Titelthema
Systembaustoff Kalksandstein: Aufbau und Eigenschaften von zweischaligem Mauerwerk
Text: Bundesverband Kalksandsteinindustrie e. V. | Foto (Header): © WALTER GRAF/BUNDESVERBAND KALKSANDSTEININDUSTRIE E. V.
In Deutschland werden jährlich knapp 400.000 neue Wohnungen benötigt, um Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht zu bringen. Um diese Zahl zu erreichen, muss sowohl die Baukapazität als auch das Angebot an Baugrundstücken erheblich ausgeweitet werden. Beides ist kurzfristig nicht realisierbar. Daher ist es notwendig, mit Bausystemen und Baustoffen zu arbeiten, die schnell und kostengünstig verarbeitet werden können. Zudem ist in eng bebauten Gebieten ein einfach realisierbarer und hoher Schallschutz unabdingbar.
Auszug aus:
QUARTIER
Ausgabe 1.2020
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Zweischalige Kalksandstein-Außenwände bestehen aus zwei massiven Mauerschalen, zwischen denen in der Regel eine Wärmedämmschicht liegt. Die einzelnen Bauteilschichten übernehmen dabei unterschiedliche Funktionen. Es wird auch von einer Kalksandstein-Funktionswand gesprochen. Die Innenschale wirkt in erster Linie tragend, schalldämmend und wärmespeichernd, während die Außenschale den Witterungsschutz bildet. Die zwischen den Schalen eingebettete Dämmung sorgt für den Wärmeschutz. Sie kann durch eine feuchteausgleichende Luftschicht von der Außenschale getrennt sein. Dieses Prinzip gilt nicht nur für zweischalige Wände, sondern auch für die meisten Kalksandstein-Außenwandkonstruktionen (siehe linke Abb. auf S. 7). Ausnahmen bilden hier wenige Sonderlösungen (siehe rechte Abb. auf S. 7). Um dem Anspruch an ein hohes Wärmeschutzniveau gerecht zu werden, empfiehlt es sich, bei beheizten Gebäuden beispielsweise die folgenden Konstruktionen mit Kalksandstein (KS) einzusetzen:
- zweischaliges KS-Mauerwerk mit Wärmedämmung
- einschaliges KS-Mauerwerk mit Wärmedämmung
- KS-Außenwand mit Wärmedämm-Verbundsystem (WDVS)
- KS-Außenwand mit hinterlüfteter Außenwandbekleidung
- KS-Kelleraußenwand mit Perimeterdämmung
Bei Gebäuden mit niedrigen Innentemperaturen oder Bauwerken ohne Anforderungen an den Wärmeschutz – wie z. B. Wirtschafts- und Industriegebäude oder landwirtschaftliche Bauten – können KS-Außenwände ohne Wärmedämmung eingesetzt werden. Dabei kann zwischen folgenden Konstruktionen unterschieden werden:
- zweischaliges KS-Mauerwerk mit Luftschicht (ohne Wärmedämmung)
- einschaliges KS-Mauerwerk mit Außenputz
- einschaliges KS-Verblendmauerwerk
Aufbau einer zweischaligen KS‑Außenwand
Bei einer Kalksandstein-Außenwand verteilen sich die bauphysikalischen und statischen Eigenschaften auf die verschiedenen Schichten der Funktionswand.
TRAGENDE KS-INNENSCHALE
Laut Musterbauordnung (MBO) und Landesbauordnungen (LBO) muss die Standsicherheit von Außenwandkonstruktionen dauerhaft gewährleistet sein. Die mindestens 115 mm dicke tragende Innenschale aus Kalksandstein übernimmt diese statische Funktion. Die Bemessung erfolgt nach DIN EN 1996-1-1/NA oder DIN EN 1996-3/NA. Eingesetzt werden meist KS XL-Raster- oder XL-Planelemente, die durch ihre großen Abmessungen zusätzlich einen schnellen Baufortschritt versprechen.
