Im Gespräch mit Maximilian Rohs und Gabriel Flore: Nachhaltig mobil

Im Gespräch mit Maximilian Rohs und Gabriel Flore: Nachhaltig mobil

Im Gespräch mit Maximilian Rohs und Gabriel Flore

Nachhaltig mobil

Text: Julia Ciriacy-Wantrup | Foto (Header): © trattieritratti – stock.adobe.com

Maximilian Rohs und Gabriel Flore

FOTOS: PWC DEUTSCHLAND

Der Verkehr muss umweltfreundlicher und nachhaltiger werden, ohne jedoch die Mobilität der Bevölkerung und den Transport von Gütern einzuschränken. Doch wie wirken sich verschiedene Maßnahmen auf die nachhaltige Mobilität in Städten aus und welche sind am zielführendsten? Darüber sprechen wir mit Maximilian Rohs, Director, und Gabriel Flore, Manager im Bereich Infrastructure & Mobility bei PwC, die dazu im Auftrag des Umweltbundesamtes Handlungsempfehlungen erarbeitet haben.

Auszug aus:

Herr Rohs und Herr Flore, Sie haben für das Umweltbundesamt im Forschungsvorhaben „Mobilitätskonzepte für einen nachhaltigen Stadtverkehr 2050 “die Grundlagen für eine Gesamtstrategie für nachhaltige urbane Mobilität ausgearbeitet. Mit den „Roadmaps 2030/ 2045 “gehen Sie nun einen Schritt weiter und stellen dar, was welche Maßnahmen in Zukunft tatsächlich leisten könnten. Wie sind Sie dabei vorgegangen?

M. Rohs: Zu Beginn des Projekts haben wir mittels Literaturanalyse einen umfassenden und detaillierten Überblick über den aktuellen Forschungs- und Umsetzungsstand zum Thema nachhaltige Stadtmobilität erarbeitet. Im Mittelpunkt stand die Frage, welche die wesentlichen Einflussfaktoren städtischer Mobilität sind. Den Ausgangspunkt bildete dabei die UBA-Vision „Die Stadt für Morgen “. Darauf aufbauend erfolgte ein vertiefender qualitativer Review von Ex-Post-Fallstudien, um belastbare Ergebnisse hinsichtlich langfristiger Wirkungen bereits durchgeführter Maßnahmen sowie deren Erfolgsfaktoren und Hemmnissen zu gewinnen. Um die Ergebnisse zu erweitern, haben wir anschließend für ausgewählte Städte die verkehrlichen, ökologischen und ökonomischen Auswirkungen von Maßnahmen und deren Kombinationen modelliert. Die gewonnenen Erkenntnisse flossen in die Entwicklung von drei Zukunftsszenarien für nachhaltige Stadtmobilität ein, die die Basis für die Entwicklung von Roadmaps bildeten.

Welche Maßnahmenpakete haben Sie untersucht?

M. Rohs: Wir haben in acht Themenbereichen 51 Determinanten der urbanen Mobilität herausgearbeitet. Dazu zählen die unmittelbar wirkenden Themenbereiche „Verkehrsinfrastruktur und -angebot “, „Siedlungsstruktur und -entwicklung “sowie „Stadt- und Regionalplanung “, aber auch mittelbar wirkende Themen wie „technologische Entwicklungen “, „ökonomische Rahmenbedingungen und Instrumente “, „politische und rechtliche Rahmenbedingungen “sowie „soziodemografische Entwicklungen “und „gesellschaftliche Rahmenbedingungen “.

G. Flore: Die Determinanten umfassten sowohl „Pull-Maßnahmen “zur Förderung umweltfreundlicher Verkehrsmittel wie hochwertige öffentliche Verkehrsangebote und kompakte, funktionsgemischte Siedlungsstrukturen als auch „Push-Maßnahmen “, durch die die Nutzung des Pkw an Attraktivität verliert, wie die Ausweitung von Parkraumbewirtschaftungszonen. Darüber hinaus gibt es Determinanten, auf die die Städte keinen direkten Einfluss haben. Dazu zählen z. B. sich wandelnde gesellschaftliche Trends, Werte, Lebens- und Mobilitätsstile.

Wie konnten Sie eruieren, welche Maßnahmen zur nachhaltigen Stadtmobilität und zum Parkraummanagement besonders wirksam und umsetzbar sind?

