Titelthema
Neuer Marktplatz in Schwenningen: Rückgewinnung der urbanen Mitte
Text: Tobias Mann | Foto (Header): © Nikolai Benner, Kassel
Zu den Wahrzeichen der Stadt Schwenningen gehört der denkmalgeschützte Rathausbau von 1926. Die städtebauliche Konzeption dieses unverwechselbaren, in den Details expressionistisch anmutenden Baukörpers wurde vom Architekten Hans Herkommer als ein Solitärbau geplant. Diesen städtebaulichen Grundgedanken aufgreifend, bildet der neu gestaltete Marktplatz den Stadtboden für das Rathaus als Solitär. Die Platzgestaltung steht somit im engen Dialog zur Rathausarchitektur.
Auszug aus:
QUARTIER
Ausgabe 4.2021
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Inhalte des Beitrags
Der Marktplatz wirkt von Fassade zu Fassade als ein zusammenhängender Stadtraum und schafft einen robusten Rahmen für vielfältige Nutzungen.
Großkronige Bäume sind als verbindendes Element auf dem gesamten Marktplatz verteilt und verdichten sich zur nördlichen Platzkante. Damit bleibt einerseits die Sicht auf die Fassade des unter Denkmalschutz stehenden Solitärbaukörpers des Rathauses frei, anderseits wird die städtebauliche Raumkante im Norden gestärkt. Auf der Hauptwegeverbindung Dauchinger Straße – Marktplatz – Kirche – Muslenplatz ist der Weg über den Marktplatz immer auch eine Einladung zum Innehalten und zur Entschleunigung. Durch die locker eingestreuten Bäume im nördlichen Platzbereich entsteht durch das Licht- und Schattenspiel der Eichen eine stimmungsvolle Atmosphäre.
Der neue Marktplatz von Schwenningen wird durch eine im Stadtboden markierte Sonnenuhr mit einem rund 14 m langen Schattenwerfer geprägt. In Anlehnung an die einstige „Uhrenstadt“ ist die Sonnenuhr als ursprünglichste Form der Zeitmessung ein unverwechselbares und Identität stiftendes Gestaltungsmerkmal und Merkzeichen des neuen Platzes.
Der Bereich vor dem Rathaus und der Skulptur „Die Zeit“ definiert außerdem die freie Mitte der Platzfläche und lässt den Blick auf die Fassade des Rathauses zu. Der messingfarbene Mast erinnert an den Zeiger einer Uhr und dient als Schattenwerfer einer horizontalen Sonnenuhr. Bedingt durch die Neigung des Mastes von 48° – dies entspricht dem Breitengrad der Stadt Schwenningen – kann durch den Schattenwurf auf in den Boden eingelassenen Bronzescheiben die Uhrzeit abgelesen werden.
Sitzbänke, Wasserspiel, Balancierbalken und Rundbänke schaffen eine hohe Aufenthaltsqualität. Fünf Wasserfontänen prägen einen Bereich zwischen den Bäumen. Mehrere Balancierbalken sind Spiel- und Aufenthaltsbereich für Kinder und Jugendliche. Die Ausrichtung der Elemente unterstreicht die Hauptwegeverbindung über den Platz. Drei Bäume sind mit einer großzügigen Rundbank mit Holzauflage versehen.
Vor der Umgestaltung war der Marktplatz nahezu vollständig von fließendem und ruhendem Verkehr geprägt. Fußgängerbereiche befanden sich ausschließlich am Rand entlang der Gebäude. Der fließende Verkehr wird über die Ostseite des Platzes geführt. Die Platzfläche nördlich des Rathauses bleibt von Verkehr frei. Die Fahrbahn wurde farblich passend zum Betonpflasterbelag der Platzfläche in einem beigen Asphalt ausgeführt, sodass eine zusammenhängende Platzfläche von Fassade zu Fassade entsteht. An der nordwestlichen Ecke des Planungsgebiets wurde mit unmittelbarem Zugang zum Marktplatz eine Stellplatzanlage errichtet. Direkt westlich des Rathauses wurden Kurzzeitparkplätze und Behindertenstellplätze vorgesehen.
Der Autor
Tobias Mann
Tobias Mann (geb. 1962 in Stuttgart) ist als freier Landschaftsarchitekt im eigenen Büro tätig seit 1995, zunächst in Kassel, seit 2012 mit Sitz in Fulda. Der Arbeitsschwerpunkt liegt in der Gestaltung von öffentlichen Freiräumen aller Art. Das Büro Mann Landschaftsarchitektur bearbeitet Projekte auf vielfältigen Maßstabsebenen und entwickelt aus dem Ort geborene Ideen. Dabei wird besonderer Wert auf eine qualitätsvolle Freiraumgestaltung vom Konzept bis zur Detailplanung gelegt.