Energie, Technik & Baustoffe
Aufstockung mit Raummodulen in Holzmassivbauweise: Wohnraum on top im Rhein-Main-Gebiet
Text: Sonja Keller | Foto (Header): © LIWOOOD
Der Bedarf an bezahlbaren Wohnungen ist immens – und das nicht nur in Ballungsgebieten. Wie aber lässt sich die Nachfrage angesichts steigender Baukosten und hoher Grundstückspreise decken? Deutschlands Dächer bergen großes Potenzial, um diesen Missstand zu beheben. Immerhin besteht in der Aufstockung von Wohn- und Nichtwohngebäuden noch viel Luft nach oben. Das weiß auch die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt, die auf diese Weise neuen Wohnraum in ihrem Bestand schafft – beispielsweise in der Frankfurter Fritz-Kissel-Siedlung.
Auszug aus:
QUARTIER
Ausgabe 2.2024
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Das hohe Zinsniveau, rapide gestiegene Baukosten aufgrund explodierender Energiepreise, verteuertem Material und Lieferschwierigkeiten, Fachkräftemangel sowie fehlende Fördermittel haben den Neubau in Deutschland nahezu ausgebremst. Die Inflation und geopolitische Konflikte belasten die Branche zusätzlich – die Wohnungsnot spitzt sich weiter zu. Die komplexe internationale Gesamtlage hat dazu geführt, dass im vergangenen Jahr lediglich 295.300 neue Wohnungen gebaut wurden. Damit wurde das ursprünglich von der Bundesregierung anvisierte Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr weit verfehlt.
Wie das Statistische Bundesamt auf Basis teils geschätzter Ergebnisse im Januar mitteilte, wurden im November 2023 mit 20.200 Wohnungen 16,9 % oder 4.100 weniger Wohnungen genehmigt als im Vorjahreszeitraum. Von Januar bis November 2023 sank die Zahl der Baugenehmigungen gegenüber dem Vorjahreszeitraum insgesamt um 83.200 auf 238.500 genehmigte Wohnungen. Das ist ein Rückgang von fast 26 %. Die Folge ist eine stetig anwachsende Neubaulücke, deren aktuelle Dimension der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) kürzlich auf 550.000 Wohneinheiten taxiert hat. Bis 2050 könnten 750.000, bis 2027 sogar bis zu 830.000 Wohnungen fehlen.
Dabei könnten durch Aufstockung von Wohn- und Nichtwohngebäuden bundesweit zwischen 2,3 bis 2,7 Millionen neue Wohnungen entstehen – und das ohne jeglichen Flächenverbrauch und teure Erschließungskosten. Zu diesem Ergebnis kommt die zweite Deutschlandstudie von Prof. Dr.-Ing. Karsten Tichelmann von der TU Darmstadt. Demnach wären alleine im Rhein-Main-Gebiet 250.000 neue Wohnungen on top möglich.
Und die wären dort auch dringend nötig. Denn: Die Bevölkerung im Gebiet des Regionalverbandes Frankfurt-Rhein-Main ist in den fünf Jahren zwischen 2017 und 2022 deutlich gewachsen. Knapp 2,48 Millionen Menschen zählten die 80 zugehörigen Kommunen Ende 2022 – 3,4 % mehr als fünf Jahre zuvor, wie der Verband im Januar 2024 unter Berufung auf die aktuelle Regionalstatistik mitteilte. Nach einer pandemiebedingten Phase der Stagnation stieg das Wachstum den Angaben zufolge zuletzt wieder deutlich an. So verzeichnete die Stadt Offenbach einen Zuwachs um 5,9 %, in Frankfurt waren es 3,5 %. Der Wohnungsbau sei dagegen infolge einer nachlassenden Baukonjunktur von 11.703 Fertigstellungen von 2017 auf 9.451 Fertigstellungen im Jahr 2022 zurückgegangen. Ende 2022 zählte der Verband rund 1,2 Millionen Wohnungen in den Kommunen. Zum Regionalverband gehören neben Frankfurt und Offenbach die Städte und Gemeinden der Kreise Hochtaunus, Main-Taunus sowie weitere 40 Städte und Gemeinden aus den Kreisen Groß-Gerau, Main-Kinzig und Wetterau.
