Kosten & Finanzierung
Modellgebäudeverfahren nach § 31 GEG: Mit Kosteneffizienz zu Energieeffizienz
Text: Luca Akyildiz | Foto (Header): © PTNPHOTOF – stock.adobe.com
Mit dem Modellgebäude verfahren können Bauherren den Energiebedarf ihrer Neubauten unkompliziert nachweisen: Denn das Verfahren ermöglicht eine vereinfachte und dennoch gesetzeskonforme Umsetzung der GEG-Vorgaben.
Auszug aus:
QUARTIER
Ausgabe 6.2024
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Inhalte des Beitrags
Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) legt strenge Standards fest, die speziell für Neubauten zwingend einzuhalten sind. Diese Vorgaben zielen darauf ab, den Energiebedarf von neuen Gebäuden zu minimieren und nachhaltiges Bauen zu fördern. Eine besonders praxisnahe und verständliche Methode zur Bewertung des Energiebedarfs von Neubauten bietet das Modellgebäudeverfahren nach § 31 GEG, das früher unter dem Namen „EnEV easy“ bekannt war.
Grundlagen des Modellgebäudeverfahrens
Im Grundsatz geht das Gebäudeenergiegesetz (GEG) davon aus, dass Neubauten als Niedrigstenergiegebäude errichtet werden müssen. Diese Anforderung wird durch drei zentrale Vorgaben konkretisiert:
1. Gesamtenergiebedarf: Das Gebäude muss so konzipiert sein, dass der Gesamtenergiebedarf für Heizung, Warmwasserbereitung, Lüftung und Kühlung – bei Nichtwohngebäuden zusätzlich für die eingebaute Beleuchtung – den in § 15 oder § 18 GEG festgelegten Höchstwert nicht überschreitet.
2. Baulicher Wärmeschutz: Energieverluste beim Heizen und Kühlen sind durch baulichen Wärmeschutz nach den Maßgaben von § 16 oder § 19 GEG zu minimieren.
3. Zusätzliche Anforderungen: Darüber hinaus müssen die Anforderungen des § 71 Abs. 1 GEG erfüllt werden, die sich auf die technische Ausführung und energetische Qualität des Gebäudes beziehen.
Diese gesetzlichen Vorgaben stellen sicher, dass Neubauten nicht nur energieeffizient, sondern auch nachhaltig im Hinblick auf ihre Energiebilanz errichtet werden. Der Nachweis, dass diese Anforderungen erfüllt werden, erfolgt durch spezielle Berechnungsverfahren, wie sie in der DIN V 18599 festgelegt sind. Diese Norm bietet eine detaillierte Methode zur Ermittlung des Energiebedarfs und zur Bewertung der energetischen Qualität von Gebäuden. Allerdings kann diese Berechnung für Bauherren, die ein Wohngebäude errichten möchten, relativ aufwendig und damit auch teuer sein. Die damit verbundenen Kosten stellen für viele eine zusätzliche finanzielle Belastung dar, was die Planung und Umsetzung des Bauvorhabens komplizierter machen kann.
Die „Energieeinsparverordnung” (EnEV) wurde 2002 eingeführt und löste frühere Verordnungen ab. Sie wurde mehrfach überarbeitet, um EU-Richtlinien zur Energieeffizienz umzusetzen. 2016 wurde im Rahmen eine Verschärfung der Anforderungen das vereinfachte Verfahren „EnEV easy“ für Wohngebäude möglich. Mit der Einführung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) wurde dieses Verfahren in „Modellgebäudeverfahren“ umbenannt. Das Verfahren hat sich im Laufe der Zeit mit der Einführung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) weiterentwickelt und angepasst.
Um das Grundprinzip des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) zu verstehen, werfen wir einen Blick auf § 10 Abs. 1 und 2 GEG: Jeder, der ein Gebäude errichtet, muss sicherstellen, dass es als Niedrigstenergiegebäude konzipiert ist. Dies bedeutet konkret, dass der Gesamtenergiebedarf für Heizung, Warmwasserbereitung, Lüftung und Kühlung – bei Nichtwohngebäuden auch für die eingebaute Beleuchtung – den festgelegten Höchstwert nicht überschreiten darf. Zudem müssen Energieverluste durch baulichen Wärmeschutz minimiert werden, und es sind zusätzliche Anforderungen an die technische Ausführung zu erfüllen.
Was heißt das in der Praxis? Es gibt Mindestanforderungen an den baulichen Wärmeschutz, und der Jahresprimärenergiebedarf des Gebäudes muss berechnet werden. Dieser Wert darf das 0,55-Fache des spezifischen Wertes eines Referenzgebäudes nicht überschreiten. Wichtig zu beachten ist, dass es keinen allgemeinen Standardwert gibt; dieser wird individuell durch das sog. Referenzgebäudeverfahren ermittelt.
Im Referenzgebäudeverfahren wird der Primärenergiebedarf des geplanten Gebäudes auf zwei Arten berechnet. Zunächst wird der Bedarf anhand der tatsächlichen Planung des Gebäudes ermittelt. Anschließend wird dasselbe Gebäude mit einer standardisierten, vom GEG vorgegebenen Ausstattung berechnet, wobei die Geometrie unverändert bleibt – dadurch erhält man den spezifischen Wert des Referenzgebäudes.
