Editorial
50 Mal um den Äquator (Ausgabe 1.2020)
Text: Julia Ciriacy-Wantrup | Foto (Header): © JFL Photography – stock.adobe.com
Auszug aus:
QUARTIER
Ausgabe 1.2020
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Mit der Wohngeldreform, dem Bundesteilhabegesetz oder einem höheren Branchenmindestlohn z. B. im Baugewerbe bringt uns das Jahr 2020 positive gesetzliche Neuerungen. Manche neuen Gesetze erscheinen einem in der Umsetzung aber dann doch fragwürdig. Ich denke hier an die Kassenbon-Pflicht. Die Ausgabepflicht der Belege soll die Steuerehrlichkeit erhöhen und die lückenlose elektronische Dokumentation soll dazu beitragen, dass künftig keine Umsätze mehr an den Finanzämtern vorbeifließen. Diese Intention ist natürlich löblich. Aber wie sieht das in der Praxis aus? Für jeden noch so kleinen Einkauf wird nun ein Bon ausgedruckt – ob am Kiosk, der Tankstelle oder auch beim Bäcker … und dieser wandert fast unverzüglich in den Mülleimer, weil die meisten Kunden den Kassenbon gar nicht haben wollen.
„Dann landet der Bon eben im Papiermüll“, denken Sie? Leider nein – das Thermopapier, auf dem die Kassenbons gedruckt werden, enthält meist Chemikalien und sollte laut Umweltbundesamt in den Restmüll entsorgt werden. Auf die Alternative, die Rechnung per E‑Mail (!) an die Kunden zu verschicken gehe ich jetzt nicht ein, das erscheint mir – z. B. im Falle des Brötchen-Einkaufs beim Bäcker – dann doch zu absurd. Ganz zu schweigen vom Datenschutz.
Der Handelsverband Deutschland hat berechnet, dass die im Jahr zusätzlich benötigten Kassenbons aneinandergereiht zwei Millionen Kilometer lang sein sollen – und damit 50 Mal den Äquator umrunden könnten. Schade um das dafür eingesetzte Holz.
Ihre
Julia Ciriacy-Wantrup
Chefredakteurin QUARTIER