Energie, Technik & Baustoffe
Trittschalldämmung und tieffrequente Geräuschimmissionen: Schallschutz im Holzbau
Text: Birger Gigla | Foto (Header): © PHOTO 5000 – stock.adobe.com
Bauakustische Messungen im Holzbau zeigen, dass die Anforderungen an die Trittschalldämmung, aber auch der Schutz gegen Außenlärm und gegen Lärm von gebäudetechnischen Anlagen in der Praxis immer wieder nicht erreicht werden. Insbesondere die häufig als störend empfundenen tieffrequenten Geräuschimmissionen können jedoch mit einigen gezielten Maßnahmen begrenzt werden.
Auszug aus:
QUARTIER
Ausgabe 1.2022
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Inhalte des Beitrags
In zunehmendem Maße werden Mehrfamilienhäuser oder gemischt genutzte Gebäude in Holzbauweise errichtet. Hierbei ist die Einhaltung der Mindestanforderungen an den Schallschutz zwischen unterschiedlichen Nutzungseinheiten sicherzustellen. Grundlage sind die Landesbauordnungen. Die Mindestanforderungen werden in der technischen Baubestimmung DIN 4109-1:2018-01 „Schallschutz im Hochbau – Teil 1 Mindestanforderungen“ geregelt. Ziele sind:
- Gesundheitsschutz (ruhiger Schlaf)
- Vertraulichkeit bei normaler Sprechweise
- Schutz vor unzumutbaren Belästigungen
Hierdurch sollen Gesundheitsgefährdungen vermieden werden. Eine komfortablere bauakustische Situation kann durch sog. „erhöhten Schallschutz“ erreicht werden. Dieser ist Privatsache und bei Planungsbeginn zu vereinbaren, z. B. auf Grundlage von DIN 4109-5:2020-08 „Schallschutz im Hochbau – Teil 5: Erhöhte Anforderungen“.
Traditionell wird die Holzbauweise insbesondere bei Einfamilienhäusern angewendet. Hier ist nur der eigene Wohnbereich vorhanden, der nicht an fremde Räume grenzt. Daher werden – mit Ausnahme von fest installierten raumlufttechnischen Anlagen – keine Anforderungen an den Schallschutz gestellt. Aus dieser Tradition heraus wird der Schallschutz bei Holzbauprojekten mitunter unzureichend beachtet. Nachträgliche bauakustische Messungen zeigen, dass in der Praxis insbesondere die Trittschalldämmung, aber auch der Schutz gegen Außenlärm und gegen Lärm von gebäudetechnischen Anlagen problematisch sind. Fehler entstehen sowohl bei der Planung als auch bei der Ausführung, u. a. durch Ausbaugewerke.
Die Mindestanforderungen an die Trittschalldämmung von Wohnungstrenndecken in Holzbauweisewurden nach DIN 4109-1 „übergangsweise“ um 3 dB abgesenkt. Selbst dieser reduzierte Wert wird in der Praxis häufig nicht oder nur knapp erreicht. Inzwischen wird sogar gefordert, die bauakustische Prüfung der Trittschalldämmung von Holzdecken durch das seit fast 100 Jahren gebräuchliche Normhammerwerk zu modifizieren, um die Grenzwerte einzuhalten. Eine gegenüber Massivdecken geringere bauakustische Qualität kann jedoch langfristig die Akzeptanz von Mehrfamilienhäusern in Holzbauweise beeinträchtigen, sodass hiervon abzuraten ist.
Die Einhaltung der Mindestanforderungen an den Trittschallschutz erfordert planerische und konstruktive Sorgfalt. Durch sachgerechte Planung und Bauüberwachung können auch bauakustische Qualitätseinbußen beim Schutz gegen tieffrequente Geräuschanteile reduziert werden. Diese werden z. B. durch gebäudetechnische Anlagen, Lärm aus der Nachbarschaft oder Schwerlastverkehr hervorgerufen. Zweischalige Holzbaukonstruktionen sind zur erforderlichen Luftschalldämmung physikalisch grundsätzlich gut geeignet. Dieser Beitrag fasst die zugrunde liegenden Anforderungen zusammen und gibt Hinweise für die Planung und Ausführung wesentlicher Teilaspekte.
