Telli-Überbauung in Aarau, Schweiz: Sanierung im laufenden Betrieb

Telli-Überbauung in Aarau, Schweiz: Sanierung im laufenden Betrieb

Energie, Technik & Baustoffe

Telli-Überbauung in Aarau, Schweiz: Sanierung im laufenden Betrieb

Text: Julia Ciriacy-Wantrup | Foto (Header): © SOPHIE STIEGER

Telli-Überbauung in Aarau, Schweiz: Sanierung im laufenden Betrieb

FOTO: AXA IM

Mit rund 2.500 Bewohnern ist die Telli-Überbauung in Aarau die größte Wohnsiedlung der Deutschschweiz. Zwei der vier Gebäude wurden im bewohnten Zustand saniert. Wir sprechen mit Tillmann Hohenacker, Bauprojektleiter bei der AXA IM, über die Herausforderungen eines derartig großen Projekts.

Auszug aus:

Herr Hohenacker, ein derartig großes Wohngebäude im bewohnten Zustand und über eine Dauer von mehr als drei Jahren zu sanieren, ist eine Mammutaufgabe. Welche Sanierungsmaßnahmen wurden konkret durchgeführt?

Die Sanierung beinhaltete den Ersatz der Fenster, Heizungen und Lüftungen. Außerdem wurde die Balkonschicht auf der Westseite komplett ersetzt und die Balkone dadurch deutlich vergrößert. Die Nebenkosten konnten dank des besseren Dämmwerts durch die neuen Fenster deutlich gesenkt werden. Zudem werden jährlich über 1.000 t CO2 eingespart. Weiter wurde die Siedlung an das lokale Fernwärmenetz angeschlossen, wodurch die bisherige Gasheizung ersetzt werden konnte. Auch die Außenund Gemeinschaftsräume wurden umgestaltet und bilden heute das Herzstück der Telli. Es ist eine grüne, biodiverse Oase mit viel Raum für die Gemeinschaft entstanden. Nach der energetischen Sanierung konnten die Gebäude mit dem Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz (SNBS) zertifiziert werden. Obwohl ursprünglich die Zertifizierung „SNBS Silber“ erreicht werden sollte, wurde schlussendlich sogar der Standard „SNBS Gold“ erfüllt.

Wie sind Sie vorab an diese Aufgaben herangegangen und mit welchem Zeitplan?

Es wurde ein hoher Planungsaufwand betrieben, der auch einen entsprechenden Zeitaufwand mit sich brachte. Fast vier Jahre Vorbereitung für ein Projekt sind außergewöhnlich. Der hohe Planungsaufwand hat sich aber ausgezahlt: Die Sanierung der 581 Wohnungen konnte ohne hohen Reibungsverlust und ohne Zeitverzögerungen abgewickelt werden. Dazu wurden u. a. Musterwohnungen erstellt, in denen die Unternehmer ihre Arbeitsabläufe „proben“ konnten.

Welche organisatorischen Punkte waren in Bezug auf die Bewohner relevant?

Direkt betroffen von der Sanierung war die Bewohnerschaft während der zweiwöchigen Sanierung im Inneren ihrer Wohnung. Während dieser Zeit konnten sie in eine Ersatzwohnung innerhalb der Telli ausweichen oder auf Kosten der AXA ein Hotelzimmer beziehen oder bei Freunden unterkommen. Dank eines stundengenauen Ablaufplans konnten wir die Mieterschaft schon vor Beginn der Bauarbeiten informieren, wann auf den Tag genau ihre Wohnung betroffen ist. Durch die frühzeitige Planung haben auch einige Bewohnende ihre Ferien auf diese Zeitspanne gelegt. Die konventionelle frontale Mieterinformation wurde in Round-Table-Gespräche umgewandelt. Im persönlichen Gespräch konnten wir die individuellen Einflüsse auf die einzelnen Wohnungen sowie die Abläufe genau erläutern und so Unsicherheiten bei der Mieterschaft vermeiden.

Unsicherheiten und Fragen der Bewohner gehen bei einer Modernisierung im Gebäudebestand oft noch weiter – z. B. in Bezug auf eine Mietzinserhöhung. Wie sind Sie damit umgegangen?

Uns war es wichtig, dass die Mieterschaft hinter der Sanierung steht und diese unterstützt. So war das Miteinander mit den Mietenden ein tragendes Element, das maßgeblich zum Erfolg und zur positiven Grundhaltung gegenüber dem Projekt beigetragen hat. Wir haben diese von Beginn an in das Projekt miteinbezogen und viel Wert auf den regelmäßigen Austausch und eine frühzeitige Kommunikation gelegt. So wurden beispielsweise Kommunikationsplattformen eingerichtet, mittels derer die Mieterschaft ihre Ideen und Anregungen aktiv einbringen konnte. Es wurde u. a. eine Siedlungs-App für den Austausch untereinander eingerichtet, es gab Telli-Treffs und Aktionen für die Gemeinschaft. Auch nach der Sanierung hat das Pflegen des Miteinanders in der Telli einen hohen Stellenwert, und so sind Siedlungsaktivitäten auch nach Abschluss des Projekts fester Bestandteil der Siedlung.

Die Sanierungsmaßnahmen fielen voll in den Beginn der Corona-Pandemie. Welche Auswirkungen hatte dies auf den Ablauf und die Arbeiten?

Das war natürlich besonders für Personen, die im Homeoffice arbeiten oder kleine Kinder haben, eine anstrengende Zeit. Wir haben deshalb Ersatzwohnungen eingerichtet, die gebucht werden konnten. Dadurch bestanden während lärmintensiver Arbeiten Ausweichmöglichkeiten. Baulich kam es zwischenzeitlich zu Engpässen bei gewissen Materiallieferungen. Dank einer guten Planung und Flexibilität aller Beteiligten konnten wir dennoch im Zeitplan bleiben und die Sanierung der einzelnen Wohnungen auf den Tag genau beibehalten. Zur Sicherheit der Unternehmer mussten, wie allgemein üblich, zusätzliche Waschräume und Desinfektionsanlagen aufgestellt werden. Im Großen und Ganzen sind wir aber gut durch die Coronazeit gekommen.

Welche Tipps würden Sie denjenigen mitgeben, denen Sanierungsmaßnahmen im bewohnten Bestand bevorstehen?

Viel Zeit in die Planung zu investieren. Sie ist das Fundament und entscheidend für einen reibungslosen Ablauf während der Sanierung. Dies ist von großer Bedeutung, da jegliche Verzögerungen zulasten der Mieterschaft gehen würden. Generell hat sich gezeigt, dass der Austausch mit den Mietern und die Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse beiden Seiten einen Vorteil bringt. Zum einen ist eine Sanierung mit einer zufriedenen Mieterschaft einfacher, zum anderen lieferte diese auch wertvolle Vorschläge, die innerhalb des Bauprojekts umgesetzt wurden. Für künftige Projekte setzen wir daher vermehrt auf die bewährten Round-Table-Gespräche im 1 : 1-Kontakt.

Das Gespräch führte Julia Ciriacy-Wantrup.

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