Dass in der Aufstockung ein enormes, brachliegendes Potenzial schlummert, weiß auch die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt (NHW). Als Bestandshalter von rund 59.000 Mietwohnungen nutzt sie dieses schon seit vielen Jahren und hat auf diese Weise an verschiedenen Standorten neuen Wohnraum geschaffen. Dabei investiert Hessens größtes Wohnungsunternehmen bei sich bietender Gelegenheit verstärkt in seine Gebäude aus den 1950er- und 1960er-Jahren. Dabei gilt: Wo Wohnraum knapp ist und Flächen für neue Häuser oder Anbauten nicht verfügbar sind, ist das modulare Aufstocken von Dächern eine sinnvolle Option. Da solche Maßnahmen in der Regel in bewohntem Zustand stattfinden, lassen sich Beeinträchtigungen für die Mieterinnen und Mieter oftmals nicht vermeiden. Um diese so gering wie möglich zu halten und einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, gibt es einen gut durchdachten Masterplan, bei dem Architekten, Bauleiter sowie Regional- und Servicecenter der NHW Hand in Hand arbeiten – so auch in der Fritz-Kissel-Siedlung in Frankfurt- Sachsenhausen.
Die Fritz-Kissel-Siedlung wurde in den Jahren 1951 bis 1954 von der Nassauischen Heimstätte in Zusammenarbeit mit der SÜWAG gebaut. Mit fast 2.400 Wohnungen war sie nach dem Krieg die größte Frankfurter Neubau-Wohnsiedlung. Die städtebauliche Konzeption geht auf einen Plan von Ernst May und Herbert Boehm aus den 1920er-Jahren zurück. Namensgeber der Siedlung, die für ihre großzügigen Grünflächen bekannt ist, war der damalige Präsident der Landesversicherungsanstalt. Er hatte sich als Aufsichtsratsmitglied der Nassauischen Heimstätte für den Bau stark gemacht. Seit dem Jahr 2000 steht die Fritz-Kissel-Siedlung unter Denkmalschutz.
Dort wurden nun 14 Mehrfamilienhäuser aufgestockt. 82 zusätzliche, modern geschnittene Ein- bis Drei-Zimmer-Wohnungen sind so entstanden, 22 von ihnen gefördert. Im Februar 2022 sind die ersten Mieterinnen und Mieter eingezogen. Alle Gebäude in der Breslauer Straße und an der Mörfelder Landstraße wurden im dritten bzw. vierten Obergeschoss um je ein Vollgeschoss ergänzt, die Gebäude im Ziegelhüttenweg um je zwei Vollgeschosse. Insgesamt kamen dabei 320 Raummodule in Holzmassivbauweise zum Einsatz – vorgefertigt in der Feldfabrik der Firma LiWooD.
„Erstmals in der Firmengeschichte hat unser Unternehmensbereich Modernisierung und Großinstandhaltung hier mit vorgefertigten Modulen in Holzbauweise gearbeitet – eine sehr effiziente und vor allem auch nachhaltige Möglichkeit zur Innenentwicklung unserer Quartiere. Die Holzmodule sind besonders leicht und erfüllen den energiesparsamen KfW 40 Standard. Sie leisten einen nachhaltigen Beitrag zum ressourcenschonenden Umgang mit Materialien und sind somit ein wichtiger Baustein unserer Klimastrategie“, so NHW-Geschäftsführerin Monika Fontaine-Kretschmer. Nach dem Abbau der alten Dächer wurden die Neubauteile auf die Gebäude gesetzt. Innerhalb von nur drei Monaten ist eine derartige Wohnung bezugsfertig hergerichtet, inklusive Steckdosen und Beleuchtung. In nur einem Jahr ist so über 5.000 m² neuer, mit erneuerbaren Energien versorgter bezahlbarer Wohnraum in einem der beliebtesten Frankfurter Stadtteile entstanden. Ebenfalls nicht außer Acht zu lassen: Serielle Elemente verkürzen die Bauphase und verhelfen den Bauherren zu einem schnelleren Return on Invest. „Dank der im Werk vorgefertigten Module geht alles viel schneller als bei einer konventionellen Aufstockung. Dadurch verkürzt sich die Dauer der Baustelle und damit auch die Belastung für die Mieterinnen und Mieter“, so Fontaine-Kretschmer weiter. Weiteres Plus für Wohnungssuchende: Durch die reduzierte Bauzeit wird die Lage auf dem Wohnungsmarkt verbessert, da Neubauten zügiger in die Vermietung oder den Verkauf gelangen.
