Ladeinfrastruktur im Bestand: Mobilitätswende im Wohnungsbau

Ladeinfrastruktur im Bestand: Mobilitätswende im Wohnungsbau

Energie, Technik & Baustoffe

Ladeinfrastruktur im Bestand: Mobilitätswende im Wohnungsbau

Text: Emil Pabst | Foto (Header): © VEOMO CONSULTING GMBH

Wohn- und Mobilitätsinfrastruktur sind eng miteinander verknüpft, denn sie beeinflussen, wie und mit welchen Verkehrsmitteln Wege zurückgelegt werden. Doch wie lässt sich ein ganzheitliches Mobilitätskonzept im Bestand integrieren und strategisch sinnvoll auf die Zukunft ausrichten? Eine Idee gibt das Beispiel der Allbau GmbH aus Essen.

Auszug aus:

Angesichts des globalen Klimawandels und der ambitionierten Dekarbonisierungsziele der Bundesregierung gewinnt die Mobilitätswende im Verkehrssektor zunehmend an Bedeutung. Denn Mit rund 148 Mio. t CO2-Äquivalenten im Jahr 2022 trägt der Verkehrssektor maßgeblich zu den Treibhausgasemissionen bei [1]. Um die gesetzten Klimaziele zu erreichen, müssen diese Emissionen schnell und deutlich reduziert werden [2]. Die Förderung der Elektromobilität und der Ausbau der notwendigen Ladeinfrastruktur spielen dabei eine zentrale Rolle.

Wohn- und Mobilitätsinfrastruktur sind eng miteinander verknüpft, da sie maßgeblich beeinflussen, wie und mit welchen Verkehrsmitteln Wege zurückgelegt werden [3]. Wohnungsunternehmen tragen daher eine besondere Verantwortung in der Mobilitätswende. Zukunftsfähige Mobilitätsangebote am Wohnstandort zu schaffen, die eine nachhaltige und emissionsarme Fortbewegung ermöglichen, ist nur eine mögliche Maßnahme. Ein ganzheitliches Mobilitätskonzept mit bedarfsgerechten und nachhaltigen Mobilitätsangeboten am Standort trägt nicht nur zur Erreichung der Klimaziele bei, sondern verbessert auch die Lebensqualität der Mieter und damit langfristig die Renditeziele.

Chancen für Wohnungsunternehmen

Die Bereitstellung von Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge eröffnet Wohnungsunternehmen vielfältige Chancen und trägt entscheidend zur Attraktivitätssteigerung ihrer Bestände bei. In einer Zeit, in der die Elektromobilität stark an Bedeutung gewinnt, werden Ladestationen zu einem begehrten Merkmal für Mieter. Studien zeigen, dass bis 2030 ein Großteil der Ladevorgänge zu Hause stattfinden wird, was die Nachfrage nach entsprechender Infrastruktur weiter vorantreibt [4]. Für den Allbau als größten Wohnungsanbieter in Essen bietet sich durch die Integration von Ladeinfrastruktur die Chance, sich als Vorreiter einer nachhaltigen Stadtentwicklung zu positionieren und gleichzeitig die Lebensqualität in ihren Quartieren zu steigern. Somit können bestehende Wohnimmobilien aufgewertet und die Zufriedenheit der Mieter gestärkt werden. Dies führt zu einer geringeren Fluktuation, stabilen Mieteinnahmen und Einsparungen bei den Verwaltungskosten. Für den Allbau ist die Umsetzung dieser Maßnahmen nicht nur ein wichtiger Schritt, um ökonomische, soziale und ökologische Ziele in Einklang zu bringen, sondern auch den Bestand langfristig weiterhin attraktiv zu gestalten. Ganz im Sinne des Leitmotivs des Allbaus „Lebensräume schaffen, Stadtraum gestalten und Engagement fördern“.

1 | Das Selbstverständnis der Allbau – Beschleuniger der Mobilitätswende
ABBILDUNG: VEOMO CONSULTING GMBH

2 | Methodisches Vorgehen – Überblick
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Herangehensweise

Der Allbau stand zu Beginn vor der Herausforderung, dass der Weg zur Integration von Ladeinfrastruktur in den Wohnungsbestand unklar war. Um dieses Hemmnis zu überwinden und eine Basis für weitere Schritte zu schaffen, wurde VEOMO als erfahrener Ansprechpartner für die Integration von Mobilität in Immobilien mit der Durchführung eines ersten Workshops beauftragt. Eine erste Aufgabe bestand darin, gemeinsam den Status quo zu erfassen und eine klare Vision für die zukünftige Ladeinfrastruktur zu entwickeln. Hierfür wurde die Delta-Workshop-Methode angewandt, bei der gezielt die Unterschiede zwischen dem Ist- und dem Soll Zustand identifiziert und analysiert werden. Ergebnis waren Arbeitspakete, die als Grundlage für die weitere Zusammenarbeit dienten. In deren Rahmen wurde ein interdisziplinäres Team von Experten aus den Bereichen Mobilität, Technologie und Property Management zusammengestellt. Das Ziel: Eine belastbare, aber auch flexible Strategie zu entwickeln, wie der Allbau seinen Bestand zukünftig fit für E-Mobilität machen kann.