SCHALENZWISCHENRAUM
Die innere und äußere Mauerwerksschale sind gemäß DIN EN 1996-2/NA durch Drahtanker aus nicht rostendem Stahl zu verbinden. Die Mindestanzahl der Drahtanker je m² Wandfläche ist abhängig von der Höhe der Wandbereiche über dem Gelände und der Windlastzone am Standort des Gebäudes (siehe Tabelle unten). Das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) stellt auf seiner Internetseite unter www.dibt.de eine nach Landkreisen sortierte Tabelle mit allen Windzonen zur Verfügung. Zusätzlich müssen an freien Rändern der Außenschale – wie im Bereich von Dehnungsfugen, an Gebäudekanten, am oberen Ende sowie umlaufend um Wandöffnungen – drei Drahtanker je Meter Randlänge angeordnet werden (siehe Abb. unten). Der Schalenabstand zwischen Innenschale und Verblendschale darf bei Verwendung von Drahtankern, die in Form und Maßen der DIN EN 1996‑2 entsprechen, höchstens 150 mm betragen. Da heutzutage dickere Dämmmaterialien die Regel sind, werden hierfür bauaufsichtlich zugelassene Anker verbaut, die größere Abstände bis zu 250 mm zulassen. Bei den Ankern selbst kann zwischen Luftschichtankern zum Einlegen in die Lagerfugen der Innenschale beim Aufmauern und Dübelankern unterschieden werden. Bei beiden Varianten sind die entsprechenden bauaufsichtlichen Zulassungen des jeweiligen Herstellers zu beachten.
WÄRMEDÄMMUNG
Die Wärmedämmung wird auf die tragende Innenschale aus Kalksandstein aufgebracht. Damit eine gleichmäßige Schichtdicke sichergestellt ist, müssen die Dämmplatten ausreichend fixiert werden. In der Regel mit Klemmscheiben an den Drahtankern (siehe Abb. S. 9). Auch eine eventuell vorhandene Luftschicht darf nicht durch Unebenheiten der Wärmedämmung eingeengt werden. Unabhängig von der Konstruktionsart – Wärmedämmung mit oder ohne Luftschicht – sind entweder Wärmedämmstoffe des Anwendungstyps WZ nach DIN 4108-10 oder solche mit allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung zu verwenden. In Plattenform eignen sich beispielsweise Mineralwolle, Steinwolle, Polystyrol oder Polyurethan.
KS-VORMAUERSCHALE
Die Vormauerschale ist Witterungsschutz und Gestaltungselement zugleich. Sie kann aus frostwiderstandsfähigen Kalksandstein-Verblendern als Sichtmauerwerk hergestellt werden. Hier ist ein Läuferverband mit halbsteiniger Überdeckung zu empfehlen, da auf diese Weise die Zugfestigkeit der Verblendschale erhöht wird. Alternativ zum Verblendmauerwerk kann eine verputzte Vormauerschale ausgeführt werden. Dabei kann jedes gewünschte Kalksandsteinformat verwendet werden. Da der außen liegende Putz die Wandkonstruktion vor Schlagregen schützt, werden in diesem Fall keine Anforderungen an die Frostwiderstandsfähigkeit der Vormauersteine gestellt. Für den Außenputz eignen sich besonders Leichtputzmörtel nach DIN EN 998-1 bzw. DIN V 18550, auch mit Faserbewehrung. Erforderliche Dehnungsfugen in der Vormauerschale müssen im Putz fortgesetzt werden, Entwässerungsöffnungen sind nicht notwendig.
PLANUNGSDETAILS
Bei der Planung von zweischaligen KS-Außenwänden sind weitere Aspekte wie horizontale Dehnungsfugen und Abfangungen, vertikale Dehnungsfugen, die Sockelausbildung und die Fußpunktausbildung (Wärmedämmung, Abdichtung, Entwässerung) zu berücksichtigen. Detailinformationen zu den einzelnen Punkten stehen u. a. im „KALKSANDSTEIN Planungshandbuch – Planung, Konstruktion, Ausführung“ unter www.kalksandstein. de/planungshandbuch.
Eigenschaften und Vorteile zweischaliger KS-Außenwände
Der getrennte Aufbau einer zweischaligen Kalksandstein-Außenwand bringt einige statische und bauphysikalische Vorteile mit sich.
STANDSICHERHEIT
Aufgrund der hohen Druckfestigkeit der Kalksandsteine kann die tragende Innenschale sehr schlank ausgeführt werden. Nach DIN EN 1996-1-1/NA ist hier bereits eine Mindestdicke von 115 mm ausreichend. Bei einer verputzten Vormauerschale hat die nichttragende Außenschale nur ihre Eigenlast aufzunehmen und muss daher eine Dicke von mindestens 90 mm aufweisen. Dünnere Außenschichten sind als Bekleidungen definiert und nach DIN 18515 nachzuweisen und auszuführen.
