Energie, Technik & Baustoffe
Wohnbau mit textilem Sonnenschutz: Baugemeinschaftsprojekt in Berlin
Text: Susanne Scharabi und Farid Scharabi | Foto (Header): © Jan Bitter
Zwischen Georgen-Parochial-Friedhof und Volkspark Friedrichshain liegt das gemeinschaftliche Bauprojekt „Walden 48“ mit 43 Wohnungen. Das 60 Meter lange Gebäude wurde in reiner Holzbauweise mit starkem Anteil an sichtbaren Holzoberflächen und -fassaden entwickelt.
Auszug aus:
QUARTIER
Ausgabe 1.2021
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Inhalte des Beitrags
Das Gebäude reagiert sowohl auf die denkmalgeschützten Bereiche des Friedhofs als auch auf die Situation an der viel befahrenen Landsberger Allee. Straßenseitig springt der zweigeschossige Sockel hinter die historische Friedhofsmauer zurück, während der Wohnriegel mit Schieferfassade darüber zu schweben scheint. Einige der locker angeordneten Fenster treten aus der Fassadenebene der Lochfassade hervor.
Zum parkähnlichen Friedhofsgelände hin öffnet sich das Haus mit tiefen Loggien, die einen großen Beitrag zur Aufenthaltsqualität leisten und den Schottenbau ablesbar machen. Die Gartenfassade und das Staffelgeschoss sind mit einer naturbelassenen Lärchenschalung versehen.
Im Erdgeschoss und auf dem Dach wurden großzügige Gemeinschaftsflächen angeordnet. Das Erdgeschoss und 1. Obergeschoss verbinden zudem Maisonette-Wohnungen. Auf Wunsch der Bewohner wurde im Kellergeschoss ein Fahrradparkhaus vorgesehen.
Das Gebäude mit 7.000 m² Brutto-Geschossfläche ist ab der Kellerdecke weitestgehend in Massivholzbauweise mit sichtbaren Holzoberflächen ausgeführt. Auch die Aufzugschächte sowie sämtliche Treppenläufe sind aus Massivholz. Die Geschossdecken wurden als Holzbetonverbunddecken und lediglich die Treppenhaus- und Brandwände in rein mineralischer Bauweise, in Stahlbeton, ausgeführt. Eine Deckenspannweite von 7,20 m und Raumtiefen von bis zu 13 m ermöglichen flexible Grundrisse, die nach den individuellen Vorstellungen der Bauherren realisiert wurden.
Die Außenwände wurden hochwärmedämmend in Holzrahmenbauweise ausgeführt. Als Dämmung wurde eine Holzfaserdämmung verwendet. Zur Straße wurde das Ständerwerk aus Schallschutzgründen zweischichtig ausgeführt. Die graugrünen Schieferplatten als gezogene Deckung ab dem 2. Obergeschoss der Straßenfassade und Westfassade haben als Unterkonstruktion eine Rauspundschalung. Die dahinterliegende Holzunterkonstruktion bildet die Hinterlüftungsebene, bei der aus Brandschutzgründen sog. Brandriegel ausgeführt wurden, um den möglichen Kamineffekt einer hinterlüfteten Fassade im Brandfall zu unterbinden.
Auf der Südfassadenkonstruktion ist die Fassadebekleidung aus Lärchenholz durch die Balkondecken unterbrochen und damit der Brandschutz gewährleistet. Die Holzbekleidung aus unbehandeltem Lärchenholz als Nut- und Federkonstruktion wird gestalterisch unterschiedlich ausgeführt. Im Bereich Erdgeschoss Hof- und Westfassade und im Staffelgeschoss bietet sie eine eher grobe Anmutung aus unterschiedlich breiten Holzbohlen. Die geschützteren Bereiche der Loggien und des überdachten Erdgeschosses zur Straße erhielten eine regelmäßige Holzbohlenbreite.
