Strom und Wärme: Individuelle Energielösungen für Quartiere

Strom und Wärme: Individuelle Energielösungen für Quartiere

Energie, Technik & Baustoffe

Strom und Wärme: Individuelle Energielösungen für Quartiere

Text: Hanno Balzer | Foto (Header): © VATTENFALL

Blockheizkraftwerke, Gaskessel, Solarthermieanlagen, Wärmepumpen, Holzpelletanlagen oder Power-to-Heat? Wer nach der richtigen Technologie für die Energieversorgung von Wohn- oder Gewerbequartieren sucht, hat die Qual der Wahl und sollte Spezialisten zurate ziehen.

Auszug aus:

Die Planung von Quartieren ist eine komplexe Aufgabe. Projektentwickler, Investoren und Bauträger müssen verschiedenen Teilaspekten gerecht werden und sie sinnvoll verbinden. Auf der einen Seite gilt es, den Bedarf an Wärme, Strom und Kälte zu berücksichtigen, auf der anderen Seite steht die Nachfrage nach einer Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge oder nach digitalen Messdienstleistungen.

Die Ansprüche der Kunden sind in den letzten Jahren enorm gewachsen und ändern sich in immer kürzeren Abständen. Eine zuverlässige Wärmeversorgung allein reicht heute nicht mehr; hinzu kommen Ansprüche an die Strom- und Kälteversorgung. Die daraus entstehenden Versorgungskonzepte sollen innovativ sein und wenn möglich erneuerbare Energien integrieren. Die Zeit der Standardlösungen ist vorbei. Ein reines Gewerbegebiet stellt z. B. ganz andere Anforderungen als ein Wohngebiet oder ein Modernisierungsprojekt. Um die idealen Bausteine für die Wärme‑, Kälte- und Stromversorgung eines neuen Quartiers zu finden und später die Erwartungen der Nutzer und Bewohner optimal erfüllen zu können, sind detaillierte Analysen und Absprachen nötig. Je früher damit begonnen wird, desto besser.

„Noch vor wenigen Jahren hat der Architekt den Heizraum geplant, dann wurde die Heizung installiert und fertig“, so Carolin Süß, Leiterin Vertrieb und Bau bei Vattenfall Energy Solutions. „Das reicht heute nicht mehr. Zum einen gibt es neue gesetzliche Anforderungen, wie Energieeinsparverordnung und EE-Wärme-Gesetz. Zum anderen haben das Angebot und die Komplexität in diesem Markt enorm zugenommen.“ Es ist wichtig, Architekten und Fachplaner bereits in der frühen Planungsphase zu unterstützen und schnell die passende Energieversorgungslösung zu finden.

Technologien zur dezentralen Wärme‑, Strom- und Kälteversorgung.
ILLUSTRATIONEN: VATTENFALL

Wohnanlage Grüne Aue in Berlin-Biesdorf.
FOTO: BUSCHMEYER + CAI

Energie aus Abwasser – Grüne Aue, Berlin

In Biesdorf, im Berliner Stadtteil Marzahn-Hellersdorf, entsteht eine Wohnanlage mit Gartenstadtcharakter. 77 Einfamilienhäuser und 36 Eigentumswohnungen mit einer Gesamtwohnfläche von mehr als 11.000 m² müssen hier beheizt werden. Über ein Nahwärmenetz sind alle Gebäude miteinander verbunden. Es versorgt die Häuser über dezentrale Übergabestationen mit Wärme für Heizung und Trinkwarmwasser. Die Wärme stammt zum großen Teil aus Abwasser, die über einen Wärmetauscher nutzbar gemacht wird. Dafür wurde ein Vertrag mit den Berliner Wasserbetrieben abgeschlossen. Eine Wärmepumpe mit einer thermischen Leistung von 80 kW sorgt für das erforderliche Temperaturniveau. Den dafür nötigen Antriebsstrom erzeugt ein Blockheizkraftwerk vor Ort (88 kWth und 50 kWel). Zusammen mit der Wärmepumpe deckt es außerdem die Grundlast der Wärmeversorgung im Quartier ab. Für absolute Spitzenzeiten steht noch ein Brennwertgaskessel bereit. Die einzelnen Komponenten sind exakt aufeinander abgestimmt. Heraus kommt eine überraschende Variante der dezentralen Energieversorgung, die höchste Effizienz verspricht.