WÄRMESCHUTZ
In der funktionsgetrennten Kalksandstein-Außenwandkonstruktion kann die Dämmschicht flexibel ausgeführt werden. Dadurch ist jeder gewünschte Energiestandard realisierbar. Die Tabelle auf Seite 10 zeigt mögliche Kombinationen von Dämmstoffdicken mit den jeweiligen U-Werten. Um einen hohen baulichen Wärmeschutz, z. B. für den Passivhausstandard, zu erzielen, können Dämmstoffe mit geringer Wärmeleitfähigkeit und/oder zugelassene Anker für Dämmstoffdicken bis 200 mm eingesetzt werden bzw. bis 250 mm beim Einsatz von nicht brennbaren Dämmstoffen. Für den sommerlichen Wärmeschutz wirkt die tragende Innenschale als Speichermasse, da sie über die Wärmedämmung vom Außenklima weitgehend abgekoppelt ist. Die sommerliche Erwärmung wird außerdem durch eine helle Farbe reduziert, die für eine geringe Absorption der Sonnenstrahlung sorgt. Bei einer verputzten Vormauerschale sollte deshalb ein heller Farbanstrich aufgebracht oder die Außenwand gleich in zweischaliger Bauweise mit weißen KS-Verblendern realisiert werden.
SCHALLSCHUTZ
Die massiven Innen- und Außenschalen aus Kalksandstein mit einer Wärmedämmung aus Mineralwolle bieten aufgrund der schallschutztechnisch weichen Kopplung beider Schalen einen besonders guten Schutz gegen Außenlärm. Aber gerade im mehrgeschossigen Wohnungsbau ist auch der Lärm aus den Nachbarwohnungen nicht zu unterschätzen. Denn ein insgesamt dauerhaft erhöhter Geräuschpegel führt in der Regel zu großer Unzufriedenheit bei den Bewohnern und kann u. a. Schlafmangel, Unruhe, verminderte Konzentration und körperlichen Stress auslösen. Die Schallübertragung über flankierende Bauteile wie Innenwände oder Decken kann einen starken Einfluss auf den Schallschutz haben. Daher braucht es im Vorfeld eine detaillierte Planung. Dabei gibt die Schallschutznorm DIN 4109 zwar Anforderungswerte zur Schalldämmung vor – beschrieben sind darin jedoch nur die Mindestanforderungen. Deswegen wird Bauherren, Fachplanern und Architekten empfohlen, einen gegenüber der DIN 4109 deutlich verbesserten Schallschutz zu vereinbaren. Grundsätzlich sind für die Schallausbreitung die Bauteileigenschaften und die verwendeten Materialien maßgeblich. Es gilt: Je schwerer das Bauteil, desto weniger leicht lässt es sich zum Mitschwingen anregen. Dies trifft sowohl für Außenwände als auch Trennwände und -decken zwischen benachbarten Wohnungen sowie für die flankierenden Bauteile zu. Grundsätzlich bieten homogen aufgebaute, schwere und massive Konstruktionen mit hoher flächenbezogener Masse, wie sie sich mit Kalksandstein realisieren lassen, beste Voraussetzungen für eine gute Schalldämmung. So kann ein erhöhter Schallschutz ohne aufwendige und fehleranfällige Entkopplungsmaßnahmen der flankierenden Bauteile wirtschaftlich und sicher erreicht werden.
BRANDSCHUTZ
Kalksandstein wurde von der Europäischen Kommission in die sicherste Brandverhaltensklasse (A1) eingestuft und gilt auch im bauaufsichtlichen Sinne als feuerbeständig. Deshalb weist zweischaliges KS-Mauerwerk in Verbindung mit nicht brennbaren Dämmstoffen im Schalenzwischenraum sehr gute brandschutztechnische Eigenschaften auf. Bei zweischaligen KS-Außenwänden ist nur die tragende innere Schale für die brandschutztechnische Einstufung relevant. Hier lässt sich eine Feuerwiderstandsdauer von 90 Minuten bereits ab einer Wandstärke von 115 mm nachweisen. Dies erfüllt ohne Einschränkung die entsprechenden Anforderungen der Feuerwiderstandsklassen REI 90 nach DIN EN 1996-1-2/NA. Sollte brandschutztechnisch ein Putz erforderlich sein, wird er dabei gleichwertig durch die Außenschale ersetzt.
