Baukosten im sozialen und bezahlbaren Wohnungsbau: Aktuelle Entwicklung

Baukosten im sozialen und bezahlbaren Wohnungsbau: Aktuelle Entwicklung

Kosten & Finanzierung

Baukosten im sozialen und bezahlbaren Wohnungsbau: Aktuelle Entwicklung

Text: Dietmar Walberg | Foto (Header): ©WHO IS DANNY – stock.adobe.com

Der Median der Investitionskosten für Wohnraum in deutschen Großstädten liegt aktuell bei ca. 4.860 €. Besondere Kostentreiber sind strukturell die technischen Anforderungen, die Baulandpreise und regelmäßige zusätzliche, spezifische Standortanforderungen bei innerstädtischen Bauprojekten. Die aktuellen Lieferkettenstörungen, Materialengpässe und die Verteuerung der Energieträger wirken sich jetzt zunehmend kostendynamisierend aus.

Auszug aus:

In mehreren umfassenden Untersuchungen und Umsetzungsbetrachtungen zum bautechnischen und kostenoptimierten Mietwohnungsbau und zu den aktuellen Kostentreibern für den Wohnungsbau in Deutschland hat sich die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e. V. eingehend mit der systematischen Daten- und Baukostenanalyse von fertiggestellten Neubauvorhaben beschäftigt. Darüber hinaus liegt der Schwerpunkt der Bauforschung in der permanenten Beobachtung der Marktsituation im Wohnungsbau hinsichtlich der Bau- und Bauwerkskostenentwicklung sowie der baulichen und qualitativen Standards und deren Angemessenheit.

Der Kostenindex liegt im 3. Quartal 2022 gegenüber dem Bezugszeitpunkt des 1. Quartals 2000 bei 223 Indexpunkten und befindet sich somit um 27 Punkte über dem Baupreisindex. Der Abstand zum Index für die Lebenshaltungskosten liegt mit 73 Punkten noch deutlich höher. Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang auch die vorhandene Differenz des Lebenshaltungskostenindex zum Baupreisindex. Seit den Jahren 2010/2011 entwickeln sich die Baupreise in einer höheren Intensität als die allgemeine Teuerung – seit 2015 mit einer immer stärkeren (beschleunigten) Ausprägung.

Eine Sondersituation stellte der im Betrachtungsjahr 2020 vorhandene „Knick“ in der Indexentwicklung vom 2. Quartal 2020 zum 3. Quartal 2020 dar. Aus dem Knick war ein „U“ geworden, weil tatsächlich im Wesentlichen die kurzfristige Senkung der Mehrwertsteuer diesen Effekt erzeugte. Seit März 2022 dominieren die Auswirkungen des Ukraine- Kriegs die zunehmend dynamischere Kosten- und Preisentwicklung im Wohnungsbau. Für den weiteren Verlauf des Jahres 2023 kann von einer weiter ansteigenden Entwicklung bei den Baupreisen und Baukosten ausgegangen werden.

1 | Entwicklung der Bauwerkskosten im Wohnungsneubau (Destatis-Preisindex/ARGE-Kostenindex, Bezug: TypengebäudeMFH) unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuer im Vergleich zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten; Zeitraum: 1. Quartal 2000 bis 3. Quartal 2022 und Prognose
ABBILDUNG: ARGE EV | DATENQUELLEN: STATISTISCHES BUNDESAMT, CONTROLLING UND DATENARCHIV ARGE EV SOWIE ERHEBUNGEN IM ÖFFENTLICHEN AUFTRAG

2 | Entwicklung der Bauwerkskosten im Wohnungsneubau (ARGE-Kostenindex, Bezug Typengebäude MFH) unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuer, differenziert nach übergeordneten Leistungsbereichen unter Nennung der Baunebenkosten; Zeitraum: 1. Quartal 2000 bis 3. Quartal 2022; Kostenangaben in Euro/m² Wohnfläche
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Technischer Ausbau

Die stärkste Kostenentwicklung ist im Bereich der Bauwerkskosten im technischen Ausbau festzustellen: Gegenüber dem Basisjahr 2000 wird im 3. Quartal 2022 eine Kostensteigerung in Höhe von 247 % deutlich. Auch der konstruktive Bereich des Ausbaus weist eine verhältnismäßig hohe Kostenentwicklung in Höhe von 125 % gegenüber dem Jahr 2000 auf. Dies ist u. a. auf höhere Anforderungen und Ansprüche im Zusammenhang mit der Energieeffizienz, der Barrierefreiheit sowie den sich veränderten Qualitätsansprüchen im Wohnungsbau zurückzuführen. Die niedrigste Kostensteigerung mit 93 % entfällt auf den Rohbau. Hier liegt die Entwicklung zwar über der allgemeinen Teuerung, aber noch unter den Veränderungen bei den Baupreisen.

