Energie, Technik & Baustoffe
Mikro-Modulares Bausystem aus Holz: BRIQ auf BRIQ
Text: Julia Ciriacy-Wantrup | Abbildung (Header): © Edeka Minden-Hannover
Tragende Gebäudewände aus speziellen Holzbausteinen, die auf der Baustelle wie Ziegelsteine im Verband verlegt werden – allerdings ganz ohne Mörtel oder Kleber: Das ermöglicht das 2021 gegründete Holzbau-Start-up TRIQBRIQ, das nun den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2025 in der Kategorie Produkte erhalten hat. Lewin Fricke, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit, berichtet über die Funktionsweise, Rückbaubarkeit und Eignung für Mehrfamilienhäuser.
Auszug aus:
QUARTIER
Ausgabe 2.2025
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Wie genau funktioniert TRIQBRIQ?
TRIQBRIQ ist ein innovatives Holzbausystem, das auf mikro-modularen Bausteinen, den sog. BRIQs, basiert. Diese Bausteine werden standardisiert mit Robotertechnik aus kostengünstigem Industrie- und Kalamitätsholz gefertigt. Auf der Baustelle werden die BRIQs im Verband aufeinander gesteckt und über ein patentiertes Dübelsystem aus Buchenholz miteinander verriegelt. Dadurch wird auf künstliche Verbindungsmittel wie Leim verzichtet, was die Montage schnell, effizient und flexibel gestaltet. Das System ermöglicht die Errichtung tragender Außenwände und nichttragender Innenwände. Es wird in verschiedenen Wandstärken angeboten, die an individuelle Bauanforderungen angepasst werden können. Die BRIQs sind in unterschiedlichen Längen erhältlich, was eine flexible Planung von Fenster- und Türöffnungen erlaubt. Am Ende der Nutzungsphase können die BRIQs einfach demontiert und sortenrein wiederverwendet werden, was die Rückbaubarkeit des Systems gewährleistet.
Wie erfolgt die Anwendung auf der Baustelle?
Die Anwendung des TRIQBRIQ-Systems auf der Baustelle erfolgt in mehreren strukturierten Schritten. Zunächst wird die Gründung auf ihre Ebenheit überprüft, um eine präzise Positionierung der BRIQs zu gewährleisten. Die erste Reihe der BRIQs wird direkt auf die vorbereitete Fläche gesetzt, wobei unter Umständen eine Mauersperrbahn gegen aufsteigende Feuchtigkeit eingelegt wird. Die BRIQs werden im Läuferverband montiert, wobei die Zapfen der unteren Reihe in die Sacklöcher der darüberliegenden BRIQs greifen. Die Verriegelung erfolgt durch das Einbringen von Buchenholzdübeln in die dafür vorgesehenen Löcher. Jeder BRIQ hat an den Verbindungsstellen zwei Dübellöcher, in die die Dübel eingetrieben werden. Dies geschieht mithilfe eines speziellen Verriegelungswerkzeugs, das wir leihweise bereitstellen.
Was ist in der Planung zu beachten und welcher weitere Aufbau, z. B. der Wände, ist möglich?
Bei der Planung sind verschiedene Aspekte zu beachten, um einen reibungslosen Bauprozess zu gewährleisten. Zunächst sollte das Gebäuderaster an das TRIQBRIQ-Raster angepasst werden, um die Verwendung der BRIQs zu optimieren. Dieses entspricht dem herkömmlichen Mauerwerksraster von 25 cm. Es ist wichtig, die statischen Anforderungen zu berücksichtigen, insbesondere bei der Auswahl der Wandtypen und deren Tragfähigkeit. Zudem sollte die Feuchtigkeitskontrolle von Anfang an eingeplant werden, um Schäden an den BRIQs zu vermeiden. Für den Wandaufbau stehen zahlreiche Optionen zur Verfügung. Beispielsweise können tragende Außenwände mit Putz- oder Holzfassaden gestaltet werden, während nicht tragende Innenwände ebenfalls mit verschiedenen Materialien wie Lehmputz oder Trockenbauwerkstoffen ausgeführt werden können. Um ein ganzheitlich zirkuläres Gebäude zu erhalten, muss auch mit Blick auf weitere Bauteile kreislaufgerecht geplant werden. Das Ziel muss sein, einen sortenreinen Rückbau des Gebäudes schon in der anfänglichen Planung zu berücksichtigen. Eine sorgfältige Planung ist dementsprechend entscheidend, um die Vorteile des TRIQBRIQ-Systems optimal zu nutzen und ein langlebiges und nachhaltiges Bauwerk zu schaffen.
Für die Produktion verwenden Sie Kalamitätsholz, d. h. Holz, das durch Sturmschäden, Trockenheit und/oder Schädlingsbefall anfällt. Wie stellen Sie hier z. B. ausreichende Stabilität bzw. Materialfestigkeit sicher?
Bei der Produktion der BRIQs verwenden wir nicht nur Kalamitätsholz, sondern auch Industrieholz und in geringerem Maße rückgebautes Altholz. Diese Materialien stammen aus verschiedenen Quellen, darunter Sturmholz, Insektenholz und Wipfelschnitte, die oft keine Verwertungsperspektive haben und die schnell in der thermischen Verwertung endet. Um die Stabilität und Materialfestigkeit sicherzustellen, wird das Holz in seiner Kleinteiligkeit sehr sorgfältig sortiert und muss den Anforderungen der Festigkeitsklasse C24 entsprechen. Es sind jedoch auch BRIQs der Festigkeitsklasse C16 erhältlich. Zudem wird das Holz vor der Verarbeitung getrocknet, um die Feuchtigkeit zu regulieren und die Festigkeit zu erhöhen. Diese Maßnahmen garantieren, dass die BRIQs nicht nur materialeffizient sind, sondern auch die erforderlichen statischen Eigenschaften für den Bau bieten.