G. Flore: Wir haben dazu die Determinanten bzw. Maßnahmen nutzwertanalytisch bewertet. Bei der Analyse standen insbesondere das ökologische Entlastungspotenzial, die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die öffentlichen und die privaten Haushalte und die Unternehmen, die Umsetzbarkeit und Skalierbarkeit sowie die Sicherung einer MIV-unabhängigen Mobilität im Fokus. Zudem haben wir die Wirkungen ausgewählter Maßnahmen in den vier beteiligten Beispielstädten Hagen, Magdeburg, München und Saarbrücken sowie in einer daraus abgeleiteten „Modellstadt “im Jahr 2030 im Vergleich zu einem fortgeschriebenen Status quo untersucht.

M. Rohs: Dabei hat sich gezeigt, dass Pull-Maßnahmen zur Förderung des Umweltverbundes das Mobilitätsverhalten zwar deutlich beeinflussen können. Noch stärker wirken aber Push- Maßnahmen zur Einschränkung des motorisierten Individualverkehrs und insbesondere die Kombination von beiden – dies bildet sozusagen den Turbo für die Mobilitätswende.

Wie bewerten Sie die Bündelung von Maßnahmen?

M. Rohs: Den Kommunen steht eine Vielzahl an Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung, um den Verkehr umweltfreundlicher zu gestalten und die Lebensqualität in den Städten und Regionen weiter zu verbessern. Da die Maßnahmen ihr gesamtes Potenzial aber erst im Zusammenspiel miteinander entfalten, ist die Bündelung von Maßnahmen in ganzheitlichen Roadmaps im Sinne einer zielorientierten Gesamtstrategie eine Grundvoraussetzung, um die Mobilitätswende konsequent voranzutreiben.

G. Flore: Da sich die Rahmenbedingungen stets ändern, ist bei der Umsetzung eine gewisse Flexibilität erforderlich. Durch ein agiles Handeln sind ein dynamisches Reagieren und Justieren der Roadmaps möglich. Und einen wesentlichen Schlüssel zum Erfolg bildet die Kooperation. Nur durch ein gemeinsames, abgestimmtes Vorgehen der verschiedenen Akteure kann die Mobilitätswende erfolgreich vorangetrieben werden. Dazu gehört auch ein gemeinsames, integriertes Vorgehen auf allen Ebenen vom Bund über die Länder bis zu den Kommunen.

Die Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsziele Deutschlands und der Europäischen Union sind ambitioniert. Wie kann der Mobilitätssektor dazu beitragen, diese zu erreichen?

G. Flore: Attraktive und vernetzte nachhaltige Mobilitätsangebote sowie eine bedarfsgerechte Fuß- und Radverkehrsinfrastruktur bilden die Basis für einen Umstieg auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel. Kundenorientierte Mobilitätsplattformen und Tarifstrukturen erleichtern den Umstieg. Als Beispiel sei hier der Tarifdschungel im öffentlichen Personennahverkehr genannt; die dortigen Tarifstrukturen werden trotz der Einführung des Deutschlandtickets von vielen (potenziellen) Kunden noch immer als zu unübersichtlich und kompliziert wahrgenommen. Um die Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, sind zusätzlich aber auch Push-Maßnahmen zur Einschränkung des motorisierten Individualverkehrs unausweichlich. Dabei ist jedoch Fingerspitzengefühl sehr wichtig, um die Mobilität der Bevölkerung und den Transport von Gütern weiter sicherzustellen.

M. Rohs: Zudem müssen die Emissionen im öffentlichen Verkehr durch eine Antriebswende weiter gesenkt werden. Dazu gehört insbesondere die weitere konsequente Dekarbonisierung der Fahrzeugflotten und der Aufbau der erforderlichen Infrastruktur, aber auch die Reaktivierung und Elektrifizierung von Bahnstrecken.

Das Gespräch führte Julia Ciriacy-Wantrup.

Publikationsempfehlung
Unter www.umweltbundesamt.de stehen die Handlungsempfehlungen „Nachhaltige Mobilität in der Stadt für Morgen: Roadmaps 2030/ 2045 und ihre Wirkungen “sowie weitere Publikationen zum Thema kostenlos zum Download zur Verfügung.

ABBILDUNG: UMWELTBUNDESAMT

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