Energie, Technik & Baustoffe
Schallschutz: Luftschalldämmung mit Fenstern
Text: Thomas Fiedler | Foto (Header): © VILHELM – stock.adobe.com
Schalldämmung mit Fenstern bedeutet weit mehr als die Erhöhung der Lebensqualität in den Wohn- und Arbeitsbereichen. Vielmehr wird mit Lärmschutzfenstern ein signifikanter Beitrag zum Gesundheitsschutz geleistet. Für die fachgerechte Planung sind einige technische Voraussetzungen zu beachten.
Auszug aus:
QUARTIER
Ausgabe 2.2019
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Schalldruckpegel an das menschliche Hörvermögen werden die Messgrößen noch durch einen sog. A-Filter korrigiert. Durch die A-Bewertung wird erreicht, dass Töne mit unterschiedlichen Frequenzen aber gleichen Schalldrucks zwischen 20 und 40 Phon ungefähr gleich laut wahrgenommen werden [3]. Die korrekte Benennung der Lautstärke ist dB(A).
Der Fernseher des Nachbarn raubt einem den Schlaf, während dieselbe Person bei geöffnetem Fenster hinter einem tosenden Gebirgsbach hervorragend schlafen kann. Die Lautstärke allein beschreibt daher die Wirkung von Geräuschen nicht immer sinnvoll. Auch die Zeit, wann das Geräusch wahrgenommen wird, spielt eine bedeutende Rolle bei der Klärung, ob es sich um eine Belästigung handelt oder nicht. Das Problem ist, dass es sich bei der Wahrnehmung von Tönen, Geräuschen und Lärm um physisch-psychische Vorgänge handelt. Wir entscheiden höchst individuell, ob es sich bei dem Mix aus Tönen um beruhigende Geräusche oder um nervenden Lärm handelt. Lärm kann somit als Schall, der zur falschen Zeit am falschen Ort zu hören ist, definiert werden.
Nach einer aktuellen Information des Umweltbundesamts [4] fühlten sich nach einer Untersuchung aus dem Jahr 2016 76 % aller Bundesbürger in ihrem Wohnumfeld durch Straßenverkehrslärm, 44 % durch Flug- und 38 % durch Schienenverkehrslärm belästigt. Der Umfrage zufolge fühlen sich aber auch 60 % der Bürgerinnen und Bürger durch Geräusche ihrer Nachbarn beeinträchtigt. Rund 23 % der Bevölkerung sind gleichzeitig von Straßen‑, Schienen und Fluglärm betroffen.
Bedeutung der Fenster beim Lärmschutz
Von allen Bauteilen stellen die Fenster die größten Schwachstellen dar. Ein beidseitig verputztes 30 cm dickes Mauerwerk (RDK 1,4) weist bereits ein bewertetes Schalldämmmaß R’W = 50 dB auf. Ein Fenster, verglast mit Wärmeschutzglas aus 2 × 4 mm Floatglas, hingegen kommt lediglich auf RW = 33 dB. Berücksichtigt man, dass ein Mensch etwa 10 dB als Verdoppelung der Lautstärke wahrnimmt, ist das ein riesiger Unterschied. Um vergleichbare Schalldämmwerte eines Mauerwerks zu erreichen, bedarf es beim Fenster besonderer Anstrengungen. Schalldämm-Maße über 50 dB werden in der Regel nur noch mit Kastenfenstern erreicht.
Nomogramme und Lärmschutzkarten für unterschiedliche Lärmarten ermöglichen dem Planer, die am Gebäudestadtort zu erwartenden Schallimmissionen zu ermitteln. Aus diesen Planungshilfen lassen sich entsprechende Mitteilungspegel LM und die daraus resultierenden Schallschutzmaßnahmen an die einzelnen Bauteile wie Fassaden und darin integrierte Fenster ableiten.
