Kosten & Finanzierung
KI-gestützte Systeme zur Kostenreduktion: Digitale Heizungssteuerung
Text: Julia Ciriacy-Wantrup | Foto (Header): © STADTBAU ASCHAFFENBURG GMBH
FOTO: STADTBAU ASCHAFFENBURG GMBH
Die Digitalisierung und die Verwendung KIgestützter Systeme schreiten auch im Bereich der Gebäudetechnik immer weiter voran. André Kazmierski, Geschäftsführer der Stadtbau Aschaffenburg GmbH, berichtet von seinen Erfahrungen mit technischen Hilfsmitteln und KI zur Kostenreduktion und Effizienzsteigerung bei Heizsystemen.
Auszug aus:
QUARTIER
Ausgabe 3.2024
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Herr Kazmierski, geben Sie uns bitte einen kurzen Einblick über den Gebäudebestand der Stadtbau Aschaffenburg und wie die Gebäude mit Wärme versorgt werden.
Wir haben hier in Aschaffenburg 3.200 Wohnungen in 450 Gebäuden mit ungefähr 90 Heizungskellern. Strategisch hat sich die Stadt in den 1950er- und 1960er- Jahren vollkommen von Öl- und Kohleöfen entfernt und fast ausschließlich auf die Versorgung mit Gas gesetzt. Die Luftqualität sollte sich dadurch verbessern. Was damals gut war, ist in der heutigen Zeit der Energiekrise und in Hinblick auf die angestrebte Klimaneutralität kritischer zu sehen. Derzeit liegt unsere Gasversorgung bei 83 %, wobei davon ca. 1/3 durch Gas-Etagenheizungen und 2/3 durch Gas-Zentralheizungen abgedeckt werden. Die Fernwärme nimmt einen Anteil von ca. 2 %, Pelletsheizungen ca. 15 % ein.
Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um als Wohnungsbauunternehmen energieeffizienter und nachhaltiger zu wirtschaften?
Wir haben 2020 damit begonnen, eine CO₂-Bilanz und Klimastrategie aufzustellen, um zu eruieren, wo wir in Bezug auf die Klimaneutralität stehen. Auch die Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß des DNK (Deutscher Nachhaltigkeitskodex) führen wir durch. Da unsere Gebäude zu über 80 % mit Gasheizungen versorgt werden, funktionieren Veränderungen nicht von heute auf morgen. Es sind langfristige Konzepte gefragt, und verschiedene Aspekte müssen idealerweise gleichzeitig angepackt werden. Wir engagieren uns in der kommunalen Wärmeplanung, reduzieren unseren Energieverbrauch durch Dämmmaßnahmen und müssen langfristig den Energieträger substituieren, wie den verstärkten Einsatz von „grüner“ Fernwärme. Über unsere digitalen Kanäle wie die Mieter-App, unseren YouTube-Kanal und das Mieterportal informieren wir unsere Mieter auch sehr ausführlich, z. B. zum Thema Energiesparen. Auch analoge Veranstaltungen führen wir gemeinsam mit unseren Stadtwerken und Sozialverbänden durch.
Welche digitalen Systeme bzw. Hilfsmittel setzen Sie im Bereich der Heizung und Wärmeversorgung ein?
Wir haben Fenstergriffe installiert, die dafür sorgen, dass die Heizung bei geöffnetem Fenster pausiert. Zusätzlich haben wir in verschiedenen Pilotprojekten den Einsatz einer digitalen, KI-unterstützten Heizungssteuerung getestet.
Welche Vorteile bzw. Kriterien standen für Sie bei der Nutzung einer digitalen Heizungssteuerung im Vordergrund?
Zum einen wollten wir ein Instrument nutzen, um Energie zu sparen. Um grundsätzlich weniger Energie zu verbrauchen und auch, weil dies Auswirkungen auf unsere CO₂-Bilanz hat. Zum anderen hat es einen wirtschaftlichen Hintergrund, da wir im Rahmen des Kohlendioxidkostenaufteilungsgesetzes für anfallendes Kohlendioxid zahlen. Daher wollten wir hier steuernd eingreifen und haben mit mehreren Pilotprojekten gestartet.