Diese „doppelte Berechnungsmethode “gewährleistet, dass das Gebäude energieeffizient ist und den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Allerdings kann dieses Verfahren, je nach Art des Gebäudes, sehr aufwendig und kostenintensiv sein. Hier kommt das Modellgebäudeverfahren ins Spiel, das auf § 31 GEG basiert. Dieses vereinfachte Nachweisverfahren für Wohngebäude besagt:
1. Ein zu errichtendes Wohngebäude erfüllt die Anforderungen des § 10 Abs. 2 i. V. m. den §§ 15 bis 17, wenn es die Voraussetzungen nach Anlage 5 Nummer 1 erfüllt und seine Ausführung den Vorgaben von Anlage 5 Nummer 2 und 3 entspricht.
2. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gibt gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen im Bundesanzeiger bekannt, welche Angaben für die auf Grundlage von Absatz 1 zu errichtenden Wohngebäude ohne besondere Berechnungen in Energiebedarfsausweisen zu verwenden sind.
Das Modellgebäudeverfahren vereinfacht den Prozess erheblich: Anstatt umfangreiche Berechnungen durchführen zu müssen, wird angenommen, dass das geplante Gebäude die Mindestanforderungen erfüllt, wenn es bestimmte Vorgaben einhält. Diese Vorgehensweise spart Bauherren Zeit und Kosten und erleichtert die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen.
Die detaillierten Anforderungen des vereinfachten Nachweisverfahrens gem. § 31 Abs. 1 GEG und Anlage 5 decken verschiedene Aspekte der Gebäudeplanung und -konstruktion ab. Diese Vorgaben müssen eingehalten werden, um das Modellgebäudeverfahren erfolgreich anzuwenden. Hier sind einige wesentliche Beispiele:
— Das Gebäude muss ein reines Wohngebäude sein und darf nicht mit einer Klimaanlage ausgestattet sein.
— Alle Fenster mit Ost-, Süd- oder Westorientierung müssen über außen liegende Sonnenschutzvorrichtungen verfügen.
— Die beheizte Bruttogrundfläche des Gebäudes muss mindestens 115 m² und darf höchstens 2.300 m² betragen.
— Das Gebäude darf nicht mehr als sechs beheizte Geschosse aufweisen.
— Bei zweiseitig angebauten Gebäuden darf der Fensterflächenanteil nicht mehr als 35%, bei allen anderen Gebäuden nicht mehr als 30% der gesamten Fassadenfläche betragen.
— Mindestwerte für die U-Werte müssen eingehalten werden.
— Darüber hinaus müssen spezifische Anlagenkonzepte berücksichtigt werden, um die energetischen Anforderungen zu erfüllen. Hierzu gehören:
— Sole-Wasser-Wärmepumpe mit Flächenheizsystem zur Wärmeübergabe, zentrale Abluftanlage
— Wasser-Wasser-Wärmepumpe mit Flächenheizsystem zur Wärmeübergabe, zentrale Abluftanlage
— Luft-Wasser-Wärmepumpe mit Flächenheizsystem zur Wärmeübergabe, zentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung (Wärmebereitstellungsgrad ≥ 80%)
— Fernwärme mit zertifiziertem Primärenergiefaktor fp ≤ 0,7, zentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung (Wärmebereitstellungsgrad ≥ 80%)
— zentrale Biomasse-Heizungsanlage auf Basis von Holzpellets, Hackschnitzeln oder Scheitholz, zentrale Abluftanlage, solarthermische Anlage zur Trinkwarmwasser-Bereitung
Diese Vorgaben und Anlagenkonzepte stellen sicher, dass Bauherren bei der Planung und Errichtung ihrer Gebäude bestimmte Einschränkungen einhalten müssen, um die energetischen Anforderungen des GEG zu erfüllen.
Das Modellgebäudeverfahren nach § 31 GEG bietet Bauherren eine vereinfachte und kosteneffiziente Methode, um die strengen Anforderungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) für Neubauten zu erfüllen. Durch die Einhaltung spezifischer baulicher und anlagentechnischer Vorgaben können Bauherren sicherstellen, dass ihr Gebäude als Niedrigstenergiegebäude anerkannt wird, ohne aufwendige energetische Berechnungen durchführen zu müssen.
Allerdings bringen diese Vorgaben auch gewisse Einschränkungen mit sich. Die festgelegten Anforderungen an Fensterflächen, beheizte Bruttogrundfläche und die vorgeschriebenen Anlagenkonzepte limitieren die Flexibilität bei der Gebäudeplanung. Für Bauherren, die alternative Technologien oder individuelle Planungen in Betracht ziehen, kann dies eine Herausforderung darstellen. In solchen Fällen ist die Beratung durch einen qualifizierten Energieberater unerlässlich, um sicherzustellen, dass alternative Konzepte den gesetzlichen Vorgaben entsprechen und gleichzeitig die energetischen Anforderungen erfüllt werden.
Insgesamt stellt das Modellgebäudeverfahren eine praktikable Lösung dar, um den hohen energetischen Standards des GEG gerecht zu werden und den Aufwand für Bauherren zu minimieren. Gleichzeitig sollten Bauherren die Einschränkungen der Vorgaben und die Bedeutung einer professionellen Beratung berücksichtigen, um maßgeschneiderte und gesetzeskonforme Lösungen zu finden.
Praxishandbuch zum Thema
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www.forum-verlag.com
Der Autor
Luca Akyildiz
leitete die Entwicklung des Modellgebäudeverfahrens für Wohngebäude an der Universität Stuttgart, das ins Gebäudeenergiegesetz 2020 integriert wurde. Zudem war er an der Software zur Validierung der DIN V 18599:2016 beteiligt. Aktuell ist er als Honorardozent an der IU Internationalen Hochschule tätig, wo zu den Bereichen Gebäudetechnik und Smart Buildings liest. Zudem bildet er bei verschiedenen Bildungsträgern Energieberater aus.