Im Gespräch mit Dr. Svenja Lauble: Austauschplattform für die energetische Sanierung

Im Gespräch mit Dr. Svenja Lauble: Austauschplattform für die energetische Sanierung

Im Gespräch mit Boris E. Biskamp

Austauschplattform für die energetische Sanierung

Text: Julia Ciriacy-Wantrup | Foto (Header): © NAIS

Im Gespräch mit Dr. Svenja Lauble: Austauschplattform für die energetische Sanierung

FOTO: LAILA TKOTZ

Rund 75 % der Gebäude in Deutschland sind vor 1978 und damit vor Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung errichtet worden. Die Herausforderung, hier energetisch nachzuziehen, beginnt lange vor der eigentlichen Sanierung: mit nachvollziehbaren Maßnahmenplänen. Im Verbundprojekt NaiS entwickeln Forschende des KIT und ihre Partner eine digitale Austauschplattform. Wir sprechen mit Projektmanagerin Dr. Svenja Lauble, wie diese dabei unterstützt, Sanierungen vorab ökonomisch und ökologisch zu analysieren.

Auszug aus:

Frau Dr. Lauble, wie ist die Idee zum Projekt NaiS – das abgekürzt für nachhaltige intelligente Sanierungsmaßnahmen steht – entstanden?

Zu Bestandsgebäuden liegen häufig sehr heterogene und nicht digitalisierte Unterlagen vor, wie z. B. Energieausweise, Grundrisse, Flucht- und Rettungspläne, Produktdatenblätter oder Gutachten. Darüber hinaus gibt es im Internet zahlreiche öffentlich verfügbare Daten zu Fördermöglichkeiten und Nachhaltigkeitsfaktoren, wie etwa aus EPDs oder der Ökobaudat. Experten verbringen oft viel Zeit damit, relevante Informationen aus diesen Dokumenten zu extrahieren und zu digitalisieren, um sie dann mit Informationen aus dem real existierenden Gebäude abzugleichen. Erst danach können sie entsprechende Empfehlungen für nachhaltige Sanierungsmaßnahmen ableiten. Aus der Notwendigkeit heraus, Immobilienverwaltern einen effizienteren Zugang zu diesen Informationen zu ermöglichen und damit der steigenden Nachfrage nach nachhaltigen Lösungen gerecht zu werden, ist die Idee zu NaiS entstanden.

Wie kann NaiS die Nutzenden bei der Gebäudebewertung und Maßnahmenplanung unterstützen?

Mit NaiS sollen relevante Informationen aus Bestandsdokumenten extrahiert, mit frei verfügbaren Informationen aus dem Internet angereichert und in ein digitales Datenformat übertragen werden. Dieses digitale Modell dient als Grundlage für Immobilienverwalter und Softwareunternehmen, um effizienter mit Bestandsgebäuden zu arbeiten und sie bei der Informationssichtung zu entlasten. Unsere Projektpartner, CAALA und Concular, analysieren im Rahmen des Projekts die digitalisierten Daten und geben wertvolle Informationen zurück an die Plattform. Dadurch können zukünftig nicht vorhandene Informationen aus den Bestandsdokumenten besser vorhergesagt werden. Der Aufbau dieser Schnittstellen soll als Vorbild für weitere strategische Partner dienen und die Qualität und Effizienz der Gebäudebewertung und Maßnahmenplanung kontinuierlich verbessern.

Wie ist die Plattform aufgebaut bzw. wie arbeitet sie?

Nach dem Upload der vorhandenen Dokumente analysiert die Plattform deren Vollständigkeit. Basierend auf einigen Kernszenarien, wie der Erstellung eines Sanierungsfahrplans oder der Bewertung der Zirkularität, wird überprüft, welche Informationen vorhanden sind und welche fehlen. Das daraus entstehende digitale Modell bietet verschiedene Export-Möglichkeiten, etwa im IFC- oder Excel-Format, die direkt genutzt werden können. Darüber hinaus gibt es Schnittstellen zu strategischen Softwareunternehmen, um nahtlos weiterzuarbeiten. Zudem ermöglicht die Plattform eine intelligente Sichtung aller vorhandenen Dokumente in einer Bibliothek. Mit dem Einsatz eines Large Language Models (LLM) können Nutzer auch interaktiv mit ihrem Gebäude kommunizieren, beispielsweise durch Fragen wie: „Welche Fördermöglichkeiten können relevant sein?“

Welche Rolle spielt KI bei der Analyse von Bestandsgebäuden?

Im Projekt kommen verschiedene KITechnologien zum Einsatz. Beispielsweise wird ein digitalisierter Grundriss verwendet, um ein 3-D-Modell zu erstellen. Dabei müssen verschiedene Klassen wie Wände, Fenster und Türen im Modell semantisch segmentiert werden, um sie getrennt darstellen zu können. Ein weiterer Anwendungsfall für KI ist die Extraktion der Kernattribute eines Gebäudes aus Textdokumenten. Die Analyse dieser Texte kann wertvolle Zusatzinformationen liefern, die zur weiteren Optimierung von Sanierungsmaßnahmen beitragen. Zuletzt spielt der Einsatz von LLM eine wichtige Rolle. Diese Technologien ermöglichen es, die Vielzahl an Informationen zu analysieren und gebündelt auszuwerten, wodurch die Effizienz und Genauigkeit der Gebäudeanalyse erheblich gesteigert werden.

Wie lassen sich mithilfe der Plattform Aspekte der Nachhaltigkeit bewerten und Sanierungsmöglichkeiten identifizieren?

Ein zentraler Punkt ist die effiziente Erstellung objektiver Bewertungen mithilfe erster digitaler Modelle. Besonders wertvoll ist die automatisierte Anreicherung dieser digitalisierten Informationen mit Nachhaltigkeitsfaktoren. Dies bietet eine solide Grundlage, um der steigenden Nachfrage nach nachhaltigen Sanierungsmaßnahmen gerecht zu werden, entsprechende Vorschriften zu erfüllen und mögliche Zertifizierungen zu erlangen. Durch die Integration und Bewertung relevanter Nachhaltigkeitsdaten können gezielt Sanierungsmöglichkeiten identifiziert und optimiert werden, um eine nachhaltigere Gebäudenutzung zu fördern.

Wie geht es weiter mit NaiS – welche weiteren Schritte haben Sie geplant?

Erste digitale Prototypen zur Digitalisierung relevanter Informationen funktionieren bereits und werden derzeit zusammen mit Mock-ups der Plattform von verschiedenen Nutzern, wie beispielsweise Züblin, getestet. Mock-ups sind „Klick-Dummies“, mit denen der grundsätzliche Aufbau der Plattform zusammen mit potenziellen Nutzern überprüft werden kann. Im nächsten Schritt konzentrieren wir uns auf die Weiterentwicklung im Bereich LLM, die technische Entwicklung der Plattform und ihrer Schnittstellen sowie die konkreten Verwertungsperspektiven in Zusammenarbeit mit der DGNB. Bei Interesse an unserem Projekt und der Möglichkeit, durch Feedback mitzuwirken, finden Sie weitere Informationen auf unserer Website: www.nais.tech oder im dort verlinkten Newsletter.

Das Gespräch führte Julia Ciriacy-Wantrup.

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