Energie, Technik & Baustoffe
Raumseitige Feuchte am Fenster: Schadensbilder, Ursachen und deren Vermeidung
Text: Ralf Spiekers | Foto (Header): © Spiekers
In erster Linie könnte man meinen, Fenster schützen vor äußerer Feuchte, wie dem Schlagregen. Aber bauphysikalisch ist das Thema der inneren Feuchte nicht zu vernachlässigen. Der Grundsatz „innen dichter als außen“ ist nicht nur für den Fensteranschluss, sondern insbesondere auch in der Konstruktion und Ausführung ein möglicher Schadensausgangspunkt. So liegen Ursachen und Auswirkungen nicht zwingend im Produkt, das bauphysikalisch immer mehr Aufgaben bewältigen muss. Grund genug, sich mit der Feuchtebelastung von innen näher auseinanderzusetzen.
Auszug aus:
QUARTIER
Ausgabe 4.2021
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Tauwasser entsteht, wenn die Luft durch Abkühlung nicht mehr in der Lage ist, die ursprüngliche Menge Wasser zu speichern. Klassische Kennzeichen sind innen beschlagene Fenster dort, wo sich die Raumluftfeuchte niederschlägt (siehe Foto oben).
Hinsichtlich der Lage von Feuchtebildung ist zwischen der Feuchte in der Konstruktion und dem Kondensat in der Funktionsfuge zu differenzieren. Nach Abschnitt 6.3 Fugenarten des RAL-Leitfadens zur Montage [1] werden nachfolgende Fugen unterschieden:
- Funktionsfugen (öffenbar)
- Konstruktionsfugen: lösbar, starr oder beweglich
- Anschlussfugen
Während bei Funktionsfugen neben der Schlagregendichtheit eine begrenzte Luftdurchlässigkeit zulässig und erwünscht ist, sind Konstruktions- und Anschlussfugen dauerhaft luftundurchlässig und im Außenbereich schlagregendicht auszuführen. Die Funktionsfuge trägt so zum Mindestluftwechsel bei. Ihr Nachweis erfolgt im Rahmen der CE-Kennzeichnung gemäß DIN EN 14351-1 [2] bzw. DIN EN 12207 [3].
Bauteil- und Bauteilanschlussfugen sollen dagegen nicht zum Mindestluftwechsel beitragen – da in aller Regel undefiniert – und müssen luftundurchlässig ausgeführt werden. Die Anforderungen an die Luftdichtheit von Bauteil- und Bauteilanschlussfugen und deren Nachweismöglichkeit werden in DIN 4108-2 [4] näher erläutert. Eine im Labor nach DIN EN 12114 [5] ermittelte Luftdurchlässigkeit von a < 0,1 m³ / [h m (daPa)²/³] wird als praktisch luftdicht angesehen. Die Anforderungen an die Gebäudedichtheit und den Mindestluftwechsel sind auch im Gebäudeenergiegesetz (GEG) in § 13 verankert. Das oben zitierte nachgeschaltete normative Regelwerk präzisiert das GEG entsprechend.
Manche Dinge sind offensichtlich und führen schnell zu winterlichen Reklamationen. In erster Linie ist Kondensat am inneren Glas auffällig, insbesondere bei innerer Verschattung durch Gardinen, Plissees oder Jalousien. An den typisch kalten Stellen wie Sprossen, Rahmen und/oder Flügeln kondensiert es aus. Vieles ist ursächlich auch vom Energiesparwillen der Nutzer geprägt. Auch die öffenbare Funktionsfuge, wie sie zwischen Rahmen und Flügel üblicherweise vorhanden ist, ist betroffen.
Im Fensterfalz zeigt sich die Feuchtebelastung in der Regel an den klassisch kalten Stellen. Dazu gehören Beschläge, Wetterschutzschienen, Schwellensituationen und Dichtungen. Nasse Beschläge oder feuchtebeschlagene Wetterschutzschienen sind typische Kennzeichen für eine Belastung von innen. Sie verursachen Beschlagkorrosion und feuchte Dichtungen.
Eine typische Position für verstärktes Kondensat ist auch der Stulpbereich. Hier kann bei bestehenden Konstruktionen durch sog. Stulpendkappen bzw. Dichtungen, die die Konvektion der Raumluft von innen nach außen reduzieren, eine Verbesserung geschaffen werden (Foto rechts). Auch bei entsprechenden Temperaturen vereisende Dichtungen sind immer wieder auffällig. Letztere verursachen häufig Schäden an der Beschichtung.
