Kosten & Finanzierung
Gasbrennwertthermen im Geschosswohnungsbau: Kostengünstig & energieeffizient heizen
Text: Steffen Riedel | Foto (Header): © Sashkin – stock.adobe.com
Mit dem im November in Kraft tretenden Gebäudeenergiegesetz (GEG) sollen Ölheizungen im Neubau ab 2026 zwar nicht verboten, aber mit der Auflage verbunden sein, dass ein Anteil erneuerbarer Energien zum Heizen mit verwendet werden muss. Gasheizungen sind von solchen Einschränkungen bisher ausgenommen. Ein Überblick über die Vor- und Nachteile dieses Energieträgers.
Auszug aus:
QUARTIER
Ausgabe 5.2020
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Inhalte des Beitrags
Für die Beheizung im Geschosswohnungsbau oder eines Quartiers kommen neben Nah- und Fernwärme, regenerativ oder mit Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt, Strom mit Wärmepumpe und Gas infrage. Strom hat den Nachteil, dass er im Moment der Nutzung erzeugt werden muss und nur in verhältnismäßig kleinen Mengen (z. B. Speichersee, Batterie) indirekt speicherbar ist. Beim Gas lässt sich die Speicherung relativ gut meistern. Die Herstellung von Wasserstoff und synthetischem Erdgas (Power-to-Gas) ist im Vergleich zu anderen Energieträgern einfacher und vor allem mit höheren Wirkungsgraden verbunden. Auch nach Abzug aller Umwandlungsverluste von Strom zu Wasserstoff oder synthetischem Erdgas ist der Wirkungsgrad um den Faktor 7- bis 10-mal höher als bei Biomasse. In ihrem Klimaschutzplan 2050 von 2016 schreibt die Bundesregierung: „In den nächsten Jahrzehnten müssen wir den Brennstoff Erdgas durch CO²-neutrales, regenerativ erzeugtes Gas ersetzen.“
Zusammen mit Erdgas als relativ CO²-armem Energieträger, der noch in hohen Mengen verfügbar ist, kann Wasserstoff oder synthetisches Erdgas als Gasgemisch in großen Mengen in Kavernen und dem 500.000 km langen deutschen Erdgasnetz gespeichert werden. Nach dem derzeitigen Stand ist es möglich, dem Erdgas bis zu 10 % Wasserstoff beizumischen. Dabei würde die an einem Gasgerät zur Verfügung stehende Leistung (Wobbe-Index) lediglich um 1 % zurückgehen. Der Bundesverband für Energie und Wasserwirtschaft (bdew) hält sogar eine Beimischung bis zu 50 % für technisch möglich.
Dass nahezu ganz Deutschland mit einem Erdgasnetz überzogen ist, spricht ebenfalls für die Verwendung von Gas bei der Wärmegewinnung. Selbst kleine Gemeinden sind vielfach am Erdgasnetz angeschlossen. Das Erdgasnetz ist deshalb ein unverzichtbarer Bestandteil der Energiewende. Die noch reichlich verfügbaren Erdgasvorräte werden nach und nach durch ein CO²-neutrales synthetisch hergestelltes Erdgas-Wasserstoffgemisch ersetzt werden.
Was die Kosten betrifft, so hat sich die Prognose von extrem steigenden Preisen bei den fossilen Energieträgern Gas und Öl nicht bewahrheitet. Durch die Erhöhung des Angebots wegen der Erschließung weiterer Öl- und Gasgewinnungsmöglichkeiten und der Verringerung bzw. Verlagerung der Nachfrage sind die Preise relativ stabil geblieben oder zum Teil sogar gesunken. Deshalb sind es die Herstellungskosten, welche momentan die Erzeugung größerer Mengen Wasserstoff oder synthetischen Erdgases verhindern. Mit der von der Bundesregierung beschlossenen CO²-Bepreisung für Brennstoffe könnte sich das ändern. Mit Power-to-Gas wird jedoch quasi eine unendliche Energiequelle erschlossen, durch die die Entstehungskosten auch langfristig kalkulierbar bleiben.