Die Umsetzung der Normenreihe DIN 4109 als technische Baubestimmung ist länderweise zu prüfen. Im Regelfall gelten die Anforderungen im Teil 1 der Ausgabe 2018. Der rechnerische Nachweis wird im Teil 2: „Rechnerische Nachweise der Erfüllung der Anforderungen“ der Norm geregelt(Ausgabe 2018-01). Die benötigten Daten für die rechnerischen Nachweise des Schallschutzes werden in den „Bauteilkatalogen“ DIN 4109-33 bis -36 (Ausgaben 2016-07) angegeben, z. B.:
- Teil 33: … Holz‑, Leicht- und Trockenbau
- Teil 34: … Vorsatzkonstruktionen vor massiven Bauteilen
- Teil 35: … Elemente, Fenster, Türen, Vorhangfassaden
- Teil 36: … Gebäudetechnische Anlagen
Die bauakustischen Mindestanforderungen werden in DIN 4109-1 für die Luft- und Trittschalldämmung unterschieden und beziehen sich auf den Frequenzbereich von 100 bis 3.150 Hz. Sie gelten nur für „schutzbedürftige Räume“, die dem dauernden Aufenthalt dienen, also z. B. für Wohnräume, Wohnküchen, Arbeits- oder Schlafräume, aber nicht für Lagerräume, Flure oder Bäder. Der Status der Schutzbedürftigkeit wird in der Entwurfsplanung festgelegt.
„Schalldämmung“ ist eine ausschließliche Bauteileigenschaft, bei der die flankierenden Elemente berücksichtigt werden. „Schallschutz“ beschreibt etwas weitergehend bauakustische Anforderungen bezogen auf Räume.
Da die Raumplanung Spätänderungen unterliegen kann, wird in Deutschland bislang an der Schalldämmung als kennzeichnender Größe festgehalten, um den Planungsprozess zu vereinfachen. Unterhalb von 100 Hz beginnt der Bereich der „tiefen Frequenzen“. Dieser wird unterschiedlich definiert. Bei Beschwerden werden in der Praxis üblicherweise 10 bis 80 Hz zugrunde gelegt, entsprechend TA Lärm [2] und DIN 45680:1997-03 „Messung und Bewertung tieffrequenter Geräuschimmissionen in der Nachbarschaft“.
Tieffrequente Geräuschemissionen entstehen bei unzureichender Entkopplung körperschallabstrahlender Anlagen. Physikalische Ursache sind rotierende Massen, Elektromotoren, Verdichtung von Gasen (Ventilatoren, Pumpen) oder Verbrennungsvorgänge. Die hierbei entstehenden Schwingungen werden in angrenzende Bauteile oder den Baugrund übertragen und als wahrnehmbare Vibrationen und Körperschall weitergeleitet. Die Emissionsquellen können inner- oder außerhalb eines Gebäudes liegen. Bei Emissionsquellen außerhalb des Gebäudes ist zu unterscheiden, ob sie baulich verbunden oder räumlich getrennt sind. Interne Emissionsquellen können gebäudetechnische Anlagen wie Wärmepumpen oder Brenner von Heizungsanlagen sein.
Nachbarschaftlicher tieffrequenter Lärm entsteht z. B. durch Unterhaltungselektronik und private Geräte zur Raumklimatisierung. Beispiele für externe tieffrequente Geräuschquellen sind „Power to Heat“ (Abb. S. 43 unten), Blockheizkraftwerke, Luftwärmepumpen, Gasturbinen oder Entlüftungsanlagen. Diese Art von Anlagen nimmt durch die Dezentralisierung der Energieversorgung zu, sodass die Dämmung der Außenbauteile gegen tieffrequente Geräuschanteile an Bedeutung gewinnen wird („Energiewende“).
Störungen durch tieffrequente Geräuschimmissionen werden bei den bauakustischen Mindestanforderungen an die Luftschalldämmung nach DIN 4109-1 bislang nicht berücksichtigt. Hintergrund sind die im Vergleich zu üblichen Wohnraumabmessungen sehr großen Schallwellenlängen von z. B. 17 m bei 20 Hz. In der Praxis wird für derartig große Wellenlängen eine präzise bauakustische Beschreibung der Bauteilschalldämmung als nicht möglich angesehen. Schwierig ist auch die präzise Messung der Schalldruckpegel bei tiefen Frequenzen, sowie deren Beurteilung.