Doch auch die Bestandsmieter der Häuser haben von den begleitenden Instandhaltungsmaßnahmen am und im Gebäude profitiert. Die Hausfassaden und die Wände im Treppenhaus haben im Zuge der Arbeiten einen neuen Anstrich erhalten. Zudem wurden Regen- und Kanalleitungen sowie Keller- und Wohnungstüren erneuert. Auf den aufgestockten Dächern mit einer Gesamtfläche von 5.000 m² hat der regionale Energieversorger Mainova 1.400 Photovoltaik-Module installiert. Damit hat er sein bislang größtes gemeinsames Mieterstrom-Projekt mit der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt umgesetzt. Die Gesamtanlage produziert 445.000 kWh Ökostrom und spart somit jährlich rund 250 t CO₂ ein. Das Unternehmen hat die Dachfläche von der NHW gepachtet, finanziert und betreibt die Anlage. Die Mieterinnen und Mieter der Häuser können den günstigen Ökostrom von ihrem Dach auf Wunsch und nach einem Vertragsabschluss vom Energieversorger beziehen. Er wird direkt in das jeweilige Hausnetz eingespeist. „Mit intelligenter Energie für Städte wie unserem Mieterstrom treiben wir die Energiewende im urbanen Raum weiter voran“, betont Mainova-Vorständin Diana Rauhut. „Damit können zunehmend mehr Mieterinnen und Mieter aktiv von den Vorteilen des Ausbaus klimafreundlicher Energien profitieren.“
Auch an den Freiflächen hat die NHW umfangreiche Arbeiten durchgeführt. Ein beauftragtes Frankfurter Büro für Garten- und Landschaftsarchitektur hatte im Vorfeld ein Gesamtkonzept sowohl für die Freianlagen als auch die Mobilitätsangebote erarbeitet. „Die Fritz-Kissel-Siedlung ist für ihre großzügigen Grünflächen bekannt“, erklärt NHW-Geschäftsführerin Fontaine-Kretschmer. „Mit der Umgestaltung der Außenanlagen haben wir die bereits bestehende hohe Aufenthaltsqualität noch weiter steigern können.“ Zunächst wurden 24 Bäume ersetzt, die im Zuge der Aufstockungsarbeiten für neue Feuerwehrzufahrten weichen mussten. Neu hinzugekommen sind 1.100 m2 Pflanzflächen mit Kleinsträuchern und Stauden, die nach einem Farbkonzept gesetzt wurden. Die 4.400 m² große Rasenfläche wird nun von 200 m Hainbuchenhecken begrenzt. Die Zugangswege erschließen die Siedlung nahezu komplett barrierefrei.
Neue Sitzplätze tragen ebenfalls dazu bei, den Freizeitwert zu erhöhen. Die Bänke mit Sitzflächen aus Holz sind hochwertig, auch die neuen Fahrradboxen sind mit Holzelementen verkleidet. Insgesamt stehen nach der Aufstockung 187 Abstellplätze für Fahrräder bereit. „Mit einem zeitgemäßen Mobilitätskonzept machen wir diese Nachkriegssiedlung fit für die Zukunft“, erläutert Monika Fontaine-Kretschmer. Bestandteil des Konzepts sind Stellplätze fürs Carsharing, Ladesäulen für Elektrofahrzeuge und gemeinschaftlich genutzte Lastenfahrräder. Auf dem Platz des alten Garagenhofs hat die NHW ein neues Parkhaus mit 52 Stellplätzen für Pkw und drei Ladesäulen für Elektroautos gebaut. Insgesamt hat das Unternehmen rund 32 Mio. Euro in die Maßnahmen investieren.
Die Autorin
Sonja Keller
Sonja Keller, PR Senior-Beraterin, hd…s agentur für presse- und öffentlichkeitsarbeit, Wiesbaden.
Die Presseagentur ist seit 1991 vornehmlich in den Bereichen Immobilien- und Wohnungswirtschaft tätig.
www.hds-pr.com