Aufgrund der Wärmeschutzvorgaben aus dem Gebäudeenergiegesetz (GEG), vormals der Energieeinsparverordnung (EnEV), benötigen insbesondere große Gebäude relativ wenig Heizwärme. Dafür gewinnt die Warmwasserversorgung immer mehr an Bedeutung. Warmwasser muss aber zur Legionellenvermeidung über 55 °C gehalten werden. Diese Temperatur schaffen Wärmepumpen zwar spielend, aber die Effizienz sinkt dabei. Hinzu kommt, dass es bei der Warmwassernutzung morgens und abends zu Leistungsspitzen kommt. Ein Duschvorgang mit 7 l Wasser pro Minute (Sparduschkopf) und einer Warmwassertemperatur von ca. 40 °C benötigt beispielsweise eine Leistung von knapp 15 kW. Ein eingesetzter Warmwasserspeicher kann die Situation nur abmildern. Da Nah- und Fernwärmenetze wegen des Warmwassers ganzjährig betrieben werden müssen, gibt es in den heizarmen und heizfreien Perioden erhebliche Verluste im Verteilnetz. Die Zirkulationsleitungen wirken wie Heizungen, was insbesondere im Sommer die Situation in den Räumen verschärfen dürfte. Hinzu kommen die Kosten und der Aufwand für die hygienische Beprobung der zentralen Warmwasserbereitung.
Ein separater Heizungsraum ist für eine Gasbrennwerttherme nicht nötig, denn sie ist relativ klein und lässt sich problemlos im Bad oder Flur anbringen. Gegebenenfalls ist ein kleiner Warmwasserspeicher bereits integriert. Neben der Abgasleitung muss für die Therme eine zusätzliche Kondensatleitung installiert werden, die das durch die Verbrennung entstandene Kondensat abführt. Wenn es um die herkömmliche Verbrennung von Brennstoffen geht, verwerten Gasbrennwertkessel den Brennstoff am effizientesten von allen Heizsystemen – vorausgesetzt diese sind richtig eingestellt. Denn das Gas liegt bereits in der zu verbrennenden Idealform vor und muss nicht erst wie bei festen oder flüssigen Brennstoffen vergast werden. So erreichen Gasbrennwertgeräte nach EN 15502 bezogen auf den Heizwert Wirkungsgrade von bis zu 109,6 % oder fast 99 % bezogen auf den Brennwert. Dieser hohe Wirkungsgrad wird auch durch die Abgasführung und die Zuführung der Verbrennungsluft durch ein sogenanntes Luft-Abgas-System (LAS) mit verursacht, welches wie ein zusätzlicher Wärmeüberträger wirkt, so dass an der Abgasmündung lediglich eine leichte Abgasfahne entsteht und die Abgastemperatur unter 30 °C beträgt.
