Im Gespräch mit Boris E. Biskamp
Im Gespräch mit Prof. Christian Schlüter & Laura Heidelauf: Open BIM für multifunktionalen Campus
Text: Julia Ciriacy-Wantrup | Foto (Header): © SIGURD STEINPRINZ, DÜSSELDORF
FOTOS: CHRIS RAUSCH, WUPPERTAL
In Rosenheim entstand mit dem CampusRO ein durchmischtes Wohngebiet, das auch weitere Funktionsbausteine wie Fitnessbereiche oder ein Café mit einschließt. Wir sprechen mit Prof. Christian Schlüter und Laura Heidelauf bei ACMS Architekten über den Einsatz von Open BIM bei diesem Projekt mit einem hohen Anteil an vorgefertigten Bauelementen.
Auszug aus:
QUARTIER
Ausgabe 2.2023
Jetzt abonnieren
Jetzt diese Ausgabe als Einzelheft bestellen
Der CampusRO liegt zwar in unmittelbarer Nähe zur Technischen Hochschule Rosenheim, es fehlen jedoch die stadträumlichen Bezüge. Wie hat das Ihre Planung und die Quartiersentwicklung beeinflusst?
Das Areal in unmittelbarer Nähe zur Hochschule muss mangels stadträumlicher Bezüge seine Qualitäten aus sich selbst heraus entwickeln. Durch die bauliche Ausprägung wurden zahlreiche Kommunikationsmöglichkeiten geschaffen. Die Besonderheit der offenen Erschließung führt die gemeinschaftlichen, begrünten Treffpunkte in die dritte Dimension fort. Weitere Funktionsbausteine – von Lernräumen bis zu gemeinschaftlich nutzbaren Multifunktionsräumen –ermöglichen vielfältige Begegnungen. Einim 6. Obergeschoss mit Blick auf die Bergwelt angesiedeltes Café mit Dachterrassewird zum Anziehungspunkt. Der Entwurfumfasst den Neubau von 211 Apartmentsfür Studierende sowie einem Boardinghouse mit 40 weiteren Apartments.
Die Gebäude sind in elementierter Holzbauweise errichtet. Welche weiteren Vorgaben und Wünsche gab es in Bezug auf die Energieeffizienz und Bauweise?
In Abstimmung mit dem Bauherrn haben wir frühzeitig und auf Basis unseres 1. Preises aus dem internationalen Planungswettbewerb eine nachvollziehbare und messbare Nachhaltigkeitsausrichtung vorgeschlagen. Hierzu wurde eine Zertifizierung durch das DGNB-System vereinbart. Bereits der erste Pre-Check bestätigte die hohe Nachhaltigkeitsqualität des Wettbewerbentwurfs mit einer sehr hohen Bewertungsstufe. Daher wurde als Zielgröße der höchste Standard mit Platinauszeichnung durch die DGNB vereinbart. Damit war neben vielen weiteren Kriterien vor allem auch eine Optimierung der Verbräuche in der Nutzungsphase durch das Erreichen eines KfW40 Plus Standards erforderlich. Die installierte PV-Anlage ermöglicht eine über 70%ige Eigenstromversorgung. Der frühzeitig avisierte Holzbau sorgt darüber hinaus für massive CO2-Einsparungen in der Konstruktion.
Wieso haben Sie sich für die Verwendung von BIM und speziell der Open BIM-Variante entschieden?
Bereits in der Wettbewerbsphase bestand beim Bauherrn der Wunsch, den CampusRO als BIM-Projekt umzusetzen. Vorteile wurden vor allem in einer höheren Planungsqualität und einer besseren Koordination gesehen. Dabei stand von Beginn an der Gedanke, dass BIM nicht vertraglich vereinbart, sondern in Abstimmung aller Beteiligter auf freiwilliger Basis umgesetzt werden sollte.
Dieser partnerschaftliche Ansatz und die Bereitschaft aller, ihre Zeit einzubringen und gemeinsam zu lernen, haben uns sofort überzeugt. Zudem sind wir davon überzeugt, dass BIM einen wachsenden Stellenwert in zukünftigen Projekten haben wird. Unser Ziel ist es immer, einen Open BIM-Ansatz zu verfolgen. So können alle Beteiligten die bestmöglichen Ergebnisse in ihrer jeweiligen Fachdisziplin erzielen. Über die IFC-Schnittstelle bringt man dann in einem Koordinationsmodell alle Fachmodelle zusammen. Dafür ist es nicht erforderlich, nur eine Softwarelösung zu nutzen.
Wie haben sich dadurch die Abläufe und Abstimmungen mit den Beteiligten im Vergleich zu Projekten ohne BIM verändert?
