Im Gespräch mit Wolfgang Pelousek: Baustellen intelligent planen

Im Gespräch mit Wolfgang Pelousek: Baustellen intelligent planen

Im Gespräch mit Wolfgang Pelousek

Im Gespräch mit Wolfgang Pelousek: Baustellen intelligent planen

Text: Julia Ciriacy-Wantrup | Foto (Header): © zabanski – stock.adobe.com

Foto: PTV GROUP

In einer Kooperation haben das Softwareentwicklungsunternehmen WPS – Workplace Solutions, der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) Hamburg und die PTV Group, ein Mobilitätssoftware-Unternehmen aus Karlsruhe, für die Freie und Hansestadt Hamburg die Software TRIAS – Traffic Roadworks Impact Assessment – entwickelt. Wir sprechen mit Wolfgang Pelousek, Senior Sales Manager der PTV, über das Softwaretool, mit dem der Einfluss geplanter Baumaßnahmen auf den zu erwartenden Verkehrsfluss simuliert und analysiert werden kann.

Auszug aus:

Herr Pelousek, welche Beweggründe haben zur Entwicklung von TRIAS geführt?

Heute fährt man nicht mehr, man steht im Stau. In vielen deutschen Großstädten ist es fast unmöglich, mit dem Auto „schnell mal wohin“ zu kommen. Besonders angespannt ist die Situation in Hamburg. Laut dem „TomTom Traffic Index“ standen die Hamburger 2019 durchschnittlich 131 Stunden pro Einwohner im Stau. Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass die Skala nach oben weit offen ist: Bogotá in Kolumbien kommt auf 191 Staustunden im Jahr, Rio de Janeiro auf 190 und Rom auf 166 Stunden. Um die Problematik der vielen Staus für Deutschland anzugehen, haben sich Vertreter der Bundesregierung, Bundesländer und Kommunen im November 2017 auf Eckpunkte eines Sofortprogramms „Saubere Luft“ zur Verbesserung der Luftqualität in Städten verständigt. Für die Hansestadt Hamburg hat sich der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) mit verschiedenen Maßnahmen beworben. Als Dienstleister der Hansestadt setzt der LSBG in seinem Digitalen Labor (Digi-Lab) vor allem Digitalisierungsprojekte erfolgreich um. Dazu gehört auch das durch den Bund und das Land Hamburg geförderte Projekt „Stauprognose“, welches der interne Projektname für das neue softwaregestützte Stauprognosetool TRIAS ist.

Aus welchen Komponenten setzt sich die Software zusammen?

Die kurze Antwort: ein intuitives Frontend, ein leistungsfähiges Backend und ein modernes Verkehrsmodell. Ganz so einfach ist das natürlich nicht! Die ausführliche Antwort: TRIAS setzt sich zusammen aus einem innovativen Frontend, das entsprechend dem aktuellen Stand der Forschung im UX-Design moderne Oberflächen und Werkzeugmetaphern nutzt, um Anwendern Veränderungen im Verkehrsfluss intuitiv und schnell sinnlich erfahrbar zu machen. Es wird unterstützt durch das intelligente Backend powered by PTV Visum – mit einem aktuellen Verkehrsmodell, das Nachfrage und Verkehrsnetz zur Simulation und Berechnung der verkehrlichen Wirkung von Eingriffen in den Verkehr abbildet.

TRIAS simuliert unter anderem die Verkehrsbelastungen von Straßennetzen
Abbildung: PTV GROUP

An welche Anwender richtet sich TRIAS, und welche Funktionen bietet die Software?