Flexible Vertragsgestaltung – Wohnquartier in Hamburg

Am südlichen Ende des Hamburger Stadtteils Groß Borstel, gut gelegen zwischen Eppendorf und Niendorf, entsteht das neue Wohnquartier Tarpenbeker Ufer für ca. 2.000 Bewohner. Es gliedert sich in zehn Wohnbaufelder mit einem Mix aus Eigentumswohnungen, frei finanzierten und öffentlich geförderten Mietwohnungen für familiengerechtes Wohnen sowie einer Kindertagesstätte.

Gemeinsam mit der federführenden Otto Wulff Projektentwicklung fand Vattenfall Energy Solutions für diesen Standort nicht nur die passende Energielösung, sondern gestaltete den Vertrag individuell nach den Anforderungen des Auftraggebers. Anders als bei solchen Projekten bislang praktiziert, verkaufte Vattenfall die Erzeugungsanlagen für die insgesamt zehn Baufelder (jeweils Blockheizkraftwerk und Kessel) an den Bauunternehmer und pachtete sie im Anschluss zurück, um als Pächter die Wärmelieferung und den Betrieb zu gewährleisten. Auf der Grundlage eines Rahmenvertrags werden die Lieferverträge bauabschnittsweise abgeschlossen. Das verschafft allen Seiten Planungssicherheit. Zudem bietet diese Vorgehensweise der Projektentwicklung ausreichend Flexibilität in der Umsetzung ihres Vorhabens. Insgesamt beläuft sich die Vertragsleistung auf 3,5 MW, davon 436 kWel (7 × 50 kW, 2 × 33 kW, 1 × 20 kW).

In der Kieler Straße in Hamburg-Stellingen betreibt die Vattenfall Energy Solutions GmbH eine vergleichbare dezentrale Versorgung mit zwei BHKW und Kessel.
FOTO: MARKUS ALTMANN

Sonnige Zeiten für Eigentümer und Mieter: Mieterstrom

Bisher haben von der Ökostrom-Förderung vor allem die Eigentümer von Einfamilienhäusern profitiert. Mit dem 2017 beschlossenen Mieterstromgesetz ändert sich das. Wer Solarstrom auf einem Mehrfamilienhaus produziert und an die Bewohner des Gebäudes verkauft, erhält dafür ebenfalls eine Förderung. Diese hängt von der Größe der Photovoltaikanlage ab und liegt zwischen 2,21 und 3,81 ct/kWh. Außerdem fallen für den Solarstrom vom eigenen Dach all diejenigen Kosten weg, die mit dem Stromnetz in Verbindung stehen. Dazu zählen die Stromsteuer, Netznutzungsentgelte und Konzessionsabgaben. Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Eigentümer und Investoren profitieren von einer Wertsteigerung durch den exklusiven Zugang zu günstiger und erneuerbarer Stromversorgung. Der Mieter zahlt weniger und muss weder in Vorkasse gehen, noch lange Vertragslaufzeiten akzeptieren. In Berlin und Hamburg haben bereits tausende Mieter in Wohnanlagen unterschiedlichster Größenordnung Zugang zu vor Ort erzeugtem Strom. Bundesweit ist eine Reihe weiterer Projekte in Vorbereitung. Als Mieterstromanbieter übernimmt die Vattenfall Energy Solutions die gesamte Investition in die Photovoltaikanlage. Auch die Installation, die Betriebsführung und die kaufmännische Abwicklung erfolgt auf eigene Rechnung. Der Hausbesitzer stellt lediglich im Zuge eines Pachtvertrags das Dach zur Verfügung. Die Laufzeit setzt sich aus der Betriebszeit der Anlage von üblicherweise 20 Jahren und der notwendigen Zeit für Montage und Rückbau zusammen.

