Bundesgerichtshof erleichtert Modernisierungsmieterhöhung: Nach umfangreihen Baumaßnahmen

Bundesgerichtshof erleichtert Modernisierungsmieterhöhung: Nach umfangreihen Baumaßnahmen

Baukosten & Finanzierung

Bundesgerichtshof erleichtert Modernisierungsmieterhöhung: Nach umfangreihen Baumaßnahmen

Text: Ulf P. Börstinghaus | Foto (Header): © TEKTUR – stock.adobe.com

Im preisfreien Wohnungsbau erlaubt das Gesetz dem Vermieter nicht nur die Anhebung der Miete auf die ortsübliche Vergleichsmiete, sondern auch die Erhöhung der Miete um 8 % der notwendigen Kosten einer Modernisierung der Wohnung. Doch welche Voraussetzungen gelten dafür und in welcher Form muss der Vermieter den Anspruch geltend machen?

Auszug aus:

Die Mieterhöhung nach Modernisierungsmaßnahmen ist neben der einvernehmlichen Mieterhöhung nach § 557 Abs. 1 BGB und der Anpassung auf die ortsübliche Vergleichsmiete nach § 558 BGB die dritte Säule des Mieterhöhungsrechts im preisfreien Wohnungsbau. Sie ist anerkanntermaßen ein Fremdkörper in diesem Preissystem und orientiert sich eher am Preissystem für den preisgebundenen Wohnungsbau. Eigentlich will der Gesetzgeber, dass die Parteien sich über die Miethöhe einigen. Dies gilt uneingeschränkt für die Neuvertragsmiete, entspricht aber auch den Vorstellungen des Gesetzgebers für Mieterhöhungen im Bestand. Auch wenn der Vermieter gem. § 558 BGB unter bestimmten Umständen einen einklagbaren Anspruch auf die Zustimmung des Mieters zur Vertragsänderung hat, so stellt der Gesetzgeber die Einigung in den Vordergrund. Demgegenüber enthalten die §§ 559 ff. BGB ein einseitiges Gestaltungsrecht. Außerdem soll dem Vermieter nach § 559 BGB nicht die Miete zustehen, die für modernisierten Wohnraum gezahlt wird, sondern eine an den Kosten orientierte Miete. Auch dies ist eine Durchbrechung allgemeiner Regeln, weshalb die Vorschrift als Fremdkörper stark kritisiert und immer häufiger die Abschaffung der Vorschrift gefordert wird.

Zweck der Vorschrift

Die Bedeutung und der Zweck des § 559 BGB gehen weit über das Vertragsverhältnis zwischen dem Vermieter und dem Mieter hinaus. Die Vorschrift will eine permanente Modernisierung des teilweise überalterten Wohnungsbestands forcieren. Die wirtschaftspolitische Bedeutung der Vorschrift liegt darin, dass Modernisierungsmaßnahmen eine ganz wesentliche Stütze der Bauwirtschaft darstellen. Einschränkungen bei den mietrechtlichen Umlagemöglichkeiten von Modernisierungskosten haben unmittelbare Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt.

Voraussetzung ist eine Modernisierung

Die Mieterhöhung setzt voraus, dass der Vermieter eine der in § 555b BGB aufgeführten Modernisierungsmaßnahmen tatsächlich durchgeführt hat. Reine Erhaltungsmaßnahmen zählen nicht hierzu. Bei einer sogenannten modernisierenden Instandhaltung, also einer Modernisierungsmaßnahme, bei der, wie regelmäßig, zugleich auch Erhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden, müssen die Kosten, die auf die Erhaltungsmaßnahme entfallen, herausgerechnet werden. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH [1] gilt dies selbst dann, wenn die Erhaltungsmaßnahmen noch gar nicht fällig waren, sondern auch beim Austausch von Bauteilen und Einrichtungen, die zwar noch ausreichend funktionsfähig sind und bislang einen zu beseitigenden Mangel nicht aufweisen, aber bereits über einen nicht unerheblichen Zeitraum ihrer zu erwartenden Gesamtlebensdauer abgenutzt worden sind. Nur der überschießende Teil der notwendigen Kosten darf in Höhe von 8 % zum Gegenstand einer Mieterhöhung gemacht werden, wobei der Betrag seit 2018 auf maximal 3,00 Euro (bei Mieten bis 7,00 Euro/m² sogar nur 2,00 Euro) in sechs Jahren gekappt wird.

