tab. 3).

1 | Grenzabweichungen für Maße (nach DIN 18202, 5.2)
Abbildung: Schmidt

2 | Grenzwerte für Winkelabweichungen (nach DIN 18202, 5.3)
Abbildung: Schmidt

Spezifische Ergänzungen

STREIFLICHT
Sind Unebenheiten auf den Oberflächen bei Streiflicht sichtbar, so sind diese zulässig, wenn sie im Rahmen der Toleranzen der DIN 18202 liegen (ATV DIN 18351, 3.1.3).

Werden erhöhte Anforderungen an die Ebenheit gestellt, sind die zu treffenden Maßnahmen „Besondere Leistungen“ und als solche gesondert zu vereinbaren (ATV DIN 18351, 3.1.3 u. 4.2.1). Hierbei ist zu beachten, dass die Abweichungen bei gleichmäßigem Verlauf und nicht für Absätze oder Höhenversprünge an den Stößen benachbarter Fassadenelemente bewertet werden.

Bei größeren Fassadenflächen sollten Justiermöglichkeiten zum Ausgleich von Toleranzen eingeplant werden.

HÖHENVERSÄTZE ANGRENZENDER ELEMENTE
Für angrenzende Bauteile und deren Anschlüsse sind in der ATV DIN 18351 keine Regelungen hinsichtlich der Höhenversätze getroffen. Diese sollen nach DIN 18202, Abschnitt 5, bei flächenfertigen Wänden vermieden werden. Dieser Anspruch gilt jedoch nicht für strukturbedingte Unebenheiten in der Oberfläche des Materials.

UNTERKONSTRUKTIONEN
Grundsätzlich gilt, dass Unterkonstruktionen flucht- und lotrecht zu montieren sind, wobei die Montage an die Formate der Bekleidungselemente angepasst sein muss (ATV DIN 18351, 3.3.1). Anforderungen an Toleranzen sind in ATV DIN 18351 hierzu nicht geregelt. Die Unterkonstruktion soll aber in jedem Fall so ausgebildet werden, dass Toleranzen in der Oberfläche der fertigen Fassadenfläche ausgeglichen werden können. Grundsätzlich gelten die Ebenheitstoleranzen für nicht flächenfertige Wände nach DIN 18202, Tab. 3, Zeile 5.

UNTERKONSTRUKTION/DÄMMUNG/ENTDRÖHNUNGSSTOFFE
Nach ATV DIN 18351 muss der Abstand von der Hinterkante des Bekleidungsstoffs bis zur Außenkante der tragenden Wandkonstruktion um mindestens 20 mm größer sein als die Dicke des Dämmstoffmaterials im eingebauten Zustand (DIN 18516-1, 4.2.2). Örtliche Unterschreitungen sind in DIN 18516-1 geregelt.

Bei Bekleidungen aus Trapez- oder Wellprofiltafeln, die vertikal angeordnet werden, muss der Hinterlüftungsquerschnitt mindestens 200 cm2/m betragen (DIN 18516-1, 4.2.2). Werden bei Bekleidungselementen aus Metall oder Metallverbundelementen Entdröhnungsstoffe erforderlich, so müssen diese auf mindestens 60 % der Fläche der Elementrückseite und mit einer mittleren Dicke von mindestens 2 mm aufgebracht werden. Die Wärmedämmung muss mit Mineralwolle-Dämmstoffplatten (Anwendungstyp WAB nach DIN 4108-10) ausgeführt werden. Die Dämmschicht ist einlagig im Verband sowie dicht gestoßen zu verlegen. Dabei dürfen keine durchgehenden Hohlräume zwischen Untergrund und Dämmstoffschicht vorhanden sein. Die Befestigung erfolgt mit mechanischen Dämmstoffhaltern. Für die Befestigung sind im Mittel mindestens fünf Dämmstoffhalter je m2 Wandfläche zu verwenden (ATV DIN 18351, 3.5 u. DIN 18316-1, 4.3.8).

Bekleidungselemente aus Hochdruck-Schichtpressstoffen (z. B. faserverstärkte Harzkompositplatten) oder aus faserverstärkten Baustoffen (z. B. Faserzementtafeln) sind mit einer Fugenbreite von 10 mm ± 3 mm anzubringen (ATV DIN 18351, 3.4.4.1 u. 3.4.5.1).

