Im Gespräch mit Ralf Lottes: Wohnraumlüftung und QNG

Im Gespräch mit Ralf Lottes: Wohnraumlüftung und QNG

Im Gespräch mit Ralf Lottes

Im Gespräch mit Ralf Lottes: Wohnraumlüftung und QNG

Text: Julia Ciriacy-Wantrup | Foto (Header): © VFW – BUNDESVERBAND FÜR WOHNUNGSLÜFTUNG

Im Gespräch mit Ralf Lottes: Wohnraumlüftung und QNG

FOTO: VFW – BUNDESVERBAND FÜR WOHNUNGSLÜFTUNG

Wohnraumlüftungssysteme mit Wärmerückgewinnung bieten hohe Energieeinsparpotenziale, wie eine Studie im Auftrag des Bundesverbands für Wohnungslüftung e. V. (VfW) gezeigt hat. In einer Nachfolgestudie wurde der Fokus auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit gelegt. Wir sprechen mit Ralf Lottes, Geschäftsführer des VfW, über die Rolle der Wohnraumlüftung bei der Energieeffizienz von Gebäuden und die QNG-Bilanzierung.

Auszug aus:

Herr Lottes, das Institut für Technische Gebäudeausrüstung in Dresden (ITG) hat sich in der Studie „Wohnungs­lüftung mit Wärmerückgewinnung als nachhaltige Schlüsseltechnologie der Wärmewende“ konkret mit dem Einsparpotenzial gegenüber der Fensterlüftung. Was hat Sie dazu veranlasst, diese Nachfolgestudie in Auftrag zu geben?

Zum einen der durchschlagende Erfolg der ersten Kurzstudie („COP-Äquivalenzstudie“). Sie kam bei Politik, Wissenschaft, Verbänden und Fachpresse so gut an, dass es sich aufdrängte, auf diesem Weg weiterzumachen. Wir haben viel Aufklärungsarbeit in der Politik geleistet, insbesondere über die Effizienz der Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung (WRG), ihre Ergänzung als Komplementärtechnologie zur Wärmepumpe und ihre Netzdienlichkeit. Durch viele Termine im Bundestag und den Bundesministerien, bei denen wir unsere Studie präsentierten, haben wir das Verständnis dafür deutlich verbessert. Ferner wollten wir den Blickwinkel erweitern und neue Aspekte in die Diskussion einbringen. Besonders beeindruckend sind die Einsparungen an Energie, Treibhausgasen und Heizkosten, wenn man Lüftung mit WRG mit bloßer Fensterlüftung vergleicht, bei der man die Heizwärme direkt zum Fenster hinauslüftet. Das schien uns eine lohnende Perspektive. Außerdem wollten wir einen Blick auf die Lebenszyklusanalyse der Technologie werfen. Hier zeigt sich die überragende Bedeutung der Nutzungsphase im Lebenszyklus einer Lüftung mit WRG.

Fensterlüftung vs. Lüftung mit Wärmerückgewinnung (WRG) im Neubau (Effizienzhaus 40); aus: ITG-Studie „Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung als nachhaltige Schlüsseltechnologie der Wärmewende“
FOTO: VFW – BUNDESVERBAND FÜR WOHNUNGSLÜFTUNG

Welche Rolle nimmt die Wohn­raumlüftung (WRL) mit Wärme­rückgewinnung (WRG) in Bezug auf die Energieeinsparpotenziale effizienter Gebäude ein?

Wir sehen die WRL mit WRG als Schlüsseltechnologie der Wärmewende. Bei entsprechender Verbreitung könnte sie bis 2045 allein 10 % unseres Sparziels im Gebäudesektor erbringen. Das ist sub­stanziell! Prozentual besteht ein riesiges Einsparpotenzial (bis zu 69 %) im Neubau, da die Lüftungswärmeverluste im Vergleich zu den Transmissionswärmeverlusten im Neubau eine bedeutend größere Rolle spielen als im Bestand. Absolut können wegen der wesentlich höheren Verbräuche pro m²/a aber natürlich im Bestand mehr Energie und Treibhausgase eingespart werden. Daher entscheidet sich in erster Linie dort, ob wir die Klimaziele erreichen. Wie in der COP-Äquivalenzstudie dargestellt, ist die Lüftung mit WRG auch sehr netzdienlich, da sie dazu beiträgt, Lastspitzen von Strom und Wärmebedarf im Winter abzuschwächen. Auch hier gilt: Je mehr WRG eingesetzt wird, desto größer dieser Effekt, den das ITG auf bis zu 5 bis 10 GW beziffert hat.

