Prozessoptimierung durch BIM: Integrative Planung für TGA-Gewerke

Prozessoptimierung durch BIM: Integrative Planung für TGA-Gewerke

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Prozessoptimierung durch BIM: Integrative Planung für TGA-Gewerke

Text: Daniel Gmeiner | Foto (Header): © HILTI

Die BIM-Methodik verspricht höchste Einsparungen und Effizienz in allen Projektphasen. Die praktische Umsetzung nimmt zwar stetig Fahrt auf, stolpert jedoch weiterhin häufig an der Komplexität und an der Skalierbarkeit der zugrundeliegenden Partnerschaften und Prozesse. Daniel Gmeiner, Geschäftsführer des Hilti BIM Competence Centers, erklärt die Möglichkeiten der Prozessoptimierung.

Auszug aus:

Herr Gmeiner, wie ist die aktuelle Situation auf der Baustelle in Bezug auf TGA-Gewerke?

Im heutigen Standardfall wird jedes TGA-Gewerk separat entsprechend den jeweiligen Gegebenheiten auf der Baustelle befestigt und im Folgeschritt werden individuelle Brandschutzlösungen angewandt. In vielen Fällen basieren diese Lösungen auf Erfahrungswerten, mit zu hohem Materialeinsatz und häufigen Kollisionen im Bauablauf. Die mögliche Produktivitätssteigerung durch optimiertes Design der Befestigung, Vorfertigung der Baugruppen, einfache Installation und Dokumentation sowie der gesamtheitlichen Lösung mit Brandschutz wird damit erschwert.

Welchen Mehrwert bietet eine frühe Einbindung von integralen Projektpartnern?

Mit dezidierten BIM Services können Stärken aus verschiedenen Projektphasen mit dem Ansinnen einer frühen, integralen Partnerschaft über den gesamten Projektzyklus kombiniert werden. So werden signifikante Produktivitätssteigerungen entlang der Wertschöpfungskette mittels konkreter Anwendungsfälle („BIM Use-Cases“) ermöglicht. Hilti bleibt hierbei seinen Kernkompetenzen in den Bereichen Befestigungstechnik und Brandschutz treu. Ein großer Hebel ist beispielsweise die Integration mehrerer TGA-Gewerke auf einer gewerkübergreifenden Befestigungslösung. Das optimierte, frühe Design birgt eine massive Materialeinsparung und unterstützt die spätere Koordination der Installation durch vorgebende Strukturen und vorab digital aufgelöster Kollisionsrisiken. In weiterer Folge lässt sich die bereits anderweitig übliche Vorfertigung von Baugruppen durch die Standardisierung und Wiederholbarkeit der TGA-Unterkonstruktion fortsetzen und führt somit neben massiver Zeiteinsparung in der Installation zu einer „vordefinierten Qualität“. Hilti steuert dabei als Partner vollintegriert die Vormontage für die zuvor optimierten Designs ein. Da nun sämtliche Aspekte wie Brandschutz und Befestigung im BIM Model vorhanden sind, kann in weiteren Stufen eine hohe Transparenz und erweiterte Services in der Lieferkette, die Ansteuerung der Messtechnik zur effizienten Installation oder die rückgekoppelte Dokumentation auf Basis des BIM Modells erfolgen. Der zugefügte Wert im Projekt liegt damit in der Reduktion der Schnittstellen und der Koppelung von Expertise in der Planung mit dem täglichen direkten Kontakt zu den ausführenden Partnern.

Wie ist die aktuelle Meinung der Märkte zu BIM?

Die breite Wahrnehmung ist nach wie vor, dass BIM zu komplex ist und ein guter Einstiegspunkt in den Veränderungsprozess der eigenen Organisation wäre schwierig zu definieren. Trotz des theoretischen Enthusiasmus für das „BIM Versprechen“ bleibt die Realisierung eines spürbaren Produktivitätsgewinns in der Umsetzungsphase eine große Herausforderung. Hilti hat diese Wahrnehmungen als „Call-for-Action“ verstanden, um einen anderen Ansatz zu wählen. Nur weil etwas digitale Elemente beinhaltet, bedeutet das nicht, dass es in der realen Welt nicht existieren kann. BIM soll greifbar werden und der Umsetzungsvorteil im Vordergrund stehen. Daher hat Hilti in Rotterdam eine Kunden-Reise (Customer-Journey) gebaut, in der relevante BIM-Anwendungsfälle mit signifikantem Mehrwert entlang des gesamten Projektverlaufs eingebettet sind. Die Installation wurde als „Hilti BIM Experience Center“ im Juni 2019 eröffnet und hat bisher bereits 800 Kunden überzeugt, welcher Mehrwert in der eigenen Wertschöpfung und durch frühe BIM Partnerschaft entstehen kann. Hilti setzt dabei nur minimal digitale Technik ein. Die Prozessschritte sind durch Softwarebausteine unterstützt, diese treten aber nicht in den Vordergrund. Die Anwendbarkeit und Relevanz für die Logistikkette und für die Baustelle bis zur Dokumentation stehen im Vordergrund. So tritt der tatsächliche Mehrwert eines frühen Designs und Modellierung sowie der Breite des Geschäftsmodells von Hilti zutage.

