Softwareanwendung: Forschungsprojekt „BIM Effizienz“

Softwareanwendung: Forschungsprojekt „BIM Effizienz“

Kosten & Finanzierung

Softwareanwendung: Forschungsprojekt
„BIM Effizienz“

Text: Sascha Bahlau, Rebecca Schuhmacher, Anica Meins-Becker, Agnes Kelm, Felix Butenhof, Rasso Steinmann & Klaus Linhard | Foto (Header): © INTECPLAN

Die Methode des Building Information Modeling (BIM) ist in aller Munde und wird von vielen Akteuren im privaten und öffentlichen Bausektor bereits regelmäßig angewendet. Nichtsdestotrotz sind einige Baubeteiligte weiterhin skeptisch im Hinblick auf den tatsächlichen Gewinn durch die Umstellung auf die neue Arbeitsweise. Das Forschungsprojekt „BIM Effizienz“ möchte die Vorteile messbar machen.

Auszug aus:

Viele qualitative Vorteile der BIM-Methode wurden über die Jahre untersucht und kommuniziert, u. a. die Fehlerreduktionen und der stark reduzierte Aufwand von (sich wiederholenden) Auswertungen. Die qualitativen Vorteile sind außerdem Grundlage für Kernaussagen in staatlichen Programmen wie dem BIM-Stufenplan (2015) oder verschiedenen Masterplänen wie dem Masterplan BIM für Bundesbauten (2021). Ausschlaggebend für den Effizienzgewinn bei einer Projektdurchführung mit BIM sind jedoch nicht nur die qualitativen, sondern auch die quantitativen Vorteile. Im Forschungsprojekt „BIM Effizienz“ sollen diese Vorteile messbar  gemacht werden. Dabei wird der Fokus auf das Kostenmanagement gelegt, welches ein elementarer Bestandteil einer wirtschaftlichen Projektbetrachtung ist. Die Vorteile der Methode BIM im Bereich des Kostenmanagements wurden bisher international nur in geringem Maße und im deutschsprachigen Raum kaum untersucht. An dieser Stelle setzt das Forschungsvorhaben an.

Projektziel und Beteiligte

Ziel des Projekts ist es, eine Aussage darüber zu treffen, ob und inwiefern ein wirtschaftlicher Nutzen der BIM-Methode für das Kostenmanagement bestehen kann. Um dies herauszufinden, sollen aussagekräftige Werte für die Effizienz- und Effektivitätsunterschiede zwischen konventionellem und BIM-basiertem Vorgehen ermittelt werden, die diesen Nutzen quantifizieren.

Das Projekt wird als Antragsforschung seit Januar 2021 für das Bundesinstitut für Bau‑, Stadt- und Raumforschung (BBSR) bearbeitet und wird im Dezember 2022 fertiggestellt. Das Forschungsteam des Projekts besteht aus dem BIM-Spezialisten intecplan Essen GmbH & Co. KG (ehem. LIST Digital GmbH & Co. KG), der Weiterbildungsgesellschaft WWWG an der Bergischen Universität Wuppertal (BUW) und dem Institut für Angewandte Bauinformatik e. V. (iabi) an der Hochschule München.

Vorbereitung und Prozesse

Die zu ermittelnden Effizienz- und Effektivitätsunterschiede werden durch praktische Simulationen von konventionellen und BIM-basierten Prozessen aus dem Kostenmanagement durchgeführt. Anschließend werden die Ergebnisse paarweise verglichen und weiter ausgewertet. Der Versuchsaufbau, der für die Vergleichbarkeit erforderlich ist, besteht aus einem allgemeingültigen Teil und darauf aufbauenden Varianten. Der allgemeingültige Teil setzt sich aus verschiedenen Ebenen zusammen, die im Folgenden beschrieben werden.

Der Bereich des Kostenmanagements umspannt ein gesamtes Bauprojekt, wodurch eine umfassende Betrachtung den Rahmen dieses Projekts sprengen würde. Daher wurde zum einen aus der Sphäre der Bauverantwortlichen als erster Anwendungsfall die Kostenberechnung und als zweiter Anwendungsfall aus der Sphäre der Bauausführenden die Angebotskalkulation gewählt.

Als Nächstes wurde ein Standardprozessmodell entwickelt, welches den Kostenmanagementprozess in einer allgemeingültigen Form abbildet. Die modellierten Arbeitsweisen wurden dabei anhand von Experteninterviews verifiziert, sodass diese einem üblichen Vorgehen aus der Praxis entsprechen. Das Standardprozessmodell wurde bis zu einer Ebene modelliert, deren Detailtiefe den kleinsten gemeinsamen Nenner für alle Varianten bildet. Diese Ebene bildet die Vergleichsebene für die Ermittlung der Effizienz und Effektivität. Die einzelnen Software-spezifischen und von der konventionellen oder BIM-basierten Arbeitsweise abhängigen Varianten wurden jeweils als Unterprozesse der Vergleichsebene erarbeitet und modelliert. Da diese Varianten für verschiedene Softwares und jeweils konventionell und BIM-basiert sowie für Kostenberechnung und Angebotskalkulation entwickelt wurden, entsteht ein verzweigter Baum an Varianten (Abb. oben).