Situation bzw. Schallquelle | Entfernung von der Schallquelle (Messort) | Schalldruck p | Schalldruckpegel L | physische Wirkung |
Düsenflugzeug | 30 m | 630 Pa | 150 dB | Gehörschäden bereits bei Kurzzeiteinwirkung möglich |
Gewehrschuss | 1 m | 200 Pa | 140 dB | |
Schmerzschwelle | am Ohr | 20 Pa | 120 dB | |
Kampfflugzeug | 100 m | 6,3–200 Pa | 110–140 dB | |
Presslufthammer | 1 m | 2 Pa | 100 dB | erhöhtes Risiko für Lärmschwerhörigkeit bei Langzeiteinwirkung – Risikobeginn ab ca. 75 dB |
Schwellenwert für Hörschäden | am Ohr | > 360 mPa | 85 dB | |
Hauptverkehrsstraße | 10 m | 200–630 mPa | 80–90 dB | erhöhtes Risiko für Herz-/Kreislauf-Erkrankung bei Langzeiteinwirkung ab etwa 65 dB |
Pkw | 10 m | 20–200 mPa | 60–80 dB | |
TV-Gerät/Radio bei Zimmerlautstärke | 1 m | 20 mPa | 60 dB | Schlafstörungen möglich ab 45 dB Außenpegel bei gekipptem Fenster bzw. ab 25 dB Innenpegel |
normale Unterhaltung | 1 m | 2–20 mPa | 40–60 dB | |
sehr ruhiges Zimmer | am Ohr | 200–630 μPa | 20–30 dB | |
Blätterrauschen, ruhiges Atmen | am Ohr | 63,2 μPa | 10 dB | |
Hörschwelle bei 1 kHz | am Ohr | 20 μPa | 0 dB |
Schalldruckpegel diverser Schallquellen mit physischen Auswirkungen
Dazu wird ein Fenster oder ein Isolierglas in der Normgröße 1.240 mm × 1.480 mm in die Trennwand eines genormten Prüfstands eingebaut, die Mittelwerte der Terzbänder zwischen 100, 125, 160 … bis 3.150 Hz bzw. im erweiterten Spektrum von 50 bis 5.000 Hz werden gesendet und die empfangenen mit den gesendeten Schalldruckpegeln abgeglichen [3].
Um das mittlere Schalldämmvermögen eines Fensters oder Isolierglases „gehörgerecht“ zu beurteilen, erfolgt ein Abgleich der Messwerte mit einer Bezugskurve, die den idealisierten Verlauf des Schalldämm-Maßes einer 25 cm dicken Vollziegelwand aufweist. Beim Abgleich der gemessenen Werte wird die Bezugskurve virtuell so weit nach oben oder unten verschoben, bis die Beträge der sich über und unter der Bezugskurve ergebenden Flächen so groß wie möglich sind. Dabei darf die zulässige mittlere Unterschreitung der Bezugskurve höchstens 2 dB betragen.
Das bewertete Schalldämm-Maß Rw ist der Wert im Schnittpunkt der verschobenen Bezugskurve bei 500 Hz. Rw wird entweder als Einzahlangabe, stets als abgerundeter Wert, oder optional in Dezimalangaben mit Standardabweichung abgegeben. Im dargestellten Beispiel unten rechts wären dies 57,8 dB ± 1,6 dB.
Die einfache Subtraktion des resultierenden Schalldämm-Maßes Rw,res einer Fassade (z. B. Mauerwerk einschließlich der Fenster unter Berücksichtigung aller Nebenwege) vom Mitteilungspegel LM führt jedoch nicht selten zu unzufriedenen Nutzern der Gebäude. Dieses analytisch ermittelte Ergebnis ist daher nur bedingt ein Maß für die ausreichende Wirkung der Schalldämmung von Fenster und Fassade.
Vielmehr ist es wichtig, die Hauptlärmquelle zu kennen. Je nach Lärmart ergeben sich mehr oder weniger stark ausgeprägte Maximalwerte in unterschiedlichen Frequenzbereichen. So liegt das Maximum in der Nähe einer Schnellstraße bei etwa 125 Hz, an der Straßenkreuzung einer Innenstadt bei etwa 200 Hz, an einer S-Bahn-Trasse bei etwa 400 Hz und neben der Gleisanlage einer Schnellbahn auf freier Strecke sogar bei 1.000 Hz.
Bei Fenstern, deren Leistungseigenschaften wesentlich vom Schallschutzglas beeinflusst werden, fehlt es selbst den dicksten Einzelscheiben an Masse, welche der Schalldruckwelle Widerstand leisten könnten. So lassen sich in der Messkurve zwei mehr oder weniger starke Frequenzeinbrüche beobachten. Im tieffrequenten Bereich handelt es sich um die Resonanzfrequenz, bei der die Schwingungsamplitude der beiden Glasscheiben gegeneinander ein Maximum erreicht. Im etwas höher liegenden Frequenzbereich kommt es zur sog. Koinzidenzfrequenz, bei der die Wellenlänge des Luftschalls exakt derjenigen der Biegewelle des Bauteils entspricht [5].
