Energie, Technik & Baustoffe
Rauchableitung und Lüftung im Aufzugsschacht: Energieeffiziente Brandschutzmaßnahmen
Text: Louis Mersch | Foto (Header): © B.A.S.E. GMBH
Systeme zur Rauchableitung und Lüftung im Aufzugsschacht (RLA) stellen eine „Low Hanging Fruit“ zur Energieeinsparung und CO₂-Vermeidung in Gebäuden dar. Die aufwandsarme Maßnahme verhindert den Abzug von beheizter bzw. gekühlter Luft ohne Einbußen bei Rauchableitung oder Lüftung. Im aktualisierten ZVEI-Leitfaden zur Konzeptionierung und Montage betriebssicherer RLA-Systeme werden rechtliche Grundlagen für den Einsatz der Systeme, Aufbau der Systeme sowie Planung, Einbau, Betrieb und Prüfungen sowie Fördermöglichkeiten beleuchtet.
Auszug aus:
QUARTIER
Ausgabe 5.2024
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Inhalte des Beitrags
Die Forderung nach einer geschlossenen und dichten Gebäudehülle für mehr Energieeffizienz in Gebäuden steht im Zielkonflikt mit der bauordnungsrechtlichen Anforderung, eine Öffnung im Aufzugsschacht für Rauchableitung und Lüftung vorzusehen. RLA-Systeme lösen dieses Problem durch Verschließen der Permanentöffnung und bedarfsgerechtes Öffnen zur Lüftung sowie im Brandfall. Somit wird das Entweichen von geheizter oder gekühlter Luft aus dem Gebäude reduziert. Dadurch sind erhebliche Energieeinsparpotenziale zu realisieren. Durch die Aufnahme der Systeme in die Förderkulisse der Bundesförderung für energieeffiziente Gebäude (BEG) wird die Wirksamkeit der Maßnahme unterstrichen.
Gemäß § 39 Abs. 3 Musterbauordnung (MBO) müssen Fahrschächte zu lüften sein und eine Öffnung zur Rauchableitung mit einem freien Querschnitt von mindestens 2,5 % der Fahrschachtgrundfläche, mindestens jedoch 0,1 m² haben. Stand der Technik ist, diese Öffnung zu verschließen. Im Brandfall und bei Lüftungsbedarf muss sich das Verschlusselement selbsttätig öffnen und von mindestens einer geeigneten Stelle aus bedient werden können.
Seit Inkrafttreten des Gebäudeenergiegesetzes wird für die Durchführung des Differenzdruckmessverfahren zur Feststellung der Luftdichtheit von neuen Gebäuden der Anhang NA der DIN EN ISO 9972: 2018-12 zugrunde gelegt. Damit ist es nicht mehr zulässig, für den Test die Permanentöffnung am Schachtkopf zu verkleben. Im Neubau kommen RLA-Systeme mittlerweile häufig zum Einsatz und stellen den aktuellen Stand der Technik dar.
In Bestandsgebäuden ist das nicht der Fall, da früher die Dichtheit der Gebäudehülle eine untergeordnete Rolle spielte oder für Testzwecke die Öffnung verklebt wurde. Ungefähr 600.000 Aufzugsschächte in Deutschland sind immer noch mit einer permanenten Öffnung ausgestattet. Um das Energieeinsparpotenzial des temporären Verschlusses der Öffnungen zu realisieren, können RLA-Systeme aufwandsarm nachgerüstet werden. Der Gebäudebestand ist hier der größte Hebel. Hier kann eine CO₂-Vermeidung zwischen 1,7 und 2.5 Mio. t/a erreicht werden. Zum Vergleich: 2023 hat der Gebäudesektor das damalige Einsparziel um 1,2 Mio. t CO₂ verfehlt.
Zum Energieeinspar- und CO₂-Vermeidungspotenzial von RLA-Systemen in einzelnen Gebäuden sowie im Gebäudebestand hat das Institut für Energie- und Umweltforschung zusammen mit dem Öko-Institut e. V. im Auftrag der Bundesregierung eine Analyse durchgeführt. Diese kommt zu dem Ergebnis, dass ein flächendeckender Einsatz der Systeme im Gebäudebestand ein wirtschaftlicher Beitrag zur Energieeinsparung und zum Klimaschutz ist.
Je nach Effizienz der Heizungsanlage ist das Endenergieeinsparpotenzial noch bedeutend größer. In Gebäuden mit vielen Stockwerken erhöht sich die Einsparung ebenfalls deutlich (bspw. 52.500 kWh im Bürohochaus mit 33 Halten). Die Amortisationszeit der RLA-Systeme liegt je nach örtlichen Gegebenheiten schätzungswiese zwischen drei und sechs Jahren.