Strategieentwicklung

Durch strukturiertes Brainstorming wurde eine systematische Strategie entwickelt, die technologische, soziale, ökologische und ökonomische Aspekte zu einem robusten und doch anpassungsfähigen Leitfaden integrierte. Das Team entwickelte einen ganzheitlichen Prozess, der gezielt Ladepotenziale im Bestand identifiziert und eine strukturierte und bedarfsgerechte Umsetzung von Ladeinfrastruktur im individuellen Bestandsobjekt ermöglicht. Der Prozess beginnt mit einem Quartierscheck, um die spezifischen Potenziale für die Umsetzung von Ladeinfrastruktur im jeweiligen Quartier zu ermitteln. Berücksichtigt werden sowohl interne als auch externe Kennwerte, Mieterbefragungen und technische Prüfungen vor Ort. Zukünftige Ladebedarfe und -bedingungen sowie erste technische Anforderungen an die Ladeinfrastruktur fließen ebenfalls ein. Dabei werden auch langfristige Planungen der Klimaschutzabteilung des Allbaus einbezogen, um einerseits Synergien zu nutzen und andererseits mögliche Maßnahmen frühzeitig abzustimmen. Ein positives Ergebnis der Quartiersuntersuchungen bildet so die Voraussetzung für die Auswahl eines Quartiers, worauf weitere Ressourcen zur Verfügung gestellt werden können, um detaillierter in die Planungen einzusteigen. Die Planungen beinhalten ein spezifisches Ladekonzept, das relevante Soft- und Hardwarekomponenten, eine schematische Grobplanung sowie eine grobe Kostenschätzung enthält. Hierbei werden auch die technischen Anforderungen weiter spezifiziert. Das Konzept wird den Entscheidungsträgern vorgestellt und unter strategischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten bewertet. Bei positiver Entscheidung folgt die Umsetzung, andernfalls werden die bisherigen Schritte überprüft und überarbeitet. Während der Umsetzung wird der Prozess durch eine kontinuierliche Validierung iterativ angepasst, um mit den gewonnenen Erkenntnissen sowohl den Prozess als auch die Infrastruktur selbst zu optimieren. Das Resultat dieses Prozesses ist ein dauerhafter Leitfaden für die bedarfsgerechte Implementierung von Ladeinfrastruktur im gesamten Allbau Bestands.

Details zum Vorgehen

INTERNE DATENERHEBUNG

Der Erfolg eines jeden Projekts steht und fällt mit der Datengrundlage. Hierfür hat der Allbau im ersten Schritt eine umfassende Datensammlung und -auswertung initiiert. Die Daten umfassen den Gesamtbestand von mehr als 18.000 Wohneinheiten inkl. aller vermieteten und unvermieteten Stellplätze der Allbau sowie die öffentlichen Stellplätze im Straßenraum rund um den eigenen Bestand. Diese Daten wurden anschließend den jeweiligen Quartieren zugeordnet und in Cluster zusammengeführt. Diese strukturierte Datenerhebung bildete die Grundlage für die weitere Analyse durch VEOMO.

