Titelthema
Photovoltaik und Dachbegrünung
Text: Dr. Gunter Mann und M. Sc. Felix Mollenhauer | Foto (Header): © Bundesverband GebäudeGrün
Die Kombination von Solar – wie Photovoltaik und Solarthermie – und Dachbegrünung wird zwar schon seit Jahrzehnten in verschiedenen Varianten praktiziert, dennoch sind sogenannte „Solar-Gründächer“ längst noch keine Selbstverständlichkeit. Viele Bauherren, Planer und Ausführende haben noch Vorbehalte gegen eine Kombination oder wissen gar nicht, dass diese möglich ist. Wenn bestimmte Grundregeln beachten werden, funktioniert die Kombination von Photovoltaik und Begrünung.
Auszug aus:
QUARTIER
Ausgabe 5.2021
Jetzt abonnieren
Diese Ausgabe als Einzelheft bestellen
Inhalte des Beitrags
- Schutz der Dachabdichtung
- Vermeidung von Punktlasten
- Steigerung der Biodiversität
- Ertragssteigerung
- Planungshinweise
- Aufbau Solar-Gründach
- Die fünf Erfolgsfaktoren zum funktionsfähigen Solar-Gründach
- Vermeidung der Verschattung der Solar-Module
- Ausreichend Reihenabstände
- Verwendung auflastgehaltener Solar-Gründach-Systeme
- Instandhaltung (Pflege und Wartung) von Solar-Gründächern
- Solaranlage
- Dachbegrünung
- Zusammenfassung
Dachbegrünungen haben neben vielen positiven Wirkungen auch besondere Vorteile, die bei einer Kombination mit Photovoltaik besonders ins Gewicht fallen. Werden auflastgehaltene Solar-Gründachsysteme verwendet, ergeben sich daraus weitere Vorteile.
Die Dachbegrünung schützt im Gegensatz zu unbegrünten Dachflächen die empfindliche Dachabdichtung nicht nur vor Extremtemperaturen und Hagelschlag, sondern auch vor Trittbelastung bei Wartungsgängen. Die Reparatur- und Sanierungsanfälligkeit ist deutlich geringer, wenn die Dachabdichtung durch eine Begrünung geschützt ist. Bei auflastgehaltenen Systemen zur Kombination von Dachbegrünung und Solaranlage sind zudem Dachdurchdringungen oder sonstige Eingriffe in die Dachabdichtung und Gebäudesubstanz nicht notwendig. Damit können kostenaufwendige und schadensanfällige Dachabdichtungsarbeiten vermieden werden.
Da auflastgehaltene Solar-Gründachsysteme durch die gleichmäßige Lastverteilung des Substrats gehalten werden, entfallen Punktlasten (bspw. durch Betonplatten), wie sie bei herkömmlichen Montagesystemen Anwendung finden.
Auch ein Solar-Gründach kann einen Beitrag zum Artenschutz leisten. Bei entsprechendem Schichtaufbau und passender Pflanzenauswahl kann ein Biodiversitätsgründach geschaffen werden. Und aufgrund der unterschiedlichen Licht- Schatten- und Feuchtigkeitsverhältnisse durch die PV-Module entstehen auf dem Dach verschiedene Standortbedingungen. Diese können zusätzlich zu einer Erhöhung der Artenvielfalt von Flora und Fauna beitragen.
Bei Photovoltaikanlagen bestimmen die Umgebungstemperaturen die Leistung der PV-Module. Abhängig von der Sonneneinstrahlung können sich die Module im Sommer bis zu 90 °C aufheizen. Dadurch erfolgt eine Minderung der Leistung um bis zu 25 % im Vergleich zur Nennleistung. Die Leistung kann gemäß den Standard- Test-Bedingungen (STC) bei 25 °C und dem abhängigen Zelltyp mit jedem Grad an Temperatursteigerung um bis zu 0,5 % abnehmen. Untersuchungen konnten belegen, dass durch die Verdunstungsleistungen von Dachbegrünungen ein Kühleffekt entsteht. Im Gegensatz zu anderen sich stark aufheizenden Oberflächenmaterialien bleibt bei der Begrünung die Oberflächentemperatur nahe an der Außentemperatur. Der Kühleffekt der Dachbegrünung kann dazu beitragen, die Aufheizung der PV-Module zu mindern. Da die Oberflächentemperatur und langwellige Wärmestrahlung reduziert werden, entstehen kaum Einbußen in der Modulleistung. Demnach ergeben sich bei Dachbegrünungen in Kombination mit Solaranlagen Vorteile und Ertragssteigerungen gegenüber unbegrünten Dächern. Ein genauer Wert lässt sich jedoch nicht ermitteln, da dies vom jeweiligen Objekt abhängig ist, d. h. vor allem von Faktoren wie Lage, Substrataufbau und Modulverlegung.
Damit die Kombination aus Photovoltaik und Dachbegrünung für beide Leistungsbereiche nachhaltig funktioniert, sind eine fachgerechte Planung, Ausführung und Instandhaltung notwendig.
