Wohnbauentwicklung im Süden Wiens: Sockel mit Turm

Wohnbauentwicklung im Süden Wiens: Sockel mit Turm

Realisierte Objekte

Sockel mit Turm

Text: Christoph Mörkl | Foto (Header): © PLETTERBAUER

„Am Stadtrand gelegen“ – treffender könnte man die Lage des Wohnbauprojekts „Fontana è Bella“ nicht bezeichnen, das an zwei Seiten von beginnenden landwirtschaftlichen Flächen umgeben ist. SUPERBLOCK hat hier nicht nur eine attraktive Wohnbebauung im bezahlbaren Segment geschaffen, sondern trägt durch sein Konzept auch zur Entwicklung einer neuen und lebenswerten Stadtlandschaft bei.

Auszug aus:

Das Areal am südlichen Stadtrand Wiens ist durch eine außergewöhnlich heterogene städtebauliche Bebauungs- und Freiraumsituation gekennzeichnet. In unmittelbarer Nähe befinden sich der Kurpark, der gewachsene Ortskern von Oberlaa, die Therme Wien und die Endstation der U-Bahnlinie 1 (U1), die das Gebiet direkt mit dem Stadtzentrum verbindet.
Die historische Entwicklung des Gebiets nahm ihren Anfang in den 1930er-Jahren, wo am Südhang des Laaer Berges nach Erdöl und Erdgas gesucht wurde. Mit den in den 1960er-Jahren wieder aufgenommenen Bohrungen an der gleichen Stelle wurde eine Schwefelquelle gefunden und dadurch der Grundstein für die Entwicklung des Gebiets zu einem Naherholungs- und Freizeitareal gelegt. 1969 begann eine Kuranstalt ihren Betrieb. In dieser Zeit wurde das Areal als Standort für die zweite Wiener Internationale Gartenschau (WIG 74) auserkoren, die später in eine öffentliche Parkanlage umgewandelt wurde und heute unter Denkmalschutz steht.
Nach der Jahrtausendwende wurden die in die Jahre gekommenen Gebäude der Therme Oberlaa abgebrochen, um einer modernen Wellness-Kurund Badelandschaft Platz zu machen. Einzig das alte Hotel am Standort, der 50 m hohe Airo Tower, blieb erhalten und bildet bis heute ein weithin sichtbares Zeichen. Mit dem Bau der neuen Therme und der Verlängerung der U1 bis nach Oberlaa erfolgte der Projektstart für eine Neuentwicklung und Transformation des gesamten Gebiets.

Kooperatives Planungsverfahren

In Laufe dieses Transformationsprozesses wurde 2014 das ehemalige Verwaltungsgebäude der staatlichen Fluglinie AUA, das sich auf dem Baufeld am Ende der Fontanastraße befand, abgebrochen. Gleichzeitig wurde ein kooperatives Planungsverfahren zur Neuordnung des Gebiets ausgelobt. Die Ergebnisse dieses Verfahrens sehen die überwiegende Nutzung des Areals für Wohnzwecke vor. Der neue Flächenwidmungsplan baut auf der Heterogenität des Gesamtraums auf und versucht, die einzelnen Strukturen und Räume zu vernetzen und letztendlich eine unverwechselbare und lebenswerte Stadtlandschaft zu generieren.

Südwestansicht „Fontana è Bella“
Foto: PLETTERBAUER

Ostansicht der Baufelder 5 und 6 – rechts im Bild ist das Projekt „Fontana è Bella“ zu sehen.
Foto: PLETTERBAUER

