Thermische Energiespeicher in Quartieren: Flexible Energiebereitstellung

Thermische Energiespeicher in Quartieren: Flexible Energiebereitstellung

Kosten & Finanzierung

Thermische Energiespeicher in Quartieren: Flexible Energiebereitstellung

Text: Susanne Schmelcher | Foto (Header): © PETOVARGA – stock.adobe.com

Der Einsatz von Wärmespeichern kann die Energiebereitstellung in Form von Strom, Wärme und Kälte flexibilisieren und ermöglicht eine Koppelung mit volatilen EE-Erzeugern. Das führt bei quartiersübergreifenden Lösungen und in Fernwärmesystemen dazu, die Effizienz zu erhöhen, und bietet dabei besondere Vorteile und Technologieoptionen.

Auszug aus:

Die Bundesregierung hat sich durch den European Green Deal und das Klimaschutzgesetz 2021 einem ambitionierten Klimaschutzprogramm verpflichtet. Dabei spielt die Umsetzung der Energiewende im Gebäudesektor eine wesentliche Rolle, denn Gebäude verursachen ca. 16 % der CO² -Gesamtemissionen Deutschlands und waren im Jahr 2020 damit der viertgrößte Emittent. Nur die Energiewirtschaft (ca. 30 %), die Industrie (ca. 24 %) sowie der Verkehrssektor (ca. 20 %) verursachten noch höhere Emissionen.

Dekarbonisierung des Wärmesektors erforderlich

Ein wichtiges Handlungsfeld zur Reduzierung der CO²-Emissionen von Gebäuden liegt in der Dekarbonisierung des Wärmesektors. Schließlich liegt der Anteil von Raumwärme und Warmwasser am Endenergieverbrauch in Deutschland derzeit bei etwas mehr als 30 %, und der überwiegende Teil der Heizungsanlagen in Deutschland basiert auf fossilen individuellen Gebäude- oder Wohnungsheizungssystemen. Daher ist eine wesentliche Strategie der Wärmewende der Ersatz individueller Heizungssysteme durch Heizungen auf Basis von erneuerbaren Energien, wobei Wärmepumpen eine zentrale Rolle zukommt. Entsprechend hat die Bundesregierung mit der anstehenden Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) ein Verbot von der Neuinstallation oder dem Austausch von Gasheizungen angekündigt, parallel wurde eine große Wärmepumpenoffensive gestartet. Die zweite wichtige Strategie ist die Dekarbonisierung und der Ausbau von Wärmenetzen. Die Auswahl der passenden Strategie sollte sich zukünftig an dem Kommunalen Wärmeplan und den darin beschriebenen Eignungs- bzw. Vorranggebieten orientieren.

Potenziale von Quartiersansätzen

Nicht immer ist es möglich, eine gebäudeintegrierte Wärmeversorgung vollständig auf erneuerbare Energie umzustellen, gleichzeitig besteht nicht überall die Möglichkeit des Anschlusses an eine zentrale Fernwärmeversorgung. In diesen Fällen gibt es erhebliche Potenziale für gebäudeübergreifende Quartiersversorgungslösungen. Einerseits bieten diese höhere Effizienzen durch die Verknüpfung von Energie- und Nutzungssektoren. Andererseits bieten sie eine größere Bandbreite an verfügbaren Technologien wie beispielsweise Wärmespeicher und Wärmenetze auf niedrigem Temperaturniveau.

Wärmenetze können im Quartier die Wärmeversorgung übernehmen und auch Wärme aus verschiedenen Quellen zusammenbringen. Aber nicht nur bei der Wärmeversorgung bieten gebäudeübergreifende Ansätze Vorteile. Auch in Bezug auf die Gesamtenergieversorgung können durch vernetzte, mit dem Stromsektor gekoppelte Versorgungskonzepte lokale Energiepotenziale in spezifischen Situationen besser genutzt werden.