Die DIN 45680:1997-03 geht bislang von Wahrnehmungsschwellen aus, deren Datenlage jedoch gering und wissenschaftlich umstritten ist. Daher schlägt der Neuentwurf der DIN 45680 aus dem Jahr 2020 erstmalig ein Beurteilungsverfahren ohne Vergleich mit einer „Hörschwelle“ vor, siehe hierzu [1]. Grundlage für einen gegenüber den Mindestanforderungen erhöhten Schallschutz können die Richtlinie VDI 4100:2007-08 „Schallschutz im Hochbau – Wohnungen – Beurteilung und Vorschläge für erhöhten Schallschutz (Schallschutzstufe II)“ oder die aktuelle DIN 4109-5 sein. Die neuere Ausgabe 2012 der VDI 4100 verwendet nachhallzeitbezogene Größen, die mit den Anforderungswerten nach DIN 4109-1 nicht vergleichbar sind, und kann daher nicht angewendet werden.
Eine Auswahl der Anforderungen an die Schalldämmung in Mehrfamilienhäusern und gemischt genutzten Gebäuden ist unter Berücksichtigung des Holzbaus in Tabelle II zusammengestellt. Das bewertete BauSchalldämm-Maß R’w (Luftschalldämmung) beruht auf einer Pegeldifferenz, daher ist ein möglichst hoher Wert günstig. Dem Norm-Trittschallpegel L’n,w (Trittschalldämmung) liegt der Schalldruckpegel des genormten Hammerwerks zugrunde, daher ist ein möglichst niedriger Wert günstig für die Schalldämmung. Trittschallmindernde, leicht austauschbare Bodenbeläge (z. B. weichfedernde Bodenbeläge sowie schwimmend verlegte Parkett- und Laminatbeläge) dürfen beim Nachweis im Wohnungsbau nicht angerechnet werden. In der Praxis führen mitunter die Spektrumanpassungswerte C und Ctr zu Verunsicherungen. Diese dienen dem wissenschaftlichen Vergleich unterschiedlicher Geräuschspektren und sind bei der Beurteilung von Mindestanforderungswerten nach DIN 4109-1 nicht anzuwenden. Die DIN 4109-1 regelt nicht eindeutig, ob der reduzierte Mindestwert für die Trittschalldämmung von Wohnungstrenndecken in Holzbauweise R’w ≤ 53 dB auch für Mischbauweisen gilt, z. B. für Räume mit Massivdecken und angebauter Brettstapeldecke. In der Praxis wird dieser Wert daher auch für Mischbauweisen in Anspruch genommen.
Power to Heat-Anlage Karoline in Hamburg: Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien in Nachbarschaft zu Wohngebäuden erfordern Sorgfalt zur Vermeidung tieffrequenter Geräuschimmissionen. Geeignete Gebäude mit ausreichendem Raum zur schalltechnischen Entkopplung sowie guter Dämpfung und Schalldämmung erleichtern die erforderlichen Maßnahmen
FOTO: BIRGER GIGLA AUS [1]
Um den Umfang dieses Beitrags zu begrenzen, wird zusammenfassend auf die erforderliche Herangehensweise zur Sicherstellung der Mindest- Trittschalldämmung bei Holzdecken eingegangen. Weitere Hinweise finden sich z. B. bei [3]. In der Entwurfsplanung sollten Bereiche mit regelmäßiger Trittschalleinwirkung von besonders schutzbedürftigen Räumen getrennt werden. Fugen und Tragwerksstöße sind nach Möglichkeit oberhalb von Wänden anzuordnen und konstruktiv zu dämpfen. Der Trittschall wird vorwiegend entlang der kraftschlüssigen Verbindungen übertragen (Dielung, Holzträger, Auflager, Wände). Daher ist der Tragwerksentwurf bauakustisch zu optimieren, z. B. durch geeignete Auflagerung, Trägeranordnung und Entkopplung. Resonanzen des gesamten Deckentragwerks sind zu minimieren, da sie sich besonders ungünstig auf die Trittschalldämmung auswirken. Schächte, Öffnungen und Durchdringungen sind frühzeitig einzuplanen und bei den Nachweisen zu berücksichtigen.
