Städtebauliche Projekte: Kosten-Nutzen-Analysen

Städtebauliche Projekte: Kosten-Nutzen-Analysen

Kosten & Finanzierung

Städtebauliche Projekte: Kosten-Nutzen-Analysen

Text: Kai Steffens | Foto (Header): © Uuganbayar – stock.adobe.com

Im Interesse der Öffentlichkeit liegen Siedlungsentwicklungen, die heute sozio-ökonomisch sinnvoll, also z. B. lebenswert, umweltgerecht und kosteneffizient sind und in der Zukunft zumindest bezahlbar bleiben. Zur Entscheidungsfindung über die Durchführung und die Gestaltung von Stadtentwicklungsvorhaben sollten also die Auswirkungen von Optionen und Varianten betrachtet werden.

Auszug aus:

Typische Fragen in diesem Zusammenhang sind z. B.: „Was kostet mehr Wohnraum oder mehr Gewerbefläche für die Stadt und welcher Nutzen ist zu erwarten?“, „‚Lohnt sich das überhaupt für die Stadt?“, „Verdienen sich die privatwirtschaftlichen Entwickler eine goldene Nase und die Stadt sitzt auf den Folgekosten?“

Siedlungsentwicklungen sind stets Unikate, in denen privatwirtschaftliche Flächeneigentümer und -entwickler über hinreichend genaue Prognoseinstrumente verfügen, die Stadt hingegen nicht. Im Interesse der Öffentlichkeit liegt eine langfristige Wirtschaftlichkeitsstrategie mit sehr eng und komplex vernetzten Zusammenhängen zwischen monetär bezifferbaren und „weichen“ Wirkungen. Solche Wirkungsprognosen aus öffentlicher Sicht werden bisher eher selten angewendet, obwohl erprobte Werkzeuge dafür verfügbar sind. Ein Beispiel wird hier erläutert.

Ansprüche an praxisnahe Nutzen-Kosten-Betrachtungen

In einer Abschätzung der kurz- und langfristigen Kosten und insbesondere des Nutzens sind unterschiedliche Nutzungen integriert zu betrachten bzw. abzuwägen und in Beziehung zu verschiedenen zu kalkulierenden Sanierungsvarianten zu setzen. Der in der Praxis häufig zu beobachtende Widerstreit der Interessen zwischen den Beteiligten auf Entwickler‑, Planungs- und Umweltverwaltungsseite kann konstruktiv in einer externen Moderation aufgegriffen und gelöst werden. Das Nutzen-Kosten-Modell sollte dabei auch als Kommunikationsinstrument nutzbar sein, um die Akzeptanz bereits im Erstellungsprozess der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zu stärken.

Das Modell muss flexibel an die Merkmale des Einzelfalls anpassbar sein. Dabei ist verstärkt auf die Abschätzung und Bewertung des zu erwartenden Nutzens einzugehen, da die Kostenseite im Regelfall einfacher greifbar ist bzw. bereits vorliegt. Während sich Kostenpositionen teilweise in automatisierten Modellen erfassen lassen, sind Nutzenpositionen jedoch derart einzelfallspezifisch und vielfältig (kurz- und langfristig, „hart“ und „weich“, mittelbar und unmittelbar), dass sich schematisierte Black-Box-Systeme mit weitgehend vorbelegten Positionen fatal auswirken können.

Kosten-Nutzen-Positionen

Nachfolgend sind einige Kosten beispielhaft aufgeführt, welche im Zuge von Flächenentwicklungen, insbesondere Flächenrevitalisierungen anfallen können:

Einmalige Kosten

  • Grunderwerb
  • Planungskosten (Gutachten, Projektsteuerung, etc.)
  • Rückbau- und Abbruchkosten
  • Altlastensanierung
  • Baukosten (Aufwendungen für die innere und äußere Erschließung, den Bau sozialer Infrastruktureinrichtungen sowie deren Planungskosten)
  • Anpassung sozialer (Kita, Jugendarbeit) und technischer Infrastruktur

Laufende Kosten

  • Finanzierungskosten
  • Abschreibungen
  • Personal- und Sachkosten in Einrichtungen der sozialen Infrastruktur
  • Kosten für Pflege von Grünflächen, Spielplätzen sowie Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen
  • Verwaltungskosten
  • Instandhaltungs- und Wartungskosten von Infrastrukturanlagen

Nutzen von Flächenentwicklungen

Die gängigen Nutzeneffekte sind im Wesentlichen:

Einmalige Effekte

  • Erlöse aus Grundstücksverkäufen
  • Steuereinnahmen durch die Bauphase
  • Zuschüsse

Laufende Effekte

  • Grundsteuereinnahmen
  • Einkommensteuerzuweisungen
  • Schlüsselzuweisungen
  • Konzessionsabgaben von Leitungsträgern

Schema-Darstellung des Modellierungskonzepts
Quelle: Kai Steffens

Schema-Darstellung der Vorgehensweise zur Prognose des Steueraufkommens
Quelle: Kai Steffens

Vorgehensweise

In einer Kommunalnutzen-Untersuchung werden die ersten überschlägigen Grundlagendaten einer Stadtentwicklungsmaßnahme erfasst, um bereits in frühen Phasen einen Überblick über die möglichen wirtschaftlichen Risiken dieser Entwicklung zu gewinnen. Dabei sollen neben den kurzfristigen Kostenrisiken insbesondere auch die langfristigen Perspektiven der Kosten- und Erlösentwicklung aus der Sicht der Kommune betrachtet werden.