Durch das Luft-Abgas-System reduzieren sich auch die Wartungs- und Instandhaltungskosten, da erfahrungsgemäß die direkte Außenluft als Verbrennungsluft nur zu marginalen Ablagerungen an den Wärmeübertrageflächen führt und dadurch die Störanfälligkeit des Kessels reduziert wird. Ferner verbleiben die Abstrahlungsverluste bei der Installation der Therme in der beheizten Hülle im Gebäude. Mehr Wärme aus dem Brennstoff zu holen ist nicht machbar. Auch die Heizleistung kontinuierlich anzupassen und bis auf 10 % der Maximalleistung herunter zu modulieren, bleibt Gas vorbehalten. Die Maximalleistung (im Einfamilienhaus und bei Etagenwohnungen) in Höhe von 16 bis 24 kW (32 kW) wird bei Brennwertthermen für die Warmwasserbereitung eingesetzt. Auch kann dabei auf die wartungsintensiven Brennstoffzuführungs- und Aufbereitungsmechanismen sowie die Entsorgung der Asche wie beim Pelletkessel verzichtet werden. Aus Kostengründen sind günstige Gasbrennwertthermen mit Wärmeübertrager aus einer Aluminium-Silizium-Legierung ausgestattet. Diese sind jedoch reinigungs- und wartungsintensiv und nicht lange haltbar. Gasbrennwertgeräte mit Edelstahl-Wärmeübertragern versprechen zusammen mit einem Luft-Abgas-System eine wesentlich längere Lebensdauer. Zusammengenommen lassen sich damit die Instandhaltungskosten spürbar reduzieren. Da Thermen mit LAS keine Raumluft benötigen, können gegebenenfalls eingesetzte Lüftungsgeräte in den Wohnungen störungsfrei arbeiten. Gasbrennwertgeräte als Kombitherme für Heizung und Warmwasser, mit Wärmeübertrager aus Edelstahl, werden relativ preisgünstig für 3.000 bis 3.500 Euro zuzüglich Installation angeboten. Für beispielsweise 10 Wohneinheiten wären das 35.000 Euro. Die Materialkosten eines Holzpelletkessels einschließlich Lager würden in einer ähnlichen Größenordnung liegen und die einer Sole-/Wasser-Wärmpumpe mit Bohrung würden sich auf knapp 50.000 Euro belaufen.
Um die Materialkosten weiter zu senken, könnte nur jede zweite oder dritte Wohnung eine Therme erhalten. Ein- und Zweizimmerwohnungen sollten in jedem Fall zu Einheiten zusammengefasst werden, wobei der Brandschutz berücksichtigt werden muss. Dennoch könnten so die Instandhaltungskosten erheblich reduziert werden, was den wegfallenden Vorteil der individuellen Abrechnung wieder wettmachen würde. Sanitärräume und Küchen sollten so angeordnet sein, dass eine Zirkulationsleitung mit den verbundenen Nachteilen, wie Verluste und Beprobung nach der Trinkwasserverordnung, vermieden werden. Die Kombination der Heizleistung der Therme mit 30 kW und eines Klein-Speichers mit ca. 30 bis 50 Liter entspricht einem herkömmlichen 150 Liter-Speicher. Diese Kombination hilft Warmwasserspitzen bei mehreren Nutzern zu überwinden.
LAS-System für Mehrfachbelegung
Die verwendeten Abgasleitungen sind in der Regel aus preisgünstigem Kunststoff, die Anschlüsse gasdicht. Je nach Abgasführung kommen starre oder flexible Rohre zum Einsatz. Damit die Abgase, die mittels Ventilator hinausgetrieben werden müssen, nicht beim Nachbarn landen, besitzen die Abgasleitungen für Mehrfachbelegung Rückströmsicherungen. Das in der Abgasleitung entstehende Kondensat muss am Fußpunkt der Leitung abgefangen und über einen Siphon abgeführt werden. Eine Neutralisation des Abgases muss mit dem örtlichen Abwasserverband abgesprochen werden, ist aber erst in Regel ab einer Leistung von 200 kW nötig.
Gasthermen im Geschosswohnungsbau galten lange Zeit als Auslaufmodell, da sie zwar relativ sparsam heizten und nur der individuelle Gasverbrauch abgerechnet wurde, jedoch musste für jede Wohnung eine Therme installiert werden. Die Instandhaltungskosten einschließlich Erneuerung des Heizgeräts fraßen alle monetären Vorteile wieder auf und der Warmwasserkomfort ließ zu wünschen übrig. Thermen galten als billige unkomfortable Blechkisten. Hinzugekommen ist, dass Gas als fossiler Energieträger nur noch geduldet und somit gegenüber der zentralen Beheizung mit erneuerbaren Energien oder Fernwärme ein Auslaufmodell zu sein schien.