Die neue Stadtlandschaft

Die fünf Bauflächen, die von unterschiedlichen Architektenteams beplant wurden, gliedern sich in einem gebrochenen Raster, das durch Straßen und platzartige Erschließungen unterteilt ist. Ein wesentliches Charakteristikum des städtebaulichen Leitbilds ist die Lesbarkeit der unterschiedlichen Gebäudevolumina und die damit einhergehenden, unterschiedlichen Maßstäblichkeiten für Bewohner und Passanten. Flächig zu bebauende ein- bis zweigeschossige Sockelbaukörper werden durch einzelne bis zu 35 m hohe Punkte ergänzt. Nachdem die neu zu errichtenden Kubaturen der Gebäudevolumina baurechtlich limitiert wurden, konnten sowohl schlanke Hochpunkte als auch Eingangshöfe und Atrien in den Sockelgeschossen realisiert werden. Im Vordergrund stand nicht die maximale Ausnutzung der möglichen Bauflächen, sondern eine qualitativ durchlässige und differenzierte Bebauungsstruktur, die erlebbare Räume in einem zugrunde gelegten Wegekontext schafft. In den Sockelgeschossen der Baufeldschollen können zudem mannigfaltige Nutzungen integriert werden. Mannigfaltig deshalb, weil in den flexiblen flächigeren Erdgeschossen alternative Wohnformen, Mischnutzungen von Wohnen und Arbeiten und ergänzende Nutzungen wie Kindergärten und Heimstrukturen Platz finden.
Die freiräumlichen Übergänge zur Landschaft, die Schwellen zwischen „innen“ und „außen“, sind klar formuliert und bilden ein Quartier mit hohem Wiedererkennungswert für die Bewohner. Die halböffentlichen Freiräume sind zum Teil nur 5 m breit und weiten sich platzartig bis zu 25 m auf. Sie trennen und verbinden die einzelnen Baufelder, semi-durchlässige Bauminseln gliedern die Flächen und schaffen Aufenthaltsqualitäten. Die Topografie bildet sich in Stufen und Kanten ab, welche von notwendigen Rampen ergänzt werden.

Im Atriumhof befindet sich eine Pflanzinsel mit umlaufender Sitzmauer.
Foto: PLETTERBAUER

Das Projekt Fontana è Bella

Das Projekt Fontana è Bella liegt am nordöstlichen Rand des Gebiets und grenzt mit zwei Seiten direkt an landwirtschaftlich genutzte Flächen. 46 Wohnungen wurden in einer zweigeschossigen Sockelbebauung und einer 35 m hohen Turmstruktur errichtet. Die Sockelbebauung umschließt einen Atriumhof, der gleichzeitig als Eingangshof und informeller Treffpunkt dient, während sich der zehngeschossige Hochpunkt direkt aus dem Sockelkörper entwickelt.
Der zentrale Zugang, der direkt in den Atriumhof führt, ist an einen durchgehenden Anger im südwestlichen Bereich angedockt und dadurch an die interne Wegestruktur des gesamten Quartiers angeschlossen. Ein Gemeinschaftsraum und eine Waschküche sind vom zentralen Hof direkt zugänglich. Von hier gibt es auch eine Verbindung zum KIeinkinderspielplatz mit angrenzender Grünfläche im öffentlichen Bereich des Bauplatzes.
Die Wohnungen im Turm werden über ein kompaktes, natürlich belichtetes Stiegenhaus erschlossen, das je vier Wohnungen auf einem Geschoss erschließt. Alle Wohnungen im Turm sind über Eck ausgerichtet und mindestens zweiseitig belichtet. Die Balkone und Loggien befinden sich an den Gebäudeecken und bieten Aussicht zu je zwei Himmelsrichtungen und in die Weite der umgebenden Landschaft. Aus der Optimierung der Wohnungsgrundrisse und Erschließungsflächen resultieren die Einschnürungen am Turm, die zusätzlich die offenen Gebäudekanten betonen.
Im Sockel befinden sich Maisonett-Wohnungen mit je einem Privatgarten. Richtung Süden sind zwei vom Erdgeschossniveau erhöhte Wohnungen positioniert, die vorgelagerte Loggien mit Pergola-Charakter besitzen. Bei allen Wohnungsgrundrissen wird das Prinzip der „freien Durchsicht“ verfolgt, das Eintreten in die Wohnung aus dem Stiegenhaus ist gefolgt von räumlicher Weite. Die Grundrisse weisen eine hohe Alltagstauglichkeit auf – große Wohnküchen ermöglichen multifunktional nutzbare Flächen, und die Reduktion der Gangflächen auf ein Minimum erlaubt offene Nutzungsbereiche.
Bei der Planung wurde auf kostengünstiges Bauen großen Wert gelegt – mit dem Ziel günstiger Mieten. Dies spiegelt sich in den wirtschaftlichen und kompakten Grundrissen wider, die einerseits die Einrichtung mit handelsüblichen Möbeln gewährleisten, andererseits auf nicht funktionell nötiges „Mehr“ verzichten. Das Projekt ist kein klassisches gefördertes Wohnhaus, sondern entspricht mit den Grundlagen der „Wohnbauinitiative“ einer Fördergattung, die mit dem Zurverfügungstellen von günstigeren Grundstücken kostengünstiges Wohnen ohne weitere Fördermittel gewährleistet.