Ferner gilt: Je dichter das Gebäude, desto mehr Lüftung! Dies sowohl aus energetischen als auch aus Gründen von Gesundheit und Schutz vor Feuchte und Schimmel. Ein EH 55 oder gar 40 ohne Lüftung mit WRG zu bauen, wird energetisch sehr anspruchsvoll. Deswegen wird die Bedeutung der Lüftungstechnik mit weiter steigender Qualität der Gebäudehülle stark wachsen.

Warum wird die WRG trotzdem noch nicht flächendeckend eingesetzt?

Den meisten Akteuren, die beruflich mit Wohnungsbau zu tun haben, ist der Nutzen einer Wohnraumlüftung für den Sub­stanzerhalt des Gebäudes in der Regel durchaus bewusst. Leider wird die Entscheidung jedoch oft durch Kostenaspekte überlagert. Dass die Nutzenden später neben besserer Innenraumluft von einer deutlichen Heizkostenersparnis profitieren, hat meist leider kaum Einfluss auf die Investitionsentscheidung. Auch bedarf es weiterer Aufklärungsarbeit bei den Energieberatenden, da Lüftungsanlagen mit WRG in der energetischen Bewertung von Gebäuden nach DIN 18599-6 häufig noch „fehlerhaft“ geplant werden und damit auch der Nutzen unzureichend dargestellt wird. Denn in der aktuell gültigen Fassung der Norm sind leider noch sehr alte und ineffiziente Lüftungssysteme als Standard hinterlegt. Diese Standardwerte stellen die Lüftung mit WRG also rechnerisch viel zu schlecht dar, was den energetischen Nutzen stark mindert. Bewohnenden sind die Vorteile einer Wohnungslüftung mit WRG oft noch nicht bewusst. Hier klären wir als VfW auf – über Pressearbeit oder durch Förderung der „Initiative Gute Luft“. Auch in Richtung Wohnungswirtschaft argumentieren wir weiter die grundsätzlichen Vorteile der kontrollierten Wohnraumlüftung.

Immer mehr Bauträger und Wohnbaugesellschaften beschäftigen sich mit dem Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG). Welchen Herausforderungen sehen sie sich gegenüber?

Wie Sie richtig sagen: Immer mehr Bauträger beschäftigen sich mit dem QNG-Siegel. Die Verunsicherung ist jedoch noch groß. Deshalb werden in vielen Fällen hohe Anforderungen an Herstellerdeklarationen gestellt, die in diesem Zusammenhang gar nicht eingehalten werden müssen. Dies stellt wiederum die Hersteller vor das Problem, etwas liefern zu sollen, über das sie (noch) nicht verfügen. Um für die Zukunft einen klaren Bilanzierungsrahmen zu schaffen, erarbeiten Hersteller von Wohnungslüftungsgeräten und -anlagen im Fachverband Gebäude-Klima e. V. (FGK) repräsentative Datensätze für die Ökobilanzierung von Wohnungslüftungsanlagen nach den Regeln des QNG.

Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit dem FGK?

Um Ressourcen zu bündeln, einer Erklärung maximales Gewicht zu verleihen und die Reichweite der Kommunikation zu erhöhen, ergibt eine Kooperation zwischen Verbänden Sinn, die thematische Überschneidungen haben. Hier hat der FGK uns die Mitzeichnung der Dokumente angeboten. Wo es sich ergibt und einen der o. g. Vorteile bietet, arbeiten wir gern mit dem FGK zusammen – übrigens immer mehr und immer enger.

Wie unterstützen die Datensätze in Zukunft die Nutzer?

Die Datensätze ermöglichen differenziertere Betrachtungsweisen und Berechnungen für Wohnungslüftungsanlagen, auch wenn diese detaillierteren Informationen und Daten für eine Nachweisführung derzeit nicht benötigt werden. Erste Ergebnisse zeigen aber, dass Lüftungsanlagen mit WRG schon nach spätestens einem Jahr CO₂ neutral sind. Weiterhin gelten aber die Anwendungsregeln aus Anhang 313 Ziffer 0.1.2 des QNG-Anforderungskatalogs zur Schadstoffvermeidung bei Baumaterialien: Im Rahmen des QNG sind danach nur diejenigen Bauprodukte zu bewerten, die vor Ort (bauseitig) verarbeitet oder fest eingebaut bzw. installiert wurden. Werkseitig verarbeitete Bauprodukte und lose Ausstattungselemente der Technischen Gebäudeausrüstung sind nicht Gegenstand der Betrachtung.

Das Gespräch führte Julia Ciriacy-Wantrup.

Mehr aus dieser Ausgabe

Alle Inhalte. Mehr Antworten.

Mit Q+ erhalten Sie sofort Zugriff auf:

✔ alle Inhalte aller vergangenen Ausgaben
✔ alle Inhalte zukünftiger Ausgaben

Jetzt 3 Monate testen!

nur 8€ 3 /Monat
(zzgl. MwSt.)

Jetzt testen

Sie haben bereits einen Zugang?

Icon