Eine der klassischen Konstruktionsfugen ist die lösbare Glashalteleiste. Im Rahmen der Luftdichtheitsprüfung des Elements, hier die Bestimmung der Luftdurchlässigkeitsklasse, wird diese nicht besonders ermittelt. Gemäß RAL-Leitfaden zur Montage [1] muss aber auch diese Fuge dicht sein, da undichte Glashalteleisten u. a. Auswirkungen auf den Randverbund der Isolierglaseinheit haben. Die Anforderungen an die Glashalteleiste finden sich hinsichtlich der Ausführung in der VOB/C, hier ATV DIN 18355 Tischlerarbeiten [6]. Dort heißt es unter Punkt 3.6.7: „Glashalteleisten aus Holz sind verdeckt zu nageln oder nach DIN 68121-2 zu befestigen. Ergänzend gilt DIN 18545 (…)“ [7, 8]. Mit diesem Verweis wird zum einen die Abnehmbarkeit der Glashalteleiste normativ beschrieben (DIN 18545, Abschnitt 5.2.2) und zum anderen eine Passgenauigkeit gefordert. Ein maximal üblicher Glasleistenhochstand von 2/10 mm wird noch als dicht betrachtet. Darüber hinaus beginnt die raumseitige Luft bei einem Überdruck von 5 Pa in den Glasfalz zu wandern. Die überfälzte Glashalteleiste ist dabei konstruktionsbedingt weniger auffällig, ermöglicht aber in der Konsequenz bei Hochstand ebenfalls die Konvektion.
Der auf Feuchte teilweise empfindlich reagierende Buthylrandverbund ist somit in Gefahr. Gerade das moderne Wärmeschutz- bzw. Dreifachglas ist durch die außen liegende, kalte Flachglaseinheit am Glasrandverbund bei entsprechenden Außentemperaturen durch Kondensation besonders betroffen. Die DIN 68121‑2 [8] sieht gemäß Abschnitt 2.6.3 vier Öffnungen mit einem Durchmesser von 8 mm bzw. und/oder Schlitzen von 5 × 12 mm vor. Die in den Konstruktionen i.d.R. vorhandenen Entlüftungen des Glasfalzraums reichen bei hohen Belastungen jedoch nicht mehr aus.
Eine gewisse Negativ-Ausnahme stellen Festverglasungen bei Holzfenstern dar. Vielfach wird bei diesen Produkten die notwendige Entlüftung konstruktiv immer noch nicht ausgeführt. Doch Vorsicht bei einer pauschalen Verurteilung: Nicht alle Entlüftungen sind sofort erkennbar. Manche Systeme entlüften auch nach unten.
Typische Schadensbilder sind Schädigungen im Bereich der Glasanbindung, wie die Auffeuchtung des Holzes, eine Verpilzung der Falzeinlage (Foto unten rechts) oder auch erblindete Isolierglaseinheiten.
Eine besondere Belastungssituation stellen Bauphasen dar, bei denen Feuchte in das Gebäude eingebracht wird – letztendlich ein immer noch unterschätztes Thema für alle Fenster, auch wenn gerade in der heutigen Zeit die Innenwände immer trockener erstellt werden. Die Folgen sind teilweise jedoch gravierend. Das Aufquellen des Holzes mit Holzfeuchten größer 15 % (Foto S. 47), verbunden mit dem Reißen der Rahmeneckverbindungen, ist typisch. Dabei wurde in den letzten Jahren sehr viel für die sog. V-Fuge getan. V-Fugensiegel dichten die offene Hirnholzzone so ab, dass nicht nur eine gleichmäßige Beschichtung erfolgen kann, sondern auch eine gewisse Elastizität gewährleistet wird, die eine saubere, dichte und nicht mehr so schadensanfällige Brüstungsfuge möglich macht.