Wie dem Prüfbericht für UNIGLAS TOP Pure 1.1 mit dem Aufbau 4 – 16 – :4 zu entnehmen ist, sind bei 80 und 200 Hz ausgeprägte Frequenzeinbrüche festzustellen. Damit liegt die Koinzidenzfrequenz exakt im Bereich der Immission, die an einer innerstädtischen Straßenkreuzung zu erwarten ist. Im Vergleich liegt der Einzelwert des Schalldämm-Maßes bei dem Lärmschutztyp UNIGLAS PHON 34/45 NC um ca. 16 dB höher.
Daher sollte bei Isoliergläsern stets auch die Messkurve beachtet werden. Idealerweise liegt die Resonanz- oder die
Koinzidenzfrequenz möglichst weit von der Frequenz, in der die Lärmquelle ihr Maximum erreicht, entfernt.
Es wäre jedoch unverhältnismäßig, wenn bei jedem Bauvorhaben eine exakte Frequenzanalyse durchgeführt werden müsste. In Frankreich, den Niederlanden und anderen Ländern werden bereits sog. Spektrum-Anpassungswerte (siehe Tabelle unten) verwendet. Dabei handelt es sich um ein sehr vereinfachtes Näherungsverfahren, um der tatsächlichen Situation vor Ort halbwegs gerecht zu werden. Zu diesem Zweck werden nach der internationalen Prüfnorm noch Korrekturwerte C für das Spektrum 1 (rosa Rauschen) und Ctr für das Spektrum 2 (städtischer Straßenverkehr) ermittelt und im Prüfbericht angegeben. Die zutreffenden Korrekturwerte sind zum Rw-Wert zu addieren. Diese Summe ergibt dann die Werte RA,1 bzw. RA,2. Die Differenz aus dem Mitteilungspegel und dem RA-Wert ergibt dann einen recht guten Näherungswert für den hinter dem Bauteil ankommenden Lärmpegel. In Deutschland spielt dieses Verfahren bauaufsichtlich keine Rolle.
Bisher wurde stets die Wirkung von diffusem Schall, bei dem die Druckwelle keine eindeutige Richtung hat, beschrieben. Bei Hochhäusern gegenüber niedrigeren Gebäuden oder auch an Hanglagen streift die komplette, nicht reflektierte Schallwelle die Fassade. Je nach Einfallwinkel kann es bei direktem Schall zu deutlich stärker ausgeprägten Resonanzen kommen. Derartige Situationen können in den oberen Geschossen andere, meist höhere Schallschutzmaßnahmen erfordern als in den unteren Geschossen, obwohl die Fenster weiter von der Schallquelle entfernt liegen.
Geräuschquelle | Spektrum-Anpassungswert |
normale Frequenzgeräusche wie Reden, Musikhören, Radio oder TV | C Spektrum 1 |
spielende Kinder | |
Schienenverkehr, mittlere und hohe Geschwindigkeit | |
Autobahnverkehr über 80 km/h | |
Flugzeuge mit Düsenantrieb in geringem Abstand | |
Produktionsbetriebe, die vorwiegend mittel- bis hochfrequenten Lärm abstrahlen | |
innerstädtischer Straßenlärm | Ctr Spektrum 2 |
Schienenverkehr mit geringer Geschwindigkeit | |
Propeller-Flugzeuge | |
Discomusik | |
Produktionsbetriebe mit vorwiegend tieffrequenter Lärmabstrahlung |
Spektrumanpassungswerte C und Ctr
Schallschutz-Isolierglas ist generell aus ungleich dicken Scheiben aufgebaut, wodurch die Frequenzeinbrüche abgeschwächt werden. Zusätzlich wirkt sich ein vergrößerter Scheibenzwischenraum günstig aus. Bei hohen Anforderungen an das Schalldämm-Maß werden eine oder zwei monolithische Scheiben durch Verbundsicherheitsglas mit Akustikfolie als Zwischenlage ersetzt. Die Akustikfolie ist weich eingestellt und wirkt wie ein Stoßdämpfer, in dem sie in Bruchteilen einer Sekunde die Amplitude der Schwingung verkleinert. In diesem Fall kann der Isolierglasaufbau auch symmetrisch erfolgen. Bei Dreifach-Isolierglas ist zwar die Gesamtmasse etwas höher, dennoch werden die Schalldämmung und die Frequenzeinbrüche im Wesentlichen von den beiden Außenscheiben beeinflusst [6].