Da uns eine gute und vor allem transparente Kommunikation mit allen Projektbeteiligten schon immer sehr wichtig war und die Grundlage für eine gute Planung bildet, ändert BIM nicht grundlegend alle Abläufe. Es kommen zusätzliche Abstimmungen, in denen sich ausschließlich auf das Modell konzentriert wird, wie z. B. die Koordinationssitzungen, hinzu. Der wesentliche Unterschied ist wohl, dass die Kommunikation modellbasiert erfolgt und das Modell als „single source of truth“ fungieren soll. Insbesondere geometrische Probleme werden schneller offensichtlich und können gemeinsam gelöst werden. Da alle Beteiligten nur geringe Erfahrungen mit BIM hatten, wurde hier fachdisziplinenübergreifend und sehr kollegial gearbeitet. Probleme, die beispielsweise beim Modellaustausch auftraten, wurden gemeinsam erörtert, und es wurde so lange an einer Lösung getüftelt, bis alle wieder arbeitsfähig waren. Diesen Teamgedanken über das eigene Büro hinaus fanden wir sehr bereichernd.
In welchen Teilbereichen haben die Abstimmungen besonders von BIM profitiert?
Die Koordination mit der Tragwerksplanung hat von Beginn an gut funktioniert. So konnte bereits in frühen Phasen, in denen das Modell noch nicht mit vielen Informationen angereichert war, eine genaue Abstimmung der Geometrie erfolgen. Ein großer Mehrwert war das exakte 3D-Modell auch bei der Abstimmung zwischen Architektur und technischer Gebäudeausrüstung. Die Technikflächen wurden auf ein absolut erforderliches Minimum reduziert. Hierzu war ein sehr genaues Modell der TGA-Leitungen erforderlich. Auch hinsichtlich der Durchbruchplanung kann eine hohe Genauigkeit erzielt werden, die insbesondere in Holzbauprojekten einen großen Mehrwert generiert.
Eine Weiternutzung des Modells durch die ausführenden Unternehmen, deren Software eine ganz andere Logik verfolgt, ist leider noch nicht möglich, aber von dem hohen Abstimmungsgrad konnte insbesondere im Holzbau profitiert werden. Hier war der Unternehmer im Zuge des kooperativen Verfahrens bereits frühzeitig involviert. Durch die frühe Integration des Holzbauers und die hohe Genauigkeit der Planung wurden Kollisionen in der Werkplanung des Holzbaus vermieden.
Die digitalen Modelle sollten auch für den digitalisierten Betrieb des Gebäudes genutzt werden. Von welchen Bereichen sprechen wir hier?
Bereits im Zuge der BIM-Beratung war eine Beratung zum Thema CAFM mit eingeschlossen. Ziel des Bauherrn war es, das Modell auch später für das Facility Management zu nutzen. Dass die wesentlichen Kosten eines Bauvorhabens nicht in der Errichtung, sondern im späteren Betrieb liegen, wurde hier bereits früh erkannt. Insbesondere Wartungsintervalle und die technischen Daten der verbauten Produkte, wie z. B. der Lüftungsgeräte, Leuchten, Türen etc., sollten erfasst werden. Im Zuge der Beratung hat sich der Bauherr für eine nachgelagerte Erfassung dieser Daten entschieden, um das Modell während des Planungsprozesses nicht mit unnötigen Daten zu überfrachten. Später sollten die Daten der tatsächlich verbauten Produkte nachgeführt werden. Derzeit wird noch die passende CAFM-Software gesucht, welche direkt auf das Modell zurückgreifen kann.
In welchem Umfang nutzen Sie BIM auch für andere Projekte? Wie ist Ihre Einschätzung: Wird BIM in naher Zukunft zum Standard-Tool werden?
Zunächst ist BIM in unserem Verständnis kein Tool, welches man in seinem Programm ergänzt, und damit ist man BIM-fähig. Es ist keine Software, sondern eine Methodik, die insbesondere auf transparente Kommunikation und Planung abzielt. Wir gehen davon aus, dass der Anteil der BIM-Projekte weiter zunimmt. Insbesondere bei öffentlichen Bauvorhaben wird es nicht mehr ohne funktionieren. Da die Digitalisierung in unserem Büro schon immer eine große Rolle spielte, ist es für uns selbstverständlich, die Fähigkeiten auch hinsichtlich BIM stetig zu erweitern. Hier sehen wir auch Chancen für Architekten, ihre klassische Rolle der Koordination zu stärken und zu erweitern. In den nächsten Projekten werden wir nicht nur Teil eines BIM-Teams sein, sondern die Gesamtkoordination übernehmen. Perspektivisch möchten wir uns auch in den anderen Bereichen noch breiter aufstellen, sodass wir unsere Bauherren umfassend beraten und begleiten können.
Das Gespräch führte Julia Ciriacy-Wantrup.