Trotz der hohen Wirtschaftlichkeit der Energiesparmaßnahme findet die Nachrüstung der Systeme im Bestand nicht in einem Ausmaß statt, wie die Notwendigkeit zur Energieeinsparung und CO₂-Vermeidung es vermuten lassen. Grund dafür ist zum einen das Investor- Nutzer-Dilemma. Die Kosten zur Installation der Verschlusskappe trägt in den meisten Fällen die Eigentümerin bzw. Eigentümer oder Bauherrin bzw. Bauherr. Der Nutzen der Einsparung kommt aber den Mietern bzw. Nutzern des Gebäudes zugute. Bei Gewerbeimmobilien, in denen Aufzugsschächte vermehrt vorhanden sind, ist eine Mieterhöhung aufgrund von Energieeffizienzmaßnahmen nur mit Zustimmung der Mieter möglich, was die Durchführung komplex gestalten kann. In Wohnimmobilien besteht diese Notwendigkeit nicht.
Zusätzlich ist das Problem, nicht zuletzt durch mangelnde Sichtbarkeit, oftmals nicht bekannt. Bei der Energiebilanzierung wird die Permanentöffnung aktuell noch nicht berücksichtigt. Daher bleibt sie bei der Beratung durch Energieberaterinnen und -berater oftmals unerwähnt. Ebenfalls ist die Luftdichtheitsprüfung bisher nicht für alle Gebäude verpflichtend. Zur besseren Information hat der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) in Kooperation mit dem Gebäudeenergieberater Ingenieure Handwerker – Bundesverband e. V. (GIH) eine Publikation mit häufigen Fragen und Antworten zu den Systemen auf seiner Website veröffentlicht.
Im Rahmen der Bundesförderung für energieeffiziente Gebäude (BEG) ist die Installation eines RLA-Systems im Infoblatt zu den förderfähigen Maßnahmen des BAFA unter den Maßnahmen an der Gebäudehülle als förderfähige Maßnahme aufgelistet. Damit hängt eine Zuschussförderung von 15 % zusammen. Wird die Maßnahme im Rahmen eines individuellen Sanierungsfahrplans durchgeführt, gibt es dazu einen Bonus von weiteren 5 %. Da der Aufwand der Installation eines RLA-Systems im Vergleich zu gängigen Sanierungsmaßnahmen an der Gebäudehülle aufwandsarm ist, sollte dies bei Modernisierungsvorhaben stets berücksichtigt werden.
Klar ist, Gebäude müssen in Zukunft klimaneutral betrieben werden. Vor diesem Hintergrund ist geboten, Energie möglichst effizient zu nutzen. RLA-Systeme bieten eine aufwandsarme Möglichkeit, den Energieverbrauch von Wohn- und Nichtwohngebäuden erheblich zu senken. Das ist nicht nur für selbstnutzende Gebäudeeigentümer wichtig. Steigende Heizkosten gehen mit einem Anstieg der Nachfrage nach energieeffizienten Immobilien einher. Auch bei der Bewertung von Immobilien vor dem Hintergrund eines ESG-Berichts ist eine geschlossene Gebäudehülle wertvoll.
Der überarbeitete ZVEI-Leitfaden bietet Ihnen eine Hilfestellung für ein weiteres Puzzlestück zur Klimaneutralität Ihrer Gebäude.
Wissenswertes zum Betrieb eines RLA-Systems
— Wie erkenne ich, ob ein Aufzugsschacht technisch nachrüstbar ist?
Dies ist fast immer der Fall, wenn die Permanentöffnung im Schacht oder Maschinenraum von innen oder außen zugänglich ist.
— Was ist bei der Durchführung der Maßnahme (Arbeiten am Aufzugsschacht) zu beachten?
Im Aufzugsschacht dürfen nur Personen arbeiten, die über die entsprechende Befugnis nach der Betriebssicherheitsverordnung und den Technischen Regeln für Betriebssicherheit TRB 3121/2181 dafür qualifiziert/zugelassen sind. Es müssen alle arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen erfüllt sein. Fachunternehmen mit der Berechtigung für Arbeiten im Aufzugsschacht und der Qualifikation für die Installation und Wartung von Rauch- und Wärmeabzugsanlagen können die Maßnahme durchführen.
— Kann ich die Kosten für die Nachrüstung auf die Mieter umlegen?
Die Anschaffung- und Installationskosten können z. T. auf Mieter von Wohnimmobilien umgelegt werden. Die jährliche Mieterhöhung ist auf 8 % der angefallenen Kosten sowie absolut auf 3,99 €/m² (bzw. 2,99 €/m²) innerhalb von sechs Jahren begrenzt. Bei gewerblichen Mietverhältnissen bestehen diese Beschränkungen nicht, allerdings muss der Mieter der Mieterhöhung zustimmen.
— Kann ich die Wartungskosten als Betriebsausgabe steuerlich geltend machen?
Da es sich bei den Wartungskosten um eine Dienstleistung handelt, können diese steuerlich geltend gemacht werden.
Der Autor
Louis Mersch
Louis Mersch ist Senior Manager im Bereich Gebäude des ZVEI e. V. – Verband der Elektro- und Digitalindustrie.
www.zvei.org