In der Ausführungsplanung sind Decke und Auflage (Estrich und Dämmschicht) bauakustisch zu optimieren, um Resonanzen innerhalb des Deckensystems verträglich zu gestalten. Aufgrund der zweischaligen Bauweise können Resonanzen nicht vollständig ausgeschlossen werden. Sie lassen sich aber z. B. durch die Abstimmung der Estrichkonstruktion und -masse auf das Tragwerk unter Berücksichtigung des Dämmschichtaufbaus in ihrer Wirkung reduzieren. Im Zweifel sollte eine bauakustische Fachplanung erfolgen. Verbesserungen sind durch Beschwerung mit geeigneten Schüttungen oder Bauelementen möglich sowie durch eine möglichst biegeweiche Unterdecke mit akustischer Dämpfung des Hohlraums.
Von besonderer Bedeutung ist die Minimierung der Schallübertragung über flankierende Bauteile. Zur Reduzierung der Flankenübertragung bei Trittschall sind Wände mit biegeweichen Schalen erforderlich. Die Biegesteifigkeit wird durch den Plattenwerkstoff, die Plattenstärke und die Anschlussausführung beeinflusst. Abweichungen von der Planung durch Spätänderungen sind fehleranfällig und immer sorgfältig zu überprüfen: Messungen in der Praxis zeigen, dass durch lokal geänderte Ausführungsdetails, wie z. B. eine zusätzliche Balkontür oder einen abgesenkten Austritt, Schallbrücken
entstehen können.
Bei der Bauausführung sind aufgrund der hohen Fehleranfälligkeit eine sorgfältige Bauüberwachung und Dokumentation erforderlich. Bereits scheinbar geringfügige Abweichungen von den vorgegebenen Werkstoffen oder Verbindungsmitteln können die bauakustischen Eigenschaften durch Steifigkeitsänderung verschlechtern. Wichtig ist auch die präzise akustische Trennung des schwimmenden Estrichs. Schwachstellen sind Randanschlüsse (z. B. Randfliesen), Rohrleitungen, Heizkörper, Türanschläge oder Sanitäreinläufe. Besondere Vorsicht ist bei nachträglichen Schlitzen und Öffnungen geboten, z. B. durch Elektroinstallation. Rechnerische Nachweise der Trittschalldämmung sind nach DIN 4109-2 durchzuführen. Derzeit können nur Holzbalkendecken mit und ohne Unterdecken sowie Massivholzdecken (Brettstapeldecken) ohne Unterdecken berechnet werden. Für andere Konstruktionen und leichte Treppen an Wänden in Holzbauweise ist noch kein normgemäßes Berechnungsverfahren verfügbar.