Freiraum

Die Freiraumqualitäten werden vor allem durch die Integration der umgebenden Landschaftsräume gestärkt. Ein Rundweg aus wassergebundener Schotterdecke erschließt die unterschiedlichen Bereiche. Im östlichen an die Felder jenseits der Grundgrenze anschließenden Bereich befindet sich der Kleinkinderspielplatz. Das bestehende Gefälle am Baugrund wird als Rampe und Sitzmauer in den Spielbereich integriert. Ein Pflanzstreifen aus hohen Gräsern und Sträuchern grenzt die Privatgärten im Süden und Osten von den Wegen und Aufenthaltsflächen ab. Im Innenhof steht den Bewohnern eine Pflanzinsel mit einer umlaufenden Sitzmauer zur Verfügung. Ginkgo-Bäume und großzügige Strauchpflanzungen rahmen den Freiraum und stellen eine Verbindung zur anschließenden Landschaft her. Begrünte Dachflächen verbessern das Kleinklima, Regenwasser wird auf Eigengrund zur Versickerung gebracht und der Versiegelungsgrad der Wegflächen gering gehalten.

Städtebauliche Qualitäten

Das Projekt Fontana è Bella entwickelt die Qualitäten der städtebaulichen Grundkonzeption konsequent weiter. Die präzise Formulierung der Höhenentwicklung und die Durchlässigkeit der Erdgeschossebene für Durchwegung und Erschließung ermöglichen eine selbstverständliche Integration in das Gesamtquartier.
Das historische Bild der kleinteiligen Dorfsiedlung wird neu interpretiert und um Hochpunkte ergänzt. Dem Genius loci, der signifikanten Fernwirkung des alten AUA-Gebäudes, wurde entsprochen und eine neue Interpretation gefunden. Verdichtetes Bauen stellt hier – am Rande der Stadt – einen Gegenpol zur offenen Landschaft dar. Die Weite der umgebenden Landschaft kontrastiert mit der Enge der Höfe, Atrien und den Zwischenräumen der „Schollen“.
Mit den fertiggestellten Gebäuden am Ende der Fontanastraße wurde jedoch erst der Beginn einer fortschreitenden Entwicklung am südlichen Ausläufer des Laaer Berges gemacht. Die Flächen im Nahbereich der U-Bahn-Endhaltestelle befinden sich derzeit bereits in Planung, und auch weiter südlich in der beginnenden Ebene werden weitere Schritte in Richtung Urbanisierung gesetzt.
Die Erweiterung des Wiener U-Bahn-Netzes bis an die Stadtgrenze hat eine neue Zeitrechnung angestoßen. Es besteht aber die Hoffnung, dass nach der Suche nach Öl und Gas vor 100 Jahren das jetzt in Erwartung stehende „Betongold“ durch sinnvolle rechtliche Rahmenbedingungen der Stadt Wien zu einer qualitätsvollen, modernen Entwicklung beiträgt, die den Bewohnern zugutekommen wird.

Grundriss Turm
Abbildung: SUPERBLOCK

Grundriss Erdgeschoss
Abbildung: SUPERBLOCK

Abbildung: SUPERBLOCK

Projektdetails


 

Bauherr
GESIBA Gemeinnützige Siedlungs- und
Bauaktiengesellschaft
Baukosten brutto (KG 300 + KG 400)/m²
1.700 Euro
Fertigstellung
Mai 2020
Nettokaltmiete/m²
8,70 Euro
Anzahl der Wohnungen
46
Bauweise
Massivbauweise
Wohnfläche insgesamt
3.514 m²
Energieversorgung
Fernwärme
Geschossfläche
400 m²
Freiraum
D/D Landschaftsplanung

Der Autor


Unternehmensgründer Christoph Mörkl
SUPERBLOCK wurde 2003 von Christoph und Verena Mörkl gegründet, seit 2006 beteiligt sich ein eingesessenes Team von engagierten Mitarbeitern an der wachsenden Zahl von Projekten, die Großteils in Österreich und Deutschland angesiedelt sind.
Vorwiegende Bearbeitungsfelder sind der geförderte, aber auch der frei finanzierte Wohnbau, zudem die Planung von Betreuungs- und Sozialeinrichtungen, Innenarchitektur sowie das Bauen im Bestand. Weitere Arbeitsfelder sind die Erarbeitung städtebaulicher Entwicklungsstrategien sowie die Erstellung von Bebauungsstudien, städtebaulicher Konzepte und theoretischer Studien zu Themen der Stadtentwicklung und Wohnbauproduktion.

www.superblock.at

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