Doch die Situation hat sich inzwischen grundlegend geändert. Durch Brennwerttechnik, Edelstahlwärmeübertrager, hoher Heizleistung mit Modulationsfähigkeit bis 10 % der Maximalleistung und Luft-Abgas-Systeme braucht die Therme den Vergleich mit einem zentralen System hinsichtlich des Komforts und des Unterhalts nicht zu fürchten. Auch die Materialkosten sind im Vergleich zu den Alternativen konkurrenzfähig. Die Bereitstellung von Heizwärme tritt durch eine bessere Wärmedämmung der Gebäude immer mehr in den Hintergrund, im Gegenzug dazu gewinnt die Warmwasserversorgung an Bedeutung. Aufgrund dessen haben Lösungen mit dezentralen Brennwertthermen durch vermiedene Zirkulationsverluste sowie dem Wegfall des Überwachungsaufwands der Wasserhygiene nach der Trinkwasserverordnung einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Wärmeversorgungstechniken gewonnen. Hinzugekommen ist, dass Erdgas als mäßig CO2-belasteter fossiler Energieträger, als so genannte Übergangsenergie, so lange gebraucht wird, bis es durch Wasserstoff oder synthetisches Erdgas aus Wind und Sonne abgelöst wird, welches aber durch die gleichen Erdgasleitungen fließen wird wie bisher. Bei der Planung der Wärme- und Warmwasserversorgung im Geschosswohnungsbau oder eines Quartiers sollte deshalb mit Hilfe einer Vollkostenrechnung bzw. einer Lebenszyklusanalyse die zentrale Beheizung der dezentralen gegenübergestellt werden.
Vor- und Nachteile von zentralen bzw. dezentralen Wärmeversorgungsmöglichkeiten
Vorteile zentraler Versorgung:
- Direkte Einbindung von erneuerbaren Energien möglich
- Auswahl des Energieerzeugers bzw. -trägers möglich
- Geringere Betriebskosten
- Nur eine Abgasleitung erforderlich
Nachteile zentraler Versorgung:
- Verbrauchsabhängige Heizkostenabrechnung erforderlich
- Nachtabsenkung wegen unterschiedlichen Nutzungsverhaltens kaum möglich
- Teurer Notdienst bei Ausfall des Wärmeerzeugers z. B. an Feiertagen
- Gegebenenfalls Bevorratung (z. B. Holzpellets) erforderlich
Vorteile dezentraler Versorgung:
- Ein Vertrag pro Haushalt mit Energieversorgungsunternehmen (EVU). Abrechnung über Vermieter entfällt.
- Bei Ausfall eines Geräts wird eine Wohnung je nach Lage von den umliegenden Wohnungen mitbeheizt.
- Warmwasserbereitstellung weniger aufwändig
- Abrechnung nach Verbrauch – kleine Flächenumlage
- Die Abstrahlverluste des Heizgerätes kommen der Wohnung zugute.
- Kochen mit Erdgas ist möglich, da ein entsprechender Anschluss bereits in jeder Wohnung vorhanden ist.
Nachteile dezentraler Versorgung:
- Gegebenenfalls mehrere Abgasleitungen erforderlich
- Höherer Grund-(Leistungs)preis als bei zentraler Versorgung
- Gasanschluss mit Zähler für jede Wohnung erforderlich
- Höhere Instandhaltungskosten
- Einbindung von Erneuerbaren Energien (Solar), bis auf Brennstoff schwer möglich
Literatur
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit: Klimaschutzplan 2050 Klimapolitische Grundsätze und Ziele der Bundesregierung
Der Autor
Dipl.-Ing. (FH) Steffen Riedel
Versorgungsingenieur Steffen Riedel war bis zu seiner Rente Klimaschutzmanager des Landkreises Lindau und war dort zuletzt im Bauunterhalt tätig. Er ist passivhauszertifizierer Berater (PHI Darmstadt) und wurde vor 18 Jahren Vor-Ort-Berater nach BAFA. Zudem hat er einen Lehrauftrag an der Hochschule Kempten für Gebäudeenergietechnik.