Wie erfolgte die Auswahl für die passenden Komponenten und die technische Umsetzung?
Da wir als sozialorientiertes Wohnungsbauunternehmen stark darauf achten, dass zum einen wir uns Anschaffungen und zum anderen die Mieter sich die Heizkosten leisten können, haben wir uns für einen vergleichsweise günstigen Anbieter entschieden. Pro Heizungsanlage fallen einmalig 800 bis 1.200 Euro an. Danach beträgt die jährliche Pauschale für die Nutzung ca. 50 bis 80 Euro. Wir haben bei der Stadtbau Aschaffenburg 100 Mitarbeiter, einen eigenen Regiebetrieb und einen zusätzlichen Servicebereich für die Stadt. In unserem Regiebetrieb gibt es z. B. auch Elektriker, die bei uns derartige Arbeiten durchführen können.
Hat sich die Verwendung bisher bewährt?
Wir haben bisher sehr gute Erfahrungen gemacht, z. B. schon am ersten Tag nach der Installation, wo wir mithilfe der Messergebnisse eine Notstörung identifizieren und direkt beseitigen konnten. In einem nächsten Schritt wurde das System mit der Wartungsfirma vernetzt und hier wollen nun im Rahmen von „Predictive Maintenance“ vorausschauend agieren. Nach dem Motto: „Der Mieter hat noch nicht bemerkt, dass seine Heizung defekt ist, der Monteur ist aber schon auf dem Weg.“ Darüber hinaus wird in den verschiedenen Häusern die Heizenergie unterschiedlich abgenommen. Hier lernt das System und optimiert die Einstellungen ohne Komfortverlust. In weiterer Zukunft soll das System auch bestimmte Mängel direkt selbst beheben können.
Nach dieser Heizperiode werten wir die Ergebnisse final aus, was es für alle konkret gebracht hat. Ein erstes Resümee ist aber schon so positiv ausgefallen, dass wir in diesem und im nächsten Jahr vorhaben, alle Heizungsanlagen mit diesen Systemen auszustatten.
Welche Ergebnisse in Bezug auf Kosten- und Energieeinsparungen erwarten Sie?
Untersuchungen und Studien, z. B. die BaltBest-Studie [1], haben gezeigt, dass es eine signifikante Reduzierung bei Kosten und Energieverbrauch geben kann. Wenn in unserem Fall der Energieverbrauch um 10 bis 15 % sinken wird, dann sehe ich unsere Ziele als erfüllt an. Durch diese effizientere Arbeitsweise werden auf lange Sicht auch die Kosten reduziert. Für den Mieter selbst wird die Wahrnehmung nicht unbedingt in einem Einsparen von Kosten liegen, sondern im Wesentlichen darin, dass die Steigerung der Kosten weniger stark ausfallen wird bzw. langsamer abläuft.
Welche Empfehlungen würden Sie Ihren Kollegen aus der Branche mit auf den Weg geben, wenn es darum geht, auf technischer Ebene Neuerungen einzuführen oder Abläufe zu vereinfachen?
Eine Empfehlung ist ganz klar: wenn möglich darauf zu achten, dass die Systeme durch eigenes Personal wie Hausbetreuer oder Hausmeister selbst installiert werden können. Nur so können derartige Vorhaben kostenverträglich und relativ zeitnah umgesetzt werden.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, auf Skalierbarkeit zu achten, die es ermöglicht, in relativ kurzer Zeit viel zu erreichen.
Das Gespräch führte Julia Ciriacy-Wantrup.
BaltBest-Studie
[1] Anm. d. Red.: Das Akronym BaltBest steht für „Einfluss der Betriebsführung auf die Effizienz von Heizungsaltanlagen im Bestand“. Die BaltBest-Studie mit einer Laufzeit bis Mai 2021 war eine der größten Forschungsprojekte seiner Art in Deutschland und eine Weiterführung der Allianz für einen klimaneutralen Wohngebäudebestand. Sieben große Wohnungsunternehmen, der Branchenverband sowie Industriepartner aus dem Heizungs- und Energiebereich haben sich dafür zusammengeschlossen.
Weitere Informationen unter www.energieeffizient-wohnen.de/baltbest