Es wurde von den Architekten ein Farbkonzept ausgehend von den Naturbaustoffen Schiefer und Holz entwickelt und auf sämtliche Metallbauteile wie Geländer, Fassadenbleche sowie die Aluprofile der Fenster angewendet. Die Fenster auf der Nord- und Westfassade sind Holz-Aluminiumkonstruktionen. Diese Fenster sind überwiegend als Doppelkastenfenster ausgeführt. Aus gestalterischen Gründen wurden zur Straße auch einige Fenster als aus der Fassadenebene hervortretende Erkerfenster, bestehend aus einer großen Festverglasung und einem kleinen Öffnungsflügel, ausgebildet. Nach innen bilden diese Fenster Sitznischen mit tiefen Holzleibungen aus. Auf der Südfassade sind sämtliche Fenster bodentief als reine Holzfenster, lasiert ausgeführt. Die Anordnung dieser Fenster sowie deren Elementbreite konnte von den Bewohnern individuell bestimmt werden.
Der außen liegende Sonnenschutz, eine schienengeführte Senkrechtmarkise, wurde im Bereich der Loggien in der äußersten Fassadenebene angeordnet. So entsteht bei heruntergelassenen Screens auf den Loggien ein sehr privater Freiraum, der von außen nicht einsehbar ist, während die Screens den Blick von innen nach außen ermöglichen. Die Südfassade erhält durch das Spiel der unterschiedlich heruntergelassenen Markisen eine starke Lebendigkeit.
Auch im Bereich Brandschutz setzt das Gebäude in Verbindung mit seinen sichtbaren Holzkonstruktionen und dem vollständigen Verzicht auf Gipsbekleidungen (Kapselungen) einen Meilenstein. So wurden zugleich die positiven Eigenschaften des Holzes erlebbar gemacht, das Bauen vereinfacht und die Kosten reduziert. Auf Sprinkleranlagen konnte verzichtet werden, da die Holzkonstruktion auf Abbrand bemessen wurde.
Im Vergleich zu einer konventionellen Bauweise konnte die Bauzeit um etwa drei Monate verkürzt werden. Ebenso punktet das Holzgebäude mit einer geringen Bautiefe der Fassaden, was eine höhere nutzbare Netto-Grundfläche zur Folge hat. Durch die energieeffiziente Holzbauweise zusammen mit einem nachhaltigen Energiekonzept inkl. Erdwärmepumpe wird der KfW 55-Standard erreicht. Der Baustoff Holz sorgt zudem für ein gesundes Raumklima und speichert darüber hinaus ca. 1.500 t CO² im Gebäude.
Das Gebäude wurde als Finalist beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis Architektur 2021 ausgezeichnet.
Projektdetails
Architekten Scharabi Architekten in Arbeitsgemeinschaft mit Anne Raupach, Fehrbelliner Straße 91, 10119 Berlin Scharabi Architekten, www.scharabi.de Architekturbüro Anne Raupach, www.anneraupacharchitektur.de |
Anzahl der Wohnungen 43 |
Baukosten brutto (KG 300 + KG 400)/m² 1.640 € / m² BGF |
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Bauherr Baugemeinschaft Walden 48 GbR |
Bauweise Holzmassivbau |
Holzbau Rubner Holzbau |
Primärenergiebedarf 33,64 kWh/(m² · a) (KfW 55-Standard) |
Standort Landsberger Allee 48, 10249 Berlin-Friedrichshain |
Spez. Transmissionswärmeverlust 0,35 W/(m² · K) |
Fertigstellung 1/2020 |
Endenergiebedarf 25,19 kWh/(m² · a) |
Wohnfläche insgesamt 4.065 m² |
Energieversorgung Wärmepumpe und ergänzende Gastherme |
Geschossfläche 7.000 m² BGF |
Mitarbeit Susanne Scharabi, Farid Scharabi, Anne Raupach, Friederike Maurer, Frank Schönfeld, Francisco Torres Rojas, Alon Axelrod, Liron Master |
Die Autoren
Susanne Scharabi
Farid Scharabi
Susanne und Farid Scharabi haben an der TU Darmstadt studiert und führen seit 2000 das Büro Scharabi Architekten in Berlin. Das Büro hat einige Pionierbauten im urbanen Holzbau umgesetzt und dafür zahlreiche Auszeichnungen erhalten.
www.scharabi.de