Eine solche Untersuchung liefert erste Hinweise auf die Bedeutung einzelner Kostenpositionen, wie z. B. zusätzliche Kita-Gruppen und der damit verbundenen Kostenrisiken für die Stadt. Basis sind bei der Stadtverwaltung vorliegende Planungsüberlegungen, -daten sowie gemeinsam vorzunehmende Kostenschätzungen.

Nutzenarten, die für eine Kommune von ausschlaggebender Bedeutung sind, können für eine andere unwesentlich sein. Deshalb sollte ein einzelfallspezifisches Rechenmodell erstellt und angewendet werden. Das Modell sollte es dabei erlauben, die Eingangsgrößen des Projekts zu verändern und deren Auswirkungen zu betrachten. Geäußerte Ideen und Planungsszenarien können mit diesem Tool als Zahlenwerk visualisiert und somit interdisziplinär diskutierbar gemacht werden.

In der Kosten-Nutzen-Analyse werden die im Projekt verfügbaren flächen- bzw. umfeldbezogenen Daten aufgenommen und strukturiert. Falls noch keine (Planungs-)Daten vorliegen, werden Vergleichszahlen herangezogen oder Schätzungen vorgenommen.

Im Hinblick auf die ggf. später gewünschte Verwendung der Ergebnisse in Diskussionen mit der Lokalpolitik, der Öffentlichkeit, der Gemeindeverwaltung und/oder anderen Planungsverantwortlichen sollte das Modell klare, allgemeingültige Berechnungsmethoden verwenden und es zulassen, die Wirkung von Modifikationen auf das Gesamtergebnis zu beobachten.

Beispiel einer Darstellung im „Cashflow-Blatt“ (hier nur Erlöse)
Quelle: Kai Steffens, eigene Zusammenstellung aus Praxisprojekt

Aufbau des Modells

Es empfiehlt sich dringend, das Modell dynamisiert z. B. in Excel zu erstellen und alle Verknüpfungen und Formeln in den Zellen offen sichtbar und übersichtlich zu halten.

Sinnvoll ist, jede Planungsvariante in einem „Rechenblatt“ und die Ergebnisse in einem „Zusammenfassungsblatt“ darzustellen. Außerdem sollte ein drittes Blatt angelegt werden, auf dem die Summen der einzelnen Kosten- und Erlöspositionen jeweils einzelnen Jahren (Spalten) zugeordnet werden, sodass letzten Endes eine „Cashflow“-Übersicht entsteht.

Dieses „Cashflow-Blatt“ stellt das zentrale Auswertungselement dar, hier werden die einmaligen Kosten und Erlöse in der Projektumsetzung einzelnen Jahren zugeordnet. Es wird also festgelegt, wann welche Kosten und Erlöse im Projekt anfallen. Ferner werden die langfristigen Kosten- und Erlöseffekte gestaffelt nach dem angenommenen Aufsiedlungszuwachs dargestellt („In welchem Jahr sind wie viel Prozent der Flächen aufgesiedelt, also bebaut und bewohnt?“), bis „100 %“ – also die im Rechenblatt errechneten Effekte der vollständigen Aufsiedlung – erreicht sind. Schließlich werden die Jahreskosten und -erlöse zu einem Jahresergebnis saldiert und dienen so als Basis für eine Verlaufskurve des Projektergebnisses.

Hinter der folgenden beispielhaften Ergebniszusammenstellung liegt eine umfangreiche analytische Zusammenstellung der Kosten und Nutzenpositionen sowie deren Auswertung als Cashflow-Analyse über einen Zeitraum von 20 Jahren.

In der Abbildung ganz oben ergibt die Betrachtung der Projektkosten (vom Beginn der Planung über Ankauf und Erschließung bis zum Abschluss der Grundstücksveräußerung) zunächst ein sehr ansehnliches positives Ergebnis.

Die dynamische Betrachtung der jährlichen Kosten aus der Perspektive des kommunalen Haushalts erfolgt in zwei Varianten: eine zügige Entwicklung binnen sechs Jahren und eine langsame Entwicklung mit schrittweiser Aufsiedlung des erschlossenen Wohngebiets binnen elf Jahren.

Es zeigt sich, dass die laufenden jährlichen Folgekosten der Maßnahme die zu erwartenden Erlöse deutlich übersteigen. Der einmalige Ertrag des Projekts wird also über die Betriebsjahre aufgezehrt werden.