Das beste Schallschutzglas würde seine Wirkung ohne den passenden Fensterrahmen und den richtigen Einbau in die Fassade verfehlen. Im Wesentlichen kommt es neben dem Schallschutzglas auf den Querschnitt und das Material des Rahmens, auf Mehrfachverriegelungen, auf verschieden angeordnete Dichtungsebenen mit größtmöglichem Abstand zueinander, einen geringen Fugendurchlasskoeffizienten zwischen Blendrahmen und Flügel, auf dem Scheibengewicht angepasste Beschläge und einen fachgerechten Wandanschluss an.
Bei Schalldämm-Maßen bis ca. 41 dB kann das Fenster bei fast allen Systemen den gleichen Prüfwert wie das eingesetzte Isolierglas erreichen. Bei höheren Schalldämm-Maßen bleibt das Fenster jedoch weit hinter den Dämmwerten des Isolierglases zurück. Konstruktionshinweise mit realistischen Schalldämm-Maßen gibt Tabelle 1 in der DIN 4109-35. Leider dürfen in dieser nationalen Norm angegebene Schalldämm-Maße im Gegensatz zu den Werten aus den Tabellen B.1 oder B.2 der EN 14351-1 nicht in der Leistungserklärung verwenden werden. Somit müssen die zu deklarierenden Schalldämm-Maße bei Schallschutzfenstern mit Rw > 38 dB nach wie vor am Prüfstand gemessen werden.
Literatur
[1] Lin Fritschi Lin; Brown, A. Lex; Kim, Rokho; Schwela, Dietrich; Kephalopoulos, Stelion (2011): Burden of desease from environmental noise. World Health Organization (WHO). Copenhagen.
[2] Zünd, Andi: Lautstärkeempfindung. Fachstelle Lärmschutz Zürich, www.laermorama.ch/m2_hoeren/empfindung_w.html#lempfindung (Stand 04.03.2019)
[3] TU Darmstadt: Skript Schallschutz, www.twe.architektur.tudarmstadt. de/media/architektur/fachgruppe_c/twe_1/bauphysik/skript_bauphysik/schallschutz.pdf, TWE Architektur (Stand 04.03.2019)
[4] Verkehrslärm (16.2.2016), www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/verkehrslaerm#textpart-5 (Stand 04.03.2019)
[5] Hauser, Gerd (2004): Vorlesung „Bauphysikalische Grundlagen“, www.delta-q.de/export/sites/default/de/downloads/skript_schall_juni2004.pdf (Stand 04.03.2019)
[6] Saß, Bernd (2009): Schalldämmung von Dreifach-Isolierglas NAG/DAGA. ift Rosenheim, Rotterdam.
Der Autor
Dipl.-Ing. (FH) Thomas Fiedler
Seit 2008 ist Thomas Fiedler als Technischer Leiter der UNIGLAS GmbH & Co. KG tätig. Neben der technischen Unterstützung der Isolierglashersteller und Glasveredelungsbetriebe der Gesellschaftsunternehmen im Bereich
Anwendung, Qualitätssicherung und Normung ist Mitarbeiterschulung von Technischen Grundlehrgängen bis zum Bauordnungsrecht ein weiterer Arbeitsschwerpunkt. Außerdem ist er Mitglied des erweiterten Vorstands der Gütegemeinschaft Flachglas e. V. (GGF)
UNIGLAS ist eine Kooperation mittelständischer, unabhängiger Unternehmer der Isolierglasfertigung und Glasveredelung mit Standorten in Deutschland, Österreich, der Schweiz, den Niederlanden, Slowenien und Belgien. Im November 1995 gegründet, besteht der Gesellschafterkreis der UNIGLAS GmbH & Co. KG heute aus 19 Gesellschaftern mit 21 Betriebsstätten und insgesamt rund 1.500 qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Stärke der Kooperation liegt besonders in der Bündelung von Kompetenz und Erfahrung, verbunden mit einem ständigen technischen Wissenstransfer zwischen allen UNIGLAS-Partnern.
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