Die Tatsache einer sich ändernden Verteilung bei den Bauwerkskosten hat nicht nur Einfluss auf die Höhe der Rohbau- und Ausbaukosten. Diese wirkt sich auch auf die Nutzungsdauer von Wohngebäuden aus. Die mittlere Nutzungsdauer von Gebäuden ergibt sich aus den anteiligen Kosten von Bauteilen in Verbindung mit den entsprechenden Nutzungsdauern und der damit verbundenen Ersatzhäufigkeit. Sie liegt heute bei dieser Betrachtungsart eines repräsentativen (Referenz-)Wohngebäudes nur noch bei ca. 36 Jahren.

3 | Entwicklung der Prozentanteile der Einzelgewerke an den Bauwerkskosten im Wohnungsneubau (ARGE-Kostenindex, Bezug Typengebäude MFH) unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuer; Zeitraum: 1. Quartal 2000 bis 3. Quartal 2022; in %
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Zusammenhang zwischen Qualität und Kosten

Die Untersuchungen zeigen, dass die Qualitätsstandards im Hinblick auf die Bauwerkskosten inzwischen ausgereizt sind. Das Bewusstsein der Zusammenhänge zwischen Qualität und Kosten ist eine der fundamentalen Voraussetzungen des bautechnischen und kostenoptimierten Bauens. Bereits bei der Planung ist zu prüfen, ob bestimmte kostenintensive Ausführungen und Ausstattungen in der vorgesehenen Art und Weise notwendig und bedarfsgerecht sind. Diesen Betrachtungen stehen allerdings grundsätzliche Trends bei der aktuellen Nachfrageentwicklung entgegen, die sowohl im Eigentums- als auch im Mietwohnungsbau immer höhere Qualitätsansprüche aufzeigen.

Kostenspanne bei Herstellungskosten

Die vorhandene Kostenspanne bei den Herstellungskosten für den Geschosswohnungsneubau liegt aktuell zwischen ca. 2.880 und ca. 7.334 Euro je m² Wohnfläche (im Median ca. 3.976 Euro) und besitzt in allen deutschen Großstädten eine ähnliche Größenordnung. In den letzten Jahren ist es nachweislich aufgrund ansteigender Anforderungen und Auflagen im technischen Bereich (z. B. Klima‑, Schall‑, Brandschutz) zu einer Verschiebung bei der Baukostenverteilung gekommen: Der Anteil der Ausbaugewerke inklusive der haustechnischen Gewerke an den Kostengruppen 300 und 400 ist vom Jahr 2000 bis heute von 46 % auf 54 % gestiegen.

Dieser Sachverhalt bedeutet allerdings nicht, dass sich die Kosten für die Rohbauerstellung reduziert haben, vielmehr stiegen die Kosten im Bereich Ausbau stärker als im Bereich Rohbau. Speziell die Kostenentwicklung der haustechnischen Ausbaugewerke ist in diesem Zusammenhang überproportional.

4 | Zusammenfassende Darstellung der festgestellten Herstellungskosten in deutschen Großstädten sowie der Grundstückskosten mit prozentualer Aufschlüsselung nach Kostengruppen (Medianwerte); Bezug: Geschosswohnungsneubau; Kostenstand 3. Quartal 2022, Angaben in €/m² Wohnfläche, inkl. Mehrwertsteuer (Bruttokosten)
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5 | Energetische Standards im öffentlich geförderten Wohnungsbau in Schleswig-Holstein von 2013 bis 2022
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Verteilung der Energiestandards