Durchführung der Erhöhung

Um nach einer Modernisierung die Mieterhöhung umzusetzen, muss der Vermieter gem. § 559b BGB eine Erhöhungserklärung abgeben. Eine Mieterhöhungserklärung, die nicht diese formalen Voraussetzungen erfüllt, ist nichtig. Der Mieter kann sogar bereits gezahlte Beträge zurückverlangen. Deshalb ist es wichtig, alle Formalien zu beachten.

Sinn und Zweck der Begründungspflicht für eine Modernisierungsmieterhöhung ist es, unzumutbare Nachteile für den in der Regel juristisch und wohnungswirtschaftlich nicht vorgebildeten Mieter dadurch zu verhindern, dass dieser die Berechtigung der geforderten Mieterhöhung überprüfen kann. Diesen Anforderungen genügt eine Erklärung, wenn der Mieter den Grund und den Umfang der Mieterhöhung anhand der Erläuterung als plausibel nachvollziehen kann. Handelt es sich um eine modernisierende Instandsetzung, hat der Vermieter bei der Ermittlung der umlagefähigen Kosten eine entsprechende Kürzung vorzunehmen. Dies kann zumindest durch die Angabe einer Quote erfolgen.

1 | Der Mieter muss bei Modernisierungen den Grund und den Umfang der Mieterhöhung plausibel nachvollziehen können.
FOTO: HANOHIKI – STOCK.ADOBE.COM

Neues für umfangreiche Maßnahmen

Strittig war in den letzten Jahren, wie weit der Vermieter bei umfangreichen Modernisierungsmaßnahmen bereits in der Erhöhungserklärung die Kosten aufteilen muss, also auf die verschiedenen trennbaren Modernisierungsmaßnahmen verteilen und dann noch nach Gewerken unterteilen muss [2]. Hier hat der BGH jetzt mit drei Urteilen [3] vom20.07.2022 und vier Urteilen vom 28.09.2022 [4] Klarheit gebracht. Danach genügt die Aufteilung der Gesamtkosten unter Abzug der Instandsetzungsanteile auf die verschiedenen Modernisierungsmaßnahmen (Heizung, Fassade, Badezimmer, Fenster, Türen etc.).

Nicht erforderlich ist es demgegenüber, die für die verschiedenen Modernisierungsmaßnahmen jeweils entstandenen Gesamtkosten im Rahmen der Kostenzusammenstellung und Berechnung der Mieterhöhung nach den einzelnen angefallenen Gewerken (Maurer, Elektriker, Gerüstbauer, Schreiner, Maler) zu differenzieren. Es reicht die Angabe eines Gesamtbetrags pro Maßnahme. Das gilt sowohl für eine reine Modernisierungsmaßnahme wie auch für eine sogenannte modernisierende Instandsetzung. Weder der Gesetzeswortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift verlangen weitergehende Angaben oder Aufschlüsselungen. Das gilt auch bei umfangreichen und entsprechend kostenträchtigen Maßnahmen. Nach Ansicht des BGH widerspräche es dem Ziel des Gesetzes, einen Anreiz für den Vermieter zur Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen zu schaffen. Nach Ansicht des Senats würden demgegenüber zusätzliche Angaben auch keinen Erkenntnisgewinn für den Mieter bedeuten. Bloße Zweifel an der Richtigkeit der angegebenen Kosten würden durch eine Aufschlüsselung auch nicht beseitigt. Dem Mieter steht ein umfassendes anlassloses Auskunfts- und Belegeinsichtsrecht zu.

Die Entscheidung liegt damit auf der generellen Linie des VIII. Senats des BGH, der die Anforderungen an die formellen Voraussetzungen von Gestaltungserklärungen seit vielen Jahren permanent herunterschraubt. Dabei darf man nicht vergessen, dass Formalien kein Selbstzweck sind. Sie sollen eine bestimmte Funktion erfüllen. Durch Abwägen wird klar, was hierfür formell erforderlich ist. Der Senat hat sich eine kleine „Hintertür“ offengelassen, indem er formuliert hat, dass dies alles „in der Regel gilt“. Keine Regel ohne Ausnahme, nur hat der Senat bisher in keinem Fall entschieden, wo dann doch zu wenige formelle Voraussetzungen vorlagen.

Auswirkungen für die Praxis

Für die Praxis bedeutet es zunächst, dass in der Modernisierungsmieterhöhung weiterhin die aufgewandten Kosten nach den einzelnen Modernisierungsmaßnahmen aufgeschlüsselt werden müssen. Theoretisch kann der Vermieter sogar nach Abschluss jeder einzelnen Modernisierungsmaßnahme hierfür eine Mieterhöhung vornehmen. [5] Entscheidend ist, dass ihm die Kosten für die Maßnahme von den Handwerkern in Rechnung gestellt wurden. Bezahlt müssen die Rechnungen noch nicht sein [6].