Zur Berechnung der Trittschalldämmung von Holzbalkendecken werden die bewerteten Norm-Trittschallpegel Ln,w (ohne Flankenübertragung) für die Gesamtkonstruktion der Decke dem Bauteilkatalog DIN 4109-33 oder ggf. auch Prüfberichten entnommen. Alle Holzbalkendecken-Konstruktionen im Bauteilkatalog verfügen über eine Deckenauflage (Estrich). In diesem Fall ist neben dem eigentlichen Flankenweg Df über die Holzbalkendecke ein weiterer Flankenweg zu berücksichtigen, der als DFf bezeichnet wird und über den Randanschluss des schwimmenden Estrichs verläuft (Abb. unten). Für die beiden Flankenwege wurden die Korrekturwerte K1 und K2 eingeführt. Damit wird die vertikale Trittschallübertragung wie folgt berechnet:
L’n,w = Ln,w + K1 + K2
Dabei ist
L’n,w der bewertete Norm-Trittschallpegel der Holzdecke in der Bausituation, in dB
Ln,w der bewertete Norm-Trittschallpegel der Holzdecke ohne Flankenübertragung, in dB
K1 der Korrekturwert zur Berücksichtigung der Flankenübertragung auf dem Weg Df, ermittelt nach DIN 4109-2, Tabelle 3
K2 der Korrekturwert zur Berücksichtigung der Flankenübertragung auf dem Weg DFf, ermittelt nach DIN 4109-2, Tabelle 4
Zusätzlich ist der Sicherheitsbeiwert zu berücksichtigen. Bei vereinfachter Ermittlung nach DIN 4109-2, Abschnitt 5.3.3, als pauschaler Zuschlag von 3 dB:
L’n,w + 3 dB ≤ zul. L’n,w
BEISPIEL: Trittschalldämmung der nachträglich verbesserten Holzbalkendecke in einem mittelalterlichen Wohnhaus (Bestandskonstruktion)
Der Rechenweg wird am Beispiel einer Bestandskonstruktion erläutert, für die auch das Ergebnis der Messung der Trittschalldämmung vorliegt. Die Konstruktionsdetails werden in der Tabelle unten zusammengefasst, die Abbildung rechts zeigt die Situation. Das Bauteil entspricht der Holzbalkendecke in Tabelle 16 Zeile 2 der DIN 4109-33. Für den bewerteten Norm-Trittschallpegel wird in der Norm angegeben: Ln,w = 54 dB. Die Abmessungen des Trennbauteils betragen 3,96 × 3,15 m bei niedriger Raumhöhe bis maximal 2,40 m.
Schnitt, vertikal | Konstruktionsdetails | Messergebnis | ||
mm | Bauteil | L’n,w | R’w | |
24 | Holzdielen | 60 dB | 52 dB | |
40 | Holzfaserplatte | |||
80 | Betonsteinbeschwerung | |||
25 | Holzdiele (Bestand) | |||
250 | Balken (Bestand) |
Konstruktion und gemessene Tritt- und Luftschalldämmung der Beispiel-Holzbalkendecke (Bestandskonstruktion)
ABBILDUNG: BIRGER GIGLA
Aus den Tabellen 3 und 4 der DIN 4109-2:2016-07 folgt:
- K1 = 1 dB für eine angesetzte Gipsfaserplatte und offene Holzbalkendecke
- K2 = 0 dB für Ln,w + K1 = 55 dB
Damit ergibt sich rechnerisch:
L’n,w = 54 + 1 + 0 = 55 dB
Die bauakustischen Messungen ergaben für die Holzbalkendecke einen bewerteten Norm-Trittschallpegel L’n,w = 60 dB (Abb. S. 48) und ein bewertetes Schalldämm-Maß R’w = 52 dB.
Unter Berücksichtigung des pauschalen Sicherheitszuschlags von 3 dB ist der resultierende Rechenwert L’n,w = 57 dB etwas günstiger als das Messergebnis L’n,w = 60 dB. Der Unterschied ist auf Durchdringungen durch das Dachtragwerk zurückzuführen. Die Mindestanforderung an die Schalldämmung von Wohnungstrenndecken in Holzbauweise in Mehrfamilienhäusern nach DIN 4109-1, L’n,w ≤ 53 dB wird noch nicht eingehalten, sodass weitere Maßnahmen erforderlich sind. Das Bild auf S. 48 zeigt die frequenzweise Darstellung des gemessenen Norm- Trittschallpegels. Die Luftschallübertragung hat hier keinen Einfluss auf den Norm-Trittschallpegel.
Tieffrequente Geräuschimmissionen
Die Begrenzung tieffrequenter Geräuschimmissionen innerhalb von Gebäuden ist ebenfalls in der Entwurfs- und Ausführungsplanung zu berücksichtigen. Beispiele für Geräuschquellen sind Wärmepumpen sowie Heizungs‑, Aufzugs- und Lüftungsanlagen. Durch die zunehmende technische Ausstattung steigt auch die Anzahl der Emissionsquellen. „Brennwertkessel“ benötigen z. B. ein zusätzliches Gebläse im Brennraum. Bei energieeffizient ausgelegten Anlagen kommt ggf. ein nächtliches Störpotenzial durch die Nutzung von Nachtstromtarifen hinzu. Das Störempfinden ist in ruhiger Wohnlage höher ausgeprägt als in „lebhafter“ Umgebung. Infolge der zunehmenden technischen Gebäudeausstattung ist davon auszugehen, dass die planerische Berücksichtigung der Schwingungsmindweiter an Bedeutung gewinnt, auch bei Nachhaltigkeitsbetrachtungen (vgl. DIN EN 16309:2014-12 Nachhaltigkeit von Bauwerken – Bewertung der sozialen Qualität von Gebäuden – Berechnungsmethoden).