Auf dem deutschen Wohnungsbautag am 17. Februar 2022 stellte der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck die These auf, dass im Wohnungsbau das Effizienzhaus 55 schon längst „Stand der Technik“ sei, die Wohnungswirtschaft es einfach aber nicht bauen würde. Ein Blick in das Segment des bezahlbaren Wohnraums über die Verteilung der unterschiedlichen Energiestandards in den letzten neun Jahren zeigt, dass diese These falsch ist. In dem Segment, wo die unmittelbare Auswirkung der technischen Standards auf die Kaltmiete scharf kalkuliert werden muss, dominieren die Energiestandards, die sich in der Nähe der Mindestanforderung des Gebäude-Energiegesetzes bewegen. Erst im ersten Halbjahr 2022 kam es zu einem sprunghaften Anstieg des Effizienzhauses 55, weil kurzfristig erstmals Zuschussmittel der KfW im Geschosswohnungsbau eingesetzt werden konnten, diese stehen jetzt nicht mehr zur Verfügung. Das Effizienzhaus 40 spielt nur eine marginale Rolle in diesem Segment, Tendenz eher sinkend.

Die Wirtschaftlichkeitsgrenze bei der Optimierung des einzelnen Gebäudes ist demnach bereits erreicht. Dies alles zeigen die Untersuchungen, die sich mit dem realistischen Betrieb von Gebäuden befassen und die für die Errichtung dieser Gebäude und seiner Anlagentechnik notwendigen Investitionen miteinander in ein entsprechendes Verhältnis setzen. Auf weitere ordnungsrechtliche Vorgaben zur energetischen Optimierung von Gebäuden auf Basis der bisherigen (Einzelgebäude-)Logik ist somit grundsätzlich zu verzichten. Es ist deshalb naheliegend, die Optimierung des Einzelgebäudes an den „anerkannten Regeln der Technik“ und dem wirtschaftlich Machbaren zu orientieren. Im weitgehenden Konsens mit den wichtigsten Verbänden der Bau- und Wohnungswirtschaft und der Architekten- und Ingenieurschaft gilt, dass der energetische Standard für Gebäude, etwa im Bereich der Grundanforderungen der derzeit gültigen Energieeinsparverordnung bis hin zum sog. „Effizienzhaus 70“, als das technisch und wirtschaftlich Machbare, mithin also als „anerkannte Regel der Technik“ angesehen wird und auch als ausreichender Standard in Bezug auf die Erreichung der Klimaneutralität 2045 festzustellen ist.

Eine weitere Optimierung muss daher in einem anderen Maßstab und unter einem erweiterten Blickwinkel stattfinden. Die rechnerische Bilanzgrenze muss vom einzelnen Gebäude über die angrenzenden baulichen Zusammenhänge hinaus bis hin zum Quartier und dessen Potenzialen ausgedehnt werden.

Quellen/Literatur


[ARGE 2022c]
Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e. V. (Hrsg.): Walberg, Dietmar; Gniechwitz, Timo; Schulze, Thorsten; Herrmann, Joachim; Kempe, Markus; Paare, Klaus: „Hamburger Baukosten 2022 – Fortschreibung des Basisgutachtens (2017) und der Folgegutachten (2019/2021) zum Thema Baukosten in Hamburg: Feststellung der momentanen Baukostensituation in Hamburg sowie Analyse der aktuellen Baupreis- und Baukostenentwicklung einschließlich einer entsprechenden Prognose bis 2023 sowie Darstellung der hieraus resultierenden Auswirkungen, insbesondere auf die Herstellungskosten in Hamburg“; Bauforschungsbericht Nr. 85, Kiel, 12/2022

[ARGE 2022b]
Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e. V. (Hrsg.): Walberg, Dietmar; Gniechwitz, Timo: „Wohngebäudebestand des BFW Bundesverbande Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen e. V. – Energetischer und klimaschutzrelevanter Zustand im Jahr 2020“; Kurzbericht, Bauforschungsbericht Nr. 83, Kiel, 11/2022

[ARGE 2022a]
Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e. V. (Hrsg.): „684. Baugespräch: Zukunft Wohnen, Bauen, Arbeiten – Lernen aus der Krise“; Mitteilungsblatt Nr. 262; Kiel, 02/2022