HINTERLÜFTUNG
Be- und Entlüftungsöffnungen im Sockelbereich sind mit einem freien Querschnitt von mindestens 50 cm² je 1 m Wandlänge herzustellen (siehe ATV DIN 18351, 3.6.2). Durch eine örtliche Einengung des Lüftungsquerschnitts (z. B. durch die Unterkonstruktion oder Unebenheiten der Wandoberfläche) darf eine Mindestbreite des freien Zwischenraums von 5 mm nicht unterschritten werden (DIN 18516-1, 4.2.2).

FUGEN BEI BEKLEIDUNGEN MIT KERAMISCHEN PLATTEN UND HOCHDRUCK-SCHICHTPRESSSTOFF
Die Fugenbreite von Bekleidungselementen aus Keramik beträgt mindestens 8 mm ± 3 mm (ATV DIN 18351, 3.4.3.3). Zweiseitig beschichtete Platten aus Schichtpressstoffen und aus faserverstärkten Baustoffen müssen mit einem Fugenabstand von 10 mm ± 3 mm befestigt werden (ATV DIN 18351, 3.4.4.1).

AUSSENWANDBEKLEIDUNGEN MIT GLAS
Für Außenwandbekleidungen aus Glas ist heißgelagertes thermisch vorgespanntes Kalknatron-Einscheibensicherheitsglas (ESG) nach DIN EN 14179 zu verwenden. Die Montage muss nach den Anforderungen und Regeln der DIN 18008-3 erfolgen (ATV DIN 18351, 3.4.7).

Für Vertikalverglasungen aus ESG wird eine Scheibennenndicke von mindestens 6 mm gefordert (DIN 18008-3, 7.1). Bei der Angabe der Abmessungen (Breite B und Länge H) von ESG ist zu beachten, dass das erste Maß immer die Breite B und das zweite Maß die Länge H angibt (s. Abb. unten). Es muss in Bezug auf die Einbauposition eindeutig sein, welche Abmessung die Breite B und welches Maß die Länge H ist.

GRENZABWEICHUNGEN FÜR BREITE UND LÄNGE
Die Grenzabweichungen t der Breite B und der Länge H sind abhängig von der Nennglasdicke und den Nennmaßen der Seiten, siehe folgende Tabelle. Das Höchstmaß der Scheibe ergibt sich, indem zum Nennmaß die Grenzabweichung t addiert wird, d. h. (B oder H) + t. Das Höchstmaß darf nicht überschritten werden. Das Mindestmaß ergibt sich, indem die Grenzabweichung t vom Nennmaß subtrahiert wird, d. h. (B oder H) – t. Das Mindestmaß darf nicht unterschritten werden.

RECHTWINKLIGKEIT
Die Rechtwinkligkeit wird mithilfe der Grenzabweichung für die Differenz der beiden Diagonalen überprüft. Dabei gelten die in der Tabelle rechts oben angegebenen Grenzabweichungen v. Die Grenzabweichungen sind abhängig von der Nennglasdicke und den Nennmaßen der Glasscheibe und dürfen nicht überschritten werden.

BEKLEIDUNGSELEMENTE AUS METALL UND METALLVERBUNDELEMENTE
Bleche mit einer Dicke von weniger als 1 mm sind umzukanten (ATV DIN 18351, 3.4.2.2).

ABDICHTUNG VON AUSSENWANDFUGEN
Für die Abdichtung von Außenwandfugen im Hochbau zwischen Bauteilen aus Ortbeton und/oder Betonfertigteilen mit geschlossenem Gefüge sowie aus unverputztem Mauerwerk und/oder Naturstein gelten für die konstruktive Fugenausbildung und Füllung die Vorgaben der DIN 18540 „Abdichten von Außenwandfugen im Hochbau mit Fugendichtstoffen“. Die Fugenflanken müssen bis zu einer Tiefe entsprechend dem Maß der doppelten Fugenbreite parallel verlaufen. Bei gemauerten Wänden müssen die Fugenflanken vollfugig gemauert und abgestrichen sein. Die Kanten von Betonteilen müssen mit einer unter 45° abgeschrägten Fase und mit einer Kantenlänge von mindestens 10 mm hergestellt sein (DIN 18540, Abschnitt 5). In Abhängigkeit vom Abstand der Bauteilfugen gelten für die Fugenbreite und die Dicke des Fugendichtstoffs folgende Anforderungen (DIN 18540, 5.2, Tab. 2):

Die Dicke der Fuge wird zwischen Außenkante Dichtstoff und rückseitiger Begrenzung zur Hinterfüllschnur gemessen. Die Angaben gelten für Temperaturdifferenzen von –20 bis +60 °C, eine zulässige Gesamtverformung des Dichtstoffs von 25 % und für thermische Ausdehnungskoeffizienten (ZGV) von 1,1 • 10-5 • K-1. Für andere Fälle sind gesonderte Berechnungen zu führen.