Dachneigung
Für Kombinationslösung Photovoltaik und Dachbegrünung darf die Dachneigung bei auflastgehaltenen Systemen nicht mehr als 5 ° betragen, um ein Abrutschen der Systeme zu vermeiden.
Dachabdichtung
An die Dachabdichtung gibt es bei der Installation von Solaranlagen keine besonderen Anforderungen. In Kombination mit Dachbegrünungen muss die Dachabdichtungen allerdings wurzelfest nach FLL bzw. DIN EN 13948 sein.
Wärmedämmung
Die Wärmdämmung muss ausreichend druckstabil und belastbar ist. Bei Umkehrdächern sind die Bauphysik und eine dampfdiffusionsoffene Bauweise zu beachten.
Flächenlast
Die Zusatzbelastung durch eine PV- bzw. Solarthermie-Anlage beträgt ca. 20 – 60 kg/m². Bei Dachbegrünungen muss zusätzlich das Gewicht des Gründachaufbaus und der Vegetation von etwa 100 – 150 kg/m² berücksichtigt werden. Die Wahl des Gründachaufbaus hängt bei auflastgehaltenen Solarständerungen davon ab, welche Auflast sie zur Lagesicherung benötigen.
Blitzschutz
Zu Schadensvermeidung an der Solaranlage ist ein Blitzschutz notwendig. Alle Solaranlagenelemente müssen daher bei einem bestehenden oder noch zu errichtenden äußeren Blitzschutz innerhalb der Blitzschutzanlage liegen. Zudem ist in Sicherheitsabstand von mindestens 0,5 m zur Blitzschutzanlage einzuhalten.
Der grundsätzliche Aufbau von auflastgehaltenen Solar-Gründächern sieht oberhalb einer geeigneten Dachkonstruktion mit wurzelfester Dachabdichtung wie folgt aus:
Schutzlage als Schutz der Dachabdichtung.
Als Grundelement für Solar-Gründächer dient in der Regel eine Basisplatte zur Verfüllung und Lastaufnahme. Diese Basisplatte hat meist sowohl Drän- als auch Wasserspeicherfunktionen.
Eine durchgehende, störungsfreie Entwässerung muss sichergestellt sein – entweder durch die Basisplatte selbst oder eine darunterliegende Dränageschicht.
Auf der Basisplatte ist das Modul-Montagesystem mit dem benötigten Neigungswinkel befestigt. Das Gesamtsystem ist durch Modultragschienen miteinander verbunden. Die Solar-Module werden auf die Modultragschienen aufgelegt und durch Modulklemmen gehalten.
Die Basisplatten sind mit Substrat verfüllt und erhalten damit ihre Standfestigkeit. Die Vegetationstragschicht kann durchgehend auf gleicher Aufbauhöhe von etwa 8 – 10 cm, abhängig von Begrünungsart, Vegetationsziel und zu erzielender Mindestauflast (bei auflastgehaltenen Systemen), über die komplette Dachfläche oder wellenförmig (6 – 15 cm) eingebaut werden.
Die fünf Erfolgsfaktoren zum funktionsfähigen Solar-Gründach
Für die nachhaltige Umsetzung von Solar-Gründächern sind folgende Grundsätze („Erfolgsfaktoren“) zu beachten:
- Vermeidung der Verschattung der Solar-Module
- ausreichende Reihenabstände; Aufstellung der Module und Modulreihen so, dass eine Instandhaltung gut möglich ist
- Verwendung auflastgehaltener Solar-Gründach-Systeme
- regelmäßige, fachgerechte Instandhaltung (Pflege und Wartung)
- rechtzeitige Einbeziehung aller beteiligten Gewerke, einschließlich Planung
Vermeidung der Verschattung der Solar-Module
Um Verschattungen der Solar-Module durch zu hohe Pflanzen zu vermeiden, gibt es verschiedene Möglichkeiten:
Ausreichend großer Abstand zwischen Substratoberfläche und Modulunterkante von mindestens 20 cm. Je nach gewählter Pflanzenauswahl sollte der Abstand ggf. größer sein. Abstände von mindestens 30 cm haben sich bewährt.
Verwendung geeigneter Pflanzen mit niedrigem Wuchs und dichtem Flächenschluss. Damit die Solar-Module nicht verschattet werden, sind niedrigwüchsige Pflanzen mit einer maximalen Wuchshöhe von 15 – 20 cm und dichtem Flächenschluss zu empfehlen. In der Regel werden Sedum-Moos-Kräuter-Begrünungen angestrebt. Durch die Höhe des Gründachaufbaus und des Substrats lassen sich die Pflanzenauswahl und Vegetationsentwicklung in Abhängigkeit von regionalen Gegebenheiten beeinflussen. Grundsätzlich gilt: Je höher der Gründachaufbau, desto mehr Wasser speichert er und desto höher kann die Vegetation ausfallen. Auch wenn die geringe Substrathöhe und die maximale Wuchshöhe der Pflanzen die Pflanzenauswahl einschränken, sollte versucht werden, eine möglichst artenreiche und von Frühjahr bis Herbst blühende Vegetation aufzubringen. Niedrige, schattenverträgliche Pflanzenarten mit hohem Deckungsgrad unter den Solar-Modulen hemmen das Aufkommen unerwünschten Fremdbewuchses.