EVALUIERUNG DES LADEINFRASTRUKTURBEDARFS

Die Cluster in den unterschiedlichen Stadtteilen Essens wurden umfassend auf Bebauungsdichte, Zentralität, Bevölkerungsdichte, Altersverteilung, ökonomischen Status und ÖPNV Angebot analysiert. Weiterhin wurden mobilitätsbezogene Entwicklungen wie die Prognose des Elektrofahrzeugbesitzes für die Jahre 2025 und 2030 erarbeitet und um die erwarteten Ladebedarfe der Fahrzeuge ergänzt. Dadurch entstand ein detailliertes Bild des Mobilitätsverhaltens in den Quartieren, der Einstellung der Bewohner zur E-Mobilität sowie des prognostizierten Ladebedarfs. Aufbauend auf die entwickelten Stadtteil-Strategien die aus den generellen soziodemografischen Kennzahlen abgeleitet wurden, konnten quartiersindividuelle Konzepte entwickelt werden, die verschiedene mögliche Ansätze wie rein private Ladelösungen, öffentliche Ladepunkte oder privat-kommunale Lösungen umfassen. Die Wahl der geeigneten Umsetzung im Cluster hängt dabei entscheidend von den spezifischen Ausprägungen der einzelnen Indikatoren ab. Diese wurden mithilfe einer eigens aufgestellten Bewertungsmatrix nach Auswirkungsgrad auf die optimalen Ladelösungen kategorisiert. Hierbei ist die frühzeitige Einbindung externer Partner in Form von Ladelösungsanbietern relevant und notwendig. Diese umsetzungsorientierte Arbeitsweise ist Kern von VEOMO und wird unterstützt durch das eigens aufgebaute Network of Excellence.

3 | Methodisches Vorgehen der Quartiersanalyse Detail I, Beispiel Altendorf
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4 | Methodisches Vorgehen der Quartiersanalyse Detail II,
Beispiel Altendorf

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Ergebnis

Das Team hat in diesem Projekt Herausragendes geleistet und gezeigt, wie durch engagierte Zusammenarbeit und innovative Ansätze zukunftsweisende Lösungen entstehen. Der Allbau nimmt damit eine echte Vorreiterrolle in der Wohnungswirtschaft ein und setzt neue Maßstäbe für eine nachhaltige und zukunftsfähige Bestands- und Immobilienentwicklung. Alle Ergebnisse der Untersuchungen und Workshops wurden in einem Strategiepapier zusammengefasst, das als Leitfaden für den Umgang mit Ladeinfrastruktur im Wohnungsbestand des Allbaus dient. Neben einer allgemeinen Einführung und aktuellen Kennzahlen zur Antriebs- und Mobilitätswende enthält das Papier einen auf den Allbau zugeschnittenen Prozessleitfaden, wie der Umgang mit der Ladeinfrastruktur den Wohnungsbestand zukünftig fit für die Elektromobilität macht. In der weiteren Zusammenarbeit beider Unternehmen wird neben kleineren Pilotprojekten das Thema E-Mobilität beim Allbau nach Strategie ganzheitlich angegangen und bearbeitet.

Appell

Mobilität stellt angesichts wachsender Urbanisierung und sich wandelnder gesellschaftlicher Bedürfnisse eine bedeutende Herausforderung dar. Gleichzeitig bietet sie der Immobilienbranche die Chance, aktiv positive Veränderung mitzugestalten und für sich Werte zu schöpfen. Im Rahmen der Entwicklung von Lebensräumen trägt die Immobilienbranche eine Verantwortung für die Bereitstellung attraktiver Mobilitätsangebote. Durch innovative Ansätze kann die Branche dazu beitragen, nachhaltige Mobilitätslösungen zu fördern, die nicht nur ökologische und ökonomische Aspekte berücksichtigen, sondern vor allem die Bedürfnisse des Menschen in den Mittelpunkt stellen. Das bildet die Grundlage für einen Mobilitätswandel und ermöglicht damit nachhaltige und lebenswerte Räume für heutige und kommende Generationen.

Quellen


[1] Umweltbundesamt (2023). Verkehr – Entwicklung von quartalsbezogenen Indikatoren zu den Treibhausgas-Emissionen des Verkehrs im Jahr 2023.

[2] Bundesregierung (2022). Klimaschutzgesetz: Generationenvertrag für das Klima.

[3] VCD (2023). Intelligent mobil im Wohnquartier: Handlungsempfehlungen für die Wohnungswirtschaft und kommunale Verwaltungen.

[4] Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur (2020). Ladeinfrastruktur nach 2025/2030. Studie im Auftrag des BMVI. now GmbH.

Der Autor


Emil Pabst
Emil Pabst ist Geschäftsleiter und Prokurist der VEOMO Consulting GmbH, einem führenden Unternehmen für Mobilitätsberatung in der Immobilienbranche. Mit seinem Team entwickelt er umsetzungsorientierte und ganzheitliche Mobilitätskonzepte, die auf die Bedürfnisse von Projektentwicklern, Bestandshaltern, kommunalen Wohnungsunternehmen sowie Städten und Kommunen abgestimmt sind. Sein Ziel ist es, Mobilität als zentralen Bestandteil in die Planung und den Bau neuer Immobilien zu integrieren, um die Lebensqualität in urbanen Räumen nachhaltig zu steigern.
www.veomo.com

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