Ein extremer Vorgang im Rahmen der Bautrocknung ist auch das Ablösen einer deckenden Beschichtung. Bei andauernder mangelhafter Lüftung wird die Feuchte zwangsläufig die Innenlackierung durchdringen und zu deutlich erhöhten Holzfeuchten führen. Bei niedrigen Außentemperaturen befindet sich dann der Taupunkt innerhalb der Konstruktion. In extremen Fällen wird die Fasersättigung überschritten, sodass flüssiges Wasser aus dem Holz austritt. An diesen Kondensationsstellen geht die Lackhaftung verloren. Bei steigender Außentemperatur können die dort vorhandenen Wasserdampfmengen nicht rasch genug über die äußere Beschichtung, hier i. d. R. Acrylbeschichtungen, abgetragen werden. Dadurch treibt der durch Feuchteeinwirkung aufgequollene erweichte Lackfilm völlig auf, es entsteht eine Blase, die erst nach wieder rückgetrocknetem Holz saniert werden kann. Wie der Abbildung auf S. 48 oben nach Andreas Tretter [10] zu entnehmen ist, ist die Menge der eindringenden Feuchte gleich der Menge, die ins Freie abdunsten kann. Rechts dargestellt ist das Überangebot an Feuchte, das nicht mehr rasch genug über den Lackfilm hindurch abgegeben werden kann; es kommt zu Nässestau und Blasenbildung, bei denen man teilweise auch von regelrechten Wassersäcken spricht. Dabei ist eine hohe Baufeuchte auch im Nachhinein, aber immer noch zeitlich an die Bauphase gebunden, häufig gut nachzuweisen. In der Abbildung rechts unten gut zu erkennen sind die vertikalen Laufspuren der Baufeuchte an der Glashalteleiste bzw. dem Flügel.
Das Lüftungskonzept, Teil der notwendigen Planung
Dichte Gebäude sind ein energetisches Ziel und über das GEG verankert. Das ist im Hinblick auf die Treibhausemissionen, von denen der Wohnungsbau einen großen Teil durch die Heizlast beiträgt, positiv zu bewerten. So billigt man Gebäuden mit natürlicher Lüftung einen n50-Wert von 3,0 h−1 und Gebäuden mit raumlufttechnischen Anlagen einen n50-Wert von 1,5 h−1 zu. Weiteres regelt die DIN 1946-6 [11]. Die Norm enthält Anforderungen, Planungs- und Ausführungsempfehlungen sowie Ausführungsbeispiele einschließlich geeigneter Materialien zur Einhaltung von Anforderungen an die Luftdichtheit von beheizten oder klimatisierten Gebäuden und Gebäudeteilen.
Allerdings hat die Dichtheit des Gebäudes auch Konsequenzen für die klassische Funktionsfuge, die als eine der wenigen „relativ undichten“ Fugen, übrig bleibt. Auch die offene Bauweise von Gebäuden erhöht den Druck auf die Funktionsfuge zwischen Rahmen und Flügel.
Die DIN 1946-6 unterscheidet grundsätzlich zwischen freier Lüftung sowie ventilatorgestützter Lüftung. Ein mögliches Lösungskonzept hinsichtlich der freien Lüftung sind integrierte Fensterlüftungseinrichtungen, die sog. Fensterfalzlüfter. Diese zählen als Außenbauteilluftdurchlass und sind physikalisch geregelt. Beim Holzfenster liegen sie in einem Gehäuse, welches in den Blendrahmen eingefräst wird und i. d. R. paarweise zu verbauen ist. Fensterlüfter werden hauptsächlich in der Querlüftung eingesetzt. Sie können auch in Verbindung mit Abluftanlagen, als Zuluftelement für die Verbrennungsluftversorgung und als Teil der Schachtlüftung verbaut werden.
Gerade im Bereich der Querlüftung gilt: Der Luftaustausch über Fensterlüfter wird durch die Gebäudelage, Fassadenausbildung und Windgeschwindigkeit beeinflusst. Bei der aus gutachterlicher Sicht besseren Kombination mit der Schachtlüftung (Thermik) oder der ventilatorgestützten Lüftung wird die feuchte Luft nicht durch das Fenster gezogen, sondern direkt nach außen abgeführt.
Ventilatorgestützte Lüftungen werden als Abluftanlagen, Zuluftanlagen und als Kombinationsanlagen (Zu-/Abluftanlagen) ausgeführt. Im Überdruck, also bei den Zuluftanlagen, ist zu berücksichtigen, dass ein Überdruck die feuchte und warme Raumluft durch die Funktionsfuge drückt. Keine wirklich guten Voraussetzungen für ein schadensfreies Fenster. Daher gilt es, Überdruck zu vermeiden. Auch ein Wechselbetrieb, d. h., mal im Überdruck, mal im Unterdruck, ist aus den zuvor genannten Gründen kritisch.