Durch das neue Mieterstromgesetz können endlich auch Mieter in Mehrfamilienhäusern von Solarenergie profitieren. Gleichzeitig haben Gebäudeeigentümer die Möglichkeit, zusätzliche Einnahmen zu erhalten, die jedoch durch den gesetzlich gedeckelten Strompreis begrenzt werden. Das Gesetz soll natürlich auch dazu führen, dass in den Ballungszentren, wo der Stromverbrauch besonders hoch ist, mehr Solarstrom produziert wird.

Strom vom Dach für die Mieter im Käthnerort in Hamburg-Barmbek.
FOTO: MARKUS ALTMANN

Innovative Pilotlösung – Stahl als Wärmespeicher

Bei der Umsetzung der urbanen Energiewende geht Vattenfall Energy Solutions verschiedene Kooperationen ein und bestreitet neue Wege. Aus diesem Grund zog das Unternehmen im Mai 2017 auf den EUREF-Campus in Berlin-Schöneberg, um im Verbund mit Gründern, Start-Ups und Technologiefirmen an innovativen Energielösungen zu arbeiten. Gemeinsam mit dem Berliner Speichersystemanbieter Lumenion GmbH startete Vattenfall Energy Solutions einen Praxistest für eine neuartige Speichertechnologie. Mithilfe des Speichermediums Stahl soll dabei Strom für die Wärmeversorgung in der Immobilienwirtschaft nutzbar gemacht werden. Wenn im Netz überschüssiger erneuerbarer Strom verfügbar ist, soll der Hochtemperaturspeicher genutzt werden, um diesen Strom in Form von Wärme zu speichern (Power-to-Heat). Das führt zu einer besseren Integration von regenerativem Strom in die Energieversorgung und der Strom wird für die Wärmeversorgung in Wohnquartieren genutzt.

Aufgrund der hohen Wärmedichte von Stahl und einer hohen Speichertemperatur (bis 600 °C) ist sogar eine Rückverstromung der gespeicherten Wärme möglich. Über eine Dampfturbine kann die gespeicherte Energie in Strom umgewandelt und z. B. im Quartier als Mieterstrom genutzt werden. Stahl ist nicht nur ein relativ günstiger Wärmespeicher. Der Werkstoff hat außerdem den Vorteil, dass er im Vergleich zu anderen Speichermedien, wie bspw. Wasser, vergleichsweise wenig Platz benötigt. Das ist gut für Bestandsgebäude der Wohnungswirtschaft, die üblicherweise mit wenig Platz in den Kellerräumen auskommen müssen.

Die Lumenion GmbH und Vattenfall Energy Solutions haben vereinbart, im Rahmen eines Pilotprojekts zunächst eine Testanlage aufzusetzen, um gemeinsam die Funktionalität des Hochtemperaturspeichers zu testen und ihn für den Einsatz in einem Wohnquartier zu optimieren. Ab Herbst 2019 soll die Technik bei einem Bestandskunden von Vattenfall Energy Solutions erprobt werden. Dabei kommt ein Speichersystem mit einem isolierten Stahlkern zum Einsatz, das eine thermische Speicherkapazität von 2,4 MWh hat. Das Speichern von Energie in Form von Wärme ist kostengünstig und daher eine Schlüsseltechnologie. Es ist jedoch wichtig, dass die gespeicherte Energie nicht nur in Form von Wärme, sondern auch in Form von Strom genutzt werden kann – ein Ziel, das durch den Hochtemperaturspeicher ein großes Stück näher rückt.

Der Autor


Hanno Balzer
Hanno Balzer ist Geschäftsführer der Vattenfall Energy Solutions GmbH.

www.vattenfall.de

Mehr aus dieser Ausgabe

Alle Inhalte 3 Monate probelesen!

Mit Q+ erhalten Sie sofort Zugriff auf:

✔ alle Beiträge vergangenen Ausgaben
✔ alle Beiträge zukünftiger Ausgaben

Jetzt 3 Monate testen!

nur 3 /Monat
(zzgl. MwSt.)

Jetzt testen

Sie haben bereits einen Zugang?

Icon