Realisierte Objekte
Nachverdichtung mit Klinker: Cubes in Amsterdam
Text: Hans Fuchs | Foto (Header): © Tom Elst
Im Westen der niederländischen Hauptstadt sind nach einem Entwurf des Architekturbüros LEVS zwei Gebäude mit 68 Wohnungen realisiert worden. Die sogenannten Cubes in der Gerrit Mannourystraat knüpfen an die Nachkriegsarchitektur der benachbarten Gartenstadt an. Gleichzeitig orientieren sich die beiden Komplexe an den neueren Gebäuden in diesem Nachverdichtungsgebiet. Die Anpassung an den architektonischen Kontext vollzieht sich unter anderem durch die Verwendung von Klinkern im Modulformat.
Auszug aus:
QUARTIER
Ausgabe 3.2021
Jetzt abonnieren
Diese Ausgabe als Einzelheft bestellen
Licht, Luft, Raum und viel Grün: Merkmale, die den Amsterdamer Stadtbezirk Nieuw-West charakterisieren. Dieser Teil der niederländischen Hauptstadt, der auch als Westeljke Tuinsteden (zu Deutsch: Westliche Gartenstadt) bezeichnet wird, wurde in den 1950er- und 1960er-Jahren auf der Grundlage des Allgemeinen Erweiterungsplans (niederländisch: Algemeen Utbreidingsplan, kurz AUP) von 1935 errichtet. Der Plan sah Stadterweiterungen an der West- und Südseite von Amsterdam vor. Eine offene Bebauung mit üppigem Grün in Form von zahlreichen Parkanlagen zwischen den Gebäuden prägt die einzelnen Stadtteile in dem Gebiet. Diese städtebauliche Struktur ist auch heute noch fast überall vorhanden. Im Herzen der Westlichen Gartenstadt liegt der Sloterpark mit dem zu Beginn der 1950er-Jahre gegrabenen Sloterplas: ein See, der mit dem Sloterparkbad am Nordufer und dem kleinen Hafen für Segel- und Motorboote im Nord- sowie Südwesten zur Erholung einlädt.
Der Neubau von LEVS, nur einen Steinwurf von der Gartenstadt entfernt, fügt sich in die bestehende Mischbebauung aus den 1950er-, 1970er- und 1990er-Jahren rund um den Koningin Wilhelminaplein ein. Verschiedene Architekturstile aus unterschiedlichen Epochen prägen das Nachverdichtungsgebiet. Die Architekten standen vor der besonderen Herausforderung, eine passende und zeitgemäße Antwort innerhalb der gegebenen Bedingungen zu finden.
Reminiszenz an Umgebungsbebauung
Projektarchitekt Adriaan Mout charakterisiert das Konzept des Quartiers als Verdichtungsplan mit Jahresringen, mit Nachkriegsbebauung im Rahmen des AUP, aber auch mit Architektur aus den 1970er- und 1990er-Jahren, als hier fünf Wohntürme von Frits van Dongen, drei Wohnhäuser von Kees de Kat und drei Stadtvillen von Rudy Uytenhaak entstanden. „Mit dem vielen Glas an der Fassade der Cubes verweisen wir auf den AUP mit seinem Streben nach Licht, Luft und Sonne. Auf diese Weise verknüpfen wir den Neubau mit seinem Kontext – der grünen Umgebung, dem Wohnen am Stadtrand und der großzügigen Aussicht. Die Beziehung zwischen innen und außen war auch als Antwort auf die geringe Wohnfläche der Wohnungen wichtig.“
Die beiden neuen Wohnkomplexe sind Teil einer Serie von vier Gebäuden, von denen LEVS zwei entworfen hat. „Die vier Baukörper haben einen starken Zusammenhalt, dennoch ist jeder subtil anders“, merkt Adriaan Mout an. Zwei Drittel der Mieteinheiten befinden sich im mittleren Preissegment, ein Drittel wird im freien Sektor vermietet. Die Wohnungen haben eine Größe von 50 bis 60 bzw. 75 m². Beide Gebäudeblöcke verfügen über ein halb vertieftes Parkhaus mit jeweils 32 Stellplätzen.
Für die Fassadengestaltung suchten die Architekten nach einer Klinkersortierung mit einem lebendigen und zugleich massiven Charakter. Dadurch sollte das Erscheinungsbild beider Gebäude abstrahiert werden. Fündig wurden sie mit der Hagemeister-Sortierung Langeland HSG im Modulformat. Der Stein verfügt über beige-weiße Grundtöne mit dezenten schwarz-anthraziten Kohlebrandaufschmauchungen. „Beide Komplexe haben eine skulpturale Form, und es gibt an der Gebäudehülle viel zu sehen. Die Abstraktion bringt Struktur und Ruhe in die Fassaden. Gleichzeitig sind diese Klinker mit ihren Sinterungen und Farbnuancen aus der Nähe betrachtet sehr lebhaft“, erläutert Adriaan Mout.