Verbesserungen am Fenster sind nicht immer die Lösung
Lange wurde die Überschlagdichtung im Flügel als Allheilmittel gepriesen, und über die Jahre erhielten neue Fensterprofile diese Verbesserung. Holzfenster erhielten neben der Mitteldichtung Zusatzdichtungen. Auch wurde die Wetterschutzschiene hinsichtlich der vorhandenen Wärmebrücke verbessert. V-Fugensiegel und dichte Glashalteleisten verbesserten ebenfalls die Fensterkonstruktionen. Dass aber die Verbesserung durch eine Einzelmaßnahme allein, z. B. durch die nachträgliche Montage einer Überschlagdichtung, die heutigen Anforderungen nicht lösen kann, zeigt ein gutachterlicher Fall aus der Praxis. Bei einer Berliner Jugendstilvilla wurde nachträglich das Dachgeschoss ausgebaut, dabei eine offene Bauweise bevorzugt und das Dach quasi dicht gemacht. Die einzige verbleibende Fuge war ein mehrteiliges Holzfensterelement, das in den Funktionsfugen winterlich schwitzte. Die Installation einer Überschlagdichtung führte zu einer entsprechenden Verbesserung hinsichtlich der Kondensatbildung. Dennoch konnte die Überschlagdichtung die hohen Anforderungen aus der bauphysikalischen Dampfglocke nicht lösen.
Als Fazit bleibt festzuhalten: Das Fenster wird nicht alle gestellten Anforderungen ohne Hilfe lösen können. Letzterer Umstand ist bei der Planung zu berücksichtigen. Neben der räumlichen Lage der entsprechenden Gebäudeteile bzw. Fenster beeinflussen auch die Form und die Orientierung eines Gebäudes den Energieverbrauch bzw. das Raumklima. Lüftung ist dabei eine wichtige Planungsaufgabe zur Sicherstellung eines gesunden und behaglichen Wohnklimas. Letzteres ist und bleibt eine Aufgabe des Planers und ist i. d. R. keine Aufgabe für den Fensterhersteller, es sei denn, dieser übernimmt die Planungsleistung.
Literatur
[1] Gütegemeinschaft Fenster, Fassaden und Haustüren e. V. (Hrsg.) Leitfaden zur Montage von Fenstern und Haustüren für Neubau und Renovierung. Frankfurt, Ausgabe März 2020
[2] DIN EN 14351-1:2016-12 Fenster und Türen – Produktnorm, Leistungseigenschaften – Teil 1: Fenster und Außentüren
[3] DIN EN 12207:2017-03 Fenster und Türen – Luftdurchlässigkeit – Klassifizierung
[4] DIN 4108-2:2013-02 Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden – Teil 2: Mindestanforderungen an den Wärmeschutz
[5] DIN EN 12114:2000-04 Wärmetechnisches Verhalten von Gebäuden – Luftdurchlässigkeit von Bauteilen – Laborprüfverfahren
[6] DIN 18355:2019-09 VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil C: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) – Tischlerarbeiten
[7] DIN 68121-2:1990-06 Holzprofile für Fenster und Fenstertüren – Allgemeine Grundsätze
[8] DIN 18545:2015-07 Abdichten von Verglasungen mit Dichtstoffen – Anforderungen an Glasfalze und Verglasungssysteme
[9] Wagner, E.: Glasschäden. 5. überarb. u. erw. Aufl., Holzmann Medien, Bad Wörishofen 2020
[10] Tretter, A.: Holzlackschäden: Beschichtungsmängel an Fenstern erkennen, vermeiden, sanieren. DRW-Verlag, Leinfelden-Echterdingen 2004
[11] DIN 1946-6:2019-12 Raumlufttechnik – Teil 6: Lüftung von Wohnungen – Allgemeine Anforderungen, Anforderungen an die Auslegung, Ausführung, Inbetriebnahme und Übergabe sowie Instandhaltung
Der Autor
Tischler/Dipl.-Ing. (FH) Ralf Spiekers
Ralf Spiekers verantwortet seit zwei Jahrzehnten die Technik des Tischlerhandwerks in den Bereichen Normung und Arbeitssicherheit. So ist er Mitglied in den Normenausschüssen NaBau Fenster/Türen, NaBau Treppen, NHM (Holz & Möbel) sowie im VAEG-Ausschuss BMI/Bauproduktenverordnung. Seit 2006 ist er zudem von der Handwerkskammer Berlin öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger im Tischlerhandwerk sowie seit 2018 Wirtschaftsmediator im Handwerk.
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