Im Gespräch mit Gunnar Anger
Paketzustellung im Quartier
Foto (Header): © RENZ/PARCELLOCK
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Durch die steigende Anzahl an Online-Bestellungen besteht in Wohnquartieren schon jetzt eine erhöhte Verkehrsbelastung. Laut einer Studie zu Kurier‑, Express- und Paketdiensten* muss bis 2022 mit einem Zustellvolumen von über vier Milliarden Paketen gerechnet werden – fast doppelt so viel wie im Jahr 2009. Wie Paketkastenanlagen für Mehrfamilienhäuser diese Situation entschärfen können, erklärt Gunnar Anger, Geschäftsführer der ParcelLock GmbH.
Auszug aus:
QUARTIER
Ausgabe 4.2019
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Herr Anger, was sind die größten Probleme und Herausforderungen bei der Zustellung von Paketen?
Die größte Herausforderung ist, dass immer mehr online bestellt wird, aber die wenigsten Empfänger tagsüber zu Hause sind, um die Bestellungen entgegenzunehmen. Die ohnehin schon überlasteten Paketboten müssen wiederholte Zustellversuche unternehmen, oder Nachbarn bitten, die Lieferung anzunehmen. Das verursacht vor allem in Wohngebieten unnötigen Lieferverkehr und belastet Mensch und Umwelt. Die erfolgreiche erste Zustellung ist selten möglich, ein Problem, dessen Lösung nicht nur in den Händen der Paketdienstleister liegt. Verkehrs- und bauliche Infrastruktur, vor allem in Wohngebieten, müssen so konzipiert werden, dass die Paketzustellung in Zukunft unter Berücksichtigung alternativer Modelle effizienter verläuft.
Welche Vorteile bieten Paketkastenanlagen in diesem Zusammenhang?
Mit dem Ziel der erfolgreichen Erstzustellung von Sendungen bieten Paketkastenanlagen mit unserem ParcelLock-System viele Vorteile. ParcelLock ist ein neutrales, anbieteroffenes System, in das alle Paketdienstleister, Kuriere etc. einliefern können. Für Mehrfamilienhäuser können hier für unterschiedlichste Adressaten Lieferungen gebündelt in einer Anlage eingelegt werden, vollkommen unabhängig davon, ob der Empfänger zu Hause ist. Somit entfallen Mehrfachanfahrten, weil bereits die Erstzustellung erfolgreich ist. Verkehr‑, Luft- und Lärmbelastung werden minimiert. Ressourcen und die Umwelt werden geschont, und die Lebensqualität wird verbessert. Die Empfänger werden über die ParcelLock App benachrichtigt, wann ihr Paket abholbereit ist, können den Zeitpunkt der Abholung nach Belieben wählen und bleiben maximal flexibel. Auch Rücksendungen können für den Paketboten in den Paketkastenanlagen hinterlegt werden.
Warum ist es wichtig, anbieterneutrale Systeme einzusetzen?
Nur anbieterneutrale Systeme wie das von ParcelLock garantieren eine echte Erleichterung auf der letzten Meile, durch Bündelung der Paketvolumen und damit der Minimierung von Anfahrten unterschiedlichster Zustelldienste. Der Kunde hat mit den Mehrfamilienhausanlagen eine feste Lieferadresse in unmittelbarer Nähe seiner Wohnstätte.
Wie funktionieren die Anlagen technisch und wer hat Zugriff?
Zugriff auf die Anlagen erhalten die Bewohner über die zuständigen Verwaltungsgesellschaften sowie die freigeschalteten Paketdienstleister. Jeder Nutzer des ParcelLock-Systems erhält eine individuelle Identifikationsnummer (PLID), die er an jeder Station, die mit dem ParcelLock-System ausgestattet ist, nutzen kann. Mithilfe eines Scancodes und ihres Smartphones können Paketboten und Empfänger das zugewiesene Fach öffnen.
ParcelLock Paketstationsnutzer erhalten über die App z. B. eine Benachrichtigung, wenn die Lieferung eingetroffen ist. Auch die Paketboten werden informiert, wenn sie eine Retoure aus einem Fach mitnehmen sollen.
Werfen wir einen Blick in die Zukunft: Wie werden sich Zustellungs- und Paketdienstleistungen in den nächsten 10 bis 20 Jahren entwickeln, gibt es hier schon Zukunftsszenarien?
Paketkastenanlagen und öffentliche Paketstationen werden in ihrer Bedeutung stark zunehmen. Deutschland hinkt im Vergleich mit dem europäischen Ausland noch etwas hinterher, aber das Bewusstsein um die Notwendigkeit von Paketkastenanlagen und Paketstationen wächst. Wir beobachten, dass immer häufiger Mehrfamilienhaus-Anlagen in der Planung von Wohnquartieren Berücksichtigung finden. Diese Erkenntnisse unterstützen Studien wie die Bitkom-Studie von April 2019.** Sowohl neue Bauprojekte als auch Immobilien im Bestand werden zunehmend so konzipiert, dass alternative Zustellmöglichkeiten baulich in das Wohnquartier integriert werden und Empfängern wie Dienstleistern die Lieferungen erleichtern.
Durch das steigende Paketvolumen nimmt sowohl der Bedarf als auch die Nutzung von öffentlichen Paketstationen zu. Das veränderte Kaufverhalten der „Generation Golf“ und der Millenials (der „Digital Natives“) verändert die bisherigen klassischen Versorgungsstrukturen. Was vor dem „Online-Shopping“- Boom über den Einzelhandel und entsprechend ausgewiesene Flächen in der Nahversorgung abgebildet wurde, entspricht heute nicht mehr dem Bedarf. Waren des täglichen Bedarfs werden bereits heute in riesigen Mengen über die Einzelpaketzustellung zum Kunden gebracht – und das ist extrem aufwendig. Die Ausstattung von öffentlichen oder halböffentlichen Flächen mit Paketstationen ist dringend notwendig, um an hochfrequenten Verkehrsknotenpunkten sowie in Wohnquartieren Zustellsituationen für alle Beteiligten zu optimieren und die Lebensqualität zu verbessern. Ein wahrscheinliches Szenario ist auch die weitere Elektrifizierung im Zustellbereich.
* KEP-Studie 2018, Bundesverband Paket und Expresslogistik e. V., www.biek.de
** Bitkom-Studie, www.bitkom.org