Als Grundlage für die Entwicklung der Varianten wurde der Markt der AVA-Softwares analysiert. Hersteller der gängigsten AVA- Softwares, die einen großen Teil des Marktes abbilden, wurden bezüglich ihrer Teilnahme angefragt. Sechs dieser AVA-Hersteller unterstützen seitdem das Projekt mit Lizenzen und Know-how (s. Abb. auf S. 48).

Im Rahmen der Prozessentwicklung ergaben die durchgeführten Experteninterviews, dass eine konventionelle Kostenberechnung in  der Praxis vorwiegend in Microsoft Excel und die Angebotskalkulation in der Regel auch konventionell bereits in AVA-Software umgesetzt wird. Daher werden die AVA-Softwares nicht für die Simulationen der konventionellen Kostenberechnung verwendet.

Um einen realistischen Ablauf simulieren zu können, wurde außerdem ein Referenzprojekt für ein reales Mehrfamilienhaus entwickelt. Grundlage dafür lieferten die Entwurfs- und Ausführungsunterlagen der B. Liesert Bauunternehmung. Basierend auf den Entwurfs– und Ausführungsplänen wurden entsprechende Bauwerksinformationsmodelle gemäß der Modellierungsrichtlinie der BUW erstellt (Abb. oben). Die Modellierungsrichtlinie der BUW* definiert Qualitätsstandards für Bauwerksinformationsmodelle der Architektur im Hochbau und gründet auf den praktisch angewendeten Modellierungsstandards verschiedener Unternehmen.

Für alle betrachteten Softwares wurden softwarespezifische Prozesse als Unterprozesse der Vergleichsebene sowie projektspezifische Leitfäden und Unterlagen erstellt, welche die Grundlage für eine standardisierte Simulation einer bestimmten Variante durch einzelne Teilnehmende bilden. Dabei wurde der Bearbeitungsumfang so abgesteckt, dass die Bearbeitung einer Variante in konventioneller und BIM-basierter Arbeitsweise in Summe nicht mehr als einen Arbeitstag in Anspruch nimmt, um im Rahmen der freiwilligen Teilnahme möglichst viele Teilnehmende zu gewinnen.

Für die Durchführung der Simulation wurden Teilnehmende mit unterschiedlichen Kenntnisständen aufgenommen. Für die Einordnung der Ergebnisse der Teilnehmenden wurde für die Simulationen ein Fragebogen entwickelt, um die jeweilige unterschiedliche Erfahrung bei der Bearbeitung der Aufgaben zu berücksichtigen. Der Kenntnisstand wird durch eine Selbstbewertung dokumentiert und für die abschließende Auswertung und Gewichtung der Einzelergebnisse verwendet.

Das Standardprozessmodell verzweigt sich bis zu den einzelnen Varianten mit konventioneller oder BIM-basierter Anwendung der einzelnen AVA-Softwares
ABBILDUNG: INTECPLAN

Dieses Bauwerksinformationsmodell für die Angebotskalkulation wurde auf Basis der Ausführungspläne des Referenzprojekts erstellt. Ein weiteres Modell mit niedrigerem Detailgrad existiert für die Kostenberechnung.
ABBILDUNG: BERGISCHE UNIVERSITÄT WUPPERTAL

Simulationen zur Ermittlung der BIM-Effizienz

Für die Durchführung einer Simulation werden die Teilnehmenden jeweils der Kostenberechnung oder Angebotskalkulation zugeordnet und bearbeiten dort sowohl die konventionelle als auch die BIM-basierte Variante einer Software. Die Termine der Simulationen finden aufgrund der pandemischen Umstände nicht vor Ort statt. Die Teilnehmenden greifen via Remote-Steuerung auf einen vorbereiteten PC zu, auf dem die erforderlichen Softwares installiert und die Projektunterlagen sowie Arbeitsvorlagen abgelegt sind. Die Simulationen werden in Begleitung eines Experten des Forschungsteams durchgeführt, welcher für die gesamte Dauer der Simulation für technische und inhaltliche Fragen per Videocall zur Verfügung steht.

Teil der Absicherung für einen möglichst reibungslosen Ablauf der Simulationen waren erste Durchführungen im Vorfeld mit Studierenden der BUW. Die Prozesse sollten so validiert und mögliche Unstimmigkeiten rechtzeitig behoben werden. Währenddessen wurden für die weiteren Simulationen berufstätige Teilnehmende über öffentliche und persönliche Kanäle gewonnen.