Als Orientierungsgröße für die Fugendimensionierung hat sich ein Breiten-/Dickenverhältnis von 2:1 in der Praxis bewährt.

3 | Grenzwerte für Ebenheitsabweichungen (nach DIN 18202, 5.4)
Abbildung: Schmidt

4 | Breite B und Länge H von ESG für Außenwandbekleidungen (in Anlehnungen an DIN EN 14179-1, Bild 4)
Abbildung: Schmidt

Prüfung

Die Prüfung erfolgt nach der DIN 18202, Abschnitt 6. Der Auftragnehmer hat vor der Montage ggf. unverzüglich Bedenken gem. § 4 Nr. 3 VOB/B anzumelden
(s. ATV DIN 18351, 3.1.2), wenn

  • die Qualität und Beschaffenheit des Untergrunds ungeeignet sind,
  • die Verankerungsmöglichkeiten ungenügend sind oder fehlen,
  • die Toleranzen größer sind als die nach DIN 18202 zulässigen Werte,
  • die Gerüste für die Ausführung nicht geeignet (z. B. zu großer Abstand zum Rohbau) oder stark verschmutzt sind,
  • im Geschoss keine Höhenbezugspunkte vorhanden sind,
  • die angrenzenden Bauteile in der Lage und Höhe nicht den Angaben entsprechen,
  • es keine Möglichkeit gibt, die Baumaße vor Beginn der Fertigung zu kontrollieren,
  • ungeeignete klimatische Bedingungen vorliegen (Temperaturen < 5 °C bei Klebearbeiten, Schnee, Eis, Wind).

5 | Grenzabweichungen der Breite B und der Länge H (n. DIN EN 14179-1, 8.2.3, Tab. 2)


Grenzabweichung t
Nennmaß der Seite B oder H Nennglasdicke d ≤ 8 mm Nennglasdicke d > 8 mm
B oder H ≤ 2.000 mm ± 2,0 mm ± 3,0 mm
2.000 mm < B oder H ≤ 3000 mm ± 3,0 mm ± 4,0 mm
B oder H > 3.000 mm ± 4,0 mm ± 5,0 mm

6 | Grenzabweichungen für die Differenz der beiden Diagonalen (n. DIN EN 14179-1, 8.2.3, Tab. 3)


Grenzabweichung v für die Differenz der beiden Diagonalen
Nennmaß der Seite B oder H Nennglasdicke d ≤ 8 mm Nennglasdicke d > 8 mm
B oder H ≤ 2.000 mm ≤ 4,0 mm ≤ 6,0 mm
2.000 mm < B oder H ≤ 3000 mm ≤ 6,0 mm ≤ 8,0 mm
B oder H > 3.000 mm ≤ 8,0 mm ≤ 10,0 mm

Das Baustellenhandbuch der Maßtoleranzen
Dieser Text ist ein Auszug aus: „Das Baustellenhandbuch der Maßtoleranzen“. Mit den gewerkespezifischen Erläuterungen dieses Buches im praktischen Jackentaschenformat stellt man schnell fest, ob es sich lediglich um einen tolerierbaren Schönheitsfehler oder einen echten Mangel handelt.
Weitere Informationen unter
www.forum-verlag.com/3035

Quellen/Verweise


ATV DIN 18351:2023-09: VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil C: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) – Vorgehängte Hinterlüftete Fassaden.
DIN 18516-1:2010-06: Außenwandbekleidungen, hinterlüftet – Teil 1: Anforderungen, Prüfgrundsätze.
DIN 18202:2019-07: Toleranzen im Hochbau – Bauwerke.

Der Autor


Prof. Dr.-Ing. Peter Schmidt
1998 erhielt er den Ruf auf die Professur für Baukonstruktion, Ingenieurholzbau und Bauphysik im Department Bauingenieurwesen der Universität Siegen. Prof. Schmidt ist Herausgeber und Autor zahlreicher Veröffentlichungen auf den Gebieten der Bauphysik sowie des konstruktiven Ingenieurbaus. Weiterhin hält er Vorträge zu verschiedenen aktuellen Themen des Bauwesens.

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