Anlage eines Kiesstreifens, um die Pflanzenentwicklung einzuschränken und einfacher pflegen zu können.
Auslegen von Betonplatten vor den Solar-Modulen, um Pflanzenaufwuchs zu vermeiden. Gleichzeitig können die verlegten Platten als Wartungswege dienen.
Geringe Substrathöhe (von etwa 5 – 8 cm) vor den Solar-Modulen, um höherwüchsige Arten auszuschließen. Bei ballastierten Systemen ist die benötigte Mindestauflast zur Standsicherung zu beachten.
Für die Pflege und Wartung sind Wartungswege und Absturzsicherungen vorzusehen. Es ist auf einen ausreichenden Abstand zum Dachrand und einen Abstand der Modulreihen untereinander (je nach Ausrichtung mindestens 50 – 80 cm) zu achten. Kabel und weitere Bauteile sind so zu montieren, dass z. B. Pflanzenschnitt problemlos möglich ist.
Verwendung auflastgehaltener Solar-Gründach-Systeme
Auflastgehaltene Solar-Gründach-Systeme sind zu bevorzugen, da hierbei die Photovoltaikaufständerungen nicht in die Dachabdichtung/Dachkonstruktion eingreifen und damit Wärmebrücken und Undichtigkeiten vermieden werden. Die Last des Gründachaufbaus hält die Photovoltaikaufständerungen lagesicher auf dem Dach. Mehrere Gründachsystemanbieter haben solche Systeme in ihren Programmen.
Instandhaltung (Pflege und Wartung) von Solar-Gründächern
Sowohl Dachbegrünung als auch Solaranlagen benötigen eine regelmäßige und fachgerechte Instandhaltung. Die Instandhaltung von Dachbegrünung und Montagesystem übernimmt der Gründach-Fachbetrieb, die Instandhaltung der Solaranlage inklusive der Elektronik obliegt dem Solar-Fachbetreib.
Die jährliche Inspektion der Anlagen beschränkt sich auf eine Sichtkontrolle der Anlage und ggf. Reinigung der Module. Folgende Instandhaltungsmaßnahmen sind ggf. durchzuführen:
- regelmäßige Sichtkontrollen (für Isolationsschäden bei Kabeln, Beschädigungen der Verteilerkästen, Beschädigungen an Wechselrichtern oder sonstigen Bauteilen)
- Sichtkontrollen (nach Stürmen oder Gewittern)
- jährliche Sichtprüfung der Dachabdichtung und Dachdurchdringungen, Standfestigkeit der Unterkonstruktion sowie der Kontrolle aller Anlagenteile auf Beschädigungen (Witterungseinflüsse, Ablagerungen an den Paneelen, Bewuchs, hängende Kabel, die den Dachbegrünungspfleger bei der Arbeit behindern können)
- Alle vier bis fünf Jahre sollte eine wiederkehrende Prüfung nach DIN EN 62446 durchgeführt werden.
Der Pflegeaufwand eines Solar-Gründachs ist höher als bei einem vergleichbaren Gründach ohne Solaranlage, da sichergestellt sein muss, dass Pflanzen die Module nicht verschatten und kein unerwünschter Fremdbewuchs unter den Modulen entsteht. Bei Solargründächer muss jährlich zwei- bis viermal, insbesondere in den Wuchsphasen zwischen März bis Juni, die Begrünung kontrolliert und ggf. zurückgeschnitten werden. Grundsätzlich sollte mindestens einmal im Frühjahr und einmal im Herbst eine Pflege des Daches stattfinden. Zusätzlich zu Vorgenanntem müssen Dachrandbereiche und Dachdurchdringungen auf Hinterwurzelungen kontrolliert und die Entwässerungseinrichtungen überprüft werden.
Bei unter den verschiedenen Gewerken vorausschauender und abgestimmter Planung und späteren Ausführung sind Kombinationslösungen von Dachbegrünung und Photovoltaik (sog. Solar-Gründächer) gut machbar. Sie vereinen eine Vielzahl an positiven Wirkungen. Hervorzuheben sind dabei auflastgehaltene Solar-Gründächer, deren Photovoltaikaufständerungen durch die Auflast des Gründachs lagesicher gehalten werden.
Der Bundesverband Gebäudegrün e. V. (BuGG) hat zu dem Thema zwei Schriften veröffentlicht: die BuGGFachinformation „Solar-Gründach“, in der ausführliche Informationen rund um das Solar-Gründach zu finden sind, und den BuGG Fokus „Solar-Gründach“, der die wichtigsten Planungsgrundlagen auf den Punkt bringt.
Der Autor
Dr. Gunter Mann
M. Sc. Felix Mollenhauer
Bundesverband GebäudeGrün e. V. (BuGG)
info@bugg.de
www.gebaeudegruen.info