Grundsätzlich ist die Geräuschminderung viel effizienter als eine Bauteildämmung. Daher sollten gebäudetechnische Anlagen vibrations- und lärmarm konstruiert sein und körperschallisoliert eingebaut werden. Erforderlich sind bauliche Trennungen zwischen Anlagenfundament und Tragwerk sowie eine ausreichende Dämpfung. Gerätegehäuse müssen vibrationsfrei sein. Zur Abstimmung der räumlichen Voraussetzungen ist eine frühzeitige Einbindung der Gerätehersteller zu empfehlen, insbesondere auch bei der Nachrüstung gebäudetechnischer Anlagen. Beim Anlagenbetrieb werden Tonhaltigkeiten und Pegeländerungen als besonders störend empfunden und sollten vermieden werden, z. B. durch lärmarme Drosselvorrichtungen und Ventile.
Nachträgliche Einhausungen wie im Bild reduzieren zwar den abgestrahlten Luftschall, nicht jedoch die Einleitung von Schwingungen in Fußboden und Wände. Wenn sich die Schwingungen im Tragwerk gut ausbreiten, können sie auch an weiter entfernten Stellen zu tieffrequenten Geräuschimmissionen führen (sog. „Sekundäreffekt“). Schwachpunkte sind bei Heizungsanlagen und Wärmepumpen die angeschlossenen Heizkreisläufe. Diese können aufgrund der vielen Wand- bzw. Deckendurchdringungen nicht vollständig entkoppelt werden. Sonderbauteile zur Befestigung und Durchführung können eine gewisse Verbesserung bewirken. Bei Anlagen der Raumlufttechnik sind Anordnung und Führung der Ventilatoren und Luftleitungen bzw. -auslässe bauakustisch zu berücksichtigen. Personen, die von tieffrequenten Geräusche in schutzbedürftigen Räumen betroffen sind, berichten über deutlich spürbare Symptome, wie Brummgeräusche, Rauschen oder dumpfes, „waberndes“ Dröhnen, aber auch indifferente Auswirkungen, wie Druck- und Engegefühle des Körpers. Gehört werden auch Resonanzen durch Vibrationen von Möbeln.
Die Schalldämmung gegen tieffrequente Geräusche folgt den gleichen Grundsätzen wie bei der Luftschalldämmung. Es sind sowohl die Grundrissgestaltung als auch die Bauteilausführungen zu optimieren. Zweischalige leichte Holzbauteile sind zur Dämmung physikalisch im Prinzip besser geeignet als einschalige massive Bauteile. Bei Planung und Ausführung sind die Masse-Federsysteme aus Bauteiloberfläche und Hohlraumdämpfung zu optimieren. Hinweise werden in den DIN 4109-2 und -34 gegeben. Zusätzlich sind Entkopplungen durch optimierte Anschlüsse erforderlich. Aufgrund des komplexen physikalischen Wirkungsgefüges ist im Regelfall eine bauakustische Fachplanung empfehlenswert.