So kann durch Vernetzung verschiedener Gebäudenutzungen und damit der aus ihnen resultierenden eventuellen Energieangebote und -bedarfe ein lokaler Ausgleich Letzterer stattfinden. Der Quartiersansatz eröffnet auch neue Möglichkeiten bezüglich der Infrastruktur- und Flächennutzungsplanung. Die Nutzung bereits erschlossener Potenziale kann darüber hinaus erhöht werden, indem beispielsweise vorhandene, gebäudeintegrierte Anlagen zur Energieumwandlung und -speicherung miteinander vernetzt werden (bspw. Schwarmspeicher), oder Sanierungen im Gebäudeverbund stattfinden und damit kostengünstiger realisiert werden. Dieser Quartiersansatz kann somit auf unterschiedlichen Ebenen einen Beitrag zum Transformationsprozess leisten. Allen Ansätzen gemein ist, dass im Gegensatz zur Entscheidungsebene Einzelgebäude/Einzelakteur ein Zusammenschluss zum gemeinsamen Nutzen stattfindet. Dabei kann zwischen Synergieeffekten, welche durch Verknüpfung zwischen Bautypologien, Sektoren oder Agierenden entstehen, und Skaleneffekten aufgrund ähnlicher baulicher Voraussetzungen von Gebäuden, ähnlicher Bedarfe und der Anzahl miteinzubeziehender Personen unterschieden werden.

Vernetzungsgrade entscheidend

Dennoch muss ein Quartier als Teil eines Gesamtsystems die Klimaneutralität nicht allein und sofort erreichen. Es gilt, die möglichen Synergien zwischen den zentralen und dezentralen, aber auch zwischen den energetischen und sozialen Ebenen gezielt zu nutzen, um eine nachhaltigere Transformation zu ermöglichen. Auch volkswirtschaftlich ist eine autarke Energieversorgung von Quartieren nicht sinnvoll, die mit hohen Investitionen in Energiespeicher zur Versorgungssicherheit verbunden wäre. Stattdessen sind eine möglichst umfassende Nutzung lokaler klimaneutraler Energiequellen, eine hohe Energieeffizienz und ein intelligentes, sektorengekoppeltes Energiesystem verbunden mit der Einbindung in das regionale und nationale Energiesystem die versorgungssicherste und ökonomisch günstigste Lösung.

Dabei kann zwischen verschiedenen Möglichkeiten des Zusammenspiels zwischen dem Quartier und den zentralen Infrastrukturen unterschieden werden. Der Unterschied liegt hier im Vernetzungsgrad innerhalb der Energieversorgung und den Schnittstellen mit den zentralen Infrastrukturen. Als Strukturierungsansatz kann eine Unterscheidung in vier prototypische Quartierstypen vorgenommen werden, die jeweils verschiedene Vernetzungsgrade der Energieversorgungsinfrastruktur aufweisen (siehe Tabelle).

Im Detail stellen sich die Versorgungsstrukturen und Vernetzungsgrade der vier Quartierstypen folgendermaßen dar:

QUARTIER A: Dezentrale Wärmeversorgung und dezentrale Stromoptimierung. Die Wärmeversorgung und Stromversorgung wird für jedes Gebäude separat optimiert, es findet kein Austausch von Wärme- oder Strommengen zwischen den Gebäuden statt.

QUARTIER B: Dezentrale Wärmeversorgung und zentrale Stromoptimierung. Jedes Gebäude hat eine eigene, unabhängige Wärmeerzeugung (Lösungen in Abhängigkeit von den Gebäudetypen und -größen). Die Stromversorgung erfolgt quartiersoptimiert, sodass ein Stromaustausch zwischen allen Gebäuden möglich ist.

QUARTIER C: Zentrale Wärmeversorgung und dezentrale Stromoptimierung. Die Wärmeversorgung aller Gebäude erfolgt über ein Wärmenetz. Es findet kein Austausch von Wärme- oder Strommengen zwischen den Gebäuden statt.

QUARTIER D: Zentrale Wärmeversorgung und zentrale Stromoptimierung. Die Wärmeversorgung aller Gebäude erfolgt über ein Wärmenetz. Die Stromversorgung erfolgt quartiersoptimiert, sodass ein Stromaustausch zwischen allen Gebäuden möglich ist.

Es ist davon auszugehen, dass die quartierbezogene maximierte Nutzung lokaler Potenziale und die damit verbundene lokale Sektorenkopplung ansteigt, je höher der Vernetzungsgrad ist.

Thermische Speicher als wichtiger Baustein

Die wesentliche Aufgabe eines thermischen Energiespeichers auf Quartiersebene ist es, lokal verfügbare regenerative Energiequellen nutzbar zu machen. Letztere unterliegen starken Schwankungen und können deshalb nicht immer gleichzeitig genutzt werden. Speicher ermöglichen eine zeitversetzte Wärmebereitstellung von wenigen Stunden bis hin zur saisonalen Verschiebung. Damit kann ein großer Teil des Wärmebedarfs beispielsweisemit Strom aus Wind- und Photovoltaik-Anlagen in Kombination mit elektrischen Wärmepumpen,  solarthermisch erzeugter Wärme, unvermeidbarer Abwärme aus Industrieprozessen und anderen Umweltwärmen aus unterschiedlichen Quellen, wie z. B. Erdreich, Grundwasseretc., gedeckt werden.