FEUCHTE- UND WITTERUNGSSCHUTZ
Nach DIN 4108-3 kann bei zweischaligen Außenwänden aus Kalksandstein mit Wärmedämmung – unabhängig von einer eventuellen Luftschicht – auf einen dampfdiffusionstechnischen Nachweis verzichtet werden. Voraussetzung ist die Vermeidung von kritischen Wärmebrücken. Beim Schlagregenschutz können KS-Außenwände in der höchsten Beanspruchungsgruppe III nach DIN 4108-3 verwendet werden. So wird beispielsweise bei KS-Verblendern Feuchtigkeit, die durch Schlagregen in die Steine eindringt, durch die natürliche Kapillarwirkung des Baustoffs verteilt und nach dem Regen durch Diffusion wieder nach außen abgegeben. Durch eine zusätzlich aufgebrachte Beschichtung (dampfdiffusionsoffen und hydrophobierend) kann der Schutz vor Schlagregen verstärkt werden. Hilfreich ist dieser Extraschutz u. a. bei Standorten mit hohem Baumbestand, denn er wirkt gleichzeitig einer Veralgungsgefahr entgegen. Bei einer verputzten Vorsatzschale aus KS-Mauerwerk wird der Schlagregenschutz durch das Putzsystem gewährleistet. Um gegebenenfalls eindringende Feuchtigkeit aus der Konstruktion abzuleiten, können in der KS-Verblendschale oben und unten Lüftungs- bzw. Entwässerungsöffnungen angeordnet werden. Das gilt auch für Brüstungsbereiche sowie für die Bereiche über Türen oder Fenstern. Bei einer verputzten Vormauerschale dürfen diese Öffnungen nicht vorgesehen werden.
Die breite Produktpalette bietet alle gängigen Mauersteinformate, Sonderprodukte sowie auch wirtschaftliche Bausysteme für zukunftsorientierte und multifunktionale Mauerwerkskonstruktionen. Damit können mit Kalksandstein alle Gebäudearten – von privaten Bauvorhaben über Wirtschafts- und Gewerbebauten bis zur Domäne des Kalksandsteins, dem Bau von mehrgeschossigen Wohnhäusern und Wohnquartieren – schnell, kostengünstig, energieeffizient und nachhaltig erstellt werden. Auch die Eigenschaften von Kalksandstein und zweischaligen Außenwänden sprechen für sich: Durch die Trennung der Bauteilschichten in das tragende Mauerwerk, die wärmeschützende Dämmebene und den äußeren Witterungsschutz aus KS-Verblendern oder einer verputzten Vormauerschale kann jedes gewünschte Wärmeschutzniveau (bis hin zum Passivhausstandard) bei gleichzeitig hoher Tragfähigkeit und sehr gutem Schallschutz überaus wirtschaftlich realisiert werden. All diese Vorteile zahlen sich im mehrgeschossigen Wohnungsbau aus. Die anspruchsvolle Aufgabe, auf hochverdichtetem Raum vielfältigsten Anforderungen gerecht zu werden, stellt höchste Ansprüche an die verwendeten Baustoffe. Ganz konkret geht es hier darum, alle Brand‑, Schall- und Wärmeschutzanforderungen mit einer hohen Tragfähigkeit zu vereinen.
Bundesverband Kalksandsteinindustrie e. V.
Der Bundesverband Kalksandsteinindustrie e. V. (BV KSI) mit Sitz in Hannover vertritt seit 120 Jahren die wirtschafts- und sozialpolitischen Interessen von 78 Kalksandsteinwerken im Bundesgebiet. Mit einem Organisationsgrad von über 95 % ist er das Sprachrohr der zweitgrößten deutschen Mauersteinindustrie. Das wirtschaftspolitische Aufgabenspektrum reicht von wirtschaftlichen über technische bis hin zu rechtlichen Themen. So arbeitet der BV KSI beispielsweise in zahlreichen Gremien im Normungsbereich mit. Sozialpolitisch stehen die Zusammenarbeit mit den Berufsgenossenschaften sowie die Unterstützung bei Tarifverhandlungen im Vordergrund. Seit der Gründung ist es das Ziel des Verbands, die Interessen seiner Mitgliedsunternehmen zu bündeln, Unterstützung zu geben und neue Perspektiven zu eröffnen.
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