Wohnanlage mit abgasfreiem Heizkraftwerk: Fossilfrei heizen in Bielefeld

Wohnanlage mit abgasfreiem Heizkraftwerk: Fossilfrei heizen in Bielefeld

Energie, Technik & Baustoffe

Wohnanlage mit abgasfreiem Heizkraftwerk: Fossilfrei heizen in Bielefeld

Text: Lars Esser-Carius | Foto (Header): © AMANDLA/MATTHIAS SCHRUMPF

Im neuen Stadtquartier Grünheide hat jetzt Bielefelds größtes abgasfreies Heizkraftwerk in einer Wohnanlage seinen Betrieb aufgenommen. Ab sofort liefern Umweltwärme aus der Luft sowie Sonnen- und Windenergie Heizung und Warmwasser für 100 neue Wohnungen. Im Endausbau des von der Amandla International GmbH projektierten Grünheide-Quartiers im Stadtbezirk Mitte sollen es 400 sein.

Auszug aus:

Das von dem Bielefelder Ingenieurbüro Reich + Hölscher TGA Planer GmbH entwickelte Versorgungskonzept ist technisch anspruchsvoll, aber angesichts von Klimakrise und Energiekosten Explosion ebenso nachhaltig wie zukunftssicher. Denn es verzichtet konsequent und komplett auf die Nutzung fossiler Energieträger: Die Wärme wird über vier in Kaskade geschaltete Wärmepumpen aus der Umgebungsluft gewonnen. Strom für den Betrieb liefern eine große PV-Anlage sowie Windräder rund um Bielefeld.

Wärme aus der Umgebungsluft

Anlagen wie Verdichter, Wärmetauscher und Speicher sind in einer zweistöckigen Energiezentrale untergebracht. Von dort aus werden die Speicher in den angeschlossenen Gebäuden über ein wasserführendes Niedertemperatur-Nahwärmenetz (45 °C) versorgt. Für die Fußbodenheizungen der gut gedämmten und überwiegend im Energiestandard KfW40+ gebauten Wohnungen reicht das Temperaturniveau vollkommen aus. Lediglich das Brauchwarmwasser für Küchen und Bäder wird im jeweiligen Gebäude elektrisch auf die erforderlichen 65 °C nacherhitzt.

1 | Herzstück der CO₂-freien Energieerzeugung im Bielefelder Wohnquartier: vier große Rückkühler auf dem Dach der Energiezentrale, die der Umgebungsluft Wärme entziehen.
FOTO: AMANDLA/MATTHIAS SCHRUMPF

Strom aus Sonne und Wind

90% der elektrischen Energie, die die Heizzentrale für ihren Betrieb benötigt, wird durch PV-Anlagen auf den Dächern der angeschlossenen Gebäude erzeugt. Der Rest des Energiebedarfs wird durch den Zukauf von regional erzeugtem Ökostrom abgedeckt. Vor Ort arbeiten 1.700 Photovoltaik-Module auf den Dächern der umliegenden Mehrfamilienhäuser; 21 Batteriespeicher sind in der Lage, bis zu 55 MWh Strom pro Jahr zu puffern.

Wärmetransport über wasserführendes Netz

Die Energiezentrale der Grünheide steht für kürzeste Wege zwischen Erzeugung und Nutzung mitten im Quartier. Sie ist Teil eines Mehrfamilienhauses mit 13 Wohnungen unter der Adresse Dr.-Maria-Stemme-Straße 3. Im einem 200 m² großen Kellerteil des Gebäudes arbeiten die Verdichter der Wärmepumpen (720kW Leistung, Wärmeerzeugung 964 MWh/a). Dort steht auch der mit 25.000l größte Zentralspeicher für Warmwasser, von dem aus die 32 deutlich kleineren Warmwasserspeicher in den angeschlossenen Häusern gespeist werden.

Rund 930 Tonnen weniger CO₂ pro Jahr

Der Bau des Nahwärmenetzes ist vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit rund 1,35 Mio. Euro gefördert worden. Wichtigster Effekt dieser innovativen Art der regenerativen Energieversorgung ist eine CO₂-Einsparung von knapp 930t/a. Freuen wird sich nicht nur die Umwelt, sondern auch die derzeitigen und künftigen Bewohner der Grünheide: Sie profitieren in Zeiten immer weiter steigender Energiepreise dauerhaft von niedrigen Betriebskosten.

Komfort und Nachhaltigkeit vereint

Betreiber des Umweltwärme-Kraftwerks ist die Grünheide Energie GmbH (Unna), die auch die Kosten für die Wärmebereitstellung mit den Mietern oder Vermietern abrechnet. Geschäftsführer Lars Esser-Carius freut sich: „Mit der Inbetriebnahme unserer Energiezentrale erreichen wir das Ziel der Grünheide-Projektentwicklung, Qualität, Wirtschaftlichkeit und Komfort mit Nachhaltigkeit und Ökologie unter einen Hut zu bringen.“

Endausbau in eineinhalb Jahren

Die Anschlüsse für weitere neue Mehrfamilienhäuser sind bereits vorhanden. Bisher wurden 100 Wohneinheiten in dem 8ha großen Wohnquartier bezogen. Im August werden die nächsten 50 Einheiten bezugsfertig sein und mit dem Bau von weiteren 123 Wohnungen wurde begonnen. Diese werden wie auch eine Kita voraussichtlich bis Ende 2026/Anfang 2027 an die Energiezentrale angeschlossen.

Weitere Informationen im Internet unter www.gruenheide-bielefeld.de

Der Autor


Lars Esser-Carius
„Bauherren brauchen Mut zu neuen Lösungen“
Ohne die Hartnäckigkeit von TGA-Planer Michael Kapke, Chef des Bielefelder Ingenieurbüros Reich + Hölscher, hätten sich die Projektentwickler der Grünheide fast für eine konventionelle Wärmeversorgung mittels Fernwärme entschieden. Das berichtete Jetzt Lars Esser-Carius, sowohl Geschäftsführer des Bauherrn Amandla International GmbH wie auch des Umweltkraftwerk-Betreibers Grünheide Energie GmbH: Die Entscheidung stand 2019 an, weit vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine und der damit verbundenen Energiekrise.

Esser-Carius: „Heute sind wir dankbar, dass Michael Kapke uns den Weg zur Nutzung der Umweltwärme geöffnet hat.“ Der Mut, neue Wege zu gehen, hätte die Projektentwickler auch gezwungen, ihre Komfortzone zu verlassen. Auf das Ergebnis könnten neben Michael Kapkes Team von Reich + Hölscher auch die anderen Mitwirkenden wie die Mannschaften von Koch + Thüner aus Herford (Installation der Versorgungstechnik), von Heck Kältetechnik aus Steinfeld (Bau der Rückkühler), von Schröder und Partner (Elektroplanung) und der Landwehr GmbH aus Bünde (Elektroinstallation) Stolz sein, ergänzte der Bauherrn-Vertreter.

Esser-Carius erinnerte daran, dass man als Bauherr in der Entscheidungsphase viele schlaflose Nächte gehabt habe. Und heute sei man sehr froh, so etwas Wegweisendes wie Bielefelds größtes Umweltkraftwerk für ein Wohnquartier geschaffen zu haben. Er wünschte auch anderen Bauherren mehr Mut, auf die Nutzung von Umweltenergie zu setzen, statt weiterhin konventionelle Energien zu nutzen.

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