Bei der Planung von thermischen Speichern für Quartiere lassen sich drei verschiedene Speicherkonzepte unter Berücksichtigung von technischen, regulatorischen und wirtschaftlichen Aspekten betrachten. Diese gliedern sich in sensible, latente und thermochemische Wärmespeicherung. Bei sensibler Wärmespeicherung erfolgt diese durch Temperaturveränderung des Speichermediums. Latente Wärmespeicherung nutzt hauptsächlich den Phasenwechsel von fest zu flüssig, thermochemische Wärmespeicherung hingegen reversible thermochemische Reaktionen. Darüber hinaus sind der Anwendungsbereich (Wärme- und Kälteversorgung sowie Kopplung mit unterschiedlichen Wärmenetzsystemen), die Verortung der Speicher (zentral, dezentral bzw. gebäudeintegriert) und die Speicherdauer (Lang- und Kurzzeitwärmespeicherung) als technische Aspekte zu berücksichtigen.

Formen Quartier A (QA) Quartier B (QB) Quartier C (QC) Quartier D (QD)
Wärme/Kälte Gebäudeintegriert Gebäudeintegriert Netzbasiert Netzbasiert/Verbunden durch Kundenanlage
Strom
(ggf. auf E-Mobilität)
Verbunden durch Kundenanlage Gebäudeintegriert

Ausprägungen der Wärme-/Kälte- und Stromversorgung in den vier Quartierstypen

1 | Darstellung verschiedener Schnittstellen zwischen Energiesystemen im Quartier und zentralen Infrastrukturen
Bild: DENA

Wirtschaftlichkeit, Marktsituation und Geschäftsmodelle

Laut der dena-Studie „Thermische Energiespeicher für Quartiere“ sollte die Anwendung bzw. Umsetzung thermischer Speicher auf Quartiersebene in Bezug auf die übergeordnete Zielsetzung einer nachhaltigen und wirtschaftlichen Energieversorgung betrachtet werden.

Latente Wärmespeicher und thermochemische Speicher verfügen aufgrund hoher Wirkungsgrade, hoher Betriebstemperatur und hoher Speicherdichten über ein großes Entwicklungspotenzial vor allem zur Unterstützung von Fernwärmenetzen in Bestandsquartieren (Netztemperatur über 80 °C). Demgegenüber gelten sensible Wärmespeicher als etablierte und kostengünstige Technologie und werden häufig für solare Nahwärmenetze bzw. Niedertemperatur-Wärmenetze in Neubauquartieren (Netztemperatur unter 55 °C) eingesetzt. Die Genehmigungsanforderungen an thermische Speicher sind von verschiedenen Faktoren, wie z. B. baurechtlichen Anforderungen, abhängig. Weitere Aspekte, insbesondere solche, die sich aus dem für die Anlagen vorgesehenen Standort ergeben können, sollten mit den zuständigen Behörden besprochen werden. Darüber hinaus müssen die Platzverfügbarkeit, die vorhandene Energieinfrastruktur, die Wirtschaftlichkeit und der Wärmebedarf des Gesamtsystems bei der Planung bzw. Auswahl thermischer Speicher berücksichtigt werden.

Die Sektorenkopplung spielt bei der Planung und Umsetzung thermischer Speicher eine große Rolle. Insbesondere den Wärmespeichern kommt durch eine Kopplung des Strom- und Wärmesektors eine Schlüsselrolle zu. Um diese Rolle auch im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit einnehmen zu können, sollten bei der Planung von Power-to-Heat-Anlagen (PtH-Anlagen) in Verbindung mit thermischen Speichern auch die Stromnebenkosten (Netznutzungsentgelte, Umlagen, Steuern etc.) betrachtet werden. In bestimmten Konstellationen kann eine Minderung bzw. Vermeidung dieser Nebenkosten erreicht und somit ggf. eine höhere Wirtschaftlichkeit erzielt werden. Eine Privilegierung von thermischen Speichern im Kontext der Stromnebenkosten gibt es derzeit nicht, da die verbundenen PtH-Anlagen als Letztverbraucher behandelt werden und entsprechende Regelungen Anwendung finden. Ein durchaus nicht zu vernachlässigender Aspekt bei der Betrachtung von Energiekonzepten im Quartier ist, dass thermische Energiespeicher weitaus niedrigere Investitionskosten im Vergleich zu bisherigen Batteriespeichern aufweisen.