Format unterstreicht Horizontalität
Das Klinkermauerwerk wurde explizit zur Gliederung der Fassade verwendet. LEVS gab den Gebäuden ein strukturierendes Raster mit horizontalen Bändern aus Ziegeln, verarbeitet im Wilden Verband. Die Balkone sind Teil dieser Bänder und damit auf natürliche Weise Part des Gebäudes. „Die Hagemeister-Klinker sind sehr hart gebrannt und bleiben daher lange schön. Wir wünschten uns einen hellen Stein mit einer bestimmten Nuancierung, um ein lebendiges Bild zu erzeugen. Zur Betonung der Horizontalität suchten wir zudem nach einem etwas längeren Stein. Das alles haben wir in der Kohlebrand-Sortierung Langeland von Hagemeister gefunden.“
Rund um die großen quadratischen Fenster, die viel Licht in die Wohnungen lassen, werden die Klinkerflächen fortgeführt. Hier erzeugen die in wechselnden Schichten hervorstehenden Steine ein besonderes Relief. An den Fassaden wurden Verblendklinker verwendet, die Untersichten der Balkone sind mit Riemchen realisiert. Durch den Einsatz von Fertigteilen wird vor allem bei schwierigen Partien wie Balkonen keine Hilfskonstruktion für die Klinkerarbeiten benötigt. Das längliche Modulformat passt gut zur Horizontalität der Architektur in den Westelijke Tuinsteden. „Hagemeister liefert das Format als Standard. Es ist keine Sonderanfertigung. Wir konnten diese Sortierung perfekt für das nutzen, was wir an diesem Standort realisieren wollten: zwei schicke Gebäude, die Leichtigkeit und Optimismus ausstrahlen, mit einem lebendigen, gesinterten Klinker von schöner Proportion und Länge. Der Ziegel ermöglichte es uns, beide Baukörper als abstrakte Monolithen zu entwerfen, als Würfel, die sich in die gesamte Architektur einfügen, die diesen verdichteten Standort kennzeichnet“, beschreibt Mout.
Harmonische Material-Kombination
In den Niederlanden hat der Klinker eine lange Bautradition. Er ist ein Baustoff, der überall gut in den Kontext passt und eine zeitlose Qualität besitzt. Das Cubes-Projekt weist neben ihm noch andere Materialien auf, die für den Charakter des Gebäudes eine wichtige Rolle spielen. Die Rahmen und Lochplatten der Fenster sind aus bronzefarbenem Aluminium gefertigt und fügen sich harmonisch in das Gesamtbild ein. Für die Balustraden wurden Glaszäune verwendet. Auf der Nordseite stehen die Cubes nah an der Straße. Hier werden die vier Meter hohen Eingänge durch ein Vordach markiert. Die Südseite ist geprägt von den großen, gestaffelten Außenbereichen für optimale Ausblicke und Sonneneinstrahlung.
Das eingangs erwähnte Motiv des Stadtbezirks – Licht, Luft, Raum und viel Grün – wurde in die Architektur der Cubes aufgenommen. Diese lässt die beiden Wohnkomplexe perfekt mit der Umgebungsbebauung verschmelzen. Aus den extragroßen Fenstern mit schönem Licht haben die Bewohner einen Blick auf das einst im Rahmen des Allgemeinen Erweiterungsplans geschaffene Grün. Mit dieser Transparenz strahlen die Gebäude Ruhe und Offenheit aus und knüpfen so an den Charakter der Westlichen Gartenstadt an.
Projektdetails
Architektur LEVS architects, Amsterdam |
Klinker Langeland HSG |
Projektarchitekten Adriaan Mout, Jurriaan van Stigt, Marianne Loof |
Format ModF (290 × 90 × 52 mm) |
Auftraggeber Maarsen Groep, Amsterdam |
Verklinkerte Fläche ca. 2.000 m² |
Baufirma Van Wijnen, Baarn |
Der Autor
Hans Fuchs
Drs. Hans Fuchs studierte Kunstgeschichte an der Universität Leiden. Seit 1990 schreibt er über Architektur, Städtebau und Landschaftsarchitektur, Raumplanung und Lichtdesign, für Fachmagazine und Firmen. Hans Fuchs ist Redakteur für verschiedene niederländische Architektur- und Bauzeitschriften.