Die erläuterten Ergebnisse zeigen, dass eine langsame Entwicklung des Gebiets zwar geringfügige Vorteile in den Betriebskosten für Kitas und Schulen dadurch ergibt, dass die Zahl der neu zu betreuenden Kinder in der Spitze etwas geringer ist, weil eine gleichmäßigere Verteilung über die Zeit vorliegt. Alle anderen Faktoren (insbesondere die Finanzierungskosten und die Erlöse) wirken sich jedoch deutlich negativ aus, sodass der Kita-Schulen-Effekt schnell überkompensiert wird.

Beispielprojekt „P-Stadt“: statisches Projektergebnis im Zeitraum vom Beginn der Planung über Ankauf und Erschließung bis zum Abschluss der Vermarktung
Quelle: Kai Steffens, eigene Zusammenstellung aus Praxisprojekt

Beispielprojekt „P‑Stadt“: Dynamisches Projektergebnis eines Durchschnittsjahres im Betrachtungszeitraum (20 Jahre)
Quelle: Kai Steffens, eigene Zusammenstellung aus Praxisprojekt

Fazit

Die Grafik des Cashflow in der summarischen Darstellung zeigt deutlich den Effekt des Faktors Zeit in der Flächenentwicklung. Das in der statischen Betrachtung sehr deutlich positive Projektergebnis wird über den sehr langen Entwicklungszeitraum nahezu vollständig verbraucht. Eine zügige Entwicklung des Gebiets bietet in diesem Beispielprojekt also Vorteile. Die Entwicklungsrisiken im Sinne einer Vorfinanzierung von Erschließungen sind in der langsamen Variante am größten, weil der Zeitraum des Engagements mit 15 Jahren deutlich länger ist als in der Basis-Variante. Es steht also ein längerer Zeitraum zur Verfügung, in dem Störungen und Probleme in der Projektdurchführung auftreten könnten. Aus der Sicht des Risikomanagements wäre deshalb zu raten, das Vorhaben bei Vorliegen der Gremienentscheidungen in jedem Fall zügig durchzuführen.

Beispielprojekt „P-Stadt“: Dynamisches Projektergebnis im Jahresverlauf in zwei Varianten
Quelle: Kai Steffens, eigene Zusammenstellung aus Praxisprojekt

Beispielprojekt „P-Stadt“: Dynamisches Projektergebnis im Jahresverlauf in zwei Varianten
Quelle: Kai Steffens, eigene Zusammenstellung aus Praxisprojekt

Zusammenfassung der Ansprüche an kommunalfiskalische Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen.


Quelle: Kai Steffens

Anspruch Erforderliche Modelleigenschaften
Akzeptanz des Modells fördern
  • transparente Berechnungsalgorithmen (keine Black-Box)
  • einzelfallbezogene Betrachtung für alle Standorttypen (bzgl. Vornutzung, Lage im Siedlungsraum, Integrationsgrad, Eigentümerschaft, Entwicklungsträgerschaft etc.) und Nutzungsformen
  • erstellt ohne Eigeninteressen
Direkte und indirekte Kosten- und Nutzeneffekte abbilden
  • zwischen (kurzfristigem) Projektergebnis und (langfristiger) Kosten-Nutzen-Betrachtung trennen
Unterschiedliche Interessenlage der Beteiligten berücksichtigen
  • moderierte Workshops zur Datensammlung und Szenarienbildung
  • transparente Berechnungsalgorithmen (keine Black-Box)
  • Zuordnung von Kosten und Nutzen zu Trägern bzw. zu Nutznießern
  • Betonung der Nutzenbetrachtung
Komplexe Zusammenhänge (insbesondere beim Nutzen) und Vielfalt abbilden
  • jeweils an den Einzelfall angepasstes Rechenmodell
  • einfache Erweiterbarkeit des Modells um zusätzliche Aspekte
  • externe gutachterliche Meinung kombiniert mit Kenntnissen der lokalen „Insider“
Multifunktionelle Nutzungsansprüche an die Fläche
  • nicht nur Wohnen, sondern auch Gewerbe- und Produktionsnutzung betrachten
  • Betonung der Umfeldauswirkungen unterschiedlicher Nutzungsoptionen
Unterstützung der kommunalen Entscheidungsfindung in Bezug auf den Umgang mit Flächen
  • Definition der kommunalen Verhandlungsposition, z. B. gegenüber Investoren
  • präsentierfähige Dokumentation der Ergebnisse für Entscheidungsgremien mit bekannten Basisdaten

Der Autor


Dr.-Ing. Kai Steffens
Dr.-Ing. Kai Steffens ist seit 1996 Geschäftsführer der BDO Technik- und Umweltconsulting GmbH, einem Joint-Venture-Unternehmen der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Ingenieurbürogruppe Weyer. Seine Haupttätigkeitsfelder liegen in Kommunalnutzenanalysen, in Wirtschaftlichkeitsanalysen in technischen Projekten, in Due Diligences (Technik und Umwelt) sowie in der technischen Wirtschaftsprüfung.

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