[ARGE 2022]
Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e. V. (Hrsg.): Walberg, Dietmar; Gniechwitz, Timo; Paare, Klaus; Schulze, Thorsten: „Wohnungsbau: Die Zukunft des Bestandes – Studie zur aktuellen Bewertung des Wohngebäudebestands in Deutschland und seiner Potenziale, Modernisierungs- und Anpassungsfähigkeit“; Bauforschungsbericht Nr. 82, Kiel 02/2022

[ARGE 2021b]
Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e. V. (Hrsg.): Walberg, Dietmar; Gniechwitz, Timo: „Energiebedarf und tatsächlicher Energieverbrauch bei Wohngebäuden – Verbrauchsbenchmarks für Intervalle des Norm-Energiebedarfs“, Arbeits- und Informationsblatt Nr. 24, Kiel 05/2021

[ARGE 2021a]
Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e. V. (Hrsg.): Walberg, Dietmar; Kempe, Markus: „Gutachten: Berechnung von Typengebäuden in Kiel – Kosten und Maßnahmen bei Neubau und Modernisierung mit und ohne Fernwärmeversorgung“; Bauforschungsbericht Nr. 80, Kiel, 03/2021

[ARGE 2021]
Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e. V. (Hrsg.): Walberg, Dietmar; Gniechwitz, Timo; Schulze, Thorsten; Herrmann, Joachim; Kempe, Markus: „Hamburger Baukosten 2021 – Fortschreibung des Basisgutachtens (2017) und des Folgegutachtens (2019) zum Thema Baukosten in Hamburg: Feststellung der momentanen Baukostensituation in Hamburg sowie Analyse der aktuellen Baupreis- und Baukostenentwicklung einschließlich einer entsprechenden Prognose bis 2021 sowie Darstellung der hieraus resultierenden Auswirkungen, insbesondere auf die Herstellungskosten in Hamburg“; Bauforschungsbericht Nr. 81, Kiel, 02/2021

[ARGE 2020]
Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e. V. (Hrsg.): Walberg, Dietmar; Gniechwitz, Timo: „Bezahlbarer Wohnraum 2021: Herausforderungen – Belastungen – Notwendigkeiten – Potenziale“, Kurzgutachten im Auftrag des Verbändebündnisses „Soziales Wohnen“, Kiel Dezember 2020

[ARGE 2015]
Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e. V. (Hrsg.): Walberg, Dietmar; Gniechwitz, Timo; Halstenberg, Michael:  Kostentreiber für den Wohnungsbau – Untersuchung und Betrachtung der wichtigsten Einflussfaktoren auf die Gestehungskosten und die aktuelle Kostenentwicklung von Wohnraum in Deutschland“; Bauforschungsbericht Nr. 67, Kiel 04/2015

[ARGE 2014]
Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e. V. (Hrsg.): Walberg, Dietmar; Gniechwitz, Timo; Schulze, Thorsten; Cramer, Antje: „Optimierter Wohnungsbau – Untersuchung und Umsetzungsbetrachtung zum bautechnisch und kostenoptimierten Wohnungsbau in Deutschland“; Bauforschungsbericht Nr. 66, Kiel 08/2014

Der Autor


Dipl.-Ing. Architekt Prof. Dietmar Walberg
Seit 2010 ist Dietmar Walberg Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e. V. Er ist an diversen Veröffentlichungen zu bautechnischen und bauwirtschaftlichen Themen beteiligt und u. a. Mitglied im Lenkungsgremium Grund- und Planungsnormen NA Bau beim Deutschen Institut für Normung (DIN) sowie wissenschaftliche Unterstützung der Bundesregierung zu den Aktivitäten zur Baukostensenkung (mit INWIS)/BBSR/BMI.

Die ARGE//eV – Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e. V. mit Sitz in Kiel ist Wohnungsbauinstitut des Landes Schleswig-Holstein und (dienstälteste) Bauforschungseinrichtung für die Bundesrepublik Deutschland. Die ARGE//eV hat ca. 460 Mitglieder aus allen Bereichen des Bau- und Wohnungswesens. Alle relevanten Fachverbände der Bauwirtschaft, Architekten, Ingenieure, Wohnungswirtschaft, Kommunen, Industrie und des Handwerks sind Mitglied der ARGE//eV und bilden seit 1946 ein einzigartiges und unabhängiges Kompetenznetzwerk des Bauwesens mit eigener Verlagstätigkeit.

www.arge-sh.de

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