TRIAS unterstützt alle, die Verantwortung für Baustellenplanung und Verkehrsflussverbesserung tragen, wie Technische Rathäuser, Bauämter, Umweltämter oder Verkehrskoordinationsstellen. Alle arbeiten mit einer gemeinsamen Basis am Ziel der Verkehrsflussoptimierung und sparen damit Zeit und Kosten und bilden Vertrauen, indem sie Transparenz schaffen. Dadurch, dass die Software einen intuitiven und einfachen Zugang zu dem komplexen Thema der Simulation ermöglicht, wird die Arbeit der Verkehrsverantwortlichen, wie Bauplanern und Verkehrskoordinatoren auf das reduziert, was für sie entscheidungsrelevant ist. Sie können Ad-hoc-Simulationen durchführen, die auf aktuelle Ereignisse aufsetzen. Gegebenenfalls können sie die Planung kurzerhand anpassen, z. B. bei Verkehrsereignissen wie Unfällen oder kurzfristig angemeldeten Demonstrationen. TRIAS ermöglicht dabei die Einbindung unterschiedlicher Informationsquellen, wie z. B. Verkehrsmeldungen der Verkehrsleitzentrale oder Daten geplanter Baumaßnahmen. Entscheidungen zur Durchführung von Maßnahmen können ganzheitlich dargestellt werden, da die Simulation alle Maßnahmen an einem bestimmten Zeitpunkt berücksichtigt und Zusammenhänge in der Stadt berechnen kann. Darüber hinaus können kurzfristige Verkehrsstörungen auch direkt im Frontend erfasst und visualisiert werden. Dabei liefert TRIAS Ergebnisse zu mehreren unterschiedlichen Gesichtspunkten: Verkehrsaufkommen, Verkehrslage, Auslastung der Straßenkapazität oder auch Veränderungen im Emissionsausstoß können ausgewertet und zur Beurteilung einer geplanten Maßnahme herangezogen werden.

Welche Erfahrungen gibt es aus der Praxis?

Das Projekt wurde am 30. März 2020 erfolgreich abgeschlossen und an den LSBG in den operativen Betrieb übergeben. Seitdem ist das System in aktiver Nutzung. Die Anwendergruppen bescheinigen der Anwendung einen positiven und nachhaltigen Nutzen im Arbeitsalltag, vor allem auch für Kollegen, die keine Verkehrsexperten sind. Für die langfristige Planung von Baustellen lieferte TRIAS bereits interessante Erkenntnisse. In Harburg, einem Stadtteil im Süden Hamburgs, sind im Zentrum für 2021 großräumige Maßnahmen geplant. Die Baukoordinatoren befürchteten, dass aus verkehrstechnischer Sicht nicht alle Maßnahmen gleichzeitig umgesetzt werden können, ohne den Verkehr zum Stillstand zu bringen. Die Verantwortlichen des LSBG untersuchten mit der Simulation in TRIAS, auf welche Straßenzüge der Verkehr ausweicht, wenn Teile davon gesperrt werden. Die Ergebnisse der Simulation zeigten die konkrete Kapazitätenübersteigung der Straßen und ließen den Schluss zu, dass eine parallel Umsetzung der Projekte nicht zu empfehlen ist und daher in Etappen gestuft umgesetzt werden soll. Auch für die kurzfristige Verkehrsplanung ist TRIAS bereits im Einsatz. Aufgrund einer Demonstration kam es im Sommer 2020 zur Sperrung einer viel befahrenen Brücke in Hamburg. Die diensthabenden Polizisten der Verkehrsleitzentrale simulierten daraufhin mit TRIAS die unvorhergesehene Sperrung und ihre Auswirkungen auf das umliegende Straßennetz und leiteten daraufhin erfolgreich verkehrliche Maßnahmen ein.

Welche Entwicklungsmöglichkeiten im Bereich der Baustellenkoordinierung sehen Sie für die Zukunft?

Wir sehen vor allem viel Potenzial bei Gewerken, die von den Auswirkungen stockenden Verkehrs ebenfalls betroffen sind. Ein klassischer Fall wären beispielsweise städtische Entsorger und Flotten. Dafür arbeiten wir derzeit an einer stärkeren Anbindung von Echtzeitdaten in die Softwareanwendung. Grundsätzlich ist der Einfluss von Baustellen auf Klima, Umwelt und Luftqualität eine Thematik, die viele Städte in Deutschland betrifft. So ist es nicht verwunderlich, dass wir mit weiteren Städten bereits im Gespräch sind, die ebenfalls Interesse an der Software TRIAS haben.

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