2 | Übersicht über verfügbare Speichertechnologien
O Einsatz möglich
Δ Einsatz nur mit zusätzlicher Investition möglich

Bild: DENA

Fazit

Damit in Zukunft Wärmespeicher zur Dekarbonisierung des Wärmesektors beitragen können, sind Pilotforschungsprojekte für noch nicht in der Praxis etablierte Speichertechnologien
– wie etwa PCM-Speicher, thermochemische Speicher u. a. – sinnvoll. Diese können Anwendungskonzepte aufzeigen und den Markteintritt unter Berücksichtigung technischer, planerischer, wirtschaftlicher und regulatorischer Aspekte fördern.

Gleichzeitig ist es allerdings notwendig den regulatorischen Rahmen umzugestalten. Es gibt Förderprogramme und auch Gesetze, um Anreize für Quartierskonzepte zu setzen. Auch im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung finden sich viele Punkte, die für das Handlungsfeld Quartier relevant sind und diesen Ansatz stärken werden. Jedoch fehlt das klare Bekenntnis für diese Ebene und somit fehlen Handlungsoptionen für die Umsetzenden. Die Rolle des Handlungsfelds ist unter dem Blickwinkel der Energieversorgungstechnik momentan nicht eindeutig zugeteilt bzw. durch den regulatorischen Rahmen nicht klar genug und insbesondere nicht einheitlich definiert. Der Umsetzungskontext ist vielmehr durch eine Vielzahl von Einzelanforderungen widersprüchlich und kaum zu durchschauen. Impulse der Rahmengebenden sind aus Sicht der Umsetzenden unklar. Da das Handlungsfeld Quartier einen Schnittstellenraum darstellt, ist es komplex, einen einheitlichen regulatorischen Rahmen zu erstellen. Interessens- und Zielkonflikte müssen abgewogen und Zusammenhänge analysiert werden. Eine ganzheitliche Lösung für das Handlungsfeld Quartier als Umsetzungsebene für sektorgekoppelte Energiekonzepte ist nur im Kontext eines reformierten
Strommarktdesigns möglich.

dena-Handlungsfeld „Klimaneutrale Quartiere und Areale“
Quartiere werden zum Gelingen der Energiewende immer wichtiger und übernehmen zunehmend eine Schlüsselrolle. Mit ihrer Arbeit im Handlungsfeld Quartier will die Deutsche  Energie-Agentur (dena) einen Beitrag dazu leisten, Quartierskonzepte in die breite Umsetzung zu bringen. In diesem Zusammenhang hat die dena eine Reihe von Publikationen zum Thema Quartier veröffentlicht:

  • Studie „Modellierung sektorintegrierter Energieversorgung im Quartier“
  • Studie: „Das Quartier (Teil 1) – Überblick über die gesetzlichen Rahmenbedingungen und Förderrichtlinien für die Energieversorgung von Gebäuden im räumlichen Zusammenhang“
  • Studie: Das Quartier (Teil 2) – Analyse des Zusammenspiels und Aufzeigen von Schwachstellen
  • Studie „Thermische Energiespeicher für Quartiere“
  • Projektbericht „Klimaneutrale Quartiere und Areale“
  • Factsheets „Fokusthemen“
  • Factsheets „Quartierskategorien“
  • Factsheets „Praxisbeispiele“

Die Publikationen sowie weitere Informationen zu Quartieren auf dem Weg zur Klimaneutralität finden Sie auf der Website des Gebäudeforums klimaneutral:
www.gebaeudeforum.de/wissen/quartiere

Die Autorin


Susanne Schmelcher
Susanne Schmelcher ist Leiterin des Arbeitsgebiets Quartier und Stadt bei der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena). Bevor sie 2012 zur dena kam, arbeitete sie in verschiedenen Planungs- und Ingenieurbüros in England und China. Gegenwärtig arbeitet sie zu den Themen klimaneutrale Quartiere und urbane Energiewende mit dem Schwerpunkt auf Transformationsstrategien für den Wärmesektor.
www.dena.de

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