Messergebnis der Trittschalldämmung der Beispiel-Holzbalkendecke: Gemessener Norm- Trittschallpegel L’n als Funktion der Frequenz (schwarzes Diagramm) und verschobene Bezugskurve nach DIN EN ISO 717-2 mit resultierendem Einzahlwert des bewerteten Norm- Trittschallpegels L’n,w (blaues Diagramm)
ABBILDUNG: BIRGER GIGLA AUS [4]
Ausgewählte Anforderungen an die Schalldämmung in Mehrfamilienhäusern und in gemischt genutzten Gebäuden
Mindestschallschutz DIN 4109-1:2018 |
Erhöhter Schallschutz DIN 4109-5:2020 |
VDI 4100:2007, SSt II | |
Anwendungsbereich | Mehrfamilienhäuser (MFH) | ||
Bürogebäude | |||
gemischt genutzte Gebäude | |||
Luftschalldämmung Kennzeichnende Größe: Bewertetes Bau-Schalldämm-Maß R’w |
|||
Wohnungstrennwände | ≥ 53 dB | ≥ 56 dB | ≥ 56 dB |
Treppenraumwände | ≥ 53 dB | ≥ 56 dB | ≥ 56 dB |
Wohnungstrenndecken (auch Treppen) | ≥ 54 dB | ≥ 57 dB | ≥ 57 dB |
Trittschalldämmung Kennzeichnende Größe: Bewerteter Norm-Trittschallpegel L’n,w |
|||
Wohnungstrenndecken (auch Treppen) | ≤ 50 dB | ≤ 45 dB | ≤ 46 dB |
Wohnungstrenndecken (auch Treppen), die dem Holz‑, Leicht- und Trockenbau zuzurechnen sind |
≤ 53 dB | ≤ 45 dB | ≤ 46 dB |
Decken unter Terrassen und Loggien über Aufenthaltsräumen | ≤ 50 dB | ≤ 45 dB | Keine Angabe |
Treppenläufe und -podeste | ≤ 53 dB | ≤ 47 dB | ≤ 53 |
Balkone in fremde Aufenthaltsräume | ≤ 58 dB | ≤ 58 dB | Keine Angabe |
Geräusche aus gebäudetechnischen Anlagen Maximaler Norm-Schalldruckpegel LAF,max,n (DIN 4109-1 und DIN 4109-5) bzw. LAF,max (VDI 4100) |
|||
Sanitärtechnik/Wasserinstallationen | ≤ 30 dB (Wohnräume) | ≤ 27 dB (Wohn- und Schlafräume in MFH) | ≤ 30 … 25 dB (Wohnungen in MFH) |
≤ 35 dB (Unterrichts- und Arbeitsräume) | |||
Sonstige Technische Gebäudeausrüstung | ≤ 30 dB (Wohnräume) | ≤ 27 dB (Wohn- und Schlafräume in MFH) | ≤ 30 dB (Wohnungen in MFH) |
≤ 35 dB (Unterrichts- und Arbeitsräume) | |||
Fest installierte technische Schallquellen der Raumlufttechnik im eigenen Wohn- und Arbeitsbereich | ≤ 30 … 35 dB (Wohn- und Schlafräume) | ≤ 27 … 30 dB (schutzbedürftige Räume in der eigenen Wohnung) | ≤ 30 dB (selbst genutzte Wohnung oder Haus) |
≤ 33 … 38 dB (Küchen) |
ABBILDUNG: BIRGER GIGLA
Literatur
[1] Gigla, B.: Neuerungen in der Beurteilung tieffrequenter Geräuschimmissionen im Hochbau, in: Bauen+ Energie – Gebäudetechnik – Bauphysik, Jahrgang 7, Heft 1 (Januar) 2021
[2] Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm) vom 26.08.1998, zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 01.06.2017
[3] Gigla, B.: Schallschutz – Immissionsschutz, Bau- und Raumakustik, verstehen, planen, nachweisen. Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart 2018 [4] Gigla, B.: Bauakustik: Schalldämmung von Holzbalkendecken, in: Bauen+ Energie – Gebäudetechnik – Bauphysik, Jahrgang 3, Heft 5 (September) 2017
Der Autor
Prof. Dr.-Ing. Birger Gigla
Prof. Dr.-Ing. Birger Gigla ist Bauingenieur und Professor an der Technischen Hochschule Lübeck. Studium an der Technischen Hochschule Braunschweig und der ETH Zürich, Promotion an der Universität Karlsruhe (heute KIT). Sachverständiger für Schallschutz im Hochbau (IHK Lübeck) und Leiter der VMPA-sachverständigen Prüfstelle des Instituts für Akustik der TH Lübeck. Fachredakteur für Schallschutz, Raumakustik und Immissionsschutz der Zeitschrift Bauen+ (Fraunhofer IRB Verlag).