Welche technischen Grenzen sind gesetzt – z. B. bei der Größe oder Höhe der Gebäude?
Laut Zulassung ist eine maximale Raumhöhe von 4,0 m mit dem TRIQBRIQ-System möglich. Wobei über gesonderte Zulassungen auch schon Raumhöhen von knapp 6,0 m realisiert wurden. In reiner Holzbauweise konnten bereits Gebäude mit bis zu fünf Geschossen rechnerisch nachgewiesen werden. Bei hybrider Bauweise, die zusätzliche Materialien wie Stahl oder Beton integriert, wurden sogar bis zu acht Geschosse rechnerisch dargestellt. Wie sonst auch üblich, müssen statische Nachweise jedoch für jede spezifische Bauweise und Geschossanzahl erbracht werden, um die Tragfähigkeit und Stabilität des Gebäudes zu gewährleisten. Die Aussteifung der Wände spielt dabei eine entscheidende Rolle, insbesondere bei größeren Wandöffnungen. Die maximale Gebäudebreite und -länge kann je nach Grundriss und Aussteifungskapazität variieren. Bei der Planung sollten auch die Anforderungen an den Brandschutz und die Wärmedämmung berücksichtigt werden, um die Sicherheit und Materialeffizienz des Gebäudes zu gewährleisten.
Wie funktioniert der Rückbau der BRIQs?
Der Rückbau der BRIQs erfolgt unkompliziert und effizient. Um die BRIQs zu demontieren, müssen zunächst die Holzdübel entfernt werden. Hierfür kann erneut unser eigens entwickeltes Werkzeug verwendet werden. Mit diesem Werkzeug können die Dübel schnell und einfach herausgetrieben werden. Alternativ können auch ein Hammer und ein Meißel verwendet werden, um die Dübel zu lösen. Sobald die Dübel entfernt sind, lassen sich die BRIQs problemlos voneinander trennen. Diese einfache Rückbau-Funktion ermöglicht eine sortenreine Rückgewinnung der Materialien. Wir nehmen die BRIQs zurück, prüfen sie auf ihre Qualität und führen sie neuen Bauprojekten zu.
Welche aktuellen Projekte werden mit TRIQBRIQ umgesetzt – hätten Sie hier Beispiele für uns?
Die CRCLR HUT ist ein innovativer Holzbau-Pavillon, der auf dem Gelände der Urban Tech Republic in Berlin Tegel errichtet wurde. Dieses Projekt dient als Kompetenzzentrum für nachhaltiges urbanes Bauen und zeigt, wie zirkuläres Bauen in der Praxis umgesetzt werden kann. Der Pavillon wurde 2024 fertiggestellt und wird nun im Mai 2025 rückgebaut, um an einem anderen Standort auf dem ehemaligen Flughafen TXL in einer neuen Form wiederaufgebaut zu werden. Über 70 % der verbauten Materialien sind Sekundärmaterialien und befinden sich in der CRCLR HUT also mindestens schon in ihrem zweiten Leben. Über 90 % diese Materialien wurden so ausgewählt und verbaut, dass sie auch erneut rückgebaut und wiedereingesetzt werden können. Die CRCLR HUT beweist, dass kreislaufgerechtes Bauen schon heute praxistauglich und bezahlbar ist. Ein weiteres Projekt, der EDEKA-Markt in der „Neuen Mitte Lamme“ in Braunschweig, gilt als erster recyclebarer Supermarkt Deutschlands. Der Bau des rund 1.100 m2 großen Marktes setzt auf Materialien, die wiederverwendet oder recycelt werden können, um eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu fördern. Das Richtfest wurde im November 2024 gefeiert. Die Eröffnung ist für das Frühjahr 2025 geplant und macht diesen Supermarkt zu einem Vorreiter in Sachen Recycling im Einzelhandel. Darüber hinaus konnten bei dem Projekt über 50 % an CO2-Emissionen, im Vergleich zu einem mineralisch gebauten EDEKA, eingespart werden.
Welche weiteren Schritte oder Weiterentwicklungen haben Sie geplant?
Wir haben unsere Produktionseinheiten in Form von dezentralen Microfactories entworfen. Ein erster Teil dieser Anlage steht bereits bei uns in Tübingen und ist produktionsfähig. Die gesamte Anlage besteht aus drei containergroßen Zellen, die ohne Sondergenehmigung transportiert werden können. Diese Container können in Reihe geschaltet einen BRIQ in 3,5 Minuten produzieren. Außerdem ist es möglich, die Einheiten nahtlos an den Produktionsprozess eines jeden Abbundzentrums, Sägewerks oder sonstigen holzverarbeitenden Betriebs anzukoppeln. Auf diese Weise wollen wir bis 2027 30 dieser Anlagen in Betrieb nehmen. Dadurch können wir schnell skalieren und gleichzeitig gesund wachsen. Darüber hinaus fördern wir damit auch den Nachhaltigkeitsaspekt des Holzbaus. Unser dezentraler Produktionsansatz ermöglich ein regionales Beziehen von Ressourcen und ein ebenso regionales Beliefern von Baustellen. Lange Fahrten, wie sie bisher im Holzbau üblich sind, werden damit überflüssig. Die Zukunft des Holzbaus ist dezentral und zirkulär und TRIQBRIQ ist ein (Holz-)Baustein in diesem Wandel.
Weitere Informationen unter www.triqbriq.de