Auswertung der Simulationen

Aktuell ist über die Hälfte der geplanten Simulationen abgeschlossen. Auf Basis dieser noch ungefilterten, ungewichteten Rohdaten lassen sich noch keine belastbaren Zahlen nennen, jedoch kann bereits ein Eindruck von der ungefähren Größenordnung der Zeitdifferenzen gewonnen werden. Aus diesen Rohdaten werden nach Abschluss der Simulationen die Effizienz- und Effektivitätsunterschiede berechnet. Dabei werden die Teilnehmenden und Softwares anonymisiert. Ziel ist es, das Spektrum der Ergebnisse zu betrachten und keine einzelnen Personen oder Produkte miteinander zu vergleichen.

Eine vereinfachte Auswertung der aktuellen Rohdaten in Form von Mittelwerten und Abweichungen zeigt eine deutliche Differenz zwischen den Zeitaufwänden der konventionellen und BIM-basierten Arbeitsweise: In BIM-basierter Arbeitsweise werden für die  Kostenberechnung 61 % und für die Angebotskalkulation 65 % der Zeit gegenüber der konventionellen Arbeitsweise benötigt (Abb. links).

Für die Ermittlung der BIM-Effizienz ist jedoch nicht nur die Bearbeitungsdauer, sondern auch die Qualität der Ergebnisse, speziell der Mengenberechnung, relevant. Eine schnellere Bearbeitung bei entsprechendem Verlust von Qualität ist kein Effizienzgewinn. Die Auswertung der Mengen der berufstätigen Teilnehmenden in der konventionellen Angebotskalkulation zeigt bereits visuell größere Abweichungen der Ergebnisse in Bezug auf eine Musterlösung (Abb. oben), was bei einer händischen Mengenermittlung zu erwarten ist. Die mittleren absoluten Abweichungen liegen bei jeweils 18 % für die konventionelle und 9 % für die BIM-basierte Angebotskalkulation. Die Mittelwerte der Mengengenauigkeit liegen bei 104 % (konventionell) und 98 % (BIM-basiert) und deuten somit auf eine Steigerung der Effizienz durch eine kürzere Dauer bei gleichbleibender Qualität hin.

Vergleich der bisherigen mittleren Ergebnisse der Zeitmessungen für die berufstätigen Probanden in allen Softwarevarianten. Die Darstellung erfolgt relativ zum jeweiligen konventionellen Ergebnis.
ABBILDUNG: INTECPLAN

Vergleich der konventionellen (links) und der BIM-basierten (rechts) Mengen für die Angebotskalkulation. Die Werte sind die Ergebnisse relativ zur Musterlösung.
ABBILDUNG: INTECPLAN

Weiteres Vorgehen

Die bisherigen Ergebnisse sollen durch weitere Simulationen ergänzt werden. Grund dafür sind zum einen die Verbesserung der Reliabilität der Ergebnisse und zum anderen ein Ausgleich der bisherigen Verteilung auf Anwendungsfälle und Softwares. Der sehr hohe Anteil bestimmter AVA-Software in den bisherigen Simulationen wurde durch die Suche von weiteren Teilnehmenden für die bislang unterrepräsentierten Software ausgeglichen. Diese ergänzenden Simulationen laufen derzeit.

Die Ergebnisse der Simulationen fließen in die Auswertung ein, welche neben einer vereinfachten Auswertung, die zuvor beschrieben wurde, auch eine statistische Verallgemeinerung der Ergebnisse anstrebt. Aus den Resultaten einer verallgemeinerten Auswertung sollen letztendlich Informationen in Form von verlässlichen Kennwerten zur Verfügung stehen, die einen Beitrag zur Akzeptanz und Berechenbarkeit des effizienten Arbeitens mit der BIM-Methode liefern sollen

Die Autoren


M. A. Sascha Bahlau
(Projektleiter), Geschäftsführer intecplan Essen GmbH & Co. KG

B. Eng. Rebecca Schuhmacher
BIM-Managerin, intecplan Essen GmbH & Co. KG

Apl.-Prof. Dr.-Ing.-habil. Anica Meins-Becker,
Leiterin BIM-Institut, Bergische Universität Wuppertal

M. Sc. Agnes Kelm
Leiterin BIM-Labor, Bergische Universität Wuppertal

M. Sc. Felix Butenhof
Wissenschaftlicher MA und Entwicklungsingenieur, Bergische Universität Wuppertal, LIST AG

Prof. Dipl.-Ing. Rasso Steinmann
Institutsleiter und Professor für Bauinformatik, Institut für Angewandte Bauinformatik e. V.

Dipl.-Ing. Klaus Linhard
Senior Researcher, Institut für Angewandte Bauinformatik e. V.

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