Wie verändert BIM die Art und Weise der Zusammenarbeit?

Der Hilti Direktvertrieb berät seine Kunden bei professionellen Lösungen für die Bauphase und die eigenen Ingenieure unterstützen Architekten und Planer in komplexen Situationen durch Produktspezifikationen und Berechnungen. Dieses seit Jahrzehnten erfolgreiche Modell deckte nicht umfänglich das erforderliche Setup für die Zusammenarbeit in BIM Projekten ab. Daher hat Hilti die Rolle des „BIM Project Manager“ den Teams beigefügt. Die Rolle kombiniert den Mehrwert von Anwendungs-Lösungen mit definierten BIM Prozessen und ist vollumfänglich für die gemeinsame Definition von Projektumfang, Vertragsgestaltung, zentrale Kommunikation mit den Projektpartnern sowie der Abwicklungsplanung von Design, Beschaffung bis zur Konstruktion verantwortlich. Der BIM Project Manager hat einen erfahrenen BIM Lead Engineer zur Seite, welcher die Design-Optimierung mit den Projektpartnern in früher Phase ausarbeitet.

Potenziale gibt es beispielsweise bei der Integration mehrerer TGA-Gewerke auf einer gewerkübergreifenden Befestigungslösung.
FOTO: HILTI

Warum hat Hilti ein zentrales BIM Competence Center in den Niederlanden?

Ein zentrales Team mit entsprechender Reichweite und Größe ist ein wichtiger Schritt, um die internen Fähigkeiten zu BIM sowie den Umgang mit komplexer Zusammenarbeit kontinuierlich und nachhaltig zu sichern. Durch die gemeinsame Projektabwicklung werden die Prozesse standardisiert, um den globalen Lastenausgleich sowie die hohe Servicequalität unabhängig vom jeweiligen Projektstandort zu sichern. Hilti hat als Lokation für dieses multinationale Team die Niederlande gewählt. Hierzulande gibt es einen sehr hohen Vorfertigungsgrad und Themen wie „Lean-Management“ und eng verzahnte Projektpartnerschaften sind bereits Alltag. Daraus ergibt sich eine starke Adaption für die BIM Methodik, insbesondere auf Seite der Generalunternehmer. Das zentrale Team im BIM Competence Center profitiert von der Nähe zu einem der führenden BIM Märkte und kann Weiterentwicklungen direkt in die internationale Zusammenarbeit einsteuern. Zudem war die Verfügbarkeit an BIM Experten und die gemeinsame englische Sprache maßgeblich für den schnellen Aufbau der Organisation.

Warum dauert die Adaptierung von BIM in anderen Ländern länger?

Der technische BIM Reifegrad von einzelnen Unternehmen und Projekten aus allen Teilen Europas ist durchaus mit den Niederlanden vergleichbar. Hingegen unterscheidet sich die Durchgängigkeit und bewusst gewählte Transparenz in der Vertragsgestaltung sowie die Zugänglichkeit an Informationen für alle Projektpartner (noch) häufig in den Vorhaben. In einigen europäischen Ländern wird in Hinblick auf einen hohen Vorfertigungsgrad bereits baugruppenspezifisch 60 % und mehr standardisiert, jedoch meist nur innerhalb der eigenen Wertschöpfungsstufe. Eine kollaborative Vorfertigung auf Basis integrativer Planung mit teilweiser Transparenz von Gewinnspannen ist eine Schwelle, die in den Niederlanden eher fällt. Letztlich involviert sich in niederländischen Projekten der Eigentümer und/oder Investor stärker in die Gesamtplanung. Neben dem hohen möglichen Produktivitätsversprechen durch BIM auch aufgrund der jüngst fokussierten Nachhaltigkeitsdiskussion. Die Vermeidbarkeit, Wiederverwendbarkeit und Rückführbarkeit von Baumaterialien, um die Bilanz von Stickstoff und Kohlenstoffdioxidemissionen zu senken bedingt eine gesamtheitliche, integrale Planung. Die BIM Methodik ist entscheidend für diesen Transparenzanspruch. Warum die BIM Adaptierung in anderen Ländern also länger dauert ist nicht eindimensional zu beantworten. Aus technischer Sicht gibt es kaum Limitationen, sondern sogar einen möglichen exponentiellen Anstieg an Umsetzungsgrad in Europa sobald die Frage des Wollens beantwortet ist.

Der Autor


Daniel Gmeiner
Head of Hilti BIM Competence Center, Rotterdam

Wer das Hilti BIM Experience Center in Rotterdam besuchen möchte, kann sich auf www.hilti.group/BIMExperienceCenter einen ersten Eindruck verschaffen. Wenn Sie daran denken, die Vorteile von BIM für ihre Wertschöpfungskette zu nützen und reale Anwendungsfälle zu erfahren, dann ist ein Besuch interessant.

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