Das gilt aber nur für das vorgeschaltete Erhöhungsverfahren. Sollte es zum Streit kommen über die Berechtigung der Mieterhöhung, trifft den Vermieter die Beweislast für die durchgeführten Maßnahmen und die aufgewandten Kosten [7]. Hier müssen dem Gericht dann zumindest für die streitigen Beträge die Kosten geordnet vorgetragen und die Belege vorgelegt werden. Den Vermieter trifft auch die Beweislast dafür, dass es sich nicht um Instandsetzungsarbeiten gehandelt hat und bei modernisierenden Instandsetzungsarbeiten auch hinsichtlich der Aufteilung der Kosten auf den Modernisierungsanteil und den Instandsetzungsanteil. Bei sichtbaren Mängeln muss der Mieter aber darlegen, wo sich welche Schäden befunden haben [8]. Das muss der Vermieter dann widerlegen.

Mieter(-Vertreter) können bei Zweifeln bereits vorprozessual Belegeinsicht verlangen. Ein Anspruch auf Belegübersendung besteht regelmäßig nicht [9]. Belege sind nur die Originalbelege, keine – eingescannten – Kopien [10].

§ 559b BGB: Geltendmachung der Erhöhung, Wirkung der Erhöhungserklärung
(1) Die Mieterhöhung nach § 559 ist dem Mieter in Textform zu erklären. Die Erklärung ist nur wirksam, wenn in ihr die Erhöhung auf Grund der entstandenen Kosten berechnet und entsprechend den Voraussetzungen der §§ 559 und 559a erläutert wird. § 555c Absatz 3 gilt entsprechend.

Literatur


[1] BGH Urt. v. 17.06.2020 – VIII ZR 81/19, NZM 2020, 795.

[2] Dafür LG Bremen WuM 2018, 365; 2019, 450; 2020, 158; 2021, 675; LG Hamburg ZMR 2020, 192; LG Berlin ZMR 2001, 277; Urt. v. 15.12.2020 – 63 S 41/20 (Revision unter VIII ZR 59/21); LG Potsdam WuM 2000, 553; AG Lichtenberg MM 1997, 239; AG Schöneberg GE 1995, 621; dagegen LG Frankfurt a. M. NZM 2022, 420 (421); LG Bonn WuM 2022, 352; WuM 2021, 489.

[3] BGH Urt. v. 20.07.2022 – VIII ZR 361/21, WuM 2022, 542; VIII ZR 339/21, Grundeigentum 2022, 897; VIII ZR 337/21.

[4] BGH Urteile v. 28.09.2022 – VIII ZR 338/21; VIII ZR 336/21; VIII ZR 344/21; VIII ZR 340/21.

[5] BGH Urt. v. 28.04.2021 – VIII ZR 4/20, NZM 2021, 504.

[6] BGH Urt. v. 20.03.2012 VIII ZR 294/11, NZM 2012, 832.

[7] LG Bückeburg WuM 1992, 378; LG Lübeck WuM 1990, 499; LG Braunschweig WuM 1990, 158; LG Berlin MM 1990, 287; LG Hamburg WuM 1988, 168; AG Rostock WuM 1998, 166; AG Wernigerode WuM 1995, 442; AG Tempelhof MM 1994, 285; AG Görlitz WuM 1994, 378; AG Hamburg WuM 1985, 365; AG Dillingen WuM 1982, 300.

[8] BGH Urt. v. 12.03.2003 – VIII ZR 175/02, WuM 2004, 154 (155).

[9] Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl., § 559b BGB Rdn. 21.

[10] BGH Urt. v. 15.12.2021 – VIII ZR 66/20, NZM 2022, 172.

Der Autor


Prof. Dr. Ulf P. Börstinghaus
Bis Mitte 2022 Richter am Amtsgericht. (Mit-)Autor von zahlreichen juristischen Fachbüchern insbesondere des Standardkommentars zum Mietrecht „Schmidt-Futterer“. Mitherausgeber der mietrechtlichen Fachzeitschrift „Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht“ (NZM). Mitbegründer und Ehrenvorsitzender des Deutschen Mietgerichtstages e. V., Dozent an der Deutschen Richterakademie und bei Seminaren für die Anwaltschaft und die Wohnungswirtschaft. Er ist Honorarprofessor an der Universität Bielefeld. Im Jahr 2019 hat der Bundespräsident ihm für seine Verdienste für das Mietrecht das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.

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